Aktenzeichen 2 Qs 4/18
Leitsatz
1 Der Adressat einer Maßnahme nach § 99 StPO ist dann in eigenen Rechten verletzt und damit beschwerdebefugt, wenn es um die Art und Weise der Umsetzung der richterlichen Anordnung, d.h. die konkrete Art und Weise der auferlegten Mitwirkungspflicht oder die Zumutbarkeit der auferlegten Leistung im Rahmen der Aussonderungsverpflichtung geht. Hingegen besteht grundsätzlich keine Beschwerdebefugnis, sofern es um die Anordnung selbst geht. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Postunternehmen können auch zur Auskunft über bereits zugestellte Postsendungen verpflichtet werden (Abweichung zu BGH BeckRS 2016, 20057). (Rn. 16 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
3 Gs 1674/17 2017-09-18 Bes AGINGOLSTADT AG Ingolstadt
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers … gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 18.09.2017 wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt ermittelt gegen den Beschuldigen wegen des Verdachts des unerlaubten Erwerbs von Amphetamin und Cannabis in den Jahren 2015 und 2016, welches sich der Beschuldigte an … der Beschwerdeführerin, ein … unter Verwendung der … übersenden ließ.
Mit Beschluss vom 18.09.2017 gab das Amtsgericht Ingolstadt der Beschwerdeführerin auf Antrag der Staatsanwaltschaft Ingolstadt auf, für die Zeit vom 23.04.2015 bis zum 17.05.2017 Auskunft über sämtliche über die … abgewickelten Postsendungen sowie über die näheren Umstände dieser Postsendungen, insbesondere Ort und Zeitpunkt der Sendungsaufgabe, Absenderdaten, Empfängerdaten, Gewicht und Maße der Sendungen, Ort und Zeitpunkt der Einlieferung bzw. der Abholung, insbesondere Nummer und Standort der Ziel-Packstation, Name des Entgegennehmenden im Falle der Filialabholung zu übergeben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 26.10.2017, eingegangen beim Amtsgericht Ingolstadt am selben Tag. Mit der Beschwerde wurde unter anderem vorgetragen, dass es in der Vergangenheit zwar lange Zeit üblich gewesen sein, dass Postunternehmen aufgrund eines richterlichen Beschlusses gem. §§ 99, 100 StPO als Minus zur Herausgabe Auskunft über Postsendungen erteilt hätten. Zuletzt habe jedoch die überwiegende Zahl von Instanzgerichten und der wohl überwiegende Teil der Literatur die vorstehende Praxis wegen des Gesetzeswortlauts und der Gesetzessystematik als rechtswidrig abgelehnt. Der Bundesgerichtshof habe sich mit einem Beschluss vom 27.10.2016 – BGs 107/16 – dieser neueren Rechtsmeinung angeschlossen. Dementsprechend könne nur noch entsprechend des Wortlauts des § 99 StPO für solche Sendungen Auskunft erteilt werden, die sich noch im Gewahrsam der Postdienstleister befinden. Ein Rückgriff auf allgemeine Vorschriften sei unzulässig. Der hier vorliegende Beschluss „des Amtsgerichts Koblenz“ (sic) diene dem Erheben zurückliegender Postkommunikationsdaten, vergleichbar der noch immer nicht geklärten Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsbereich. Diese sei auf europäischer Ebene jedoch als unzulässig verworfen worden. Eine spezielle Rechtsgrundlage, wie sie das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der Telekommunikation gefordert habe, fehle für die Postkommunikation völlig.
Das Amtsgericht Ingolstadt half der Beschwerde nicht ab und leitete sie dem Landgericht Ingolstadt zur Entscheidung zu.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig und überdies unbegründet.
1. Gegen den angefochtenen Beschluss ist gem. § 304 StPO die Beschwerde der statthafte Rechtsbehelf.
Für die Einlegung einer solchen fehlt es der Beschwerdeführerin als zur Auskunft verpflichtetes … an der erforderlichen Beschwerdebefugnis.
