Steuerrecht

Verdeckte Gewinnausschüttung, Darlehensverträge, Teilwertabschreibung, Darlehensgewährung, Bundesfinanzhof, BFH-Urteil, Eidesstattliche Versicherung

Aktenzeichen  7 K 786/16

Datum:
11.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GmbH-Stpr – 2019, 218
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist, ob die Teilwertabschreibung einer Darlehensforderung eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt und zu welchem Zeitpunkt sie bilanziell zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. August 2004 mit einem Grundkapitel von 50.000 € gegründet worden ist. Gegenstand ihres Unternehmens ist Unternehmensberatung. Gründungsgesellschafterin durch Übernahme sämtlicher Aktien gegen Bareinlage war I. Zum alleinigen vertretungsberechtigten und vom Verbot der Selbstkontrahierung befreiten Vorstand der neu gegründeten Aktiengesellschaft wurde H, der Vater der Alleinaktionärin, berufen. In dieser Funktion war er seit Gründung der AG bis zum 10. März 2011 sowie erneut in der Zeit vom 2. August 2012 bis 8. April 2014 tätig. Im Zeitraum vom 10. März 2011 bis 2. August 2012 sowie erneut seit 8. April 2014 wurde bzw. wird die Stelle des alleinigen Vorstands der AG von M, dem Sohn des ehemaligen Vorstands H, bekleidet.
Mit mündlicher Vereinbarung vom 23. August 2004, die mit Verwaltungsvertrag vom 3. Juni 2015 schriftlich fixiert wurde, hatte sich I bereit erklärt, ihre als Gründerin übernommenen Inhaberaktien in Höhe von 50.000 € als Verwalterin für H zu halten. Die Übernahme der Aktien erfolgte nach außen hin im eigenen Namen des Halters, im Innenverhältnis aber für Rechnung des Eigentümers (H). Hinsichtlich der weiteren Vereinbarungen wird auf den Vertrag vom 3. Juni 2015 verwiesen.
In seiner Funktion als alleiniger Vorstand der Klägerin hatte H am 1. September 2004 mit der Klägerin zwei Verträge über die „Vereinbarung zur Nutzung von bestehenden Beratungskunden, Kontakten und Adressdaten“ sowie eine „Nutzungs- und Lizenzvereinbarung“ abgeschlossen. Vertragsgegenstand war zum einen die Überlassung geschäftlicher Kontaktdaten sowie zum anderen die Nutzung der von H entwickelten Beratungsprodukten sowie dessen Knowhows. Weiterhin enthalten die beiden Verträge so genannte WettbewerbsverbotsGeheimhaltungsklauseln. Dabei verpflichteten sich die beiden Vertragspartner gegenseitig, die vertragsgegenständlichen Kontaktdaten bzw. Beratungsprodukte keinem anderen Wettbewerber (Beratungsfirma oder Einzelberater) zur Verfügung zu stellen bzw. diesem zur Nutzung (auch nicht anteilig) zu überlassen. Als Entgelt für die Nutzung von bestehenden Beratungskunden, Kontakten und Adressdaten wurde ein Betrag von 100.000 € vereinbart, der ab dem Jahr 2004 gestaffelt bezahlt werden musste. Der Wert der Lizenzen wurde mit 300.000 € festgelegt und sollte von der Klägerin jährlich in Höhe von 20% des Wertes an H gezahlt werden, sofern ein Umsatzvolumen von mehr als 500.000 € erreicht würde, andernfalls sollte er gestundet werden. Hinsichtlich der weiteren Vereinbarungen wird auf die Verträge vom 1. September 2004 verwiesen. Die vertraglich festgelegten Jahresumsatzgrenzen wurden weder im Gründungsjahr noch in den Folgejahren bis einschließlich 2014 erreicht.
