Steuerrecht

Wohnungsdurchsuchung zur Sicherstellung einer Waffenbesitzkarte und von Waffen

Aktenzeichen  M 7 E 16.1279

Datum:
22.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 13 Abs. 2, Art. 103 Abs. 1
BayVwZVG BayVwZVG Art. 3, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Art. 34 S. 1, Art. 36, Art. 37 Abs. 3 S. 1
WaffG WaffG § 10 Abs. 1 S. 1, § 45 Abs. 2, § 46 Abs. 1, Abs. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Rechtsgrundlage für die Durchsuchung einer Wohnung zur Sicherstellung von Schusswaffen und der waffenrechtlichen Erlaubnis nach Widerruf der Waffenbesitzkarte ist Art. 37 Abs. 3 S. 1 BayVwZVG. Die richterliche Anordnung zu dieser Durchsuchung setzt voraus, dass die dementsprechenden Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Wohnungsdurchsuchung ist ohne vorherige Androhung möglich, wenn die Sicherung gefährdeter Interessen in einer besonderen Gefahrenlage einen sofortigen Zugriff notwendig macht. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn die Durchsuchung der Erfüllung waffenrechtlicher Pflichten dient und die Bemühungen der Behörde um eine freiwillige Einhaltung dieser Pflichten erfolglos geblieben sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Durchsuchung der Wohnung des Herrn … durch Bedienstete der Antragstellerin und Polizeibeamte wird gestattet. Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden. Die Gestattung gilt sechs Monate ab Beschlussdatum und nur für die zwangsweise Sicherstellung der Waffenbesitzkarte Nr. … und folgender darin eingetragener Schusswaffen:
ArtHerstellerKaliberHerst.Nr.
RepetierbüchseSauer & Sohn7 x 64E2951
BockflinteBeretta12/70E49193B
RevolverSmith & Wesson357 MagAUV3296
PistoleColt45 AutoSN-26024
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Sicherstellung der Waffenbesitzkarte des Antragsgegners sowie der hierin eingetragenen Schusswaffen.
Nach Lösung eines Jagdscheines erteilte die Antragstellerin dem Antragsgegner am 5. Juli 2013 die Waffenbesitzkarte Nr. … Dem vorausgegangen war der Widerruf seiner am 25. Juli 1985 erteilten Waffenbesitzkarte wegen Wegfalls des Bedürfnisses sowie deren Sicherstellung am 3. Juli 2013 nach Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 30. April 2013 (M 7 E 13.1386). Die gleichzeitig sichergestellten Waffen und Munition wurden dem Antragsgegner ebenfalls am 5. Juli 2013 wieder ausgehändigt.
Nach Ablauf seines Jagdscheines am 31. März 2015 hörte die Antragstellerin den Antragsgegner mit Schreiben vom 16. Juli, 7. September und 26. Oktober 2015 abermals zum Widerruf der Waffenbesitzkarte an. Nachdem auf die Schreiben keinerlei Reaktion erfolgt war, widerrief die Antragstellerin mit Bescheid vom 12. November 2015 die Waffenbesitzkarte des Antragsgegners und gab ihm auf, die in seinem Besitz befindlichen Waffen und Munition innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids an einen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und der Antragstellerin dies nachzuweisen; für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs wurde die Sicherstellung und Verwertung der Waffen und Munition angekündigt. Weiter wurde dem Antragsgegner aufgegeben, die waffenrechtliche Erlaubnis innerhalb derselben Frist abzugeben und ihm widrigenfalls ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- Euro angedroht. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid wurde dem Antragsgegner laut Postzustellungsurkunde am 14. November 2015 durch Übergabe an ihn persönlich zugestellt. Mit am 28. Januar 2016 wiederum persönlich zugestelltem Bescheid vom 26. Januar 2016 drohte die Antragstellerin dem Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- Euro für den Fall an, dass die Rückgabepflicht nicht bis 22. Februar 2016 erfüllt werde, und forderte ihn nochmals auf, auch seine Waffen bis dahin an einen Berechtigten zu überlassen bzw. unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen. Andernfalls würden diese sichergestellt. Mit am 27. Februar 2016 zugestelltem Bescheid vom 24. Februar 2016 drohte die Antragstellerin dem Antragsgegner die Sicherstellung der Waffenbesitzkarte an, falls er diese nicht bis 14. März 2016 zurückgebe. Gegen keinen der Bescheide wurde ein Rechtsbehelf eingelegt.
Am 17. März 2016 beantragte die Antragstellerin bei Gericht,
die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners in …, zum Zwecke der Sicherstellung der Waffenbesitzkarte Nr. … und der darin eingetragenen Schusswaffen zu gestatten,
und führte zur Begründung aus, die Erteilung der Waffenbesitzkarte sei wegen des entfallenen waffenrechtlichen Bedürfnisses nach § 45 Abs. 2 i. V. m. § 8 WaffG widerrufen worden, da der Antragsgegner seinen Jagdschein nicht mehr verlängert habe. Der Widerrufsbescheid sei seit 15. Dezember 2015 unanfechtbar. Der Antragsgegner sei seinen waffenrechtlichen Verpflichtungen trotz Erinnerung und Fristverlängerung nicht nachgekommen. Es sei sowohl die Sicherstellung der Waffen als auch der Waffenbesitzkarte angedroht worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner nicht bereit sei, die Waffen und die Waffenbesitzkarte freiwillig herauszugeben. Vielmehr sei zu befürchten, dass er bei einem Sicherstellungsversuch die freiwillige Herausgabe verweigern bzw. den dann erforderlichen Zugriff unmöglich machen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf richterliche Anordnung der Wohnungsdurchsuchung nach Art. 13 Abs. 2 GG ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist statthaft. Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 und 2 GG dürfen Wohnungsdurchsuchungen außer bei Gefahr in Verzug nur auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung erfolgen (vgl. BVerfG, B. v. 3. April 1979 – 1 BvR 994/76 – juris Rn. 24 ff. m. w. N., Rn. 51 u. B. v. 16. Juni 1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 38 und BayVGH, B. v. 23. Februar 2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 24).
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Aus Art. 13 Abs. 2 GG folgt für den Prüfungsmaßstab und -umfang, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung als solche in richterlicher Unabhängigkeit geprüft werden müssen (BVerfG, B. v. 16. Juni 1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 41; BayVGH, B. v. 23. Februar 2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 25). Notwendig und ausreichend ist es daher zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme vorliegen und ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, insbesondere ob die zu vollstreckende Maßnahme den schwerwiegenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigt (BayVGH, a. a. O., Rn. 25 m. w. N.).
Rechtsgrundlage für die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zur Sicherstellung der Schusswaffen und der waffenrechtlichen Erlaubnis gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG nach fruchtlosem Ablauf der zur Erfüllung der waffenrechtlichen Verpflichtungen eingeräumten Fristen ist Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG.
Der Bescheid vom 12. November 2015 ist bestandskräftig, da er dem Antragsgegner gem. Art. 3 VwZVG i. V. m. § 177 ZPO durch Übergabe an ihn persönlich wirksam zugestellt worden ist und er nicht rechtzeitig den in der richtigen Rechtsbehelfsbelehrung genannten Rechtsbehelf eingelegt hat. Der Bescheid ist gem. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckbar. Die in diesem Bescheid bzw. dem nachfolgenden Zwangsgeldbescheid gesetzten Fristen, innerhalb derer der Antragsgegner die waffenrechtliche Erlaubnis gem. § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG zurückzugeben und die Waffen samt Munition gem. § 46 Abs. 2 WaffG einem Berechtigten zu überlassen bzw. unbrauchbar zu machen hatte, sind abgelaufen (vgl. Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Die Fristen im Ausgangsbescheid und dem weiteren Zwangsgeldbescheid waren jeweils angemessen im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Da die Anwendung des mildesten Vollstreckungsmittels, nämlich eine zweimalige Androhung des Zwangsgeldes, hinsichtlich der Rückgabe der Waffenbesitzkarte keinen Erfolg gezeigt hat, erscheint – auch unter Berücksichtigung des Widerrufsverfahrens aus den Jahren 2012/2013 und der nicht erfolgten Reaktion auf drei Anhörungsschreiben – die Anwendung unmittelbaren Zwangs nunmehr geboten (Art. 34 Satz 1 VwZVG). Dies hat die Antragstellerin dem Antragsgegner hinsichtlich des Erlaubnisdokuments im Bescheid vom 24. Februar 2016 mit Fristsetzung schriftlich angedroht (Art. 36 Abs. 1 VwZVG).
Auch die weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben. Eine vorangehende Androhung der Wohnungsdurchsuchung (Art. 36 VwZVG) bzw. Anhörung des Antragsgegners (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) ist entbehrlich. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann in besonderen Gefahrenlagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt. In diesen Fällen ist eine Verweisung des Betroffenen auf eine nachträgliche Anhörung mit dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) vereinbar (BVerfG, B. v. 16. Juni 1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 52 ff.). Das Gericht teilt die glaubwürdig vorgetragene Einschätzung der Antragstellerin, dass die Gefahr besteht, der Antragsgegner werde die Waffen und die waffenrechtlichen Erlaubnisse nicht freiwillig herausgeben bzw. den dann erforderlichen Zugriff auf sie unmöglich machen. Diese Annahme ist aufgrund der ergebnislos gebliebenen Bemühungen der Antragstellerin, den Antragsgegner zur Einhaltung seiner waffenrechtlichen Verpflichtung anzuhalten, gerechtfertigt.
Schließlich verstößt die Wohnungsdurchsuchung auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG sind die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde und Polizeibeamten befugt, die Wohnung des Pflichtigen zu betreten und verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Angesichts der erheblichen Gefahren, die von einsatzbereiten Schusswaffen in der Hand von waffenrechtlich unzuverlässigen bzw. unberechtigten Personen ausgehen, hat der Antragsgegner Einschränkungen seines Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG hinzunehmen. Zwar werden die Bediensteten der Antragstellerin bzw. der Polizei, bevor sie mit der Durchsuchung beginnen, von dem Antragsgegner die Waffe und die waffenrechtlichen Erlaubnisse herausverlangen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die Durchsuchung zu beenden, sobald der Antragsgegner jene freiwillig herausgeben sollte (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwVZG). Tritt dieser Fall jedoch nicht ein, so bleibt keine andere Möglichkeit, als die Wohnung zu durchsuchen.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist die Antragstellerin zu beauftragen, diesen Beschluss im Wege der Amtshilfe gem. § 14 VwGO unmittelbar bei Beginn der Durchsuchungsmaßnahme durch Übergabe zuzustellen.

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