Aktenzeichen AN 9 K 17.02229, AN 9 K 18.00629, AN 9 K 18.00618
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 3
BayVwZVG Art. 21 S. 2, Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 S. 2, Art. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 2, Art. 37 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
1 Zur Vollstreckung einer bestandskräftigen Nutzungsuntersagung gegenüber dem Rechtsnachfolger. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Änderung der Sach- und Rechtslage iSv Art. 21 S. 2 BayVwZVG (hier verneint). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zulässigen Klagen sind unbegründet.
Aufgrund der beiderseitigen Verzichtserklärungen der Parteien konnte das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, § 101 Abs. 2 VwGO.
I.
Die Klage im Verfahren AN 9 K 17.02229 ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid vom 19. Oktober 2017 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Oktober 2017 hat die Beklagte der Klägerin für die Erfüllung der Anordnung Nr. 2 des unanfechtbaren Bescheids vom 6. Juni 2014, also der Nutzungsuntersagung für die Nutzung als Wettbüro in den gegenständlichen Räumen, ergangen an die damalige Betreiberin …, eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids bestimmt und in Nr. 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000,00 EUR für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht. Diese erneute Zwangsgeldandrohung mit Nachfristsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 1 und 3 Satz 2 und 36 BayVwZVG. Es liegen sowohl die allgemeinen (Art. 18 ff. BayVwZVG) als auch die besonderen (Art. 29 ff. BayVwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Zur Begründung wird insoweit zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen und ergänzend dazu folgendes ausgeführt:
Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt, die Nutzungsuntersagung der Beklagten vom 6. Juni 2014 an die Rechtsvorgängerin der Klägerin, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung aufgrund ihrer Bestandskraft vollstreckbar. Die Klägerin ist mit der Übernahme des Wettbürobetriebs im nahtlosen Anschluss an die frühere Betreiberin, die Firma* …, als Rechtsnachfolgerin gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO verpflichtet, die untersagte Nutzung zu unterlassen. Die Klägerin war auch von der Beklagten angehört und zur Nutzungsuntersagung aufgefordert worden, ihr war der bestandskräftige Bescheid vom 6. Juni 2014 in Ablichtung übermittelt worden. Die Beklagte hat die Klägerin zur Recht in Anspruch genommen, und ihr Auswahlermessen richtig ausgeübt, da die Klägerin als Betreiberin unmittelbare Handlungsstörerin ist und als unmittelbare Verantwortliche für die unzulässige Nutzung ein Vorgehen gegen sie auch effektiv erscheint. Das Vorgehen gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin zur Durchsetzung der bestandskräftigen Nutzungsuntersagungsverfügung scheitert auch nicht daran, dass nunmehr eine andere Sach- oder Rechtslage im Sinne des Art. 21 S. 2 BayVwZVG vorläge, denn die ausgeübte, nicht genehmigte und genehmigungspflichtige Nutzung ist auch zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Dass die die Rechtsgrundlage für die ursprüngliche Entscheidung bildende Veränderungssperre mittlerweile abgelaufen und der Bebauungsplan, zu dessen Sicherung die Veränderungssperre erlassen worden war, nunmehr in Kraft ist, ändert die Sach- und Rechtslage für die entscheidende Frage, ob die Nutzung der gegenständlichen Räume als Wettbüro und Vergnügungsstätte offensichtlich planungsrechtlich zulässig ist, nicht: Denn der Bebauungsplan schließt die Zulässigkeit von Nutzungen wie dem gegenständlichen Wettbüro gerade ausdrücklich aus. Ob diese Festsetzung oder der gesamte Bebauungsplan tatsächlich unwirksam sein sollten oder nicht, ist ebenso wenig offensichtlich wie die Frage, ob die von der Klägerin ausgeübte Nutzung als Wettbüro bei einem Wegfall der entsprechenden Festsetzung genehmigungsfähig wäre; denn dies setzt gegebenenfalls weitere Feststellungen und möglicherweise sogar eine Beweisaufnahme durch Augenschein voraus. Ebenso wenig führen hier ein Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan oder ein Wiederaufnahmeantrag zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage.
