Strafrecht

Abgewiesene Klage in ausländerrechtlichen Streitigkeit

Aktenzeichen  AN 5 K 17.00428

Datum:
14.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56659
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da weder die Ausweisung des Klägers noch die Annexverfügungen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht noch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtlich zu beanstanden sind.
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Der Aufenthalt des Klägers, der sich seit 1990 im Bundesgebiet aufhält, gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Kläger trat strafrechtlich häufig in Erscheinung. Er wurde wiederholt strafrechtlich wegen Betäubungsmitteldelikten, darüber hinaus wegen Vermögens- und Körperverletzungsdelikten und des Weiteren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Insgesamt ist festzustellen, dass der bisherige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet von erheblichster strafrechtlicher Auffälligkeit geprägt ist und eine vom Kläger ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht, wobei auch davon auszugehen ist, dass an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit bei Gewaltdelikten und Betäubungsmitteldelikten regelmäßig geringere Anforderungen zu stellen sind.
Die bei dieser Sachlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (vgl. § 54 AufenthG) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (vgl. § 55 AufenthG) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Es besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG, da der Kläger zuletzt wegen unerlaubtem Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde.
Es besteht auch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers, und zwar im Hinblick auf den Besitz der Niederlassungserlaubnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und im Hinblick auf die Vater-Kind-Beziehung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG.
Im Rahmen der Abwägung steht damit ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse dem besonders schwerwiegenden Bleibeinteresse des Klägers gegenüber.
Die nach § 53 AufenthG nunmehr erforderliche Abwägung der Bleibe- und Ausweisungsinteressen hat unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu erfolgen. Diese Abwägung ergibt vorliegend, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid in die Interessenabwägung der §§ 53 bis 55 AufenthG sämtliche zu berücksichtigende Gesichtspunkte eingestellt und in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.
So wurde berücksichtigt, dass der Kläger bereits vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und zu Recht wurden in diesem Zusammenhang auch generalpräventive Erwägungen angeführt, da bei solchen Straftaten, wie vom Kläger begangen, jede Chance und Möglichkeit der Sicherheits- und Ordnungsbehörde genutzt werden muss, um eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer zu erreichen. Anderen ausländischen Staatsangehörigen soll deutlich vor Augen geführt werden, dass ein solches Verhalten, das die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt, zur Ausweisung aus dem Bundesgebiet führt. Solche generalpräventiven Aspekte sind Teil des öffentlichen Ausweisungsinteresses und nach der Gesetzesbegründung kann eine Ausweisungsentscheidung grundsätzlich aber auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles das Interesse an der Ausreise des Ausländers das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, wie dies in der Folge noch im Einzelnen darzustellen ist.
Darüber hinaus wurden entscheidungstragend auch spezialpräventive Gesichtspunkte zur Verhinderung neuer Straftaten in die Abwägung einbezogen. Es wurde zutreffend herausgestellt, dass auf Grund des Gesamtverhaltens des Klägers, der wiederholt straffällig geworden ist und bei dem Vorverurteilungen zu keiner Verhaltensänderung geführt haben, spezialpräventive Gründe vorliegen. Auf Grund des Gesamtverhaltens und der Persönlichkeit des Klägers besteht eine begründete Wiederholungsgefahr. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu sehen, dass die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, schwerwiegend sind und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren und dass die erheblichen negativen Folgen des Rauschgiftkonsums für die Konsumenten in den Blick zu nehmen sind. So bedroht Rauschgiftkonsum die Gesundheit und das Leben der Abnehmer im hohen Maß und trägt häufig dazu bei, dass deren soziale Beziehungen zerbrechen und die Einbindung in wirtschaftliche Strukturen zerstört wird. Dies berührte den Kläger jedoch in keiner Weise. Stattdessen hat er mit nicht geringen Mengen von Betäubungsmitteln zur Gewinnerzielung unerlaubt Handel getrieben. Dass insbesondere Metamphetamin ein starkes Nervengift ist, das über ein sehr hohes Abhängigkeitspotenzial verfügt und zu schwerer psychischer Abhängigkeit führt, und zwar in der Regel bereits nach dem ersten Konsum, hielt den Kläger nicht von der Tätigung solcher Geschäfte ab. Die aus dem Konsum des vertriebenen Rauschgiftes möglichen Folgen waren für ihn vielmehr unerheblich, wie die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausführt. Dem Kläger ging es dabei ausschließlich um die Gewinnerzielung und Durchsetzung seiner eigenen Ziele, wenn auch beeinflusst durch die eigene Drogenabhängigkeit.
