Aktenzeichen BayAGH I-1-14/15
Leitsatz
1 Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, kann die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nur widerlegen, wenn er ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegt und dartut, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Vorlage eines Kontoauszuges, der ein erhebliches Guthaben zu Gunsten des Rechtsanwalts aufweist, ist nicht geeignet, eine nachhaltige Ordnung der Vermögensverhältnisse darzutun, wenn daraus nicht ersichtlich ist, ob es sich tatsächlich um frei verfügbares Vermögen handelt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Nach Maßgabe von §§ 112c Abs. 1, 215 Abs. 3 BRAO richtet sich das Verfahren nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung. Gemäß Art. 15 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen.
Nachdem sich Parteien in der mündlichen Verhandlung mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt hatten, konnte der Senat ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Beschluss v. 04.06.2014, 5 B 11/14 -juris; Urteil v. 14.02.2003, 4 B 11/03 – juris).
II.
Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht erhoben, § 74 Abs. 1 Satz 1
VwGO.
III.
Die Klage ist jedoch unbegründet und war abzuweisen. Der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 20.10.2015 ist rechtmäßig. Er verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO war die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls und der dadurch verursachten Gefährdung der Rechtssuchen zu widerrufen.
1. Ein Vermögensverfall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in ab sehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (etwa BGH, Beschluss v. 08.12.2010, AnwZ (B) 119/09, NJW-RR 2011, 483 Rn.12; Beschluss v. 20.12.2013, AnwZ (Brfg) 40/13, Rn. 4 – juris).
Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn. Ein Rechtsanwalt befindet sich in ungeordneten finanziellen Verhältnissen, wenn er es immer wieder zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in sein Vermögen wegen berechtigter und fälliger Forderungen kommen lässt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei den Forderungen, derentwegen vollstreckt wird, um persönliche Verbindlichkeiten des Rechtsanwalts handelt, die er trotz Fälligkeit nicht beglichen hat. Er zeigt damit, dass es ihm nicht gelingt, seine Schulden geordnet zurück zu führen und ihre ordnungsgemäße Begleichung durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit Gläubigern sicher zu stellen (BGH Beschluss v. 09.02.2015, AnwZ (Brfg) 46/14, NJW-Spezial 2015, 286 f. Rn. 9).
Ein Vermögensverfall wird darüber hinaus nach § 14 II Nr. 7 Hs. 2 BRAO vermutet, wenn ein Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§§ 26 II InsO; 882 b ZPO) eingetragen ist (BGH Beschluss v. 06.02.2014, AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt 2014, 164 ff Rn. 3). Hierbei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls infolge des ab 01.09.2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen. Danach eintretende Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH Beschluss v. 29.06.2011, AnwZ (Brfg) 11/10, NJW 2011, 3234 ff. Rn. 9 ff.; Beschluss v. 10.03.2014, AnwZ (Brfg) 77/13 Rn. 3 – juris).
2. Nach diesen Maßgaben waren die Voraussetzungen des Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO beim Kläger gegeben.
a) Zum Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Verfahrens, d.h. bei Erlass des Widerrufsbescheids am 20.10.2015, waren im beim Amtsgericht Hof – Vollstreckungsgericht – geführten Schuldnerverzeichnis bezüglich des Klägers sechs Einträge wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft enthalten. Daraus folgt die Vermutung des Vermögensverfalls.
Im Übrigen hat die Beklagte weitere offene Forderungen gegen den Kläger in Höhe von 12.506,70 € (Beitragsrückstände der Rechtsanwaltsversorgung) sowie Steuerrückstände in Höhe von mehr als 10.000,00 € mitgeteilt.
b) Der Kläger hat die Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt.
aa) Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, kann die gesetzliche Vermutung widerlegen. Hierfür reicht es aber nicht aus, eine Löschung der Eintragungen und bezüglich der Forderungen, die zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geführt haben, eine Schuldtilgung oder eine Stundungsvereinbarung nachzuweisen (BGH Beschluss v. 25.03.1991, Anwz (B) 80/90, NJW 1991, 2083 f. Rn. 4). Darüber hinaus muss er ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind. Dabei ist er nach § 32 BRAO, § 26 VwVfG zu einer entsprechenden Mitwirkung im Verwaltungsverfahren verpflichtet. Diese Mitwirkungslast setzt sich im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof fort (BGH Beschluss v. 06.02.2014, Anwz (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt 2014, 164 ff. Rn. 5).
bb) Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.