Außerdem hatte H ebenfalls am 1. September 2004 mit der Klägerin einen Darlehensvertrag abgeschlossen, der ihn berechtigen sollte, ein Darlehen, das der Höhe nach nicht bezeichnet worden war, im Rahmen eines internen Verrechnungskontos zu nutzen, wobei Entnahmen diesem Konto zugebucht und Einzahlungen oder Barauslagen des Darlehensnehmers für die Klägerin diesem Konto gutzuschreiben waren (§ 1 des Darlehensvertrages vom 1. September 2004). Außerdem wurde eine Verzinsung von 5 v. H. jährlich (§ 2) sowie eine Laufzeit von vorerst 8 Jahren (§ 3), d.h. bis zum Ende des Jahres 2012 vereinbart, wobei der Darlehensvertrag zu Gunsten der Klägerin jedoch ein vorheriges Kündigungsrecht mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende in voller Höhe oder in Teilbeträgen vorsah. Auf Seiten des Darlehensnehmers war ein jederzeitiges Rückzahlungsrecht vereinbart, ansonsten enthielt der Vertrag keine Regelungen über die Rückführung der Forderungen. Die Klägerin verzichtete auf die Stellung von Sicherheiten (vgl. § 4 Darlehensvertrag). Die Darlehensforderungen wurden von der Klägerin in den Bilanzen auf die Stichtage 31. Dezember 2004 bis zuletzt auf den 31. Dezember 2010 jeweils mit den Nennwerten (Nominalbeträgen) ausgewiesen.
Am 5. Oktober 2009 legte H eine eidesstattliche Versicherung ab und gab sein Vermögen mit einem Bargeldbestand von 800 € und einem Bankguthaben von 350 € an. Am 9. Juni 2011 wurde das Privatinsolvenzverfahren über das Vermögen des H eröffnet, nachdem am 2. Mai 2011 ein Gläubiger und am 27. Mai 2011 der Insolvenzschuldner einen (Eigen-)Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatten. Im Schlussbericht zum Insolvenzverfahren vom 17. Januar 2013 waren zur Tabelle angemeldete Forderungen über insgesamt 3.358.388,23 € aufgeführt. In seinem Eigenantrag vom 27. Mai 2011 gab H ein monatliches Einkommen aus seiner Tätigkeit bei der Klägerin von 1.500 € (brutto) an. Das Arbeitseinkommen war wegen Steuerschulden über 550.000 € mit Pfändungsverfügung des Finanzamts ZZZ Abteilung Erhebung vom 10. August 2007 gepfändet worden. Seine Verbindlichkeiten zum 31. Dezember 2010 erklärte er in Höhe von insgesamt 3.240.523 €. In diesem Betrag enthalten waren unter anderem Verbindlichkeiten aus einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts München vom 26. April 2005 gegenüber der … GmbH über Verbindlichkeiten von 307.324,76 € nebst Zinsen seit dem 16. April 2003 und Verbindlichkeiten aus einem Haftungsbescheid vom 17. März 2004 über 99.222,64 € (Hauptforderung) des Finanzamts München. Die Verbindlichkeiten resultieren aus einer früheren selbständigen Tätigkeit des H (vgl. Bericht zur Gläubigerversammlung vom 29. August 2011). Mit Beschluss vom 15. April 2013 wurde vom Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 Insolvenzordnung -InsO).
Die Körperschaftsteuer für die Jahre 2010 und 2011 wurde zunächst mit Bescheiden vom 8. Oktober 2012 (2010) und 27. Juni 2013 (2011) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Schätzungswege festgesetzt. Am 27. Juni 2013 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung für die Steuerfestsetzung des Jahres 2010 aufgehoben. Am 23. Oktober 2014 wurden die Körperschaftsteuererklärung sowie die Bilanz für das Jahr 2010 eingereicht. Am 2. Juni 2014 gingen die Körperschaftsteuererklärung sowie die Bilanz für das Jahr 2011 beim Finanzamt ein.
Die Darlehensforderungen gegenüber dem Vorstand wurden in den zum 31. Dezember 2010 und 31. Dezember 2011 abgegebenen Bilanzen wie folgt ausgewiesen:
 
In der am 2. Juni 2014 abgegebenen Bilanz zum 31. Dezember 2011 und Gewinn- und Verlustrechnung wurde aufgrund der Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens gegen H am 9. Juni 2011 eine Forderungsabschreibung in Höhe von 637.037,52 € vorgenommen.
Abweichend von den eingereichten Steuererklärungen für 2010 behandelte das Finanzamt unter Berücksichtigung des allgemeinen Bilanzierungsgrundsatzes der so genannten „besseren Erkenntnis zwischen Bilanzstichtag und Tag der späteren Bilanzerstellung“ bereits zum 31. Dezember 2010 die Forderungsabschreibung in Höhe des zu diesem Stichtag ausgewiesenen Darlehensstand (627.015,44 €) als außerordentlichen Aufwand, dem eine verdeckte Gewinnausschüttung in gleicher Höhe gegenüber stehe, da der Darlehensschuldner eine der alleinigen Anteilseignerin nahestehende Person (Vater) sei und die Kredite nicht zu fremdüblichen Bedingungen, d.h. ohne die Bestellung von Sicherheiten, gewährt worden seien (Änderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vom 23. Januar 2015).
