Aktenzeichen 7 K 1767/15
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3
HGB § 253 Abs. 3 S. 2
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
II.
1. Soweit sich die Klage gegen die Bescheide vom 3. Januar 2014 zur Körperschaftsteuer 2012, zum Gewerbesteuermessbetrag 2012 und zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2012 richtet, ist sie unzulässig. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage dagegen, dass das Finanzamt die Ausbuchung der gegenüber R und M ausgewiesenen Darlehensforderungen als verdeckte Gewinnausschüttung ihrem Einkommen 2011 außerbilanziell zugerechnet hat. Von diesem Klagebegehren kann das Jahr 2012 nur insoweit betroffen sein, als der zum 31. Dezember 2011 verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer und der auf den 31. Dezember 2011 vortragsfähige Gewerbeverlust die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2012 mindern sowie dazu führen, dass auch zum 31. Dezember 2012 ein verbleibender Verlustvortrag und auf den 31. Dezember 2012 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust gesondert festzustellen sind. Da jedoch die ggf. zu ändernden Feststellungsbescheide über den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2011 und über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2011 Grundlagenbescheide i.S. des § 171 Abs. 10 Abgabenordnung (AO) für den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheid sowie für die entsprechenden Verlustfeststellungsbescheide des Folgejahres 2012 sind, würde ihre Änderung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bzw. § 35b Abs. 1 GewStG dazu führen, dass das Finanzamt den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheid für 2012 sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2012 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2012 von Amts wegen zu ändern hätte, auch wenn sie bereits bestandskräftig wären. Insoweit besteht für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BFH-Urteil 8. Oktober 2008 I R 61/07, BStBl II 2011, 62 unter B.I.).
2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Zu Recht hat das Finanzamt den Verzicht auf die Darlehens- und Zinsforderungen im Jahr 2011 als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt.
2.1. Verdeckte Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 2002 I R 37/01, BFHE 199, 536, BStBl II 2003, 418). Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne dieser Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (z.B. BFH-Urteile vom 24. Juni 2014 VIII R 54/10, BFH/NV 2014, 1501 und vom 28. Februar 1990 I R 83/87, BStBl II 1990, 649). Im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und einem beherrschenden Gesellschafter kann die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses bereits dann angenommen werden, wenn es für die Leistung der Kapitalgesellschaft an einer im Voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung fehlt (BFH-Urteil vom 23. Juni 1983 VIII R 102/80, BFHE 134, 541, BStBl II 1982, 245). Die verdeckte Gewinnausschüttung ist beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2014 VIII R 45/11, BFH/NV 2015, 683).
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist auch dann anzunehmen, wenn eine GmbH auf die Rückzahlung von ihren Gesellschaftern gewährten Darlehen (teilweise) verzichtet. Ein Forderungserlass gemäß § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) führt zumindest bei Werthaltigkeit der Forderung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, es sei denn, es handelt sich um eine Sanierungsmaßnahme (Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18. August 1994 6 K 123/93, EFG 1995, 285, vgl. auch BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BStBl II 1990, 795 und BFH-Urteil vom 7. März 2007 I R 45/06, BFH/NV 2007, 1710 zum Darlehensverzicht durch schlüssiges Verhalten).
2.2. Im Streitfall ist der teilweise Verzicht auf die Darlehens- und Zinsforderungen gegenüber M und R als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen. Der Erlass dieser Forderungen i.S.d. § 397 Abs. 1 BGB stellt bei der Klägerin eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung dar, die sich auf die Höhe ihres Einkommens ausgewirkt hat und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stand (BFH-Urteil vom 13. September 2000 I R 10/00, BFH/NV 2001, 584, Urteil des FG Baden-Württemberg vom 18. August 1994 6 K 123/93, EFG 1995, 285). Die Klägerin hat ihrem beherrschenden Gesellschafter M sowie ihrem ehemaligen Gesellschafter R durch den Darlehensverzicht Vermögensvorteile zugewendet. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte gegenüber einem Dritten auf das Darlehen nicht verzichtet, weil ihm der Verzicht auf rund 52% (gegenüber M) bzw. rund 58% (gegenüber R) der Darlehensforderungen und der Verzicht auf 100% der Zinsforderungen, d.h. der Verzicht auf insgesamt 130.802,55 € nicht verantwortbar erschienen wäre.
