Aktenzeichen BayAGH I 17/15
Leitsatz
Im Falle der Eintragung des Rechtsanwalts in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO ist es Sache des Rechtsanwalts, die sich hieraus ergebene Vermutung des Vermögensverfalls iSv § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerlegen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage auf Aufhebung des Widerrufsbescheids der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk M. vom 26.11.2015, Gz.: P …, wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.
IV.
Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ein Vorverfahren nach § 68 VwGO war nach § 15 Abs. 2 BayAGVwGO nicht durchzuführen. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Die hierfür gemäß § 33 BRAO zuständige Beklagte hat die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen.
a) Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids am 26.11.2015 in einem Vermögensverfall.
Ein solcher liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind nach ständiger Rechtsprechung das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt. Vermögensverfall wird vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 Abs. 1 ZPO a. F.; § 882 b ZPO n. F.) oder in das vom Insolvenzgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist, § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO.
Diese Voraussetzung war angesichts der zum Zeitpunkt des Widerrufs (und im Übrigen auch noch heute) bestehenden Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis gegeben. Die daraus resultierende Vermutung des Vermögensverfalls hat der Kläger nicht widerlegt. Sie hat sich vielmehr durch die weiteren Erkenntnisse bestätigt.
Dass die Vermögensverhältnisse des Klägers nach wie vor schlecht sind und befürchten lassen, dass er sie in absehbarer Zeit nicht wird ordnen können, belegen die unbestritten nach wie vor aktuellen Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis. Hierzu ist ergänzend noch folgendes auszuführen:
Bei den ersten beiden Eintragungen mit dem Aktenzeichen DR II 501/15 handelt es sich um eine Forderung der S. Klinik gegen den Kläger mit dem nach Vortrag der Beklagten aktuell bestehenden Forderungsbetrag von 4.992,- Euro. Der Kläger selbst räumt ein, dass er zur Zahlung von 3.800,- € verurteilt worden sei. Nicht belegt, im Übrigen auch unzureichend, hat der Kläger lediglich zwei Teilzahlungen durch ihn über insgesamt 2.000,- € behauptet, wobei die Schuld in der Hauptsache nach seiner „Auffassung“ nur noch in Höhe von 1.800,- € offen sei.
Bei der weiteren Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis mit dem Aktenzeichen 24 handelt es sich um die Forderung des Finanzamtes M. gegen den Kläger mit der Forderungshöhe von 16.526,21 Euro. Soweit der Kläger hierzu vorgetragen hat, in seinem Bewusstsein bestehe diese angebliche Schuld nicht, wirkt dies, soweit der Vermögensfall des Klägers betroffen ist, in keiner Weise zu seinen Gunsten und ist auch nicht geeignet, die gegen den Beklagten sprechende Vermutung zu widerlegen.
Bei der weiteren Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis mit dem Aktenzeichen DR . /15 handelt es sich um den gegen den Kläger aufgelaufenen Rückstand der Rundfunkbeiträge in der Höhe von 228,87 Euro. Die Einlassung des Klägers, dass er gegen die Rundfunkgebührenbescheide Widerspruch eingelegt habe, „da ja sein Büro nicht mehr existierte“, und da er eine – mittlerweile ergangene – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe abwarten wollen, ist auch angesichts der übrigen sich gegen den Kläger richtenden Forderungen nicht geeignet, die Erkenntnis zu fördern, dass sich der Kläger nicht in Vermögensverfall befinde.
Eines Eingehens auf die sonstigen Verbindlichkeiten des Klägers, die sich aufgrund dessen unzureichenden Vortrags und seiner allenfalls als rudimentär zu bezeichnenden Mitwirkung an der Aufhellung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nur unvollständig erschließen, bedarf es nicht mehr. So bedarf z. B. auch keiner weiteren Erörterung, ob der Kläger in dem sich gegen ihn richtenden zivilgerichtlichen Verfahren eines Herrn C. die behauptetermaßen in einem Vergleich ausgesprochene Summe von 200,-€, ggf. nebst Kosten bezahlt hat.
Davon, dass dem Kläger Mittel zur Seite stünden, die geeignet wären, die nachgewiesene Schuldenlast zu beseitigen, kann nicht ausgegangen werden. Nicht einmal der Kläger selbst hat vorgetragen, auf welche Werte er ggf. zurückgreifen könne und wovon er überhaupt seinen Lebensunterhalt nachhaltig bestreiten könnte.
Dass der Kläger nach seinen Angaben im Jahr 2015 imstande gewesen sei, eine fünfwöchige Reise durch Russland inclusive der entstandenen Hotelkosten zu bezahlen, entkräftet entgegen seiner Annahme ebenso wenig die Vermutung des Vermögensverfalls wie der vom Kläger behauptete, im Übrigen aber auch gar nicht belegte „aktuelle“ Guthabenstand seines Bankkontos in Höhe von 8.256,28 €, wenn es auch erfreulich für den Kläger sein mag, dass er seit Mitte April (wohl 2015) wieder über ein Bankkonto verfügt. Die gänzlich unsubstantiierte Behauptung des Klägers, dass er seither alle seine Zahlungsverpflichtungen ausnahmslos erfüllt habe, genügt nicht den Anforderungen an die Darlegungen, die von einem Rechtsanwalt, gegen den sich die Vermutung des Vermögensverfalls richtet, hinsichtlich seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwartet werden. Es fehlt an einem klaren, umfassenden und nachvollziehbaren Vermögensstatus, der ausweist, welche Forderungen in welcher Höhe sich gegen den Kläger noch richten und in welcher Art und Weise ggf. Tilgungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen wurden.
Auch der Vortrag des sich in mündlicher Verhandlung sehr für den Kläger einsetzenden und um Verständnis für dessen Lage plädierenden Prozessbevollmächtigten, der sich gut vorstellen kann, für den Kläger mit dem Finanzamt noch zu einer verträglichen und einhaltbaren Ratenzahlungsvereinbarung zu gelangen, vermag hieran nichts zu ändern.
b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden als weitere Voraussetzung für einen Widerruf der Zulassung bestand und besteht.
Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschlüsse vom 05. 12.2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559 Rn. 8, und vom 25.06.2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8, m. w. N.). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht bestand, sind vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden kann bei dem Vermögensverfall des Klägers nur durch einen Widerruf der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wirksam begegnet werden, wie die Beklagte in ihrem Widerrufsbescheid richtig entschieden hat.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
3. Nebenentscheidungen:
a) Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c BRAO i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 709 ZPO.
c) Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
In Verfahren, die Klagen auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder deren Rücknahme oder Widerruf betreffen, ist nach § 194 Abs. 2, Satz 1 BRAO regelmäßig ein Streitwert von 50.000,- € anzunehmen. Gründe, hiervon im Fall des Klägers gemäß § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil liegen nicht vor (§ 112 e BRAO i. V. m. §§ 124 Abs. 2, 124 a Abs. 1 VwGO). Insbesondere sind die entscheidungserheblichen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt.