Strafrecht

Abschiebungshaft aufgrund unbekannten Aufenthalts bei vollziehbarer Ausreisepflicht

Aktenzeichen  32 T 624/16

Datum:
15.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 117621
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Amberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, Nr. 5
GG Art. 2 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Ein Betroffener ist dann in seinem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) verletzt, wenn der Richter die Abschiebungshaft angeordnet hat, die er bei Beachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften nicht hätte anordnen dürfen. Mithin ist auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung abzustellen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Dieser Haftgrund kann bereits dann angenommen werden, wenn der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig und bis zu seiner vorläufigen Festnahme unbekannten Aufenthalts ist. Dadurch ist zudem die Annahme der Fluchtgefahr im Sinne des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG gerechtfertigt (aA BGH BeckRS 2017, 105298). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 XIV 1/16 2016-06-24 Bes AGSCHWANDORF AG Schwandorf

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwandorf vom 24.06.2016, Az. 2 XIV 1/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Betroffenen vom 30.06.2016 auf Feststellung, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Schwandorf vom 24.06.2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
4. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Hinsichtlich des Sachverhalts verweist die Kammer zunächst zwecks Vermeidung schlichter Wiederholungen auf den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts vom 24.06.2016.
Die Regierung für Oberfranken, Zentrale Ausländerbehörde, betreibt die Abschiebung des Betroffenen. Sie beantragte am 24.06.2016, gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von 6 Wochen unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit anzuordnen.
Der Betroffene wurde am selben Tag durch das Amtsgericht Schwandorf angehört.
Am selben Tage ordnete das Amtsgericht Schwandorf gegen den Betroffenen die Haft zur Sicherung der Abschiebung auf die Dauer von längstens 6 Wochen, beginnend mit der Festnahme am 23.06.2016, an und ordnete die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an.
Der Betroffene legte mit Schreiben seiner Wahlverteidigerin vom 30.06.2016, eingegangen am 04.07.2016, Beschwerde beim Amtsgericht Schwandorf gegen die o.g. Entscheidung ein.
Das Amtsgericht Schwandorf hat mit Beschluss vom 04.07.2016 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten zur Entscheidung dem Landgericht Amberg vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 13.07.2016, eingegangen beim Landgericht Amberg am 14.07.2016, hat die Verteidigerin des Betroffenen die Beschwerde nach Übersendung der beantragten Aktenkopien begründet.
II.
Die statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Antrag ist gemäß § 62 Abs. 1 FamFG zulässig.
Des weiteren ist das Feststellungsinteresse des Betroffenen gegeben (vgl. BVerfGE 104, 220; zitiert nach Zöller/Feskorn, 30. Auflage, § 62 FamFG Rn. 7).
Indes ist der Antrag in der Sache nicht begründet.
Das Amtsgericht Schwandorf hat zu Recht die Haft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Der Betroffene ist dann in seinem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) verletzt, wenn der Richter die Abschiebungshaft angeordnet hat, die er bei Beachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften nicht hätte anordnen dürfen. Mithin ist auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung abzustellen.
Das Amtsgericht ist im angegriffenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG vorgelegen haben.
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft sind gegeben. Insoweit verweist die Kammer zwecks Vermeidung schlichter Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss vom 24.06.2016.
Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung geben lediglich Anlass zu den folgenden ergänzenden Ausführungen:
Gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist.
Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig. Dieser Verpflichtung ist er bisher nicht nachgekommen. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass der Betroffene nicht freiwillig ausreisen wird.
Die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG sind ebenso erfüllt. Es besteht der begründete Verdacht, dass der Betroffene sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will. Auf den bereits unbekannten Aufenthalt bis zur vorläufigen Festnahme wird diesbezüglich verwiesen.
Die Haftanordnung ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Mildere Mittel, um die Abschiebung herbeizuführen, sind nicht ersichtlich.
Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses konnte nach § 422 Abs. 2 S. 1 FamFG angeordnet werden.
Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsmittels ebenfalls zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

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