Steuerrecht

Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt

Aktenzeichen  BayAGH III – 4 – 10/18

Datum:
24.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50252
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 46 Abs. 3, § 46a Abs. 1

 

Leitsatz

Die Beschaffung von allgemeinen Informationen, die Erörterung allgemeiner Rechtsfragen sowie die Prüfung neuer Urteile geben der beruflichen Tätigkeit eines Angestellten keine anwaltliche Prägung, sofern insoweit keine rechtliche Prüfung eines konkreten Einzelfalls in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers stattfindet bzw. diesem Rechtsrat erteilt wird. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits; die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (§ 112c Abs. 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) und auch sonst zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 74 Abs. 1, Abs. 2 VwGO). Ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO war gemäß § 15 BayAGVwGO nicht durchzuführen.
II.
Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 20. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 VwGO).
1. Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 20. April 2018 hat der Kläger keine Bedenken erhoben; solche sind auch nicht ersichtlich.
2. Der Bescheid vom 20. April 2018 ist auch materiell rechtmäßig.
a) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Angestellte Syndikusrechtsanwälte sind anwaltlich tätig, wenn ihre fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO aufgeführten Merkmale geprägt sind.
b) Bedenken gegen die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen nach § 4 BRAO bestehen nicht. Der Kläger ist bereits seit dem Jahr 1988 zugelassener Rechtsanwalt. Anhaltspunkte für eine Versagung der Zulassung nach § 7 BRAO sind nicht ersichtlich.
c) Zwar hat der Kläger glaubhaft geschildert, dass sich seine von der Position her unveränderte Tätigkeit über die Jahre stark gewandelt hat und keinesfalls mehr die von ihm selbst im Jahr 1996 beschriebene „reine Verwaltungstätigkeit“ darstellt. Dass sie allerdings nunmehr eine anwaltliche Prägung aufweist, ist ausgehend von der eigenen Darstellung des Klägers in seinen Tätigkeitsbeschreibungen nicht der Fall. Auch die Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. September 2018 hat zur Überzeugung des Senats nichts anderes ergeben.
aa) Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/5201) wird ein Beschäftigungsverhältnis durch eine anwaltliche Tätigkeit geprägt, wenn es durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Merkmale und Tätigkeiten beherrscht wird. Durch die Verwendung „prägen“ soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der ganz eindeutige Schwerpunkt der im Rahmen des Anstellungsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten und der bestehenden vertraglichen Leistungspflichten im anwaltlichen Bereich liegt, mithin die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen des Anstellungsverhältnisses qualitativ und quantitativ die eindeutig prägende Leistung ist. Umgekehrt wird eine anwaltliche Tätigkeit nicht dadurch ausgeschlossen, dass im Rahmen des Anstellungsverhältnisses in geringem Umfang auch andere Aufgaben wahrgenommen werden (vgl. AGH Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2017, AGH I ZU (SYN) 11/2016 (I-6), BeckRS 2017, 126224; AGH Stuttgart, Urteil vom 23. Juni 2017, AGH 1/17, juris; AGH Hamm, Urteil vom 24. November 2017, 1 AGH 1/17, BeckRS 2017, 137074; AGH Hamm, Urteil vom 22. Februar 2018, 1 AGH 83/18, juris; BGH, Beschluss vom 12. Februar 2018, AnwZ (Brfg) 21/17). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht die überwiegende Rechtsprechung davon aus, dass eine Prägung in diesem Sinne jedenfalls dann naheliegt, wenn die anwaltliche Tätigkeit mehr, deutlich mehr oder überwiegend mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch nimmt.