Die Beklagte bezog in ihre Entscheidung auch die Tatsache ein, dass sich der Kläger im Maßregelvollzug befindet. Dabei ist durchaus zu sehen, dass der Therapieverlauf laut Schreiben des … vom 5. März 2018 aktuell positiv verläuft und der Kläger sogar im Geländeausgang erprobt wird, wobei im April 2018 die Erprobung in Stadtausgängen angedacht ist. Zu sehen ist aber auch, dass der Kläger laut diesem Bericht erst im September 2017, also vor ca. einem halben Jahr, in den geschlossenen Therapiebereich zurückverlegt werden musste, da es einen positiven Befund auf Benzodiazepine im Urin gegeben hat und der Kläger in der anfänglichen Aufarbeitung diesen Konsum bestritten hat. Gegenüber dem Gericht erklärte er die Einnahme dieses Mittels mit Potenzproblemen. Schon dieser Gesichtspunkt trübt die ansonsten positive Einschätzung des Bezirksklinikums. Insgesamt ist jedoch vor allem darauf hinzuweisen, dass diese Therapie nicht auf freiwilliger Basis stattfindet, sondern unter den beschützenden Bedingungen und unter Kontrolle des Maßregelvollzugs und dass selbst ein Wohlverhalten im Maßregelvollzug wenig Aussagekraft für ein künftiges straffreies Verhalten in Freiheit hat. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung nochmals auf die regelmäßigen Kontakte mit der Tochter hinweist, so gebietet dies keine andere rechtliche Betrachtungsweise. Auch die mittlerweile fünf Jahre alte Tochter hat den Kläger nämlich nicht von Straftaten abhalten können. Die jetzigen regelmäßigen Besuche der Tochter in der Therapieeinrichtung, die telefonischen Kontakte, regelmäßiger Umgangskontakt und die aktive Teilnahme des Klägers am Leben der Tochter werden von der Kammer zwar gesehen. Angesichts der Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten ist in der gesamten Betrachtung weiterhin von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten auszugehen. Die Beklagte hat im Übrigen im Rahmen ihrer Entscheidung die familiären Bindungen des Klägers erkannt und den mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in die durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Klägers und des Kindes letztlich als nicht unverhältnismäßig bewertet. Geteilt wird von der Kammer des Weiteren die Einschätzung der Beklagten, dass letztlich von einer wirtschaftlichen Integration auch nicht im Hinblick darauf auszugehen ist, dass der Kläger nach Beendigung des Maßregelvollzugs im Betrieb des Vaters arbeiten kann und diesen gegebenenfalls irgendwann übernehmen kann. Der Kläger war dort in der Vergangenheit schon zehn Jahre beschäftigt, hat seit Ende 2013 aber nicht mehr wirklich regelmäßig dort gearbeitet und nur im Hinblick auf die Tatsache, dass es der Betrieb des Vaters ist, wurde eine Kündigung vermieden.
Auch gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf die Dauer von acht Jahren ab Abschiebung bzw. Ausreise bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Fall eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot ist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Die Frist darf dabei nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Betroffene auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist, soll aber auch in diesen Fällen nach § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zehn Jahre nicht überschreiten.
Über die Länge der Frist ist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Diese Ermessensentscheidung ist im Rahmen der nach § 114 Abs. 1 VwGO nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat gesehen, dass die Frist von fünf Jahren nur überschritten werden darf, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde, aber wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Der Kläger ist in schwerem Maß strafrechtlich in Erscheinung getreten. Sein strafrechtlich geahndetes persönliches Verhalten begründet eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft. Gerade der Handel mit Betäubungsmitteln stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen dar und löst staatliche Schutzpflichten aus, welche in die Festsetzung des Befristungszeitraums einzubeziehen sind. Wenn die Beklagte bei Abwägung aller Umstände unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Wirkung der Ausweisung auf die Dauer von acht Jahren beschränkte, ist das insgesamt nicht zu beanstanden.
Auch die getroffenen ausländerrechtlichen Annexentscheidungen sind nicht zu beanstanden.
Zur weiteren Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

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