Aktenzeichen 15 V 2627/18
Leitsatz
Tenor
1. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2013 vom 3. August 2018 wird in Höhe von 37.849,24 € für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Der zulässige Antrag ist begründet.
1. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO, soweit das FA im ESt-Bescheid 2013 einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 90.468 € gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angesetzt hat.
Die Rechtsmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei überschlägiger Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen eine Unklarheit in der Beurteilung von Tatsachen oder eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 18. Mai 2001 VIII B 25/01, BFH/NV 2001,1119). Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756).
2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bei summarischer Prüfung durch den beschließenden Senat erfüllt.
a) Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschafsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Als Anschaffung gilt auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe (§ 23 Abs. 1 Satz 2 EStG). Im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bilden Grund und Boden einerseits sowie aufstehendes Gebäude andererseits selbständige Wirtschaftsgüter (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 1989 X R 4/84, BStBl II 1989, 652).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze sind bei der gebotenen summarischen Prüfung anhand der präsenten Beweismittel die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG schon nicht erfüllt.
Die Antragsteller erwarben am 25. April 2003 ein (anteiliges) Grundstück samt Eigentumswohnung in der E-Straße 27 in München. Gebäude (bzw. eine Eigentumswohnung) sind selbst bei Anschaffung nicht isoliert zu erfassen („sind einzubeziehen“ vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 2. HS EStG). Das wirtschaftlich identische Grundstück veräußerten die Antragsteller erst nach Ablauf von zehn Jahren seit dieser Anschaffung, nämlich am 26. November 2013.
Entgegen der Auffassung des FA hat der Senat erhebliche Zweifel, dass der streitige Teil der Eigentumswohnung (18,04% der Gesamtfläche, von den Beteiligten als Arbeitszimmer bezeichnet) ein selbständiges Wirtschaftsgut i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 2 insbesondere i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG – Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken – sein kann mit der Folge, dass für diesen Teil der Wohnung ein eigener Fristlauf beginnt.
Denn der BFH konkretisiert in seiner Entscheidung vom 19. Juli 1983 VIII R 161/82, BStBl II 1984, 26, unter welchen Voraussetzungen eine Veräußerung von Teilen eines einheitlich angeschafften Wirtschaftsguts (hier Grundstück samt Eigentumswohnung) den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts erfüllen kann. Er führt aus, dass die Identität eines aufgeteilten oder aufzuteilenden (so in der Konsequenz nach Auffassung des FA) Wirtschaftsguts in den Teilen erhalten bleibt, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Das ist allgemein für Wirtschaftsgüter anzunehmen, die durch bloßen Rechtsakt, ggf. verbunden mit einer Vermessung, geteilt werden und weiterhin verkehrsfähig bleiben. Beispielshaft führt der BFH aus, dass dies bei der Aufteilung eines unbebauten Grundstücks in Parzellen oder bei der Aufteilung eines Gebäudegrundstücks in Eigentumswohnungen sein kann. Bei einem anteiligen Grundstück betreffend einen Raum einer Eigentumswohnung – wie im Streitfall ein Arbeitszimmer – liegt nach Meinung des Senats bei überschlägiger Prüfung hingegen keine Marktgängigkeit bzw. Verkehrsfähigkeit weder dieses Teils noch des übrigen Teils der Eigentumswohnung vor. Für diese Auffassung spricht auch die Aussage des BFH, wonach im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Grund und Boden einerseits sowie aufstehendes Gebäude andererseits selbständige Wirtschaftsgüter bilden (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 1989 X R 4/84, BStBl II 1989, 652).
Nach Auffassung des Senats begann daher bei summarischer Prüfung für den im Jahr 2006 ins Privatvermögen übernommenen Anteil der Eigentumswohnung der Antragsteller diesbezüglich keine separate Frist i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zu laufen. Das Grundstück ist vielmehr in seiner Gesamtheit in Bezug auf den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zu betrachten.
Dem vom FA zitierten Urteil des FG Münster vom 28. August 2003 11 K 6243/01 E lässt sich bei summarischer Prüfung nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr spricht dieses Urteil gerade gegen die Auffassung des FA indem es – wie die Antragsteller zu Recht vortragen – in Rz. 31 am Ende formuliert, dass bei einem Veräußerungsgeschäft bei Grundstücken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG u.a. Gebäude bzw. Eigentumswohnungen einzubeziehen seien und ein solches Veräußerungsgeschäft den Arbeitszimmerbereich mitumfasse.
Auch der Hinweis des FA auf das Schreiben des BMF vom 5. Oktober 2000 geht bei summarischer Prüfung ins Leere. Dass ein anteiliges Grundstück betreffend einen Teil einer Eigentumswohnung ein derartiges Grundstück sein kann, dazu trifft dieses Schreiben soweit ersichtlich keine Aussage. Überdies bezieht sich das BMF in seinem Schreiben in Rz. 21 darauf, dass ein häusliches Arbeitszimmer nicht Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG diene. Auf diese Frage kommt es jedoch – vgl. oben – im Streitfall nicht an.
c) Die Berechnung der auszusetzenden Steuer ergibt sich wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen (lt. Bescheid)
… €
zu versteuerndes Einkommen (lt. AdV)
… €
ESt nach Splittingtarif (lt. Bescheid)
… €
ESt nach Splittingtarif (lt. AdV)
… €
auszusetzender Betrag
37.998 €
Die Antragsteller haben ausweislich des Schriftsatzes vom 30. Oktober 2018 den Antrag auf AdV lediglich auf 37.849,24 € beziffert, worüber der Senat nicht hinausgehen kann.“
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.