Aktenzeichen S 50 AS 278/17 ER
SGB II SGB II § 37
Leitsatz
Werden Leistungen nur auf Antrag erbracht, dann fehlt einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn zuvor kein Leistungsantrag gestellt worden ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob der Antragsteller gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seit August 2016 hat.
Der 1955 geborene Antragsteller, der mit Unterbrechungen seit vielen Jahren im Leistungsbezug steht, beantragte am 14.09.2016 beim Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II für sich und seine Ehefrau (Bl. 100 ff. der Verwaltungsakte).
Der Antragsgegner lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 20.09.2016. Er begründete dies damit, dass keine entsprechende Vorsprache seitens des Antragstellers erfolgt sei. Dem dagegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers vom 04.10.2016 entsprach der Antragsgegner mit Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren vom 19.10.2016 (Bl. 139 der Verwaltungsakte) in vollem Umfang. Der Antragsgegner hob den angefochtenen Bescheid vom 30.09.2016 auf, wies zugleich aber darauf hin, dass eine weitere Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 19.10.2016 (Bl. 140 der Verwaltungsakte) forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 02.11.2016 fehlende Unterlagen einzureichen. Dem kam der Antragsteller nicht nach. Mit Bescheid vom 04.11.2016 versagte der Antragsgegner dem Antragsteller und den Mitliedern seiner Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.09.2016 ganz. Hinsichtlich der Begründung des Versagungsbescheids wird auf Bl. 141 f. verwiesen. Der Bescheid enthält folgende Rechtsbehelfsbelehrung: „Gegen diesen Bescheid kann jeder Betroffene oder ein von diesem bevollmächtigter Dritter innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben. […] Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Stelle einzulegen.“ Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit, dass geprüft werde, ob die Leistungen nachträglich erbracht werden können, wenn der Antragsteller die fehlenden Unterlagen einreiche.
Am 25.11.2016 legte der Antragsteller ein auf den 16.10.2016 datiertes Schreiben vor, hinsichtlich dessen Inhalt auf Bl. 143 der Verwaltungsakte verwiesen wird.
Daraufhin teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 01.12.2016 (Bl. 145 der Verwaltungsakte) mit, dass es beim Versagungsbescheid vom 04.11.2016 bleibe, da außer der Frage nach dem Lebensunterhalt des Antragstellers von März bis Juni 2016 die Punkte des Schreibens vom 19.10.2016 weiterhin ungeklärt seien. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass sich gemäß § 21 SGB X die Behörde der Beweismittel bedient, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
Ein Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 04.11.2016 wurde nicht eingelegt.
Der Antragsteller stellte beim Antragsgegner auch keinen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.
Am 08.02.2017 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Hinsichtlich der Begründung wird auf Bl. 1 ff. und 43 der Verwaltungsakte verwiesen.
Antragsgegner eingegangen sei.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm umgehend Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab August 2016 zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten des Gerichts und des Antragsgegners verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG führt nicht zum Erfolg.
Der Antrag, mit dem der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seit August 2016 begehrt, ist bereits unzulässig. Denn der Antragsteller hat für den Monat August 2016 keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner gestellt, der Bescheid vom 04.11.2016, mit dem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.09.2016 ganz versagt wurden, ist bestandskräftig und der Antragsteller hat seitdem keinen weiteren Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner gestellt.
Nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Da kein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt und der Antragsteller eine Erweiterung seiner Rechtsposition anstrebt, begehrt er eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.
Dieser Antrag ist aber unzulässig.
Teilweise fehlt es mangels Antrags auf Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf einstweilige Anordnung besteht in der Regel nur, wenn sich der Antragsteller zuvor an die Verwaltung gewandt und einen Antrag auf die Leistung gestellt und die normale Bearbeitungszeit abgewartet hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 26b).
An dieser Stelle wird der Antragsteller noch einmal darauf hingewiesen, dass Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag erbracht werden, wobei der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt, § 37 SGB II. Der Antrag ist beim zuständigen Leistungsträger zu stellen, § 16 SGB I.
Im Übrigen, also soweit der Antragsteller am 14.09.2016 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt hat, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aufgrund des bestandskräftigen Versagungsbescheids vom 04.11.2016 unstatthaft.
Ausgehend vom Streitgegenstand eines Anordnungsverfahrens, im Eilverfahren zu prüfen, inwieweit dem Antragsteller für einen Zwischenzeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eine bestimmte Rechtsposition zusteht, kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung nicht geltend gemacht werden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. April 2016 – L 7 AS 160/16 B ER -, Landessozialgericht für das Saarland, Beschluss vom 11. August 2005 – L 9 B 4/05 AS -, Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 26d). Es gibt kein offenes „streitiges Rechtsverhältnis“ im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, das das Gericht vorläufig regeln könnte.
Da der Antragsteller gegen den Versagungsbescheid vom 04.11.2016, der eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung:enthält, keinen Widerspruch erhoben hat, ist das Verwaltungsverfahren bestandskräftig beendet, § 77 SGG.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.