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, dass ein gewissenhafter und ordentlicher Geschäftsführer wie die Klägerin handeln würde und sich auf den teilweisen Erlass der Darlehens- und Zinsforderungen eingelassen hätte, um wegen der angespannten finanziellen Lage von M und R zumindest noch eine teilweise Rückführung der Verbindlichkeiten zu erreichen. Im Streitfall hat die Klägerin jedoch nichts zur Rettung der gefährdeten Gelder unternommen. Soweit sie vorgetragen hat, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse von R nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft wesentlich verschlechtert hätten, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Gesellschaft an R auch nach seinem Ausscheiden im Jahr 2010 noch weitere Zahlungen geleistet hat, da sich der Stand der Darlehensforderungen gegenüber R laut der vorliegenden Bilanzen von 16.872,13 € (31. 12. 2009) auf 32.639,89 € (31. 12. 2010) erhöht hat. Bei mangelnder Liquidität des Darlehensschuldners hätte ein gewissenhafter und ordentlicher Geschäftsführer jedoch keine weiteren Darlehenszahlungen gewährt, sondern sich vielmehr mit Teilzahlungen der bereits vorhandenen Schulden begnügt oder ggf. die Darlehensrückzahlungen bzw. die Zinsen vorübergehend gestundet. Im Übrigen liegt – wenn ein Gesellschafter zahlungsunfähig wird und die GmbH daraufhin auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet – eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit vorher bekannt war (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 1995, 285 m.w.N.).
2.3. Die Klägerin kann nicht geltend machen, dass R wegen der Veräußerung seiner Anteile mit notarieller Urkunde vom 17. Dezember 2009 im Zeitpunkt des Forderungsverzichts am 31. Januar 2011 keine ihr „nahestehende Person“ mehr gewesen sei und die Voraussetzungen für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung deswegen nicht gegeben seien. Sofern die Leistungen einer Kapitalgesellschaft auf einem „rechtzeitig geschlossenen“ Vertrag beruhen, ist für die Frage der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen (vgl. Blümich/Rengers, 134. Aufl. 2016, KStG § 8 Rn. 395 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH). Auch ein früherer Gesellschafter kann aufgrund seiner damaligen Rechtsstellung als Gesellschafter noch Empfänger verdeckter Gewinnausschüttungen sein (BFH-Urteil vom 22. Juni 1977 I R 171/74 BStBl II 1978, 33).
Im Zeitpunkt des Abschlusses der einzelnen Darlehensverträge, letztmals im Jahr 2006, war R noch Gesellschafter der Klägerin. Auf den Umstand, dass die Klägerin auf die aus den „rechtzeitig abgeschlossenen“ Verträgen resultierenden Verbindlichkeiten zu einem Zeitpunkt verzichtet hat, als R bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden war, kommt es somit nicht an. Im Übrigen ist bei einer Änderung abgeschlossener Verträge zu berücksichtigen, ob diese als solche einem Fremdvergleich standhalten, d.h. ob sich ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter auf eine Änderung eingelassen hätten (vgl. Gosch, Kommentar zum KStG, 3. Auflage, § 8 Rz. 370). Dies ist jedoch wie bereits dargelegt, nicht der Fall, da ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gegenüber einem Dritten nicht auf Darlehensforderungen in Höhe von rund 58% der Darlehenssumme und auf 100% noch bestehender Zinsforderungen verzichtet hätte.
2.4. Ein Verzicht auf die Rückzahlung eines Darlehens kann zwar dann keine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, wenn es sich um einen echten Sanierungserlass handelt. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch im Streitfall offensichtlich nicht vor.
Eine Sanierungsmaßnahme liegt vor, wenn Schulden in der Absicht, die Gesellschaft geschäftlich und finanziell gesunden zu lassen, ganz oder teilweise erlassen werden, und der Schuldenerlass geeignet ist, die Gesellschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (Stimpel in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz, 1. Aufl. 2015, § 8 KStG Rz. 1102, Gosch, KStG, 3. Auflage § 8 KStG Rz. 1200, Schallmoser/ Eisgruber/ Janetzko in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 21. Aufl. 2006, 276. Lieferung 09.2016, § 8 KStG Rz. 380 unter Sanierung). In der Regel wirken sämtliche Gläubiger zusammen. Eine begünstigte Sanierung liegt allerdings bereits dem Grunde nach nicht vor, wenn der Forderungsverzicht der GmbH gesellschaftsrechtliche Ursachen hat. Die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses ist dann zu bejahen, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte.
Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass – auch wenn die Klägerin ihre wirtschaftliche Situation in den Jahren 2010 und 2011 als schwierig bezeichnet hat – der Erlass der Darlehensforderungen geeignet war, die Gesellschaft wieder ertragsfähig zu machen. Vielmehr haben die in der Gewinn- und Verlustrechnung 2011 unter dem Konto 4900 gebuchten sonstige betriebliche Aufwendungen in Höhe von 130.802,55 € aufgrund des Verzichts auf die Darlehensforderungen zur Entstehung des zum 31. Dezember 2011 ausgewiesenen Verlusts von 130.155 € geführt. Auch wenn die Klägerin nach ihrem Vortrag im Jahr 2011 dringend liquide Mittel benötigt hatte, kann nicht nachvollzogen werden, dass der Verzicht auf die Darlehensforderungen insoweit das richtige Mittel zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit gewesen wäre, zumal sich der Darlehensstand ausweislich der Bilanzen zum 31. Dezember 2009 und 2010 von 16.872,13 € im Jahr 2009 zum 31. Dezember 2010 auf 32.639,89 € erhöht hat. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer hätte einerseits keine Erhöhung der Darlehenssumme vorgenommen und im Übrigen angesichts der Darlehensvereinbarungen, die weder eine Rückzahlungsfrist noch eine Besicherung der Forderungen vorsahen, auf eine Rückführung der ausgezahlten Gelder in voller Höhe bestanden. Hinzu kommt, dass die Ursächlichkeit für den Forderungsverzicht – wie bereits dargelegt – im Gesellschaftsverhältnis liegt.
Im Übrigen bestehen auch keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich die Klägerin aufgrund des Verzichts auf die gegenüber ihren (ehemaligen) Gesellschaftern bestehenden Forderungen an Sanierungsmaßnahmen dieser Schuldner beteiligt und im Zusammenwirken mit anderen Gläubigern Forderungen ganz oder teilweise erlassen hat (Stimpel in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz, 1. Aufl. 2015, § 8 KStG Rz. 1102, Gosch, KStG, 3. Auflage § 8 KStG Rz. 1200, Schallmoser/ Eisgruber/ Janetzko in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 21. Aufl. 2006, 276. Lieferung 09.2016, § 8 KStG Rz. 380 unter Sanierung).
2.5. Schließlich kann die durch den Verzicht auf die Verzinsung des Gesellschafterkontos erfolgte verhinderte Vermögensmehrung auch nicht durch vermögenswerte Vorteile ausgeglichen werden, die der Gesellschaft von den begünstigten Gesellschafter gewährt wurden. Grundsätzlich kommt zwar in Betracht, dass die durch eine verdeckte Gewinnausschüttung bewirkte Vermögensminderung auf Seiten der Kapitalgesellschaft durch vermögenswerte Vorteile ausgeglichen werden kann, die der Gesellschaft von dem begünstigten Gesellschafter gewährt werden. Die gegenseitig gewährten Vermögensvorteile sind dann miteinander zu verrechnen (vgl. Gosch, a.a.O. § 8 KStG Rz. 260 f). Die als Vorteilsausgleich bezeichnete wechselseitige Verrechnung setzt allerdings eine entsprechende Vereinbarung voraus, die den an einen formellen Fremdvergleich gestellten Anforderungen genügt. Der Ausgleich muss im Vorhinein klar und eindeutig vereinbart, tatsächlich durchgeführt und rechtswirksam sein.
Im Streitfall haben R und M zwar mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Januar 2003 bis auf weiteres auf ihre Gehaltszahlungen zugunsten einer etwaigen Bonuszahlung verzichtet. Der vorliegend streitige Forderungsverzicht beruht auf den in den Jahren 2004 bis 2006 betreffend R bzw. in den Jahren 2002 bis 2005 betreffend M abgeschlossenen Darlehensverträgen. Auch wenn eine gewisse zeitliche Nähe zwischen den jeweiligen Verträgen besteht, wurde die inhaltliche Konnexität nicht durch entsprechende Vereinbarungen sichergestellt (vgl. Gosch, a.a.O. § 8 KStG Rz. 262 unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 10. März 1993 I R 51/92, BStBl II 1993, 635). Eine gegenseitige Bezugnahme fehlt, da die Klägerin mit ihren Gesellschaftern nicht geregelt hat, dass sie auf die Darlehensforderungen aufgrund der nicht in voller Höhe gezahlten Gehaltsansprüche verzichten wird. Eine wechselseitige Verrechnung sollte nicht vorgenommen werden.
2.6. Die Klägerin kann auch nicht zu ihren Gunsten einwenden, dass die Forderungen insbesondere gegenüber R bereits vor dem Jahr 2011 nicht mehr werthaltig gewesen seien und deswegen abgeschrieben hätten werden müssen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz -EStG). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG richtet sich die Aktivierung einer Forderung bei buchführenden Gewerbetreibenden nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung. Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 zweiter Halbsatz Handelsgesetzbuch (HGB) sind Gewinne und damit Forderungen nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2003 I R 49/02, BStBl II 2003, 941) kann – sofern der Teilwert einer Forderung niedriger als ihr Nennwert, weil z.B. zweifelhaft ist, ob die Forderung in Höhe des Nennwertes erfüllt werden wird (Ausfallrisiko) – statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Er entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Bei Geldforderungen aus Lieferungen und Leistungen wird der niedrigere Teilwert regelmäßig dem niedrigeren Wert entsprechen, der ihnen gemäß § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB am Abschlussstichtag beizulegen ist. In Befolgung des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips „ist“ daher auf diesen Wert auch in der Steuerbilanz abzuschreiben (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Sind Forderungen mit einem über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehenden Ausfallrisiko behaftet, ist dem im Wege der Einzelwertberichtigung Rechnung zu tragen; der bloße Einbezug in eine Pauschalwertberichtigung eines Gesamtbestandes von Forderungen ist nicht ausreichend. Zweifelhafte Forderungen sind mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, uneinbringliche Forderungen sind abzuschreiben.
