Steuerrecht

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermutung des Vermögensverfalles

Aktenzeichen  4 K 1990/16

Datum:
31.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2017, 520
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
StBerG § 46 Abs. 2, § 164a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gründe

1.) Die Klage ist fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. Ein außergerichtliches Vorverfahren ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 164a Abs. 1 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes -StBerG-, § 348 Nr. 4 der Abgabenordnung -AO-, § 44 Abs. 1, § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO).
2.) Die Klage ist unbegründet.
a) Die Beklagte hat den klagegegenständlichen Bescheid über den Widerruf des Klägers als Steuerberater zu Recht auf den Widerrufsgrund des Vermögensverfalls gestützt.
Der Widerruf der Bestellung als Steuerberater mit Wirkung für die Zukunft ist unter den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 StBerG genannten Voraussetzungen zwingend vorgeschrieben, aber auch nur bei Verwirklichung einer der dort genannten abschließenden Tatbestände zulässig. Sachlich und örtlich zuständig hierfür ist die Steuerberaterkammer am Sitz der beruflichen Niederlassung des Steuerberaters (§ 46 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StBerG). Im Streitfall ist dies die Beklagte. Nach dem Sachvortrag der Beteiligten ist im Streitfall allein der Widerrufstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG streitig. Danach hat die Steuerberaterkammer die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 StBerG). Ein Vermögensverfall wird gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder letzterer in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 26 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung -InsO-; § 882b der Zivilprozessordnung in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung -ZPO-) eingetragen ist. Die gesetzliche Vermutung ist durch geeignete Beweismittel jedoch widerlegbar (Bundesfinanzhof -BFH-Urteil vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995). Ausnahmsweise ist der Eintritt des Vermögensverfalles des Steuerberaters dann unerheblich, wenn hierdurch die Interessen seiner Auftraggeber nicht gefährdet sind (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 a.E. StBerG). Für den Entlastungsbeweis ist substantiiert darzulegen, weshalb die Gefährdung von Auftraggeberinteressen im Einzelfall ausgeschlossen werden kann (BFH-Beschluss vom 4. November 2008 VII B 54/08, BFH/NV 2009, 423). Dieser Ausnahmetatbestand wird letztlich nur äußerst selten vorliegen, weil die wirtschaftliche Unabhängigkeit eine wichtige Berufspflicht ist (vgl. Gehre/Koslowski Steuerberatungsgesetz 6. Auflage 2009, § 46 Rdnr. 9). Das Gericht hat schließlich nicht nur zu prüfen, ob die Widerrufsverfügung ursprünglich rechtmäßig erlassen worden ist, sondern auch, ob ihre Aufrechterhaltung durch die Beklagte unter Berücksichtigung einer bis zur gerichtlichen Entscheidung bestehenden neuen Sachlage dem Recht entspricht (BFH-Urteil vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BStBl II 1981, 740).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat die Klage keinen Erfolg.
Es steht außer Zweifel, dass der Kläger bereits seit Oktober 2013 wegen der Zwangsvollstreckung seiner Verbindlichkeiten im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist und dieser Eintragung bis Ende des Jahres 2016 eine Vielzahl weiterer Eintragungen gefolgt sind. Die Auskunft des Beklagten beim Vollstreckungsportal … vom 3. Februar 2016 ergab für den Zeitraum vom 14. Oktober 2013 bis zum 8. Januar 2016 insgesamt 27 Eintragungen, von denen in der Folgezeit zwar etliche gelöscht worden, aber auch zehn Neueintragungen hinzugekommen sind. Die von der Beklagten beim Vollstreckungsportal … am 12. Januar 2017 eingeholte Auskunft hat bis zum 12. Dezember 2016 noch eine Anzahl von 26 Eintragungen ausgewiesen. Laut erneuter Auskunft beim Vollstreckungsportal … vom 15. Mai 2017 sind unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen periodischen Löschung noch 22 Eintragungen vorhanden. Die im Allgemeinen bereits aufgrund einer einzigen Eintragung im Schuldnerverzeichnis geltende gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalles muss im Streitfall aufgrund sowohl der Vielzahl als auch der Nachhaltigkeit der Eintragungen des Klägers als besonders gewichtig angesehen werden.