Im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung für das Jahr 2011 korrigierte das Finanzamt den erklärten Jahresüberschuss von negativ 376.141 € um die Forderungsabschreibung von 627.015 €, die bereits im Rahmen der Veranlagung 2010 berücksichtigt worden war. Im Kalenderjahr 2011 wurde eine Forderungsabschreibung in Höhe des restlichen Darlehensbetrags von 10.022,08 € als außerordentlicher Aufwand und in gleicher Höhe als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt (Änderungsbescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO vom 23. Januar 2015).
Die gegen die Änderungsbescheide gerichteten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen eingelegten Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Hinsichtlich der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Darlehensverträge abgeschlossen worden seien. Es sei zwar richtig, dass die Vergütung für die Adressen in Höhe von 100.000 € nur für die Jahre 2004 und 2005 nicht bezahlt werden konnten, da der Umsatz unter 500.000 € gelegen habe. Gleiches habe für die Vergütungsansprüche wegen der Lizenzen (Beratungsprodukte) gegolten, mit denen dann die Darlehen zurückgeführt werden sollten. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit Hilfe der als Sicherheit für die Darlehensgewährung dienenden Verträge im Lauf der Jahre etwa 1,2 Mio € Umsatz gemacht hätte. Im Gegenzug dazu hätte H nur Tätigkeitsvergütungen in ganz beschränkten Umfang erhalten. Angesichts von Umsätzen über 1,2 Mio € sei ein Darlehen über 600.000 € nicht als unangemessen zu bezeichnen.
Auch die Argumentation des Finanzamts, dass auf das Handeln eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter“ abzustellen sei, gehe fehl. Gerade weil der wirtschaftliche Anteilseigner der Klägerin zu „zwanghafter“ Loyalität verpflichtet gewesen sei, habe die Klägerin sicher sein können, dass H, der die Umsätze größtenteils erwirtschaftet habe, nicht unter Ausnutzung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Arbeitsunterlagen auf eigene Rechnung Umsätze und Gewinne machen würde.
Als neu gegründete Gesellschaft habe die Klägerin nicht über ausreichende fundierte Kenntnisse im Zusammenhang mit der Führung einer Unternehmensberatung verfügt. Insbesondere wären keine entsprechenden Arbeitspapiere und Kunden-Kontaktdaten vorhanden gewesen. Die Klägerin habe aus diesem Grund mit H die Nutzungs- und Lizenzvereinbarung wegen der Beratungsprodukte sowie die Vereinbarung zur Nutzung von bestehenden Beratungskunden, Kontakten und Adressdaten getroffen. H habe sich im Rahmen seiner Tätigkeit für eine andere Gesellschaft Knowhow erarbeitet und dies ab 1997 auch dokumentiert und festgehalten. Außerdem habe er der Klägerin ungefähr 3.000 Adressen zur Verfügung stellen können. Ohne diese Verträge wäre die Klägerin nicht zur Eröffnung ihres Geschäftsbetriebs in der Lage gewesen.
Zu berücksichtigen sei, dass die Parteien mit einer Verzinsung von 5% über den marktüblichen Zinssätzen gelegen hätten. Nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kompensiere dieser Umstand eine fehlende oder mangelhafte Sicherheit für eine Darlehensgewährung. Darüber hinaus sei bis 2010 ein Umsatz in Millionenhöhe mit den Beratungsprodukten und den Kontaktadressen und ein Gewinn von insgesamt ungefähr 600.000 € erwirtschaftet worden. Es sei daher unrichtig, von fehlenden Sicherheiten zu sprechen. Die Voraussetzungen für eine verdeckte Gewinnausschüttung lägen daher nicht vor. Hinzu komme, dass das Finanzamt die verdeckte Gewinnausschüttung zu Unrecht I zugerechnet habe und die Vereinbarungen des im Einspruchsverfahren vorgelegten Verwaltungsvertrags vom 3. Juni 2015 nicht beachtet habe.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide zur Körperschaftsteuer 2010 und 2011 jeweils vom 23. Januar 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 11. März 2016 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.