Ein (wegen Ausfallrisikos) unter ihrem Nennbetrag liegender Teilwert von Geldforderungen kann im Allgemeinen nur im Wege der Schätzung ermittelt werden, die eine objektive Grundlage in den am Bilanzstichtag gegebenen Verhältnissen finden muss. Schätzungen, die auf bloßen pessimistischen Prognosen zur zukünftigen Entwicklung beruhen, sind unbeachtlich. Wegen der Schwierigkeiten, ein Ausfallwagnis als einen am Bilanzstichtag nicht sicher vorhersehbaren künftigen Umstand zu beurteilen, können entsprechende betriebliche Erfahrungen der Vergangenheit einen wertvollen Anhaltspunkt für die Schätzung bieten, solange sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben.
Der gemeine Wert einer Darlehensforderung, die sich gegen ein Unternehmen richtet, ist von der Bonität des Betriebs und damit u.a. davon abhängig, ob das Unternehmen fortgeführt wird oder ob es von der Liquidation bedroht ist. So kann der Forderungswert – nach den Umständen des Einzelfalls – nicht nur durch schleppende Zahlungseingänge oder durch die Einleitung von Zwangsmaßnahmen gegen den Schuldner gemindert sein; darüber hinaus begründen eine signifikante Überschuldung und die hiermit verbundene Insolvenzgefahr den Anscheinsbeweis für eine Wertminderung der Gläubigeransprüche. Ob eine signifikante Überschuldung vorliegt, ist anhand eines Vermögensstatus des Unternehmens festzustellen, wobei etwa vorhandene stille Reserven mit zu berücksichtigen sind.
Für die Umstände, die zur Bildung einer Wertberichtigung durch eine Teilwertabschreibung berechtigen, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast. Der Steuerpflichtige muss belegen, dass seine Teilwertschätzung eine objektive betriebliche Grundlage hat, worüber sich das Finanzamt ein eigenes Urteil bilden können muss (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 9. Dezember 2004 11 K 388/03, EFG 2005, 1102 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestand keine Berechtigung, die Forderungen gegenüber R und M in der Bilanz zum 31.12.2010 abzuschreiben. Die Klägerin hat keine hinreichenden Gründe dargelegt, die eine derartige Wertberichtigung unter Berücksichtigung eines niedrigeren Teilwerts rechtfertigen könnten. So hat die Klägerin keinerlei Nachweise, insbesondere im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage von R dafür vorgelegt, dass die (ehemaligen) Gesellschafter zum 31. Dezember 2010 signifikant überschuldet gewesen wären und mit ihrer Insolvenz zu rechnen gewesen sei. Vielmehr wurden im Jahr 2010 weitere Zahlungen an den bereits ausgeschiedenen Gesellschafter gezahlt. Wie bereits oben dargestellt, liegt – wenn ein Gesellschafter zahlungsunfähig wird und die GmbH daraufhin auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet – eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit vorher bekannt war (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 1995, 285 m.w.N.).
Wie sich aus der Bilanz zum 31. Dezember 2010 ergibt, bestand das Darlehen gegenüber R mit der ursprünglichen Gesamthöhe von 84.000 € (Stand 6. April 2004) zum 31. Dezember 2010 nur noch in Höhe von 32.639,89 €, so dass es insgesamt in Höhe von rund 61% getilgt worden war. Das Darlehen gegenüber M über insgesamt 279.845,08 € (Stand 12. August 2005) bestand zum 31. Dezember 2010 nur noch in Höhe von 119.760,43 € und war somit in Höhe von rund 57% getilgt. Anhaltspunkte dafür, dass im Jahr 2011 aufgrund objektiver betrieblicher Umstände mit einem Wertverfall der Forderungen zu rechnen war, wurden nicht vorgetragen. Von der fehlenden Werthaltigkeit der Forderungen kann daher im Streitfall nicht die Rede sein.
2.7. Zu Recht hat das Finanzamt die verdeckte Gewinnausschüttung im Streitjahr berücksichtigt, da sich die Vermögensminderung im Veranlagungszeitraum 2011 auf den Gewinn ausgewirkt hat. Es liegen keine Anhaltspunkte dahingehend vor, dass die Klägerin bereits vor dem Streitjahr auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet hatte. Gegen einen solchen Verzicht auf die Rückzahlung des Darlehens sprechen die in den Vorjahren vorgenommenen Tilgungszahlungen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.