bb) Dies ist hier auch unter Zugrundelegung der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers in seiner Klageschrift vom 18. Mai 2018 – und unabhängig von der Frage, ob eine derart kleinteilige Quantifizierung generell und insbesondere angesichts der Einlassung des Klägers, dass „von einer ständig gleichen Aufteilung der Arbeitszeit nicht gesprochen werden“ könne (Beiblatt zur Tätigkeitsbeschreibung vom 10./11./12. April 2017, dort Ziffer 1 a.E.) überhaupt möglich ist – nicht der Fall.
(1) Nicht ansetzbar sind zunächst die Tätigkeiten des Klägers für die W. S. B. in München e.V. (1,1%), den F.M. e.V. (5,8%) und die W. M. B. GmbH (3,1%). Denn diese Tätigkeiten (insgesamt 10%) stellen jedenfalls keine anwaltliche Tätigkeit „für den Arbeitgeber“ im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO dar (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 2. Juli 2018, AnwZ (Brfg) 49/17, Rn. 36 ff.; AGH Koblenz, Urteil vom 11. August 2017, 1 AGH 17/16, juris), sondern – wie ausdrücklich im 1. Nachtrag zum Anstellungsvertrag (K 2) bzw. § 6 des Dienstvertrages (K 1) dargestellt – eine ehrenamtliche bzw. vom Arbeitgeber geforderte Tätigkeit für einen Dritten. Dass der Kläger, wie er selbst vorträgt und sich für die Tätigkeit für die Wirtschaftsvereinigung aus § 6 seines Dienstvertrages ergibt, von seinem Arbeitgeber zu diesen Tätigkeiten angehalten wird, ändert an dieser Bewertung nichts (BGH, Urteil vom 2. Juli 2018, AnwZ (Brfg) 49/17, Rn. 41 ff.).
Soweit der Kläger meint, die genannten Vereine bzw. Gesellschaft seien deshalb, weil sein Arbeitgeber die Tätigkeit fordere, ebenfalls als „Arbeitgeber“ anzusehen, trifft dies nicht zu. Entscheidend ist vielmehr, wer formal Partner des Arbeitsvertrages mit dem Kläger ist. Dies aber sind die fraglichen Einheiten unstreitig nicht.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind die auf die Tätigkeit für die W. S. B. in München e.V., den F. M. e.V. und die W. M. B. GmbH entfallenden Zeitanteile allerdings – wie bisher auch von ihm selbst – bei seiner Gesamttätigkeit zu berücksichtigen und als nicht anwaltliche Tätigkeit zu bewerten. Denn die Erbringung dieser Tätigkeit wird seitens seines Arbeitgebers vom Kläger gefordert und ist Bestandteil seiner mit 100% anzusetzenden arbeitsvertraglichen Verpflichtung.
(2) Die vom Kläger angesetzten 12,1% für „sonstige Informationsbeschaffung“ betreffen keine anwaltliche Tätigkeit, da insoweit keine rechtliche Prüfung eines konkreten Einzelfalles in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers stattfindet bzw. diesem Rechtsrat erteilt wird. Dass der Kläger – wie er in seiner Anhörung ausgeführt hat – für seine Tätigkeit auf die Sammlung möglichst vieler Informationen auf den unterschiedlichsten Gebieten angewiesen ist um frühzeitig mögliche Problemkreise identifizieren und angehen zu können, ändert hieran nichts. Hierbei mag es sich zwar jedenfalls teilweise um eine juristische Tätigkeit handeln und die Tätigkeit eines Volljuristen von Vorteil sein, es handelt sich jedoch nicht um eine dem Kanon des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO unterfallende anwaltliche Tätigkeit (vgl. AGH Hamm, Urteil vom 22. Februar 2018, 1 AGH 83/16, juris Rn. 37; AGH Hamm, Urteil vom 10. November 2017, 1 AGH 91/16).
(3) Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers für den M. B. e.V. sind die Positionen „Jour Fixe Termine, Beratung allgemeiner rechtlicher Fragen“ (3,4%), „Vorträge über das Oktoberfest“ (3,0%), „Prüfung neuer Urteile“ (2,8%), „Vorbereitung und Teilnahme an den Sitzungen des DBB Rechtsausschusses und div. Juristengespräche“ (1,7%) und „Berichterstattung und Teilnahme Tourismusinitiative München“ (0,2%), mithin 11,1% nicht als anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren.
Hinsichtlich der vom Kläger geschilderten Erörterung allgemeiner Rechtsfragen und der Prüfung neuer Urteile wird auf die oben unter (2) gemachten Ausführungen Bezug genommen.
