Aktenzeichen 12 K 1967/14
Leitsatz
1. Eine durch den Ehevertrag erfolgte unentgeltliche Begründung einer Gütergemeinschaft ist als unentgeltliche Aufnahme i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG zu qualifizieren, wenn zum Gesamtgut ein Unternehmen gehört.
2. Durch die unentgeltliche Aufnahme wird ein Grundstück soweit es zuvor im landwirtschaftlichen Einzelunternehmen des Ehemannes Betriebsvermögen war auch Betriebsvermögen der Ehegatten-Mitunternehmerschaft.
3. Als schlüssige Entnahmehandlung ist eine bloße Nutzungsänderung landwirtschaftlich genutzter Flächen nur dann anzuerkennen, wenn das Grundstück damit notwendiges Privatvermögen geworden ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Das Finanzamt hat zu Recht im Gewinn aus Land- und Fortwirtschaft 2004 der Ehegatten-Mitunternehmerschaft der Kläger den strittigen Entnahmegewinn aus der Flur-Nr. 919/65 berücksichtigt.
a) Die Kläger waren in der Zeit ab […] Oktober 2004 bis zur Übertragung der Landwirtschaft auf den Sohn Mitunternehmer; die Klägerin wurde vom Kläger unentgeltlich in sein Einzelunternehmen aufgenommen.
Als Fall der unentgeltlichen Aufnahme i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG ist die – im Streitfall durch den Ehevertrag vom […] Oktober 2004 vorliegende – unentgeltliche Gründung einer Gütergemeinschaft zu qualifizieren, wenn zum Gesamtgut ein Unternehmen gehört (Gratz/Uhl-Ludäscher in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1260 [Sept. 2015]; Korn/Strahl/Bodden in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 475.2 [Dez 2016]).
Durch die unentgeltliche Aufnahme ist das Grundstück Flur-Nr. 919 (nebst der im Streitjahr entnommenen Teilflächen) soweit es zuvor im landwirtschaftlichen Einzelunternehmen des Klägers Betriebsvermögen war auch Betriebsvermögen der Ehegatten-Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 7 EStG) geworden.
b) Die strittige Teilfläche Flur-Nr. 919/65 war bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags im landwirtschaftlichen Einzelunternehmen des Klägers (ebenso wie die weiteren Teilflächen Flur-Nr. 919/61, 919/62 und 919/66) Betriebsvermögen.
aa) Zu Recht sind sich die Beteiligten im Streitfall darüber einig, dass das Grundstück Flur-Nr. 919 hinsichtlich der seit 1958 an die Gemeinde verpachteten Teilfläche seine Eigenschaft als Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers seit dem Zeitpunkt des Pachtvertrages verloren hat.
bb) Die verpachtete Teilfläche des Grundstücks Flur-Nr. 919/65 ist jedoch nicht – wie die Kläger meinen – ein Wirtschaftsgutes des notwendigen Privatvermögens des Klägers geworden.
Verlieren landwirtschaftlich genutzte Grundstücke durch eine Nutzungsänderung ihre Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen, ohne jedoch durch diese Nutzungsänderung notwendiges Privatvermögen zu werden, so blieben sie ohne ausdrückliche Entnahmehandlung (oder einen entsprechenden Rechtsvorgang) bei nichtbuchführenden Landwirten auch vor dem Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, der durch das Gesetz zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25.Juni 1980 (BGBl I 1980, 732, BStBl I 1980, 400) in § 4 Abs. 1 EStG eingefügt wurde, landwirtschaftliches Betriebsvermögen (BFH-Urteil vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448). Als schlüssige Entnahmehandlung ist eine bloße Nutzungsänderung landwirtschaftlich genutzter Flächen jedoch nur dann anzuerkennen, wenn das Grundstück damit notwendiges Privatvermögen geworden ist (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1992 IV R 115/91, BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342; vom 24. Juni 2009 IV R 47/06, BFH/NV 2010, 181, Rn. 15).