Nach allgemeinen Grundsätzen setzt die Beschwerdeberechtigung voraus, dass der Beschwerdeführer durch eine gerichtliche Anordnung in eigenen Rechten verletzt ist (Meyer-Goßner, StPO, 60. Auflage 2017, § 304 Rn. 6 m.w.N.). Die Beschwerdeführerin als … ist als Adressat einer Maßnahme nach § 99 StPO dann in eigenen Rechten verletzt, wenn es um die Art und Weise der Umsetzung der richterlichen Anordnung, d.h. die konkrete Art und Weise der auferlegten Mitwirkungspflicht oder die Zumutbarkeit der auferlegten Leistung im Rahmen der Aussonderungsverpflichtung geht. Keine Beschwerdebefugnis besteht hingegen, sofern es um die Anordnung selbst geht; eigene rechtliche Wertungen zur Zulässigkeit der Anordnung berühren den Rechtskreis der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht (vgl. Graf, in: BeckOK StPO, 28. Auflage, Stand 01.07.2017, § 99 Rn. 32; LG Hildesheim MMR 2010, 800, vgl. auch Zabeck, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage 2013, § 304 Rn. 28 und BGH MMR 1999, 99 zur parallel gelagerten Problematik der Beschwerdebefugnis von Telekommunikationsnetzbetreibern bei einer Maßnahme nach §§ 100 a, b StPO; möglicherweise weiter gefasst Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, § 100 Rn. 17, allerdings ohne Begründung). Keinesfalls kann das … an Stelle des Gerichts eine eigene rechtliche Wertung der Zulässigkeit einer Anordnung vornehmen; auch ist es nicht dazu berufen, in Vertretung des Kunden dessen rechtliche Interessen wahrzunehmen (Graf, in: BeckOK StPO, 28. Auflage, Stand 01.07.2017, § 99 Rn. 32; BGH MMR 1999, 99). Andernfalls würde dies zu einer Behinderung der Ermittlungsbehörden beim Ergreifen dieser Maßnahmen führen (BGH MMR 1999, 99).
Lediglich dann, wenn die Entscheidung an einem derart schweren Mangel leidet, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus schlechthin unerträglich wäre, sie als verbindlichen Richterspruch anzunehmen und gelten zu lassen, und der Mangel für einen verständigen Beurteiler offen zutage liegt, kommt eine Beschwerdebefugnis in Betracht (vgl. LG Hildesheim a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, Einl. Rdnr. 105 m.w.N.).
In Anwendung der vorstehenden Grundsätze fehlt es an der Beschwerdebefugnis. Die Beschwerdeführerin rügt mit der eingelegten Beschwerde nicht die Art und Weise der Umsetzung der richterlichen Anordnung im …. Ihr geht es auch nicht um die Zumutbarkeit der auferlegten Leistung im Rahmen der Aussonderungsverpflichtung. Sie ist vielmehr allgemein der Auffassung, die angeordnete Maßnahme sei mit Blick auf neuere Rechtsprechung in den Instanzgerichten und am Bundesgerichtshof rechtswidrig, weil sie auf keiner ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhe. Letzteres betrifft jedoch allgemein die Rechtmäßigkeit der Anordnung, zu deren Überprüfung das … grundsätzlich nicht befugt ist.
Der aufgezeigte (vermeintliche) Mangel wiegt unter Berücksichtigung des hierzu vertretenen Meinungsstands in Literatur und Rechtsprechung auch nicht derart schwer, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus schlechthin unerträglich wäre, sie als verbindlichen Richterspruch anzunehmen und gelten zu lassen.
Denn es entsprach gerade der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und nicht unerheblicher Stimmen in der Literatur, analog § 99 StPO einen Auskunftsanspruch hinsichtlich solcher Sendungen anzunehmen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des … befinden (BGH, Beschluss vom 31.08.2011 – 2 BGs 458/11; BGH Beschluss vom 11.07.2012 – 3 BGs 211/12; BeckOK-Graf, StPO, 28. Edition, Stand 01.07.2017, § 99 Rn. 19; Greven, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 99 Rn. 11). Eine andere Ansicht hält das Auskunftsverlangen hinsichtlich bereits zugestellter Postsendungen ebenfalls für zulässig, stützt sie jedoch nicht auf § 99 StPO, sondern auf § 94 StPO (LG Landshut, Beschluss vom 21.05.2012 – 6 Qs 82/12, Weisser, wistra 2016, 387 ff.; Krause, NZWiSt 2017, 60).