Der Senat erkennt durchaus, dass der Kläger trotz seiner über längere Zeitabschnitte hinweg erfolgten Versuche, den Gang des berufsaufsichtlichen Verfahrens beim Beklagten sowie des sich anschließenden gerichtlichen Rechtsschutzverfahrens zu verzögern, zwischenzeitlich etliche Bemühungen unternommen hat, seine wirtschaftliche Lage zu verbessern und sich von einem Teil seiner Schulden zu befreien. Insbesondere durch den Verkauf seines nahezu vollständig fremdfinanzierten Privathauses, die Wegfertigung etlicher Schulden gegenüber privaten Gläubigern sowie die Teilzahlung in Höhe von 30.000 € auf den Haftungsbescheid des Finanzamtes F ist in einem gewissen Maße eine Besserung eingetreten. Gleichwohl ist der Kläger aktuell mit einer restlichen steuerlichen Haftungsschuld für seine in Insolvenz gefallene GmbH von ca. 65.000 €, laut seiner eigenen Aufstellung der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis mit vollstreckbaren, überwiegend privatrechtlichen Schulden von 81.184,70 €, mit einer Zahlungsklage des Insolvenzverwalters der GmbH über 25.000 € sowie mit neuen Steuerschulden gegenüber den Finanzämtern B und Y in Höhe von 19.000 € konfrontiert. Selbst wenn sich ein Teil des Schuldgesamtbetrages von ca. 190.000 € etwa durch einen Teilerfolg im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes F oder auch durch einen Prozessvergleich mit dem Insolvenzverwalter der GmbH erledigen sollte – was jedoch derzeit in keiner Weise beurteilt werden kann – verbleibt das finanzielle Schicksal des Klägers trotz der augenscheinlich zufriedenstellenden Ertragslage seiner Steuerberatungskanzlei weiterhin ungewiss.
Legt der Senat den vom Kläger für das Geschäftsjahr 2016 in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen steuerlichen Gewinn von 141.975,81 € sowie das in der Erfolgsrechnung für den Zeitraum vom Januar bis April 2017 von ihm ermittelte vorläufige Ergebnis von 47.577,63 € zugrunde, so erscheint es auf längere Sicht bei künftig gleichbleibend guter Ertragslage zwar nicht als ausgeschlossen, dass der Kläger seine wirtschaftliche Lage konsolidiert. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob aufgrund des vorliegenden Sachvortrages des Klägers die auf den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis beruhende gesetzliche Vermutung seines Vermögensverfalles gegenwärtig als widerlegt angesehen werden kann, sind jedoch zum einen die vollständig unaufgeklärt gebliebenen fünf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis aus dem Jahre 2016 und zum anderen die zwischenzeitlich erneut angefallenen Steuerschulden bei den Finanzämtern B und Y. Es verschließt sich dem Verständnis des Senates, dass der Kläger nach wie vor die besagten fünf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis aus dem Jahre 2016 weder in Bezug auf die Identität der Gläubiger noch in Bezug auf die Höhe der vollstreckbaren Forderungen aufzuklären vermocht hat. So ist es dem Senat versagt, einzuschätzen, ob sich hinter diesen Eintragungen zwischenzeitlich vollständig oder teilweise erledigte Vollstreckungsverfahren oder doch erhebliche weitere, bislang dem Senat unbekannte Vollstreckungsschulden verbergen. Durch zusätzliche gegen den Kläger vollstreckbare Forderungen in womöglich beträchtlicher Höhe wäre die andernfalls denkbare Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Situation hinfällig. Schon aufgrund dieser gravierenden finanziellen Unsicherheit kann der Eintritt seines Vermögensverfalles derzeit nicht ausgeschlossen werden. Auch hat der Kläger in seiner fast 2½ Jahre dauernden Hinhaltetaktik gegenüber der Beklagten sowie dem Gericht wenig dazu beigetragen, das Vertrauen in die Ernsthaftigkeit seiner Aufklärungsbemühungen und seine berufliche Zuverlässigkeit zu stärken. Nicht zuletzt bleibt zu seinen Lasten festzustellen, dass er insbesondere in seiner gegenwärtigen Steuerberatungstätigkeit erneut betriebliche Steuerschulden beim Finanzamt B in Höhe von 17.000 € auflaufen ließ. Dieser Umstand ist vor allem deswegen unverständlich, weil dem Kläger bewusst sein muss, dass seine eigene steuerliche Zuverlässigkeit einen grundlegenden Bestandteil seiner Berufspflichten darstellt. Aus den dargestellten Gründen vermag der Senat die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalles des Klägers (vgl. § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG) nicht als widerlegt anzusehen. Schließlich sieht der Senat auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der beim Kläger anzunehmende Vermögensverfall die Interessen seiner Mandanten nicht beeinträchtigen sollte (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 a.E. StBerG). Insbesondere bei einer im Rahmen einer Einzelkanzlei ausgeübten Steuerberatungstätigkeit fehlt es an jeglichem Kontrollinstrumentarium, eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der Mandanten durch einen solchen Vermögensverfall mit Sicherheit auszuschließen. Die Klage kann infolgedessen keinen Erfolg haben.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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