Mit Beschluss vom 9. August 2017 wurden die Akten in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des H zum Verfahren beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die Akten des Insolvenzverfahrens, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet. Zutreffend ist das Finanzamt im Jahr 2010 in Höhe von 627.015,44 € und im Jahr 2011 in Höhe von 10.022,08 € im Zusammenhang mit der Teilwertabschreibung der gegenüber H bestehenden Darlehensforderungen vom Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen ausgegangen.
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dürfen verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen einer GmbH nicht mindern. Als verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH u.a. eine bei einer Kapitalgesellschaft eingetretene Vermögensminderung anzusehen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist (BFH-Urteile vom 7. März 2007 I R 45/06, BFH/NV 2007, 1710; vom 28. Januar 2004 I R 21/03, BStBl II 2005, 841; vom 23. Februar 2005 I R 70/04, BStBl II 2005, 882). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (BFH-Urteil vom 7. August 2002 I R 2/02, BStBl II 2004, 131); diese Einschränkung spielt jedoch im Streitfall keine Rolle (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 I R 61/07, BStBl II 2011, 62).
Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen ein ungesichertes Darlehen gegeben hat und sie die Darlehensforderung in der Folge auf einen niedrigeren Teilwert abschreiben muss (BFH-Urteil vom 14. Juli 2004 I R 16/03, BStBl II 2004, 1010, 1011, BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1993 I B 112/93, BFH/NV 1994, 415; BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BStBl II 1990, 795; vgl. auch Gosch, 3. Aufl. 2015, KStG § 8 Rn. 688).
Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung setzt nicht voraus, dass der Gesellschafter aus einer Zuwendung selbst einen unmittelbaren Vorteil gezogen hat. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann vielmehr auch dann gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht (vgl. BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 238/72, BStBl II 1975, 48; vom 18. Februar 1999 I R 62/98, BFH/NV 1999, 1515 zu Teilwertabschreibungen auf Darlehen, die eine GmbH einer Schwestergesellschaft gewährt hat). Das „Nahestehen“ in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103, m. w. N.). Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahe stehende Person ist stets unabhängig davon als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, DStR 2004, 2143 m. w. N.).
2. Bei H handelt es sich um eine der Alleinaktionärin der Klägerin I nahestehende Person (Vater). Dies gilt unabhängig davon, ob sich I im Innenverhältnis dazu bereit erklärt hatte, ihre als Gründerin übernommenen Inhaberaktien in Höhe von 50.000 € als Verwalterin für H zu halten, dieser jedoch der tatsächliche wirtschaftliche Eigentümer gewesen ist. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist unabhängig davon zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, DStR 2004, 2143 m. w. N.).
3. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin hätte die später wertberichtigten, unzureichend abgesicherten Darlehen an eine nicht mit den Gesellschaftern verbundene fremde Person in der prekären wirtschaftlichen Lage des H nicht ausgereicht.
Ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei günstigen Vermögensverhältnissen des Schuldners ein Darlehen ohne Sicherheiten gewährt hätte, hängt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ab von der Höhe des Darlehens im Verhältnis zu den Einkünften und dem Vermögen des Schuldners, von der Laufzeit des Darlehens (Besicherung eher bei langfristigen Darlehen mit einer Laufzeit von mehr als vier Jahren geboten), von der vereinbarten Tilgung (regelmäßige Raten oder erst am Ende der Darlehenslaufzeit) und von dem Eigeninteresse der Kapitalgesellschaft an der Darlehensgewährung (Höhe der Verzinsung, Geschäftsbeziehungen, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 IV R 64/93, BStBl II 96, 642 m. w. N. und vom 14. März 1990 I R 6/89, BStBl II 90, 795).
3.1. In der Vereinbarung vom 1. September 2004 wurde H das Recht eingeräumt, ein Darlehen, das der Höhe nach nicht bezeichnet worden war, im Rahmen eines internen Verrechnungskontos zu nutzen. Dabei wurde weder die Höhe der auszureichenden Darlehenssumme festgelegt noch Abreden über eine Tilgung getroffen. Bei der im Streitfall geregelten Laufzeit von 8 Jahren handelt es sich darüber hinaus um ein langfristiges Darlehen, so dass auf die Stellung einer Sicherheit grundsätzlich nicht verzichtet werden kann (vgl. BFH in BStBl II 96, 642).