Angesichts dieser gewichtigen Stimmen für eine Auskunftsverpflichtung kann nicht angenommen werden, dass die Entscheidung an einem derart schweren Mangel leidet, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus schlechthin unerträglich wäre, sie als verbindlichen Richterspruch anzunehmen und gelten zu lassen, auch wenn nunmehr eine andere Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung (BGH, Beschluss vom 27.10.2016, 1 BGs 107/16) im Anschluss an eine andere in Rechtsprechung und Literatur vertretene Meinung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, § 99 Rn. 14; LG Hamburg StV 2009, 404; SK-Wohlers/Greco, § 99 Rn. 19) nunmehr der Auffassung ist, für eine derartige Anordnung fehle die Regelungsgrundlage.
2. Unabhängig hiervon muss der Beschwerde auch in der Sache der Erfolg versagt bleiben. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen.
a) § 99 StPO ermöglicht die Beschlagnahme von …, welche sich im Besitz … befinden. Es entspricht der allgemeinen Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, dass § 99 StPO als weniger einschneidende Maßnahme zu einer … einen Auskunftsanspruch gegen das … beinhaltet (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, § 99 Rn. 14).
Umstritten ist indes, ob der aus § 99 StPO abgeleitete Auskunftsanspruch nur für Postsendungen gilt, die sich aktuell noch im Besitz des Postunternehmens befinden oder ob das Postunternehmen auch Auskunft über bereits zugestellte Postsendungen zu erteilen hat.
Nach einer Ansicht kann sich die Auskunft in entsprechender Anwendung des § 99 StPO auch auf solche Sendungen beziehen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden (BGH, Beschluss vom 31.08.2011 – 2 BGs 458/11; BGH Beschluss vom 11.07.2012 – 3 BGs 211/12; BeckOK-Graf, StPO, 28. Edition, Stand 01.07.2017, § 99 Rn. 19; Greven, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 99 Rn. 11). Begründet wird dies u.a. mit Nr. 84 Satz 2 RiStBV.
Eine andere Ansicht hält die Auskunft über bereits zugestellte Postsendungen für zulässig, stützt sie jedoch nicht auf § 99 StPO, sondern auf § 94 StPO (LG Landshut, Beschluss vom 21.05.2012 – 6 Qs 82/12, Weisser, wistra 2016, 387 ff.; Krause, NZWiSt 2017, 60). Ein analoger Rückgriff auf § 99 StPO sei unzulässig, weil Eingriffe in das durch Art. 10 Abs. 1 GG und § 39 PostG geschützte Postgeheimnis eine gesetzliche Regelung erforderten, § 39 Abs. 3 Satz 3 PostG. Eine ausreichende gesetzliche Regelung liege mit § 94 StPO jedoch vor.
Eine dritte Ansicht lehnt eine Auskunft über bereits zugestellte Postsendungen ab. Begründet wird dies unter anderem damit, dass Auskunft nur unter den Voraussetzungen, unter denen auch eine Postbeschlagnahme zulässig wäre, verlangt werden könne. Eine Postbeschlagnahme reiche aber nicht zurück. Bereits zugestellte Postsendungen seien einer Beschlagnahme nicht mehr zugänglich, so dass die Voraussetzungen des § 99 StPO dann nicht mehr vorlägen. Soweit Nr. 84 RiStBV etwas anderes vorsehe, sei diese Vorschrift gesetzeswidrig (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, § 99 Rn. 14; LG Hamburg StV 2009, 404; SK-Wohlers/Greco, § 99 Rn. 19). Der drittgenannten Ansicht hat sich zuletzt eine Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshof mit folgenden weiteren Argumenten angeschlossen (BGH, Beschluss vom 27.10.2016, 1 BGs 107/16): Die Zulässigkeit der Auskunftserteilung über Umstände, die dem verfassungs- und einfachrechtlich geschützten Postgeheimnis unterliegen, sei gesetzlich nicht explizit geregelt. Im Gesetzgebungsverfahren zu § 39 PostG sei diese Problematik gesehen und ausführlich diskutiert worden. Der Gesetzgeber habe von der Regelung eines Auskunftsrechts abgesehen mit dem Hinweis, dass nach herrschender Meinung in der Beschlagnahmebefugnis das geringere Recht enthalten sei, von einem Postunternehmen Auskunft zu verlangen, so dass weiterer Gesetzgebungsbedarf nicht bestehe (BT-Drs. 13/8453, S. 4). Der Gesetzgeber habe sich damit bewusst dafür entschieden, einen über § 99 StPO hinausgehenden Auskunftsanspruch nicht zu regeln. Bereits aus diesem Grund verbiete sich eine über den Anwendungsbereich des § 99 StPO hinausgehende analoge Anwendung der Norm auf Auskünfte betreffend Postsendungen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden. Ein Rückgriff auf die §§ 94 ff. StPO komme aufgrund des Vorrangs des § 99 StPO nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 27.10.2016, 1 BGs 107/16 m.w.N.).
