Aktenzeichen 1034 Ls 468 Js 218337/15 jug
WaffG WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 1
JGG JGG § 17 Abs. 2, § 105 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
Hält der Angeklagte dem Geschädigten auf offener Straße ein waffenrechtlich verbotenes Butterflymesser an die Kehle, macht er sich wegen Bedrohung in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz in Tateinheit mit Führen einer verbotenen Waffe strafbar. (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
Amtsgericht München
1034 Ls 468 Js 218337/15 jug
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
rechtskräftig seit 15.01.2016
Jugendschöffengericht
D., JOSekr’in, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Angewendete Vorschriften:
In dem Strafverfahren
gegen
…
Verteidiger:…
wegen räuberischer Erpressung
aufgrund der öffentlichen Hauptverhandlung
vom 07.01.2016,
an der teilgenommen haben:
Richterin am Amtsgericht Dr. Lenz, als Vorsitzende
…, als Schöffin
…, als Schöffe
…, als Vertreter der Staatsanwaltschaft
… als Verteidiger
…, als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.
1. Der Angeklagte … ist schuldig der Bedrohung in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz in Tateinheit mit Führen einer verbotenen Waffe.
2. Der Angeklagte wird angewiesen, am nächsten KAJ Projekt des Blauen Kreuzes bis spätestens 01.08.2016 teilzunehmen und hierüber dem Gericht bis zum 01.03.2016 die Teilnahme am Erstgespräch nachzuweisen und zum 01.05., 01.07. und 01.08.2016 die Teilnahme an allen weiteren Gesprächen.
3. Gegen den Angeklagten wird 1 Woche Dauerarrest verhängt.
4. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die eigenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte selbst.
Gründe:
I.
…
II.
Am 29.09.2015 gegen 21:55 Uhr trat der Angeklagte zusammen mit seinem Begleiter … in der Franzstraße auf Höhe der Hausnummer 3 in München an den Geschädigten … heran, der auf dem Bürgersteig vor einer Gaststätte stand, und forderte ihn zur Herausgabe von Zigaretten auf. …gab zur Antwort, dass er keine Zigaretten habe. Der Angeklagte und sein Begleiter verlangten daraufhin aufdringlich weiter eine Zigarette. … gab erneut zu verstehen, dass er keine Zigaretten habe; die Zigarette, die er selbst rauche, habe er selbst geschenkt bekommen. Der Angeklagte trat sodann sehr nah an … heran, so dass beide nur noch etwa 10cm auseinanderstanden. … schob sodann seine flache Hand zwischen sich und den Angeklagten und versuchte so, diesen langsam von sich wegzudrücken. Der Angeklagte und sein Begleiter … entfernten sich daraufhin zunächst in Richtung Münchner Freiheit.
Der Geschädigte … verblieb gemeinsam mit einem weiteren Gast vor der Gaststätte. Als er kurze Zeit später alleine vor der Gaststätte stand, kamen der Angeklagte und sein Begleiter … wieder auf den Geschädigten zu und verlangten abermals eine Zigarette. Der Geschädigte antwortete ihnen wieder, dass er keine Zigaretten habe. Aus seiner Sicht sei die Sache geklärt. Um den Geschädigten für sein Verhalten zu maßregeln, griff der Angeklagte daraufhin mit seiner rechten Hand in seine rechte Hosentasche und zog daraus ein Butterflymesser hervor. Dieses klappte er mit einer typischen Schwingbewegung auf. Das Messer hatte eine Klingenlänge von etwa 10 cm. Der Angeklagte hielt das Messer in seiner rechten Hand auf Höhe der Brust des Geschädigten, so dass die Messerspitze etwa 5 cm von der Brust des Geschädigten entfernt war. Der Geschädigte versuchte, den Angeklagten zu beruhigen und ihn mit einer Hand etwas auf Abstand zu halten. Der Angeklagte erhob sodann das Messer und hielt es dem Geschädigten an die Kehle. Der Angeklagte hielt das Messer dabei mit der Schneide parallel zur Vorderseite des Halses des Geschädigten und drückte den Geschädigten so an das Fenster der Gaststätte.
Es kamen nun mehrere Gäste aus der Gaststätte heraus. Als der Angeklagte bemerkte, dass diese auf das Geschehen aufmerksam wurden, ließ er vom Geschädigten ab und entfernte sich in Richtung Münchner Freiheit.
Bei dem vom Angeklagten benutzten Butterflymesser handelt es sich um eine verbotene Waffe.
Strafantrag wurde durch den Geschädigten form- und fristgerecht gestellt.
Ein beim Angeklagten am 29.09.2015 um 22.13 Uhr durchgeführte Atemalkoholtest ergab einen Atemalkoholwert von 0,61 mg/l.
III.
Der festgestellte Sachverhalt steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes fest.
Der Angeklagte war geständig und gab an, zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert gewesen zu sein. Das äußere Geschehen steht darüber hinaus fest aufgrund der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnung der Tat. Zudem ergibt sich der Tathergang auch aus der glaubhaften Aussage des Geschädigten …
Anhaltspunkte für eine erhebliche Verminderung oder gar einen Ausschluss der Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB haben sich in Anbetracht aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände, insbesondere des nicht unerheblichen Atemalkoholwertes von 0,61 mg/l einerseits sowie andererseits der auf der Videoaufzeichnung nach wie vor zu beobachtenden motorischen Geschicklichkeit des Angeklagten und der entsprechenden Verhaltensbeschreibung durch den Zeugen … nicht ergeben.
IV.
Der Angeklagte ist daher schuldig der Bedrohung in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz in Tateinheit mit Führen einer verbotenen Waffe gemäß §§ 241 I, 52 StGB, §§ 52 III Nr. 1 WaffG i. V. m Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3 WaffG.
Da die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben hat, dass der Angeklagte durch den Einsatz des Messers nach wie vor die Herausgabe einer Zigarette erreichen wollte, war er nicht wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, sondern nur wegen Bedrohung zu verurteilen.
V.
Da der Angeklagte in seiner Persönlichkeit und Lebensführung noch eher einem Jugendlichen als einem Erwachsenen gleichsteht, war gemäß § 105 I Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden.
Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe liegen nicht vor. Schädliche Neigungen i. S. v. § 17 II 2. Alt. JGG sind nicht ersichtlich. Der Angeklagte ist bislang jedenfalls noch nicht erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der hiesige Vorfall kann noch als einmalige, situationsbedingte – wenn auch massive – Entgleisung aufgefasst werden. Eine erhebliche kriminelle Neigung, die eine längere Gesamterziehung des Angeklagten in Form einer Jugendstrafe oder jedenfalls einer damit einhergehenden Bewährungsüberwachung erforderlich macht, kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht angenommen werden. Auch die Schwere der Schuld als zweiter möglicher Anknüpfungspunkt für die Jugendstrafe gemäß § 17 II 2. Alternative JGG war weder in Anbetracht der Tatfolgen noch unter dem Gesichtspunkt der besonderen persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zur Tat anzunehmen.
Für die Entscheidung über die gebotene jugendrichterliche Reaktion im Bereich der Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel sprach für den Angeklagten, dass er geständig war und sich in der Hauptverhandlung mit eigenen Worten bei dem Geschädigten entschuldigte, nachdem er ihm zuvor bereits über den Verteidiger einen schriftlichen Entschuldungsbrief hatte zukommen lassen.
Mildernd war auch zu sehen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholbedingt enthemmt war.
Zu seinen Lasten fiel hingegen ins Gewicht, dass der Geschädigte während des Vorfalls – wie er glaubhaft und ohne jeglichen Belastungseifer schilderte – große Angst und Panik empfand. Erschwerend war auch zu werten, dass der Angeklagte durch den Messereinsatz ein besonders massives und beängstigendes Bedrohungsszenario aufbaute, das zudem mit einer hohen abstrakten Gefährlichkeit einherging. Denn angesichts des in unmittelbarer Brust- und Halsnähe gehaltenen Messers hätte bereits eine unbedachte Bewegung des Angeklagten oder auch des Geschädigten zu erheblichen, unter Umständen lebensbedrohlichen Verletzungen führen können.
Zulasten des Angeklagten war des Weiteren zu berücksichtigen, dass er sich zusätzlich wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig machte.
Um dem Angeklagten sein Fehlverhalten eindringlich zu Bewusstsein zu bringen und ihn dafür zu sensibilisieren, dass körperliche Gewalt spürbare Konsequenzen, insbesondere einen einschneidenden Freiheitsentzug nach sich ziehen kann, wurde gegen ihn ein 1-wöchiger Dauerarrest verhängt.
Um es ihm darüber hinaus zu ermöglichen, sein eigenes Alkoholkonsumverhalten und dessen Zusammenhang zu Aggression und Gewalttätigkeit zu überdenken, wurde er darüber hinaus zur Teilnahme an dem KAJ-Projekt des Blauen Kreuzes angewiesen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 JGG.