Er hat trotz Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 24.11.2014, 16.01.2015 und 25.06.2015 in seinen Stellungnahmen hierzu vom 19.12.2014, 11.02.2015, 04.06.2015 und 05.08.2015 bis zum Erlass des Widerrufsbescheids weder Nachweise für sämtliche Zahlungen oder Löschungen der Einträge im Schuldnerverzeichnis erbracht noch ein vollständiges Gläubiger- und Schuldnerverzeichnis sowie eine ausreichende Übersicht über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorgelegt.
Dies hat er auch im Klageverfahren nicht nachgeholt. Soweit er hierzu mit Schriftsätzen vom 04.04.2016 und 20.04.2016 weitere Angaben gemacht hat, wurde dadurch der vermutete Vermögensverfall zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids nicht widerlegt. Zwar hat er die zwischenzeitlich erfolgte Löschung der Einträge vom 09.09.2014 und vom 18.11.2014 durch Bescheide des Amtsgerichts Hof vom 01.12.2015 nachgewiesen. Die weiteren Einträge bestehen aber nach wie vor. Eine Tilgung der zugrunde liegenden Forderungen hat der Kläger selbst nicht behauptet. Er räumt vielmehr ein, die . Krankenkasse beziffere ihre Forderung auf aktuell 15.993,39 und habe die Vollstreckungsaufträge „bis vollständiger Klärung ruhend“ gestellt. Er verweist insofern auf einen im Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg abgeschlossenen Vergleich vom 08.10.2015, in welchem die dort vorliegenden Vollstreckungsaufträge bis zur „weiteren Klärung“ (Übersendung der Umsatzsteuerbescheide 2012/2013 und des Einkommenssteuerbescheids 2012) ruhend gestellt werden sollen. Hieraus ergibt sich aber nicht, auf welche Vollstreckungsaufträge sich der Vergleich bezieht. Im Übrigen ergibt sich aus dem neuerlichen Eintrag des Klägers in das Schuldnerverzeichnis auf Antrag der … BKK, dass diese auch wegen ausstehender Beiträge für den Zeitraum vom 01.06.2015 bis 31.12.2015 gegen den Kläger vollstreckt. Hinsichtlich der Forderung der a.bank in Höhe von 5.000,00 €, die der Eintragung vom 07.09.2015 zugrunde lag, behauptete er, das von ihm auch dort eingeleitete Vollstreckungsabwehrverfahren dauere noch fort. Allerdings bezieht sich dieser Vollstreckungsauftrag auf ausstehende Ratenzahlungen aus einem mit der Gläubigerin geschlossenen Vergleich vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth vom 06.05.2011. Seiner dort vereinbarten Ratenzahlungspflicht ist der Kläger nicht nachgekommen. Seine gegen die Vollstreckung aus diesem Vergleich gerichtete Klage, die auf Verjährungseintritt gestützt war, hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil v. 12.10.2015 abgewiesen. Damit bestanden bei Erlass des Widerrufsbescheids schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers gegen diesen hinsichtlich der Forderungen, die zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geführt haben, offene Beträge von über 13.000 €. Zu den von der Beklagten angeführten Mitteilungen des Finanzamtes bezüglich der Steuerrückstände des Klägers hat er sich nicht geäußert.
Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachhaltig geordnet waren. Der vorgelegte Kontoauszug über das Tagesgeldkonto bei der P.-bank weist zwar im Oktober 2015 ein Guthaben von 72.000 € auf. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, ob der Kläger über das auf seinen und den Namen Elena K. lautende Konto allein verfügen konnte und welcher Betrag ihm hiervon zustand, sagt dies nichts darüber aus, ob es sich tatsächlich um frei verfügbares Bankvermögen gehandelt hat. Der Kläger konnte sich trotz des Kontostandes in schlechten und ungeordneten Verhältnissen befunden haben. Ein Indiz hierfür ist, dass er es auch wegen zum Teil vergleichsweise geringer Forderungen zur Eintragung ins Schuldnerverzeichnis hat kommen lassen. Andernfalls erschließt sich nicht, weshalb er dies angesichts seines behaupteten Barvermögens zugelassen hat.