Wie sich aus den zum Verfahren hinzugezogenen Insolvenzakten ergibt, hatte H bereits vor Abschluss des Darlehensvertrags am 1. September 2004 aus seiner früheren selbständigen Tätigkeit gegenüber der … GmbH über Verbindlichkeiten von 307.324,76 € nebst Zinsen seit dem 16. April 2003 und Verbindlichkeiten aus einem Haftungsbescheid vom 17. März 2004 über 99.222,64 € (Hauptforderung) des Finanzamts. Im Rahmen der Abgabe der so genannten eidesstattlichen Versicherung am 5. Oktober 2009 hatte H sein Vermögen lediglich mit einem Bargeldbestand von 800 € und ein Bankguthaben von 350 € angegeben.
Es kann ausgeschlossen werden, dass die Gesellschaft einem fremden Dritten in einer derart schlechten wirtschaftlichen Situation Geld zu den Bedingungen, wie sie mit H vereinbart worden sind, zur Verfügung gestellt hätte. Kein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte einem außenstehenden Dritten Darlehen in einer Höhe von insgesamt 523.044,24 € (Stand 31. Dezember 2010) gewährt, ohne sie ausreichend zu sichern (vgl. Rengers in Blümich, KStG, § 8 Rz. 581).
3.2. Die weiteren Vereinbarungen vom 1. September 2004, insbesondere die Überlassung geschäftlicher Kontaktdaten sowie die Nutzung der von H entwickelten Beratungsprodukte sowie dessen Knowhow machen in der vorliegend gegebenen Konstellation eine Besicherung des Darlehens nicht entbehrlich. Die Überlassung dieser Produkte als Sicherheit für die Darlehensgewährung hat in der Darlehensvereinbarung selbst keinerlei nachprüfbaren Niederschlag gefunden. Im Übrigen waren für die Zurverfügungstellung der Lizenzprodukte, Kontakten und Adressen am 1. September 2004 jeweils eigene Nutzungsvereinbarungen mit entsprechenden Nutzungsentgelten getroffen worden, so dass kein wirtschaftlich einleuchtender Grund erkennbar ist, dass der Verzicht auf die Besicherung des Darlehens als Gegenleistung für die Vermittlung von Geschäftsbeziehungen erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 IV R 64/93, BStBl II 1996, 642). Hinzu kommt, dass es am 1. September 2004 ungewiss war, ob und in welcher Höhe im Zusammenhang mit der Nutzung der Produkte und der Geschäftstätigkeit von H Gewinnanteile entstehen und die Darlehensforderungen entsprechend abgesichert wären.
3.3. Auch die nach Ansicht des Klägers hohe Verzinsung des Darlehens mit 5% kompensiert die fehlende Besicherung nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann einem Fremdvergleich nicht ein Anleger zugrunde gelegt werden, der zugunsten hoher Renditeerwartungen auf jede Sicherheit verzichtet (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2000 IV R 73/99, BStBl II 2001, 335).
4. Das Finanzamt hat auch zu Recht zum 31.12.2010 der verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe des zu diesem Stichtag ausgewiesenen Darlehensstands (627.015,44 €) eine Teilwertabschreibung in derselben Höhe als außerordentlichen Aufwand gegenübergestellt und im Jahr 2011 eine weitere Forderungsabschreibung der restlichen Darlehensforderung von 10.022,08 € vorgenommen.
Gemäß § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG muss der Steuerpflichtige für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich unter anderen aus den Bestimmungen der §§ 238 ff Handelsgesetzbuch (HGB), die für Kapitalgesellschaften durch die Bestimmungen der §§ 264 ff HGB ergänzt werden. Zu den handelsrechtlichen GoB gehört die Pflicht des Kaufmanns, in seiner Bilanz für den Schluss eines Geschäftsjahres seine sämtlichen Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge auszuweisen (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB).
Wirtschaftsgüter, die nicht der Abnutzung unterliegen – wie z. B. Darlehensforderungen – sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG grundsätzlich mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten einer Forderung entsprechen deren Nominalbetrag. Ist jedoch der Teilwert einer Forderung aufgrund voraussichtlich dauernder Wertminderung niedriger als ihr Nennwert, so kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG anstatt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden. Er entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG).