b) Die Kammer hält in der Sache die zweite Auffassung für zutreffend und bejaht einen Auskunftsanspruch gem. § 94 StPO.
Zutreffend ist, dass § 99 StPO, welcher allein die Beschlagnahme der Sendung regelt, dem Wortlaut nach nur auf Postsendungen anwendbar ist, die sich im Gewahrsam des Postunternehmens befinden. Richtig ist auch, dass § 99 StPO als weniger einschneidende Maßnahme („Minus“) zu einer Postbeschlagnahme einen Auskunftsanspruch gegen das Postunternehmen beinhaltet.
Der Auskunftsanspruch kann sich als „Minus“ zur Beschlagnahme der Sendung konsequenterweise jedoch nur auf äußerlich erkennbare Umstände stützen, welche von den Ermittlungsbehörden auch bei einer Beschlagnahme der Postsendung feststellbar wären, d.h. auf Aussehen, Herkunft, Adressaten, Art der Verpackung oder Beschriftung (vgl. Graf, in: BeckOK StPO, 28. Auflage, Stand 01.07.2017, § 99 Rn. 19, Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.). Kein Minus, sondern ein Aliud zu einer Postbeschlagnahme wäre deshalb die Auskunft, ob, wann und an wen die weiterbeförderte Sendung zugestellt worden ist. Denn bei einer Beschlagnahme der Postsendung, welche § 99 StPO vorsieht, erlangt die Ermittlungsbehörde keine Kenntnis über die Daten der Zustellung.
Bejaht man gem. § 99 StPO anstelle der Beschlagnahme der Postsendung als weniger einschneidende Maßnahme im Wege des Auskunftsverlangens die Beschlagnahme der äußerlich feststellbaren Sendungsdaten, liegt es systematisch nahe, die Auskunft über derartige Daten entsprechend § 99 StPO auch dann noch zuzulassen, wenn zwar die Sendung mangels Gewahrsam des Postunternehmens nicht mehr beschlagnahmt werden kann, aber die Daten weiterhin beim Unternehmen gespeichert sind. Denn der Gewahrsam an den Sendungsdaten – das eigentliche Minus zu der Postsendung, welches weiterhin der Auskunft bzw. Beschlagnahme zugänglich ist – besteht im Sinne von § 99 StPO fort. Die zugrundeliegenden Interessen der Ermittlungsbehörden an einem Zugriff auf die Sendungsdaten aus Gründen der Strafverfolgung einerseits sowie die Interessen der Beschuldigten an dem Schutz des Postgeheimnisses durch eine Geheimhaltung der Daten andererseits bestehen unverändert fort und sind gerade nicht davon unabhängig, ob sich die Postsendung noch im Gewahrsam des Postunternehmens befindet.
