Steuerrecht

Zur Befangenheit einer Richterin im Dieselabgasskandal

Aktenzeichen  11 O 3124/20

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38375
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO §§ 42 ff.

 

Leitsatz

Die Stellung des Ehemanns der zur Entscheidung eines den Dieselabgasskandal betreffenden Rechtsstreits zuständigen Richterin als Gesellschafter eines Automobilzulieferers, der Teile für Dieselmotoren fertigt, die auch in Fahrzeugen des betroffenen Autoherstellers verbaut sind, rechtfertigt nicht die Annahme der Befangenheit der Richterin.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Ablehnung der RiinLG H. wegen Besorgnis der Befangenheit vom 26.11.2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

Eine Besorgnis der Befangenheit der Richterin am Landgericht H. ist nicht begründet.
I.
Richterin H. zeigte in diesem Verfahren an, dass ihr Ehemann Gesellschafter eines Unternehmens ist, das im wesentlichen Teile für Dieselmotoren fertigt, die auch in Fahrzeugen des Herstellers des streitbefangenen Fahrzeugs verbaut sind.
Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 25.11.2020 die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Die Beklagtepartei hat hinsichtlich einer möglichen Befangenheit keine Bedenken geäußert.
II.
Eine Besorgnis der Befangenheit der Richterin wird hierdurch nicht begründet. Eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit der Richterin aufkommen lassen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO § 42 Rn. 8).
Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (ebd. Rn. 9 m. Verw. auf BGH NJW-RR 2003, 1220, 1221; NJW-RR 2012, 61; BayObLGZ 86, 252 mN; 87, 217; BayObLG NJW 99, 1875). Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; unerheblich ist, ob er sich für (un-)befangen hält (BVerfGE 73, 335; 99, 56; NJW 2018, 1307 Tz 17) oder Verständnis für Zweifel an seiner Unbefangenheit aufbringt (BVerfGE 32, 290). Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 2014, 1227 Tz 24, BGH NJW 2004, 164; BGH NJW-RR 2014, 1469 Tz 5; NJW-RR 2015, 444 Tz 11).
Eine Besorgnis der Befangenheit könnte unter anderem bei einer nahen persönlichen oder geschäftlichen Beziehung der Richterin zu einer Partei angenommen werden (a.a.O. Rn. 12):
Das ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung etwa dann der Fall, wenn der Ausgang eines Rechtsstreits die wirtschaftlichen Interessen einer juristischen Person betrifft, für die oder für deren Organ der Richter tätig ist. Denn dann sind auch seine eigenen, wenn auch nur mittelbaren Interessen betroffen, sodass er der Sache nicht unvoreingenommen gegenübersteht (BGH NJW-RR 88, 766; BGH MDR 2015, 608; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 18, 1404 für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einer Prozesspartei). Diesen Fällen ist allen ein Interessenkonflikt des Richters gemein, der einerseits zur objektiven Rechtsfindung verpflichtet ist, andererseits in seiner Funktion als Mitglieder der juristischen Person auch deren Interessen wahrzunehmen hat. Als weiterer Befangenheitsgrund wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Tätigkeit einer Näheperson des Richters (Ehegatte, naher Verwandter) als Rechtsanwalt in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten gesehen (BGH NJW 2012, 1890 Tz 9 ff). Schon die besondere berufliche Nähe eines Ehepartners des Richters zu dem Prozessbevollmächtigten des Gegners gebe der Partei begründeten Anlass zur Sorge, dass es dadurch zu einer unzulässigen Einflussnahme auf den Richter kommen könnte (ebd.).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich maßgeblich von den oben geschilderten Sachverhalten, da die betroffene Richterin gerade nicht in persona involviert ist und eine besondere Nähebeziehung des Ehemannes zur Prozesspartei ausscheidet. Die angezeigte bloße entfernte geschäftliche Beziehung des Unternehmens, an dem der Ehemann der Richterin als Gesellschafter beteiligt ist, stellt keine solche Nähebeziehung dar, aus der man eine Besorgnis der Befangenheit herleiten könnte. Auch hat der Ehegatte der Richterin aufgrund der komplexen Zuliefererstrukturen zwischen den Unternehmen gerade kein besonderes persönliches Näheverhältnis zu der Prozesspartei, welches den Verdacht einer unzulässigen Einflussnahmemöglichkeit begründen würde.
Mithin besteht hier keine Besorgnis der Befangenheit.

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