Die sonstigen Tätigkeiten unterfallen zwanglos nicht dem Kanon des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BRAO. Soweit der Kläger insoweit vorbringt, die Vorbereitung und Teilnahme an Sitzungen erfordere die Prüfung von Rechtsfragen und sei auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen ausgerichtet, verkennt er weiterhin, dass die vor einem Termin subjektiv für erforderlich gehaltene Prüfung allgemeiner Rechtsfragen, das Zusammentreffen mit anderen Mitarbeitern des Arbeitgebers und die dortige „Beratung allgemeiner rechtlicher Fragen“ bzw. die Erörterung rechtlicher Fragen mit Dritten nicht die von § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO geforderte rechtliche Prüfung eines konkreten Einzelfalles in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers einschließlich Aufklärung und Analyse des Sachverhalts (vgl. AGH Hamm, Urteil vom 22. Februar 2018, 1 AGH 83/16, juris Rn. 37) darstellt und auch keine Rechtsberatung des Arbeitgebers oder eine Tätigkeit zur Gestaltung von Rechtsverhältnissen. Auch das durch die Sitzungsteilnahme ermöglichte „Erfassen neuer Erkenntnisse“ und der Erfahrungsaustausch stellen keine Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BRAO dar.
(4) Gleiches gilt für die für den B. B. e.V. geschilderte „Sitzungsteilnahme und Vorbereitung von mit dem Export befassten Institutionen (Bundesanstalt für Ernährung – Ausschuss für Außenwirtschaft/alp-Bayern -, Bay. Staatsministerium für Landwirtschaft und Ernährung) sowie Ministerkontakte“ (3,9%), „Vortrag und Berichterstattung von rechtlichen Problemen im Ausland auf dem Exporttreffen mit Nicht-Bayerischen …“ (2,7%), „Vorbereitung und Teilnahme an Sitzungen des DBB Rechtsausschusses“ (2,7%), „rechtlicher Vortrag und Schulungen beim Exportforum“ (1,2%). Hier wird der Kläger, wie seiner Schilderung in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen war, vornehmlich als „Lobbyist“ für seinen Arbeitgeber tätig bzw. referiert Rechtsfragen gegenüber Dritten, übt aber keine in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BRAO genannten Tätigkeiten für seinen Arbeitgeber aus. Dies gilt ersichtlich auch für die für die Ausrichtung des Festivals „…“ beschriebene Tätigkeit „Anträge, Besprechungen und Genehmigungen, teilweise Konzeption“ (4,1%).
Die betreffenden Arbeitskraftanteile summieren sich nach den eigenen Angaben des Klägers auf 14,6%.
(5) Gemeinsam mit dem vom Kläger selbst auf 8,3% angesetzten Anteil nicht-juristischer Tätigkeiten, der sich aus der Subtraktion der von ihm in der Klageschrift genannten Tätigkeitsanteile von 100% errechnet, summieren sich seine nicht-anwaltlichen Tätigkeiten unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen auf 56,1%.
Hierin ist der weitere Abschlag noch nicht berücksichtigt, der wegen der ebenfalls als nicht-anwaltlich einzustufenden „Besprechung mit ausländischen Verbänden und Markterkundung Ausland“ (Anteil aus 7,7%) für den B. B e.V. zu machen ist, aber derzeit mangels separater Ausweisung des hierauf entfallenden Anteils – was nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch nicht möglich ist – nicht quantifiziert werden kann. Gleiches gilt für die in der Klageschrift nicht mehr enthaltenen Zeitanteile für die Tätigkeiten als Richter am L. (zunächst mit 0,4% bewertet) und bei der V. München (zunächst mit 0,4% bewertet).
Dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers im anwaltlichen Bereich liegt, scheidet damit aus.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 167 VwGO, § 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind nicht gegeben, § 112c Abs. 1 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO. Weder weist die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Auch ein Fall der Divergenz liegt nicht vor.

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