Dazu reicht eine Verpachtung einer landwirtschaftlichen Teilfläche an die Gemeinde als Spielplatz nicht aus. Denn bei Grundstücken, die zuvor zum notwendigen Betriebsvermögen gehörten, kann eine Nutzungsänderung dann zu gewillkürtem Betriebsvermögen führen, wenn eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung noch möglich ist. Solche Grundstücke bleiben – wie sich aus dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr (2004) geltenden Fassung ergibt – bis zu einer Entnahme gewillkürtes (geduldetes) Betriebsvermögen, sofern nicht die Nutzungsänderung einen Umfang annimmt, durch den sich der Charakter des landwirtschaftlichen Betriebes verändert und die Vermögensverwaltung die landwirtschaftliche Betätigung verdrängt (BFH-Urteile vom 14. Mai 2009 IV R 44/06, BFHE 225, 367, BStBl II 2009, 811, Rn. 28 m.w.N.; vom 24. März 2011 IV R 46/08, BFHE 233, 162, BStBl II 2011, 692, Rn. 21).
c) Diese Einschätzung des Senats, dass die Nutzung der verpachteten Fläche (der später entstandenen Teilfläche Flur-Nr. 919/65) als Spielplatz nicht dazu führt, dass diese Teilfläche zum notwendigen Privatvermögen wird, wird auch durch die BFH-Rechtsprechung geteilt, nach der auch die Verpachtung von Betriebsflächen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs an einen Golfclub nicht zu einer Zwangsentnahme führt, wenn eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung nach Ablauf des Pachtvertrages nicht ausgeschlossen ist. Auf den Anteil der verpachteten Flächen an der Gesamtbetriebsfläche kommt es in einem solchen Fall nicht an. Schließt die Verpachtung landwirtschaftlicher Grundstücke eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung nach Ablauf des Pachtvertrages nicht aus, führt auch die Nutzung der verpachteten Flächen durch den Pächter zu außerland- und außerforstwirtschaftlichen Zwecken nicht zu einer Zwangsentnahme (so etwa BFH-Beschluss vom 3. Mai 2007 IV B 79/06, BFH/NV 2007, 2084). Land- und Forstwirte können nur solche Wirtschaftsgüter zu gewillkürtem Betriebsvermögen machen, deren Nutzung in der Land- und Forstwirtschaft möglich ist. Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wesensfremd sind und denen eine eindeutige sachliche Beziehung zum Betrieb fehlt, kommen dafür nicht in Betracht (BFH-Urteile vom 24. Januar 2008 IV R 45/05, BFHE 220, 366, BStBl II 2009, 449 unter II.2.b der Gründe, m.w.N.; vom 14. Mai 2009 IV R 44/06, BFHE 225, 367, BStBl II 2009, 811, Rn. 27). Da bei einem Spielplatz aber immer die landwirtschaftliche Nutzung leicht wieder hergestellt werden kann, hat die Verpachtung also nicht zu einer Zwangsentnahme geführt. Die Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Nutzung wird im Streitfall sogar noch dadurch erleichtert, dass nach dem zweiten Pachtvertrag vom […] die Gemeinde sogar nach dem Wahlrecht des Klägers verpflichtet war, die Sportzwecken dienenden Anlagen zu beseitigen.
d) Zuvor landwirtschaftlich genutzte Grundstücke bleiben auch nach einer Nutzungsänderung, die sie nicht zu notwendigem Privatvermögen werden ließ, ohne eindeutige Entnahmehandlung landwirtschaftliches Betriebsvermögen, ohne dass es dafür auf die Gewinnermittlungsart ankommt (so bereits BFH-Urteil vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448). Daran hat der BFH in ständiger Rechtsprechung festgehalten (BFH-Urteil vom 14. Mai 2009 IV R 44/06, BFHE 225, 367, BStBl II 2009, 811, Rn. 35 m.w.N.). Die Auffassung der Kläger, dass die vom Finanzamt zitierte BFH-Rechtsprechung nur auf bilanzierende Land- und Forstwirte anwendbar sei, ist somit unzutreffend.
Zwar ist die Auffassung der Kläger zutreffend, dass nach der alten BFH-Rechtsprechung Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens versagt war (vgl. nur BFH-Urteile vom 13. März 1964 IV 158/61 S, BFHE 79, 605, BStBl III 1964, 455 und vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, 22, BStBl II 1983, 101) und erst im Jahr 2003 nach einer Änderung der Rechtsprechung auch bei Einnahmeüberschussrechnungen die Kategorie des gewillkürten Betriebsvermögens für zulässig erachtet wurde (BFH-Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03, BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985). Aus dieser Entwicklung der Rechtsprechung folgt aber nicht, dass in einem Betrieb, der seinen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung ermittelt hat, die Wirtschaftsgüter, die in dem Zeitraum bis 2003 den Status des notwendigen Betriebsvermögens verloren hatten, zu Privatvermögen geworden sind, da der Status des gewillkürten Betriebsvermögens in dieser Zeit (wegen der Art der Gewinnermittlung) für unzulässig erachtet wurde. Die BFH-Rechtsprechung hat für diese Wirtschaftsgüter – wie dargestellt – den Status des geduldeten Betriebsvermögens (vgl. BFH-Urteile vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87; vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448; vom 9.Januar 1964 IV 274/63 U, BFHE 78, 243, BStBl III 1964, 97) reserviert.