Die Pflicht zur Unterlassung der Nutzung stellt sich als Pflicht zu einem Unterlassen im Sinne von Art. 31 BayVwZVG dar, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG das richtige und das mildeste Zwangsmittel darstellt. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 15.000,00 EUR ist im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 Satz 1 und 4 BayVwZVG nicht zu beanstanden, zumal es sich hier um ein zweites Zwangsgeld im Rahmen der Vollstreckung der Ausgangsverfügung handelt und das ursprünglich angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR ersichtlich nicht ausreichend bemessen war, um die Klägerin oder deren Rechtsvorgängerin zu einer Aufgabe der Nutzung zu bewegen. Die Monatsfrist zur Unterlassung der untersagten Nutzung erscheint angemessen im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG. Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist.
Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor: Die Klägerin ist ausweislich der im Rahmen der von Mitarbeitern der Beklagten bei der Ortseinsicht am 5. Oktober 2017 getroffenen Feststellungen, die durch die gefertigten und in der Akte befindlichen Lichtbilder untermauert werden, der Nutzungsuntersagungsverpflichtung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 6. Juni 2014 ersichtlich nicht nachgekommen. Die Klägerin hat die Nutzung bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht aufgegeben, was sich aus den aktenkundigen Feststellungen des Mitarbeiters der Beklagten bei einer weiteren Ortseinsicht am 19. Februar 2018 ergibt, wovon ebenfalls in der Akte Lichtbilder vorhanden sind. Die Klägerin hat damit aktenkundig festgestellt gegen die bestandskräftige Nutzungsuntersagung verstoßen, der Inhalt der Nutzungsuntersagung ist auch eindeutig und hinreichend bestimmt, was bereits die klageabweisenden Entscheidungen der Kammer vom 1. Juli 2015 hinsichtlich der Klage gegen den Ausgangsbescheid als auch der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. April 2017 mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung belegen.
Soweit der Klägervertreter vorträgt, der Sofortvollzug sei hier rechtswidrig angeordnet worden, so folgt die Kammer dem nicht. Dass der langjährige Weiterbetrieb bestandskräftig untersagter und jedenfalls formell illegaler Nutzungen gerade auch, wenn es wie hier um lukrative Betriebe der Glücksspiel- oder Wettbranche geht, die Gefahr der Ermutigung Dritter zu einem entsprechenden baurechtswidrigen Verhalten mit sich bringt, ist offenkundig.
Soweit der Klägervertreter einen Verstoß gegen EU-Recht behauptet, und der Beklagten einen insgesamt rechtswidrigen Umgang mit Wettbüros bzw. deren Betreibern vorwirft, so handelt es sich hier nach Ansicht der Kammer nur um die schlichte Beendigung einer baurechtswidrigen Nutzung, für die weder ein Europarechtsbezug noch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ersichtlich ist, weshalb hier auch eine Zulassung der Berufung wegen einer eventuellen besonderen Bedeutung der Hauptsache ausscheidet. Zudem fehlt es an konkreten Angaben zu eventuellen Bezugsfällen, so dass es keine Belege für eine fehlerhafte Ermessensausübung im Hinblick auf eine Behandlung von anderen Wettbüros oder Wettannahmestellen gibt. Die Klägerin bzw. schon deren Rechtsvorgängerin hatten es in der Hand, die Vollstreckung durch rechtzeitige Beendigung der unzulässigen Nutzung abzuwenden, zu der es im Übrigen erst gekommen ist, weil in den gegenständlichen Räumen von Anfang an ohne Baugenehmigung eine unzulässige Nutzung aufgenommen wurde.
II.
Auch die Klage im Verfahren AN 9 K 18.00618 ist unbegründet, da die angegriffene Fälligkeitsmitteilung der Beklagten an die Klägerin vom 21. März 2018 rechtmäßig erging und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Nachdem die Klägerin wie oben ausgeführt auch nach Ablauf der Frist im Bescheid vom 19. Oktober 2017 die untersagte Nutzung nicht aufgegeben hatte, war das in diesem Bescheid unter Nr. 2 angedrohte Zwangsgeld von 15.000,00 EUR verwirkt und zur sofortigen Zahlung fällig geworden. Der Bescheid vom 19. Juli 2017 war sofort vollziehbar, weshalb die im Verfahren AN 9 K 17.02229 erhobene Klage gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung besitzt, so dass die Unterlassungspflicht, gegen die die Klägerin ersichtlich verstoßen hat, nicht gehemmt wurde. Dass sich die Fälligkeitsmitteilung auf das angedrohte Zwangsgeld in Nr. 2 des Bescheids vom 19. Oktober 2017 bezieht, ergibt sich neben dem gesamten Hergang und den Ausführungen in der Begründung des Bescheids vom 21. März 2018 insbesondere auch daraus, dass in der Fälligkeitsmitteilung das „Zwangsgeld aus vorangegangenem Androhungsbescheid in Höhe von 15.000,00 EUR“ für fällig erklärt wurde, was eine Verwechslung mit dem Zwangsgeld in Höhe von 25.000,00 EUR aus dem Bescheid vom 21. März 2018 auch für den Fall ausschließt, dass sowohl in der Fälligkeitsmitteilung wie in diesem Bescheid das gleiche Aktenzeichen verwendet wurde.
III.
Auch die Klage im Verfahren AN 9 K 18.00629 ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31. März 2018 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Dieser Bescheid ist entgegen der Auffassung des Klägervertreters nach der Adressierung erkennbar und zweifelsfrei an die Klägerin, die Firma* …(haftungsbeschränkt) gerichtet, die folgende Anführung der Prozessbevollmächtigten als Vertreter der Klägerin steht dem nicht entgegen, sondern erfolgte ersichtlich zum Zweck der postalischen Übermittlung dieses Bescheids an die Prozessbevollmächtigten als empfangsbevollmächtigte Klägervertreter. Dass diese zum Empfang dieses Bescheids nicht bevollmächtigt gewesen seien, wird von ihnen nicht einmal behauptet, im Übrigen zeigt die gegen diesen Bescheid erhobene Klage, die sicherlich nicht ohne Auftrag der Klägerin erfolgen konnte, dass die Klägerin Kenntnis von diesem Bescheid erlangt haben musste und dieser damit in jedem Fall wirksam geworden ist.
Nachdem die Klägerin – wie oben aufgezeigt – auch nach Ablauf der Frist im vorangegangenem Vollstreckungsbescheid vom 19. Oktober 2017 weiterhin das Wettbüro betrieb und damit gegen die ihr gegenüber vollziehbare Nutzungsuntersagung verstieß, war der erneute Vollstreckungsbescheid unter Androhung eines erhöhten Zwangsgelds rechtmäßig. Insoweit wird auf die Gründe unter oben I. verwiesen. Die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 25.000,00 EUR war rechtmäßig, da die vorangegangene Androhung des Zwangsmittels in Höhe von 15.000,00 EUR erfolglos geblieben war. Die Höhe des Zwangsgeldes von 25.000,00 EUR erscheint angemessen und erforderlich, da das zunächst angedrohte und verwirkte Zwangsgeld in Höhe von 15.000,00 EUR die Klägerin nicht zur Aufgabe der bestandskräftig untersagten Nutzung bewegt hat.
IV.
Damit waren die Klagen abzuweisen.
Die Zulassung der Berufung ist hier nicht angezeigt, da die Kammer im gegenständlichen Urteil weder von der maßgeblich obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht noch der vorliegende Einzelfall eine über die Vollstreckung einer bestandskräftig angeordneten Nutzungsuntersagung hinaus gehende Bedeutung besitzt; im Übrigen sind bei der Kammer zahlreiche Fälle mit ähnlichem Gegenstand allein im Gebiet der Stadt … anhängig gewesen oder noch anhängig. Die Unterbindung einer baurechtswidrigen, insbesondere wie hier bestandskräftig untersagten Nutzung stellt die gebotene Durchsetzung der Rechtsordnung dar, ein rechtswidriges Handeln der Beklagten im gegenständlichen Verfahren zu Lasten der Klägerin ist für die Kammer nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde für die einzelnen Verfahren vor der Verbindung gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt, nach Verbindung addiert.