Aktenzeichen B 4 K 15.74
AO AO § 120 Abs. 2 Nr. 2, § 124 Abs. 2, § 131 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 228, § 229 Abs. 1 S. 1, § 231, § 232
Leitsatz
1 Der Widerruf der Stundung eines Herstellungsbeitrags ist rechtswidrig, wenn sich der zu Grunde liegende Stundungsverwaltungsakt zum Zeitpunkt des Widerrufs durch den Eintritt einer auflösenden Bedingng erledigt hat und damit unwirksam geworden ist. (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach dem Wegfall der Wirkungen der Stundung wird ein mit bestandskräftigem Bescheid festgesetzter Beitrag fällig, ohne dass es darauf ankommt, ob die Voraussetzungen für die Erhebung des Beitrags weiterhin vorliegen. Die Fälligkeit kann durch Verwaltungsakt festgestellt werden (ebenso BayVGH BeckRS 2012, 59322). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Ziffer 1 des Bescheides des Beklagten vom 10.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Bayreuth vom 07.01.2015 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
a. Die Klage gegen den Zweckverband zur Wasserversorgung der … Gruppe als den richtigen Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie nicht verfristet. Dabei kann offen bleiben, ob sich durch Auslegung des Klageschriftsatzes vom 05.02.2015 bereits ergeben konnte, dass sie gegen den Zweckverband gerichtet war oder ob die „Klarstellung“ vom 12.03.2015 als jedenfalls sachdienliche Klageänderung (§ 91 Abs. 1 VwGO) erst zur richtigen Bezeichnung des Beklagten geführt hat. Aufgrund der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:im Widerspruchsbescheid betrug die Klagefrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr ab Zustellung des Bescheids.
b. Der Bescheid des Beklagten vom 10.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Bayreuth vom 07.01.2015 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, soweit der Stundungsbescheid vom 11.03.1999 widerrufen wurde, weil er in diesem Umfang rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil die Feststellung, dass der gestundete Betrag in Höhe von 7.650,93 EUR zur Zahlung fällig ist, rechtmäßig ist.
(1) Der Widerruf der Stundung vom 11.03.1999 (Ziff. 1 des Bescheides vom 10.04.2014) ist rechtswidrig, weil die Stundung zum Zeitpunkt ihres Widerrufs durch den Eintritt der auflösenden Bedingung der Beendigung der landwirtschaftlichen Nutzung bereits unwirksam geworden war.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG i. V. m. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Einer Korrektur im Wege des Widerrufs bedarf eine Stundung jedoch nur dann, wenn sie nicht auf andere Weise unwirksam geworden ist.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG, § 124 Abs. 2 AO bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder auf andere Weise erledigt ist. Auf andere Weise erledigt sich ein Verwaltungsakt u.a. durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG, § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO (Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 124 Rn. 11).
Der Stundungsbescheid vom 11.03.1999 wurde mit der auflösenden Bedingung erlassen, dass die Stundung solange gewährt wird, als die betreffenden Flächen/Teilflächen nicht bebaut werden und der landwirtschaftlichen Nutzung unterliegen sowie von der Klägerin selbst oder von ihren Angehörigen bewirtschaftet werden (Ziff. 2).
Die auflösende Bedingung ist im Februar 2009 eingetreten, als die Klägerin ihren landwirtschaftlichen Betrieb an einen „Nicht-Angehörigen“ verpachtete. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, beschränkt sie sich seither auf die forstwirtschaftliche Nutzung ihres Waldes und hat die landwirtschaftliche Nutzung auch der bislang für die Erzeugung von Grünfutter für die Tierhaltung genutzten Teilfläche auf dem Grundstück Flnr. … endgültig aufgegeben. Daran ändert nichts, dass die Klägerin inzwischen Obst von der Streuobstwiese verkauft. Im Rahmen des Liefer- und Abnahmevertrags mit dem Landschaftspflegeverband … und Umgebung e.V. wurden im Jahr 2014 nur 120 kg Äpfel abgeliefert und ein Ertrag von 12,00 EUR erzielt. Schon wegen der geringen Einnah men wurde auf der entsprechenden Teilfläche des Grundstücks damit nicht die landwirtschaftliche Nutzung fortgeführt, sondern eine Liebhaberei betrieben.
Mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung im Februar 2009 durch den objektiven Wegfall der Voraussetzung für die Stundung wurde der Stundungsbescheid vom 11.03.1999 automatisch unwirksam. Eines besonderen Aufhebungsbescheides bedurfte es dazu nicht (BayVGH, U. v. 25.01.2013 – 6 B 12.355 – BayVBl 2013, 405/406 Rn. 21). Der Widerruf der Stundung war zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht mehr möglich, mit der Folge, dass die Ziffer 1 des Bescheides vom 10.04.2014 aus deklaratorischen Gründen aufzuheben ist, um den gegen die Klägerin gerichteten Rechtsschein zu beseitigen.
(2) Der Bescheid vom 10.04.2014 ist rechtmäßig, soweit in Ziffer 2 festgestellt wird, dass der wegen der Stundung noch offene Herstellungsbeitrag in Höhe von 7.650,93 EUR zur Zahlung fällig ist.
Die Beitragsforderung war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 10.04.2014 nicht aufgrund von Zahlungsverjährung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 b KAG, § 232 AO erloschen.
Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung, die fünf Jahre beträgt (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 228 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 229 Abs. 1 Satz 1 AO). Dies war hier mit Ablauf des Jahres 1998 der Fall, nachdem der Herstellungsbeitragsbescheid am 31.12.2008 in voller Höhe zur Zahlung fällig geworden war. Die Zahlungsverjährung wurde in Höhe von 7.650,93 EUR durch die am 01.04.1999 wirksam gewordene Stundung unterbrochen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 231 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Unterbrechung der Verjährung durch Stundung dauert gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a KAG, § 231 Abs. 2 Satz 1 AO fort, bis die Stundung abgelaufen ist. Ist die Stundung als Unterbrechungshandlung auf eine gewisse Dauer angelegt, endet die Unterbrechung mit Wegfall der Wirkungen (BayVGH, U. v. 25.01.2013 – a.a.O. Rn. 20). Mit dem Wegfall der landwirtschaftlichen Nutzung der Teilfläche des Grundstücks hat die Stundung im Februar 2009 ihre Wirksamkeit verloren. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, § 231 Abs. 3 AO begann damit mit Ablauf des Jahres 2009 eine neue fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist, die erst mit Ablauf des 31.12.2014, also nach Erlass des Bescheides am 10.04.2014, geendet hat.
Da nach Wegfall der Wirkungen der Stundung im Februar 2009 die Fälligkeit der Beitragsforderung nicht länger hinausgeschoben wird (vgl. BayVGH, U. v. 27.09.2012 – 20 B 12.821 – juris Rn. 22), war der mit bestandskräftigem Bescheid vom 27.10.1998 festgesetzte Her stellungsbeitrag am 10.04.2014 zur Zahlung fällig, ohne dass es dafür darauf ankommt, ob die Voraussetzungen für die Erhebung eines Herstellungsbeitrags weiterhin vorliegen.
Somit war die Klage, soweit sie sich gegen Ziffer 2 des Bescheides vom 10.04.2014 richtet, abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 155 Abs. 1 VwGO. Danach sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt. Wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, können die Kosten einem Beteiligten ganz auferlegt werden (§ 155 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO). Der Beklagte hat hinsichtlich der Feststellung der Fälligkeit der Beitragsforderung obsiegt und ist nur insoweit unterlegen, als der Widerruf der Stundung klarstellend aufgehoben wurde. Deshalb ist es ermessensgerecht, der Klägerin die Kosten insgesamt aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.