e) Die Einführung der Bodengewinnbesteuerung ab 1. Juli 1970 führte auch nicht dazu, dass Grundstücke, die zuvor in Folge einer Nutzungsänderung vom notwendigen zu gewillkürtem, geduldeten Betriebsvermögen geworden waren, nur aufgrund einer erneuten Widmung Betriebsvermögen bleiben konnten (BFH-Urteil vom 14. Mai 2009 IV R 44/06, BFHE 225, 367, BStBl II 2009, 811, Rn. 31).
aa) Zum einen fehlt es im Streitfall an einer Entnahmehandlung nach diesem Zeitpunkt 1. Juli 1970 hinsichtlich der späteren Teilfläche Flur-Nr. 919/65.
Im Klarstellungsverfahren wurden nur die 10.100 qm als Fußballfeld dem Privatvermögen zugeordnet und das Finanzamt hat in seinem Schreiben vom 9. Juli 1999 (BNV-Handakte I Bl 176) auch nur darüber entschieden, dass diese 10.100 qm aus dem Betriebsvermögen entnommen und in das Privatvermögen überführt worden sind. Der weitere Rest des Grundstücks Flur-Nr. 919 blieb damit weiter Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens.
Die Berechnungen des Finanzamts, in welchem Umfang das Grundstück Flur-Nr. 919 zum Privatvermögen wurde und in welchem Umfang es im Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers blieb, sind somit nicht zu beanstanden. Daraus folgt dann aber auch, dass die später entstandene Grundstücksfläche Flur-Nr. 919/65 nicht in den im Klarstellungsverfahren zum Privatvermögen entnommenen 10.100 qm gezählt hat. Zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen im Oktober 2004 zählte eine Teilfläche von 11.724 qm aus dem Grundstück Flur-Nr. 919.
bb) Dass diese Berechnungen und Überlegungen des Finanzamts zutreffend sind, wird auch durch die Angaben im Bescheid vom 3. April 1978 im Feststellungsverfahren gemäß § 55 Abs. 5 EStG bestätigt.
Bei diesem Bescheid im Feststellungsverfahren nach § 55 Abs. 5 EStG können ähnlich wie beim einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren die festgestellten Besteuerungsgrundlagen selbständig angefochten werden, also nicht nur hinsichtlich der Höhe, sondern auch dem Grunde nach. Das bedeutet, dass dann auch der Einwand geprüft wird, bei dem Grund und Boden handle es sich nicht um Betriebsvermögen im oben dargestellten Sinne. Das Finanzamt hat dann im Falle der Begründetheit dieses Einwandes einen Bescheid (oder eine Einspruchsentscheidung) zu erlassen mit der Feststellung, dass ein Teilwert nach § 55 Abs. 5 EStG nicht festzustellen ist oder die erfolgte Feststellung des Teilwerts wieder aufgehoben wird, weil der betreffende Grund und Boden nicht Teil des Betriebsvermögens ist (BFH-Urteil vom 12. Juli 1979 IV R 55/74, BFHE 128, 527, BStBl II 1980, 5, Rn. 24).
Vom Inhalt dieses Feststellungsbescheides ausgehend (BNV-Handakte I Bl 44) steht für den erkennenden Senat fest, dass aus dem Grundstück Flur-Nr. 919 zum 1. Juli 1970 eine Teilfläche von 22.227 qm zum Betriebsvermögen gezählt haben muss. Demgemäß sind – ausgehend von den zwischen den Beteiligten unstrittigen Abgängen von Teilflächen – auch die vom Finanzamt angenommenen Teilflächen von 11.724 qm zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Gütergemeinschaft Betriebsvermögen des Klägers gewesen und damit auch zum Betriebsvermögen der landwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft zwischen Kläger und Klägerin geworden.
2. Der Entnahmegewinn aus der Teilfläche Flur-Nr. 919/65 beträgt 202.167,60 €.
Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG ist der Rechtsnachfolger an die in § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Werte gebunden (sog. Fußstapfentheorie; Korn/Strahl/Bodden in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 476.2 [Dez 2016]). Zu Recht sind sich deshalb die Beteiligten ausgehend von den Buchwerten und den im Gutachten vom März 2009 festgelegten Teilwerten über die Höhe der aufgedeckten stillen Reserven einig […]. Für die Teilfläche Flur-Nr. 919/65 ist deshalb ein Entnahmegewinn von 202.167,60 € im laufenden Gewinn 2004 zu berücksichtigen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).