Die Argumentation in der jüngeren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 27.10.2016 – 1 BGs 107/16 m.w.N.), der Gesetzgeber habe sich bewusst dagegen entschieden, einen über § 99 StPO hinausgehenden Auskunftsanspruch zu regeln, so dass sich aus diesem Grund eine analoge Anwendung des § 99 StPO auf Auskünfte betreffend Postsendungen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden, verbiete, findet in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Vielmehr gingen sowohl der Bundesrat als auch die Bundesregierung übereinstimmend mit der im Jahr 1997 geltenden Meinung davon aus, dass in der Beschlagnahmebefugnis nach § 99 StPO das geringere Recht enthalten sei, von einem Postunternehmen Auskunft über Briefe und andere Sendungen zu verlangen. Der Bundesrat formulierte in seiner Anfrage an die Bundesregierung: „Keinesfalls wäre es hinnehmbar, das allgemein anerkannte Auskunftsrecht inhaltlich zu beschränken“ (BT-Drs. 13/8453, 4). Eine bewusste Entscheidung gegen einen Auskunftsanspruch ist den Gesetzesmaterialien mithin nicht zu entnehmen, vielmehr setzten die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Stellen einen solchen als selbstverständlich voraus.
Gleichwohl ist ungeachtet der vorstehenden Ausführungen eine Gesetzesanalogie zu § 99 StPO nicht angezeigt, weil die allgemeinen Beschlagnahmevorschriften nach §§ 94 ff. StPO den Zugriff auf sämtliche weiterhin gespeicherte Sendungsdaten einschließlich auch der Zustelldaten ermöglichen, selbst wenn sich die Postsendung nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befindet.
Als Spezialvorschrift steht § 99 StPO einem Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift nach § 94 StPO nicht entgegen, weil ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Sendungsdaten gesetzlich nicht geregelt ist.
Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf eine Anwendung von § 94 StPO bestehen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in der E-Mail-Entscheidung vom 16.06.2009 (BVerfG, Urteil vom 16.06.2009 – 2 BvR 902/06) vielmehr einen Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 94 StPO ausdrücklich zugelassen: Es hat nicht nur dargelegt, dass § 94 StPO eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in Art. 10 Abs. 1 GG darstelle, es hat insbesondere auch klargestellt, dass aus der systematischen Stellung von § 94 StPO und den Vorschriften über die Postbeschlagnahme (§ 99 StPO), die Überwachung der Telekommunikation (§ 100 a StPO) und die Erhebung und Auskunftserteilung über Verkehrsdaten (§ 100 g StPO) nicht der Schluss auf ein gesetzgeberisches Regelungskonzept zu ziehen sei, wonach nur aufgrund von §§ 99, 100 a und 100 g StPO in Art. 10 GG eingegriffen werden könne. Die Gesetzesmaterialien gäben keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Vorschriften von einer abschließenden Regelung in Bezug auf Eingriffe in des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis ausgegangen sei.
Die §§ 94 ff. StPO sind auch der Sache nach auf die Beschlagnahme der begehrten Daten anwendbar. § 94 StPO gilt dem Wortlaut nach zwar nur für körperliche Gegenstände. Nach zutreffender Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gestattet es der Wortsinn von § 94 StPO jedoch, als „Gegenstand“ auch nichtkörperliche Gegenstände zu verstehen, so dass § 94 StPO auch die Beschlagnahme von Datenträgern, der hierauf gespeicherten Daten oder auch die Sicherstellung und Beschlagnahme von auf einem Mailserver gespeicherten E-Mails ermöglicht (BVerfG a.a.O.).
Der Verwendungszweck der Daten ist aufgrund des festgelegten Ermittlungszwecks ausreichend eingeschränkt und der durch die Maßnahme betroffene Beschuldigte durch die Benachrichtigungspflicht aus § 98 Abs. 2 Satz 5 StPO und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausreichend geschützt. Hierzu erübrigen sich jedoch weitere Ausführungen, da eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle aufgrund der Beschwerde des Postunternehmens mangels Verletzung in eigenen Rechten nicht zu erfolgen hat.
c) Da § 94 StPO lediglich den Zugriff auf noch gespeicherte Sendungsdaten ermöglicht, das Postunternehmen jedoch nicht zur dauerhaften Speicherung dieser Daten verpflichtet, bedarf es auch keiner Ausführungen zur Zulässigkeit einer Vorratsdatenspeicherung.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.