Auch die zuletzt mit Schriftsatz vom 04.04.2016 vorgelegte Übersicht über die Einkommensverhältnisse ist unzureichend. Sie enthält keine vollständige oder nachvollziehbare Angabe sämtlicher Ausgaben und offener Verbindlichkeiten. So werden weder monatlich zu zahlende Beiträge für Versicherungen etwa die BKK (diese wurden in der Aufstellung vom 11.02.2015 noch mit 690,00 € veranschlagt) noch für das Versorgungswerk umfassend mitgeteilt (laut Aufstellung vom 11.02.2015 und vorgelegtem Schreiben vom 09.11.2015 beliefen sich diese auf mtl. 1.131,35 €). Ebenfalls nicht enthalten waren die Forderungen des Amts für Existenzsicherung, das gegen den Kläger wegen der für einen Angehörigen bestehenden Unterhaltsverpflichtung fortlaufende Ansprüche geltend macht. Aus diesem Grund waren gegen den Kläger bereits 2014 Zwangsgelder festgesetzt und Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ergangen; ferner durch Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 24.03.2015 wegen Nichterteilung der Vermögensauskunft Zwangshaft verhängt worden. Im Übrigen handelt es sich bei den, ohne Vorlage geeigneter Nachweise, behaupteten Einkünften aus anwaltlicher Tätigkeit um bloße „circa“ Angaben und aus der Beteiligung an der … Trans um nur „vorläufige Gewinnausschüttungen“.
Soweit der Kläger angibt, Eigentümer zweier Eigentumswohnungen zu sein, rechtfertigt dies, selbst wenn von beträchtlichen Vermögenswerten auszugehen ist, keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Der Vermögensverfall setzt keine Überschuldung des Rechtsanwalts voraus. Vielmehr kommt es darauf an, ob die liquiden Mittel ausreichen, um die offenen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Immobilienvermögen ist nur dann von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum Maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat (BGH, Beschluss v. 09.02.2015 a. a. O.). Dies war vorliegend nicht der Fall.
Der Kläger hat dadurch, dass er es in der Vergangenheit und zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids zu Zwangsvollstreckungensmaßnahmen wegen Verbindlichkeiten in erheblicher Höhe hat kommen lassen, gezeigt, dass er seine finanziellen Verhältnisse in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Eine geordnete finanzielle Situation ist mit diesen Vollstreckungsmaßnahmen nicht vereinbar. Soweit der Kläger auf krankheitsbedingte Belastungen hingewiesen hat, sind diese bedauerlich, jedoch rechtlich unerheblich, da es nicht darauf ankommt, ob der Rechtsanwalt den Vermögensverfall verschuldet hat (BGH Beschluss v. 02.04.2012, AnwZ (Brfg) 9/12, Rn. 6 – juris).
2. Der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden trotz der ungeordneten Vermögensverhältnisse des Klägers nicht besteht.
Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern des Rechtsanwalts (BGH Beschluss v. 15.03.2012 Anwz 55/11, Rn. 9 – juris). Will der betroffene Rechtsanwalt das Gegenteil geltend machen, muss er nachweisen, dass eine entsprechende Gefährdung nicht (mehr) gegeben ist. Erforderlich hierfür ist regelmäßig die Aufgabe der Tätigkeit als Einzelanwalt und der Abschluss eines Angestelltenvertrags mit einer Anwaltssozietät (BGH, Beschluss vom 04.01.2014, AnwZ 62/13, Rn. 6 – juris). Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Der Kläger ist als Einzelanwalt tätig.
III. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 BRAO i. Verb. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 112 c Abs. 1 BRAO i. Verb. m. § 167 VwGO und § 709 S. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO. Für die Festsetzung eines abweichenden Streitwerts nach § 194 Abs. 2 S. 2 BRAO bestand vorliegend keine Veranlassung. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung waren nicht gegeben, § 124 Abs. 2 VwGO.