Steuerrecht

Verwaltungsgerichte, Prozeßbevollmächtigter, Prozeßvollmacht, Klagefrist, Ersatzzustellung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, mündlich Verhandlung, Kostenentscheidung, Postzustellungsurkunde, Wiedereinsetzungsantrag, Rechtsmittelbelehrung, Bundsverwaltungsgericht, Abschiebungsverbot, Subsidiärer Schutz, Klageabweisung, Bevollmächtigter, Schriftsätze, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Unvermeidbarer Rechtsirrtum, Antrag auf Wiedereinsetzung

Aktenzeichen  B 8 K 18.31779

Datum:
5.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40909
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60
§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO
VwGO § 67
VwZVG §§ 3,8

 

Leitsatz

Tenor

1.    Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt. Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, § 102 VwGO.
Die Klage ist bereits unzulässig, da die Klagefrist versäumt wurde und auch keine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO zu gewähren ist. Das Gericht folgt hierzu weiterhin den Gründen des Gerichtsbescheides und verweist zur Begründung zunächst auf die dortigen Ausführungen, § 84 Abs. 4 VwGO.
Ergänzend dazu ist folgendes festzuhalten.
1. Die Klage ist verfristet.
Die Klagefrist betrug im vorliegenden Verfahren gemäß § 74 Abs. 1 AsylG zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides.
Der von der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Zustellungsfehler, der darin bestehen soll, dass ohne den notwendigen vorherigen Zustellversuch an den Kläger unmittelbar eine Ersatzzustellung vorgenommen wurde (§ 3 VwZG i.V.m. § 177, 178 ZPO), ist jedenfalls nach § 8 VwZG geheilt und kann damit zu keinem anderen Ergebnis führen. Es muss daher nicht ausermittelt werden, ob eine solche Ersatzzustellung in der Gemeinschaftsunterkunft gegebenenfalls unmittelbar erfolgen konnte, weil der Kläger dort keinen eigenen Briefkasten hatte (vgl. BeckOK AuslR/Preisner, 24. Ed. 1.11.2019, AsylG § 10 Rn31). Nach § 8 VwZG gilt in dem Fall, in dem sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt, oder der Zugang unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften erfolgt ist, das Dokument als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass er den Bescheid drei bis vier Wochen hatte, bis er gehandelt hat. Insofern hat der Kläger selbst eingeräumt, den Bescheid erhalten zu haben. Etwaige Zustellungsfehler sind damit geheilt. Diese Heilung trat bei Zugrundelegung der allgemeinen Lebenserfahrung und den Aussagen des Klägers noch im August ein. Es ist davon auszugehen, dass der Hausmeister dem Kläger den Bescheid zeitnah ausgehändigt hat. Weiterhin hat der Kläger damit auch selbst eingeräumt, dass er mit der Klageerhebung bzw. dem Wiedereinsetzungsantrag mindestens drei Wochen und damit länger als die vorgesehene Klagefrist gewartet hat.
Die Klagefrist von zwei Wochen war damit in jeden Fall versäumt.
2. Dem Kläger ist auch nach der mündlichen Verhandlung nicht Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO zu gewähren.
Der Hinderungsgrund wurde vom Kläger in der mündlichen Verhandlung weiterhin behauptet, aber nicht belegt. Ob ein solcher vorgelegen hat, kann jedoch dahinstehen, da der der Wiedereinsetzungsantrag nicht nach § 60 Abs. 2 VwGO innerhalb der Frist von zwei Wochen rechtzeitig gestellt und die erforderliche Prozesshandlung nachgeholt wurde. Nach den Einlassungen des Klägers und dem Schreiben des Caritasverbandes … vom 22.09.2016, hat der Kläger spätestens am 21.09.2016 verstanden, dass er handeln muss. In dem Schreiben der des Caritasverbandes … vom 22.09.2016 heißt es eingangs, dass der Kläger am Vortrag vorgesprochen und den Bescheid vom 29.06.2016 gezeigt hätte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt (21.09.2016) lief damit die genannte Frist.
Daraufhin hat der Kläger jedoch im Schreiben durch den Caritasverbandes … vom 22.09.2016 an das Bundesamt nicht Wiedereinsetzung beim hierfür zuständigen Gericht beantragt. Ein solcher Antrag ist erst weit nach Ablauf der Frist mit Schreiben an das VG Würzburg vom 28.10.2016, das erst am 31.10.2016 dort einging, erfolgt.