Der Begriff „voraussichtlich dauernde Wertminderung“ ist weder im Handelsgesetzbuch noch im Steuerrecht definiert. Er bezeichnet im Grundsatz eine Minderung des Teilwerts, die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber nicht nur vorübergehend sein darf. Ob eine Wertminderung „voraussichtlich dauernd“ ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweils in Rede stehenden Wirtschaftsguts beurteilt werden (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2012 I R 43/11, BStBl II 2013, 163, m. w. N.). Sind Forderungen mit einem über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehenden Ausfallrisiko behaftet, so ist dem im Wege der Einzelwertberichtigung Rechnung zu tragen. Zweifelhafte Forderungen sind mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, uneinbringliche Forderungen sind abzuschreiben (BFH-Urteil vom 20.08.2003 I R 49/02, BStBl II 2003, 941).
Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind bei der Bewertung alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschluss Stichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind (Urteil des BFH vom 28. März 2000 VIII R 77/96, BStBl II 2002, 227 m.w.N.). Das gilt nicht nur für die Bewertung, sondern auch für den Ansatz von Wirtschaftsgütern und ist auch in der Steuerbilanz zu beachten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 11. Oktober 1973 VIII R 1/69, BFHE 110, 532, BStBl II 1974, 90; vom 26. April 1989 I R 147/84, BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Darlehensforderung gegen H bereits in der Bilanz zum 31.12.2010 in Höhe des zu diesem Stichtag ausgewiesene Darlehensstand (627.015,44 €) und im Jahr 2011 noch in Höhe des restlichen Darlehensbetrags von 10.022,08 € abzuschreiben. Auch Geldforderungen sind nach allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung wertaufhellender Umstände zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Am Tag der Bilanzerstellung (15. Oktober 2014) war bekannt, dass die Darlehensforderung gegenüber H uneinbringlich sein würde, da am 9. Juni 2011 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Die Klägerin musste aufgrund objektiver Umstände mit einem vollständigen Ausfall der Forderung rechnen, zumal H bereits im Jahr 2009 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und sich seine bereits seit Beginn der Darlehensausreichung im Jahr 2004 prekäre wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert hatte. Das Finanzamt war deshalb befugt, den Körperschaftsteuerbescheid 2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, da sich auf Grundlage der nach Eintritt der Bestandskraft des Körperschaftsteuerbescheids 2010 eingereichten Bilanz ein bei der ursprünglichen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht bekannter Sachverhalt ergeben hat (BFH-Beschluss vom 5. November 2007 XI B 42/07, BFH/NV 2008, 190).
5. Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die den Wertberichtigungen zugrundeliegenden Darlehensforderungen bereits bei ihrer Ausreichung nicht werthaltig gewesen seien. Bei korrekter Bilanzierung wären sie insoweit sogleich auszubuchen und die Ausbuchungen in den betreffenden Veranlagungszeiträumen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu neutralisieren gewesen (vgl. BFH-Urteile vom 8. Oktober 2008 I R 51/07, BStBl II 2011, 62 und vom 16. Juni 2015 IX R 28/14, DStR 2015, 2489, Rengers in Blümich, KStG 137. Auflage 2017 § 8 Rz. 575). Im Streitfall hatte H zwar bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages im Jahr 2004 erhebliche Verbindlichkeiten aus seiner früheren selbständigen Tätigkeit, die schließlich auch zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2011 geführt haben (vgl. Bericht zur Gläubigerversammlung vom 29. August 2011, Bl. 139, 141 Insolvenzakten des AG Saarbrücken Band I). Allerdings resultiert die im späteren Insolvenzverfahren angemeldete Hauptverbindlichkeit gegenüber der … GmbH über 307.324,76 € erst aus dem Urteil des Landgerichts München vom 26. April 2005 und damit zeitlich nach Abschluss des Darlehensvertrages am 1. September 2004. Darüber hinaus ist es der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag gelungen, unter Einsatz der von H eingebrachten geschäftlichen Erfahrungen, seiner bestehenden Kundenkontakte sowie der Lizenzüberlassung, erhebliche Umsätze zu erwirtschaften. Sie kann daher nicht mit Erfolg einwenden, dass hinsichtlich der Annahme der verdeckten Gewinnausschüttung bereits auf den Abschluss des Darlehensvertrages abzustellen sei.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

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