Strafrecht

Beleidigung, Geldstrafe, Dienstaufsichtsbeschwerde, Kindeswohl, Äußerung, Formalbeleidigung, Diffamierung, Meinungsfreiheit, Beschwerde

Aktenzeichen  2 Ns 307 Js 2438/18

Datum:
19.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54585
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 185, § 193, § 184, § 194 Abs. 1
StPO § 335 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des AG … werden als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; die auf die Berufung der Staatsanwaltschaft entfallenen ausscheidbaren Kosten trägt die Staatskasse.

Gründe

II.
Zu den persönlichen Verhältnissen hat die Kammer Folgendes festgestellt:
Der am … in … geborene Angeklagte ist … Staatsangehöriger, von Beruf Ingenieur und lebt seit … in Deutschland. Seit – arbeitet er am Flughafen – als Slot-Manager. Bezahlt wird er nach dem BAT für den öffentlichen Dienst. Der Angeklagte ist verheiratet, lebt jedoch getrennt von seiner Ehefrau. Der Angeklagte hat ein Kind, für das er Unterhalt zahlt. Der Angeklagte ist strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister.
III.
Die Kammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte führt vor dem Amtsgericht Freising – Familiengericht – einen Rechtsstreit. Zuständiger Richter ist der … . Gegen ihn hatte der Angeklagte bei dem Präsidenten … Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Auf ein Schreiben des Präsidenten … hin antwortete der Angeklagte mit Schreiben vom …, eingegangen … . Hierin brachte der Angeklagte gegenüber dem Präsidenten – seine Missachtung des – zum Ausdruck, indem der Angeklagte in dem Schreiben unter anderem ausführte:
„Nach meinem Rechtsempfinden steht es einem Richter ohnehin nicht zu, bei seiner Urteilsverkündigung den Geschädigten mit einem dämlichen Grinsen Ratschläge wie er könne ja Beschwerde gegen sein Urteil einlegen zu erteilen, erst recht wenn er anscheinend davon ausgeht, dass die Beschwerde sowieso nachträglich behandelt wird. Wenn es um das Kindeswohl seiner eigenen Kinder ginge, unterstelle ich -, dass er nicht mehr so lax mit den Terminen umgehen und erst recht nicht dabei dämlich grinsen würde.“
Strafantrag wurde durch den Dienstvorgesetzten form- und fristgerecht gestellt.
IV.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der Einlassung des Angeklagten und aus dem verlesenen Schreiben vom … .
Der Angeklagte hat bestätigt, dass er das Schreiben mit der zitierten Textpassage geschrieben hat. Er ist der Ansicht, es stehe einem Richter nicht zu, zu grinsen und ihn abzuwerten. Er habe keine Absicht gehabt, den Richter zu beleidigen. Es sei ihm um das Kindeswohl gegangen wegen fragwürdiger Entscheidungen des Amtsgerichts … . Dieses habe Entscheidungen, die nicht im Wohl des Kindes gestanden haben, getroffen.
V.
Der Angeklagte hat sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts einer Beleidigung gemäß §§ 185, 194 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Bei der Äußerung im Schreiben vom 29.10.2017 handelt es sich um eine Beleidigung. Diese ist weder gemäß § 193 StGB noch aufgrund der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt oder gerechtfertigt.
Es handelt sich um eine herabsetzende Äußerung des Angeklagten, die eine Formalbeleidigung darstellt. Bei dieser Äußerung steht Diffamierung der betroffenen Person selbst im Vordergrund, nicht eine, wenn auch scharfe oder überspitzte Kritik an der Sachentscheidung des Geschädigten. Im Kampf um das Recht ist eine solche, auch drastische Kritik zulässig. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo der Beleidigte als Person in den Vordergrund gestellt wird. Bei der Äußerung des Angeklagten geht es nicht mehr um die richterliche Tätigkeit des Geschädigten und die Kritik an dieser. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob der Richter tatsächlich gegrinst hat oder ein Verhalten gezeigt hat, das als solches zu verstehen gewesen wäre. Auch Ratschläge sind zulässig; ebenso der Hinweis auf mögliche Rechtsmittel. Auch wäre es nicht von Bedeutung, ob der Richter sich durch sein Verhalten möglicherweise als befangen gezeigt hätte.
Es ist hier auch zu berücksichtigen, dass die Äußerung des Angeklagten weder im Gerichtsaal noch spontan fiel, zum Beispiel als unmittelbare Reaktion auf eine Äußerung des Geschädigten. Der Angeklagte verwendete die Formulierung im Rahmen eine Dienstaufsichtsbeschwerde und auch hier nicht im Rahmen des ersten Schreibens, sondern als Reaktion auf ein vorhergegangenes Schreiben des Präsidenten bzw. dessen Vertreters.
In dieser Situation ist die Äußerung des Angeklagten nicht mehr von der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gedeckt, diese muss gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurücktreten. Die Meinungsfreiheit wird nicht vorbehaltlos gewährt. Sie findet ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch die §§ 185, 193 StGB gehören (vgl. BVerfG 1 BvR 2646/15, Beschluss vom 29.06.2016, zitiert nach juris). Bei Abwägung der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung des Geschädigten durch die Äußerung des Angeklagten und dem Grundrecht der Meinungsfreiheit muss letzteres hier zurücktreten. Die Äußerung bezog sich nicht mehr auf die Kritik einer Entscheidung des Geschädigten. Die Diffamierung der Person stand vielmehr im Vordergrund. Der Angeklagte reagierte – wie bereits ausgeführt – nicht spontan gegenüber dem Geschädigten hin in der konkreten Situation.
VI.
Hinsichtlich der Strafzumessung ist vom Strafrahmen des § 185 StGB auszugehen. Dieser sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr vor.
Zu Gunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er zum einen den objektiven Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt hat, zum anderen auch dass er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Weiterhin hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Äußerung im Rahmen eines längeren familienrechtlichen Streits, der mit den entsprechenden Belastungen des Angeklagten verbunden war, fiel.
Andererseits war jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Äußerung nicht spontan fiel, sondern im Rahmen einer schriftlichen Äußerung, die mit einer entsprechenden längeren Überlegungsmöglichkeit erfolgte.
Aufgrund dieser Umstände ist eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen schuld- und tatangemessen. Die Tagessatzhöhe war zu schätzen. Aufgrund der Tätigkeit des Angeklagten als Slotmanager am Flughafen – und unter Berücksichtigung der familiären Situation geht die Kammer von einer Tagessatzhöhe von 80,- € aus.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.

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