Die Handlungen des Caritasverbandes … sind dem Kläger im Rahmen der §§ 60, 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO auch zurechenbar. Handlungen und Verschulden von Bevollmächtigten sind im Rahmen des § 60 VwGO dem Vertretenen zuzurechnen (vgl. Schoch/Schneider /Bier/Bier Steinbeiß-Winkelmann, 37. EL Juli 2019, VwGO § 60 Rn,.23). Der Kläger hat zunächst für jeden einzustehen, dem er eine Vollmacht erteilt hat. Unerheblich ist, ob es sich um eine isolierte Prozessvollmacht oder um eine Prozessvollmacht im Rahmen einer umfassenden, in erster Linie auf die Vornahme von materiellen Rechtsgeschäften gerichtete Vollmacht handelt. Es muss sich auch nicht um eine Prozessvollmacht im engeren Sinne handeln, ausreichend ist auch einzelne Einzelvollmacht. Auch wer von der Partei nur mit einzelnen Handlungen beauftragt wurde, wie zum Beispiel der Entgegennahme von Zustellungen oder, auch ohne Rechtsanwalt zu sein, mit der Führung der Korrespondenz, ist insoweit Bevollmächtigter im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO (MüKoZPO/Toussaint, 5. Auf. 2016, ZPO, § 85 Rn.11). Der Caritasverband … teilte in seinem Schreiben jeweils ausdrücklich mit, dass er für den Kläger um Wiedereinsetzung bitte. Er brachte damit zum Ausdruck mit dessen Willen und für ihn handeln zu wollen. Dies wird auch durch das zusätzliche Namenszeichen des Klägers auf den Briefen untermauert. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er sich darauf verlassen hat, mit der Einschaltung der Caritas alle notwendigen Schritte zur gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit des Bescheides unternommen zu haben. Der Caritasverband … war damit als Bevollmächtigte des Klägers anzusehen, sein Handeln und auch sein etwaiges Verschulden ist ihm zuzurechnen.
Einer solchen Zurechnung des Verschuldens steht auch nicht entgegen, dass dem Caritasverband … potentiell nach § 67 VwGO die Prozessvertretungsbefugnis fehlt. Auch wenn dem Caritasverband … gegebenenfalls die entsprechende Prozessvertretungsbefugnis fehlt, so war sie nach den oben genannten Normen vom Kläger bevollmächtigt. Dort kommt es nur auf eine wirksame Bevollmächtigung an. Ob eine entsprechende Prozessvertretungsbefugnis nach § 67 VwGO bestand, kann im Ergebnis dahinstehen, da auch Handlungen eines nicht nach § 67 VwGO vertretungsbefugten Bevollmächtigten bis zum Beschluss des Gerichts wirksam bleiben, § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Ein solcher Beschluss ist vorliegend nicht ergangen. Die in § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO getroffene Wertung spricht zudem dafür, dass Handlungen und Verschulden eines gegebenenfalls nicht prozessvertretungsbefugten Vertreters zugerechnet werden können.
Würde man dies wie die Prozessbevollmächtigte des Klägers anders sehen wollen, so kann dies jedenfalls nicht die Folge haben, dass den Kläger aufgrund eines unvermeidbaren Rechtsirrtums kein Verschulden trifft. Würde man der Argumentation folgen, dass das Verschulden des nicht prozessvertretungsbefugten Bevollmächtigten nicht zuzurechnen sei, kann im Gegenzug nicht gleichzeitig davon ausgegangen werden, dass dessen falsche Rechtsauskunft zu einem unvermeidbaren Rechtsirrtum führt. In diesem Fall hätte sich der Kläger auch nicht darauf verlassen können, dass er nun alles Zumutbare getan hat, um negative Rechtsfolgen für sich abzuwenden. Eine solche Argumentation würde an den jeweils entscheidenden Stellen allein auf das für den Kläger Günstigere abstellen. Sie ist damit widersprüchlich.
Nach alledem ist dem Kläger zumindest wegen Versäumung der Frist aus § 60 Abs. 2 VwGO keine Wiedereinsetzung zu gewähren. Der darauf gerichtete Antrag ist abzulehnen und die Klage abzuweisen.
Insofern kommt es auf die in der Gegenvorstellung angesprochenen Punkte, die die Begründetheit der Klage betreffen nicht mehr entscheidungserheblich an. Eine Auseinandersetzung damit kann folglich unterbleiben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen