Strafrecht

Disziplinarverfahren wegen des Erwerbs eines Polizeibeamten von Betäubungsmitteln

Aktenzeichen  AN 13b D 18.00616

Datum:
21.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9972
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 29 Abs. 1
BayDG Art. 10 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 16 Abs. 3, Art. 21 Abs. 1, Art. 22, Art. 24 Abs. 2, Art. 25 Abs. 1, Art. 39, Art. 55
BayPVG Art. 72 Abs. 4, Art. 76 Abs. 1 Nr. 3
BeamtStG § 24 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 34, § 47 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das berufserforderliche Vertrauen eines Polizeibeamten wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn der Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten, wie den unerlaubten Erwerb und die unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln, begeht. Diese begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen. (Rn. 228 – 238) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Strafzumessung einer Disziplinarmaßnahme wegen des unerlaubten Erwerbs und die unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln. (Rn. 240 – 260) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) erkannt.
2. Der Beklagte darf vor Ablauf von drei Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung weder befördert werden noch eine Leistungsstufe erhalten.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 10 Abs. 1 BayDG zur Zurückstufung des Beklagten in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8).
I.
Das behördliche Disziplinarverfahren leidet an keinem wesentlichen Mangel im Sinne des Art. 53 Abs. 1 BayDG.
Dem Bevollmächtigten des Beklagten ist zwar zuzugeben, dass entgegen Art. 21 Abs. 1 BayDG keine aktenkundig gemachte Ausdehnung des Disziplinarverfahrens auf den in Ziffer 3. der Disziplinarklage erhobenen Tatvorwurf, der Beklagte habe regelmäßig bzw. häufig Cannabisprodukte konsumiert, vorliegt.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens wesentlich ist, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis dieses Verfahrens, d.h. auf die Entscheidung für die Erhebung der Disziplinarklage, ausgewirkt haben kann. Maßgebend ist nicht der Zweck der verletzten Bestimmung des Disziplinarverfahrensrechts, sondern die Bedeutung des konkreten Verstoßes für den Fortgang des behördlichen Disziplinarverfahrens (vgl. B.v. 18.3.2013 – 2 B 113/12, juris Rn. 9, U.v. 24.6.2010 – 2 C 15.09, juris).
Hiervon ausgehend kann vorliegend nicht von einem wesentlichen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ausgegangen werden. Durch die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens und die Pflicht, diese aktenkundig zu machen, wird für das weitere Disziplinarverfahren dokumentiert, dass und welche neuen Handlungen in das Disziplinarverfahren einbezogen werden. Der betroffene Beamte ist gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BayDG über die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist (vgl. Zängl, Bayrisches Disziplinarrecht, Rn. 15 zu Art. 21 BayDG).
Dieser durch Art. 21 und insbesondere Art. 22 BayDG bezweckte Schutz des Beamten, der sich zu neu erhobenen Tatvorwürfen äußern können soll, ist vorliegend jedoch gewahrt worden.
Der Kläger wurde im Rahmen der Anhörung zur vorläufigen Dienstenthebung vom 7. Januar 2016, im Rahmen der (ersten) abschließenden Anhörung vom 14. März 2016 sowie in der vorläufigen Dienstenthebung vom 3. Mai 2016 über den neuen Vorwurf, er habe Cannabisprodukte konsumiert, in Kenntnis gesetzt. Hierdurch wurde hinreichend dokumentiert, dass das Disziplinarverfahren auch auf diesen Tatvorwurf ausgedehnt werden sollte und dem Beklagten mehrfach Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern. Der Beklagte wurde somit in die Lage versetzt, seine Verteidigung darauf einzustellen und seine Verfahrensrechte auszuüben. Der Beklagte hat von dieser Möglichkeit durch die Äußerungen seines Bevollmächtigten vom 11. Februar 2016, 18. April 2016, 19. Mai 2016 und 22. Mai 2017 vor der Erhebung der Disziplinarklage auch Gebrauch gemacht.
Es ist deshalb auszuschließen, dass sich der Beklagte bei einem Erlass einer förmlichen Ausdehnungsverfügung anders verteidigt und so den Umfang der Disziplinarklageerhebung durch den Kläger, mithin das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, beeinflusst hätte (vgl. Sächsisches OVG, U.v. 3.6.2016 – 6 A 64/15.D, juris Rn. 42 ff.). Der Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1 BayDG stellt deshalb vorliegend keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Sonstige formelle Fehler des Disziplinarverfahrens sind nicht ersichtlich.
Das Disziplinarverfahren wurde gegen den Beklagten gemäß Art. 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 BayDG unter dem 12. März 2015 eingeleitet und zunächst bis zum Abschluss des gegen den Beklagten geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgesetzt (Art. 24 BayDG). Nach Fortführung des Disziplinarverfahrens wurde dieses entsprechend der in Art. 35 Abs. 3 BayDG getroffenen Regelung an die Disziplinarbehörde abgegeben. Im Behördenverfahren wurde der Beklagte gemäß Art. 22 BayDG unterrichtet, belehrt und angehört.
Der Personalrat wurde antragsgemäß nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayPVG beteiligt und das Stufenverfahren nach Art. 72 Abs. 4 BayPVG durchgeführt.
II.
Der dem Beklagten in der Disziplinarklage unter Ziffer 1. zur Last gelegte Sachverhalt ist zur Überzeugung der Kammer durch die in dem gegen den Beklagten beim Amtsgericht … unter dem Az. … geführten Strafverfahren getroffenen Feststellungen, die Zeugeneinvernahme im behördlichen Disziplinarverfahren und die Einlassungen des Beklagten erwiesen, wobei es nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, ob die dem Beklagten zur Last gelegten neun Tathandlungen zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum zwischen Juni 2011 bis Ende 2012 oder bereits – wie vom Bevollmächtigten des Beklagten behauptet – im Zeitraum zwischen 2009 und dem 1. September 2010 – stattgefunden haben.
Soweit es die Tatvorwürfe aus Ziffer 1. der Disziplinarklage betrifft, stützt sich diese auf die tatsächlichen Feststellungen in dem seit dem 17. Juni 2015 rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts …vom 28. Mai 2015 – …, wobei auf Grund der späteren Zeugenaussage von Herrn … vom 2. Februar 2017 zu Gunsten des Beklagten davon ausgegangen wurde, dass dieser zu keinem Zeitpunkt mehr als 25 Gramm Marihuana von dem Zeugen erworben hat.
Mit dem genannten Strafbefehl wurde gegen den Beklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in sieben Fällen und vorsätzlicher unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln in zwei Fällen gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I zum BtMG; § 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 53 StGB eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 70,00 EUR festgesetzt.
Die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafbefehl sind zwar nicht bindend (Art. 55, 25 Abs. 1 BayDG), können aber gemäß Art. 25 Abs. 2 BayDG der Entscheidung in der Disziplinarklage zu Grunde gelegt werden, auch wenn der Strafbefehl nicht die gleiche Richtigkeitsgewähr wie ein aufgrund einer Hauptverhandlung ergangenes Strafurteil bietet (vgl. BayVGH, U.v. 5.11.2014 – 16a D 13.1568; sowie U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 zum Bundesdisziplinargesetz; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Rn. 20 zu Art. 25 BayDG). Anderes gilt, wenn an der Richtigkeit der Feststellungen berechtigte Zweifel bestehen, etwa weil diese durch den Beamten im Disziplinarverfahren substantiiert bestritten werden (hierzu: BVerwG, U.v. 29.3.2012 – 2 A 11/10, juris; BayVGH, U.v. 28.11.2012 – 16a D 11.958, juris Rn. 28).
Im diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bereits der Verzicht des Beklagten auf einen Einspruch gegen den Strafbefehl ein erhebliches Indiz für die Richtigkeit des im Strafbefehl bezeichneten Sachverhalt darstellt (vgl. VGH BW, U.v. 3.7.2002 – DL 17 S 24/01, BayVGH, U.v. 11.7.2007 – 16a D 06.1183, juris). Das Vorbringen des Beklagten, er habe den Strafbefehl akzeptiert, um zu Gunsten seines Dienstherrn eine öffentlichkeits- und pressewirksame Hauptverhandlung zu vermeiden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn für den Beklagten war bereits bei der Erklärung des Verzichts auf den Einspruch absehbar, dass ein nachfolgendes Disziplinarverfahren vor dem Verwaltungsgericht in gleicher Weise öffentlich verhandelt werden würde (vgl. BayVGH, U.v. 11.7.2007 – 16a D 06.1183, juris Rn. 63).
Zudem hat der Beklagte die Richtigkeit der – für das vorliegende Disziplinarverfahren relevanten – tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls auch nicht substantiiert bestritten, sondern vielmehr bereits mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. Januar 2016 eingeräumt, dass er von Herrn … Marihuana erworben sowie – im Rahmen von gemeinsamem Konsum – Marihuana an Herrn … abgegeben hat. Der Beklagte könne jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass Herr … jemals Zahlungen getätigt habe.
Zudem wurde im gleichen Schriftsatz darauf hingewiesen, der Versuch, die Vorgänge aus den Jahren 2011/2012 im Disziplinarverfahren weiter aufzuklären, sei entbehrlich, da aufgrund der geständigen Haltung des Beklagten die grundsätzliche Dienstpflichtverletzung ohnehin feststehe. Für die disziplinarrechtliche Bewertung der Dienstpflichtverletzung dürfte es aufgrund des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens nicht entscheidend sein, wie viele Einzelakte in welchem konkreten Umfang vorlägen.
Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erklärte der Bevollmächtigte des Beklagten erneut, der Beklagte räume nach wie vor ein, dass er von Herrn … Marihuana erhalten und auch an diesen abgegeben habe. Er könne jedoch nach wie vor keine näheren Angaben zu den genauen Zeiträumen machen, weshalb der Einwand, dass der dem Beklagten zu Last gelegte Sachverhalt bereits in den Zeitraum vor Juni 2011 fallen könne, aufrechterhalten bleibe.
Dem Bevollmächtigten des Beklagten ist zwar einzuräumen, dass sich weder im Straf- noch im Disziplinarverfahren zeitlich exakt feststellen ließ, wann es zu dem vorsätzlichen unerlaubten Erwerb bzw. zu der vorsätzlichen unerlaubten Abgabe der Betäubungsmittel in den im Strafbefehl genannten Fällen gekommen ist.
Es ist durchaus möglich, dass die dem Beklagten zu Last gelegten Handlungen – zumindest teilweise – bereits vor Juni 2011 stattgefunden haben. So erklärte der Zeuge … bei seiner Einvernahme durch das Kriminalfachdezernat …des Kommissariats …am 13. Januar 2015, er könne den Zeitraum nur eingrenzen, es müsse zwischen 2010 und 2012 gewesen sein (Bl. 139 der Ermittlungsakte). Die Freundin des Beklagten habe fast alle Marihuanageschäfte zwischen ihm und dem Beklagten mitbekommen (Bl. 142 der Ermittlungsakte). Die damalige Freundin des Beklagten, Frau …, war seit dem 1. April 2010 in der Wohnung des Beklagten gemeldet. Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er sei seit Februar 2010 mit Frau … befreundet gewesen. Diese habe ihn in der Zeit bis April 2010, als er mit … in einer Wohngemeinschaft gelebt habe, regelmäßig in seiner Wohnung besucht. Anfang April 2010 sei dann seine damalige Freundin endgültig in die Wohnung eingezogen. Daraufhin sei … bereits wenige Tage später, … etwa einen Monat später aus der Wohnung ausgezogen. Dies spricht dafür, dass die dem Beklagten im Strafbefehl zur Last gelegten Tathandlungen bereits vor dem Juni 2011 stattgefunden, oder zumindest begonnen haben. Hiervon geht im Übrigen auch der Zwischenbericht des Kriminalfachdezernat … vom 10. März 2015 aus, in welchem ausgeführt wird, es sei trotz der abweichenden Angaben des Hauptbelastungszeugen … eher anzunehmen, dass die von ihm geschilderten Taten bereits 2009/2010 begonnen hätten.
Der exakte Tatzeitraum ist jedoch für das vorliegende Disziplinarverfahren nicht entscheidungserheblich, da es disziplinarrechtlich nicht darauf ankommt, ob die dem Beklagten zu Last gelegten Tathandlungen zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum zwischen Juni 2011 bis Ende 2012, zwischen 2009/2010 und dem 1. September 2010 oder im Zeitraum zwischen 2009/2010 und Ende 2012 stattgefunden haben. Entscheidend ist allein, dass die dem Beklagten zu Last gelegten neun Tathandlungen (sieben Erwerbshandlungen und zweimalige Abgabe von Betäubungsmitteln) zur Überzeugung der Kammer tatsächlich jedenfalls im Zeitraum 2009/2010 und Ende 2012 stattfanden, was von dem Beklagten auch eingeräumt wird.
Insoweit handelt sich trotz der Ungenauigkeiten bei der Bestimmung der Tatzeiten um ein- und demselben Sachverhalt, der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegt wird.
Unter ein- und demselben Sachverhalt ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der einheitliche historische Geschehensablauf zu verstehen, der in seiner Gesamtheit Gegenstand strafgerichtlicher Verurteilung war. Der Begriff Sachverhalt ist insoweit weder auf den Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung und auch nicht auf einen strafrechtlichen Tatbestand beschränkt. Nicht die strafrechtliche oder disziplinarische Würdigung des Verhaltens ist maßgebend, sondern allein der historische Geschehensablauf, der Hergang der Tat. Dadurch, dass der historische Vorgang besondere disziplinare Aspekte hat, die vom strafrechtlichen Tatbestand nicht erfasst werden, wird die Identität des Sachverhalts in beiden Verfahren nicht beseitigt. Der strafprozessuale Tatbegriff des § 264 StPO, der mit dem disziplinarrechtlichen übereinstimmt, ist dahin zu verstehen, dass er als einheitlicher geschichtlicher Vorgang gilt, bei dem die einzelnen Lebensverhältnisse verinnerlicht so miteinander verknüpft sind, dass sie nach der Lebensauffassung eine Einheit bilden, nach der ihre Behandlung in getrennten Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens erscheinen würde. So können auch mehrere Handlungen Bestandteile ein- und derselben Tat in prozessualem Sinne darstellen. Ob das der Fall ist, ist stets unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei die für die Bejahung von Tatidentität notwendige innere Verknüpfung mehrerer Beschuldigungen sich unmittelbar aus den zugrundeliegenden Handlungen und Ereignissen ergeben muss (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1985 – 1 D 49/84, juris Rn. 10; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Rn. 20 ff. zu Art. 15 BayDG).
Der demnach vorliegend in den Blick zu nehmende einheitliche historische Geschehensablauf umfasst die dem Beklagten zur Last gelegten neun Einzelhandlungen, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, zu welchen exakten Zeitpunkten diese Handlungen erfolgt sind. Dem entsprechend muss die Klageschrift der Disziplinarklage den Ort und die Zeit der einzelnen Handlungen auch nur möglichst genau angeben, sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschreiben (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2007 – 2 A 3/05, juris Rn. 27). Eine exakte Zeitangabe ist nur erforderlich, soweit dies nach den im Disziplinarverfahren getroffenen Feststellungen möglich ist.
Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass der dem Beklagten unter Ziffer 1. der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt zur Überzeugung der Kammer vollumfänglich erwiesen und vom Kläger mit Ausnahme der zeitlichen Feststellungen auch eingeräumt worden ist. Soweit der Beklagte seinen Bevollmächtigten hat vortragen lassen, er könne mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass … jemals Zahlungen an ihn getätigt habe, liegt kein substantiiertes Bestreiten der Feststellungen aus dem Strafbefehlsverfahren vor. Dies folgt zum einen bereits aus der Einschränkung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“. Zudem hat … auch in der erneuten Zeugeneinvernahme im Disziplinarverfahren am 2. Februar 2017 seine bisherigen Angaben bestätigt, dass er teilweise für das vom Beklagten bezogene Marihuana bezahlt habe. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge zu diesem Punkt wiederholt bewusst die Unwahrheit gesagt haben könnte.
Soweit dem Beklagten ursprünglich auch zu Last gelegt worden ist, er habe bei einer Gelegenheit 50 g Marihuana von … gekauft und übernommen (Ziffer 1.3 des Strafbefehls vom 22.6.2015), wurde dieser Vorwurf in der Disziplinarklage nicht mehr aufrechterhalten.
Aus dem Gesagten folgt auch, dass entgegen der Annahme des Bevollmächtigten des Beklagten kein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs gemäß Art. 16 Abs. 3 BayDG besteht.
Die entsprechende Frist begann mit der gemäß Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 BayDG am 12. März 2015 erfolgten Einleitung des Disziplinarverfahrens neu zu laufen. Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht mehr als sieben Jahre seit der Vollendung des Dienstvergehens vergangen. Denn selbst wenn man trotz des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens insoweit auf die einzelnen Erwerbs- bzw. Abgabehandlungen abstellen wollte, hat die erste derartige Handlung auch nach Auffassung des Beklagten frühestens im Jahr 2009 stattgefunden.
Ebenfalls nachgewiesen ist der unter Ziffer 3. erhobene Vorwurf, der Beklagte habe regelmäßig bzw. häufig Cannabisprodukte konsumiert. Dies ergibt sich aus dem im Strafverfahren erstellten Haargutachten vom 12. Januar 2015, dessen inhaltliche Richtigkeit auch der Beklagte nicht infrage stellt.
Soweit es den unter Ziffer 2. der Disziplinarklage bezeichneten Sachverhalt betrifft, der nicht durch den Strafbefehl geahndet worden ist, wird das Disziplinarverfahren gemäß Art. 54 BayDG auf die bereits oben bezeichneten Sachverhalte (Ziffern 1. und 3. der Disziplinarklage) beschränkt. Es fällt für die Art und die Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht, ob der Kläger über die bereits nachgewiesenen neun Fälle (Ziffer 1. der Disziplinarklage) hinaus bei weiteren vier Gelegenheiten an … Marihuana verkauft und bei weiteren sechs Gelegenheiten von diesem Marihuana gekauft und übernommen hat.
Es kann deshalb offen bleiben, ob bezüglich der in Ziffer 2. der Disziplinarklage genannten Handlungen der Tatnachweis geführt werden könnte. Die Regelung des Art. 25 Abs. 2 BayDG greift insoweit nicht.
III.
Der Beklagte hat durch den siebenfachen Erwerb von Marihuana von Herrn …, die zweimalige Abgabe von Marihuana an Herrn … und den regelmäßigen Konsum von Cannabisprodukten in dem Zeitraum von einem Jahr vor der Entnahme der Haarprobe am 18. Dezember 2014 schuldhaft vorsätzlich eine außerdienstliches Pflichtverletzung begangen, die in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, und daher als Dienstvergehen zu bewerten ist (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
Er hat gegen die Pflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), sowie sich auch außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG).
Das Fehlverhalten des Beklagten lag außerhalb des Dienstes, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (BVerwG, U. v. 20.2.2001 – 1 D 55.99, BVerwGE 114, 37, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14, BVerwGE 152, 228).
Außerhalb seines Dienstes ist der Beamte grundsätzlich nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG; hierzu BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10, BVerwGE 140, 185). Außerdienstliches Verhalten kann den Pflichtenkreis des Beamten nur berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Das Vertrauen der Bürger, dass der Beamte dem Auftrag gerecht wird, als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaates eine unabhängige, unparteiliche und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, darf der Beamte auch durch sein außerdienstliches Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, U.v. 30.8.2000 – 1 D 37.99, BVerwGE 112, 19).
Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Unbeschadet des teilweise veränderten Wortlauts ist mit dieser Vorschrift eine inhaltliche Änderung gegenüber früheren Bestimmungen zur Qualifizierung außerdienstlichen Verhaltens – wie in Art. 84 BayBG in der bis 1. April 2009 gültigen Fassung – nicht verbunden (BVerwG, U.v. 25.8.2009 – 1 D 1.08, Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1, U.v. 25.3.2010 – 2 C 83.08, BVerwGE 136, 173 und U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14, BVerwGE 152, 228).
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967 (BGBl. I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist (BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 2 C 83.08, BVerwGE 136, 173). Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken (BVerfG, B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02, BVerfGK 4, 243).
Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG; hierzu auch BVerwG, U.v. 30.8.2000 – 1 D 37.99, BVerwGE 112, 19 und U.v. 27.6.2013 – 2 A 2.12, BVerwGE 147, 127). Private Straßenverkehrsdelikte etwa begründen daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.2000 – 1 D 37.99, BVerwGE 112, 19 zur einmaligen Trunkenheitsfahrt).
Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. BVerfG, B.v. 19.2.2003 – 2 BvR 1413/01, NVwZ 2003, 1504). Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10, BVerwGE 140, 185 und U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14, BVerwGE 152, 228). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist.
Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne; soweit in der bisherigen Rechtsprechung das Bundesverwaltungsgerichts auf das Amt im konkret-funktionellen Sinne (den Dienstposten) abgestellt worden ist, hält das Bundesverwaltungsgericht hieran nicht mehr fest (U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14, BVerwGE 152, 228).
Die Rechtsstellung des Beamten wird durch sein Statusamt geprägt (BVerwG, U.v. 11.12.2014 – 2 C 51.13, ZBR 2015, 166). Dieses – und nicht die mit einem gegenwärtig innegehabten Dienstposten verbundene Tätigkeit – bestimmt, mit welchem Aufgabenbereich der Beamte amtsangemessen beschäftigt und damit künftig verwendet werden kann. Folgerichtig sind auch andere statusrechtliche Entscheidungen, wie etwa zu Eignung oder Dienstfähigkeit des Beamten, nicht auf die sich aus einem bestimmten Dienstposten ergebenden Anforderungen bezogen. Auch die spiegelbildliche Frage, ob der Beamte trotz begangener Pflichtverletzungen noch im Beamtenverhältnis verbleiben kann, muss daher auf sein Amt als Ganzes und nicht auf die Besonderheiten eines begrenzten Tätigkeitsbereichs bezogen werden (vgl. bereits BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11, BVerwGE 147, 229). Andernfalls hinge die Möglichkeit der Vertrauensbeeinträchtigung von den Zufälligkeiten des jeweiligen Aufgabenzuschnitts und der Abgrenzung der Dienstposten zum Zeitpunkt der Tatbegehung ab. Der Beamte kann aber jederzeit umgesetzt oder versetzt werden (vgl. BVerwG, B.v. vom 22.1.2014 – 2 B 102.13, juris).
Die Bezugnahme auf das Statusamt folgt überdies aus der materiellen Pflichtenstellung in § 34 Satz 3 BeamtStG. Während Satz 2 dieser Vorschrift an die dem Beamten übertragenen Aufgaben angeknüpft, nehmen Satz 1 und 3 jeweils auf den Beruf Bezug. Die Verpflichtung, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, ist aber nicht nur auf den Dienstposten bezogen. Berufspflichten gehen vielmehr über die konkret übertragenen Dienstaufgaben hinaus und werden auch in anderen Rechtsgebieten umfassend verstanden (vgl. etwa § 43 Satz 2 BRAO). Entsprechendes gilt für die Pflicht, dem berufserforderlichen Vertrauen gerecht zu werden. Entstehungsgeschichtlich geht die Bezugnahme auf den Beruf und die hierfür erforderliche Vertrauensstellung bereits auf § 10 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 (RGBl. S. 61) zurück und war stets umfassend und nicht nur auf konkrete Dienstpflichten bezogen (vgl. Günther, DÖD 2007, 13 ).
Auch in funktionaler Hinsicht ist das außerdienstliche Verhalten des Beamten gerade nicht durch die ihm konkret übertragenen Aufgaben seines Dienstpostens bestimmt. Bezüge zu seinem Dienstverhältnis entfaltet das private Verhalten des Beamten vielmehr nur mittelbar, wenn es die Vertrauenswürdigkeit seiner Person berührt und damit auch seine künftige Amtsführung beeinträchtigen kann. Bezugspunkt für die Vertrauensbeeinträchtigung ist damit das dem Beamten als Lebensberuf übertragene Statusamt.
Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert; dieses hat er uneigennützig, nach bestem Gewissen und in voller persönlicher Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen wahrzunehmen (§ 34 Satz 1 und 2, § 36 Abs. 1 BeamtStG). Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert (BVerwG, U.v. 8.5.2001 – 1 D 20.00, BVerwGE 114, 212; ähnlich bereits U.v. 30.8.2000 – 1 D 37.99, BVerwGE 112, 19).
Der unerlaubte Erwerb und die unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln weisen einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 25/14, U.v. 8.5.2001 – 1 D 20.00, BVerwGE 114, 212 und vom 25.7.2013 – 2 C 63.11, BVerwGE 147, 229 Rn. 20 sowie BVerfG, B.v. 18.1.2008 – 2 BvR 313/07, BVerfGK 13, 205 für Staatsanwälte). Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen. Diese begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen.
Der Beklagte hat demnach ein zu ahndendes außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen. Der Beklagte handelte vorsätzlich und schuldhaft.
IV.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die erforderliche Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U.v. 29.10.2013 – 1 D 1.12, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252).
Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe BVerwG, B.v. 25.5.2012 – 2 B 133.11, NVwZ-RR 2012, 607). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, B.v. 14.6.2000 – 2 BvR 993/94, ZBR 2001, 208 und B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02, BVerfGK 4, 243).
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmenbemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14, ZBR 2015 und U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt jedoch nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10, BVerwGE 140, 185).
Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat auf einer zweiten Stufe zunächst indiziell auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (BVerwG, B.v. 12.2.2019 – 2 B 6/19, juris; vgl. zur Bezugnahme auf eine verhängte Freiheitsstrafe und den „Gleichklang zum Strafrecht“ auch BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 2 C 83.08, BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26). Dies folgt zunächst aus § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, der direkt und ausschließlich an den Strafausspruch der Strafgerichte anknüpft. Unterhalb der in dieser Vorschrift genannten Schwelle kommt der strafgerichtlichen Aburteilung zwar regelmäßig keine unmittelbare Verbindlichkeit für die disziplinarrechtliche Beurteilung zu. Auch bei weniger gravierenden Verurteilungen kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane aber als Indiz für die Schwere einer außerdienstlich begangenen Straftat und für Abstufungen innerhalb des Orientierungsrahmens herangezogen werden (BVerwG, B.v. 14.5.2012 – 2 B 146.11, NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 10 und vom 25.5.2012 – 2 B 133.11, NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10). Unbeschadet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kommt in dem Strafausspruch die Schwere und Vorwerfbarkeit der begangenen Handlung zum Ausdruck, die auch für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung ist (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14, ZBR 2015, 422 Rn. 37).
Des Weiteren sind einerseits die Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, die Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und die Umstände der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen Form und Gewicht der Schuld und die Beweggründe des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) zu beurteilen. Darüber hinaus sind die unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens maßgeblich (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 20).
Weist ein Dienstvergehen – wie hier – einen hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bereits für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12, B.v. 25.5.2012 – 2 B 133.11, NVwZ-RR 2012, 607 und U.v. 23.1.2014 – 2 B 52.13, juris).
Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft.
Der disziplinarrechtliche Orientierungsrahmen bei Straftaten von Polizeibeamten nach der genannte Bestimmung reicht deshalb ohne weiteres bis zur Entfernung aus dem Dienst.
Denn für die disziplinare Bewertung des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ist neben dem bezeichneten Strafrahmen auch das Anliegen des Gesetzgebers von erheblicher Bedeutung, mit diesem Gesetz den schädlichen Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so Gefahren von Einzelnen und der Allgemeinheit abzuwehren. Ein Beamter, der außerhalb des Dienstes gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen und damit einem bedeutsamen staatlichen Anliegen dienen sollen, missachtet insoweit wichtige Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung und offenbart eine grob sozialschädliche Haltung (VGH BW, U.v. 25.2.2010 – DL 16 S 2597/09, juris Rn. 34). Ein Verstoß gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ist deshalb in besonderem Maße geeignet, die dem Beamten zukommende Achtung und seine dienstliche Vertrauenswürdigkeit in außerordentlicher Weise zu beeinträchtigen.
Angesichts der Variationsbreite möglicher Verwirklichungsformen pflichtwidrigen Verhaltens in diesem Bereich ist jedoch – wie bereits ausgeführt – das disziplinare Gewicht des Dienstvergehens von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (BVerwG, U.v. 14.12.2000 – 1 D 40.99, juris unter Verweis auf die U.v. 07.05.1996 – 1 D 82.95, BVerwGE 103, 316; vom 29.04.1986 – 1 D 141.85; vom 25.10.1983 – 1 D 37.83; Urteile des Disziplinarsenats vom 24.7.2008 – DB 16 S 4/07 – und v. 6.8.2009 – DL 16 S 2974/08; anders noch VGH Bad.-Württ., U.v. 5.2.2004 – DL 17 S 11/03, ESVGH 54, 166: in der Regel Entfernung aus dem Dienst; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 30.6.2003 – 3 A 10767/03, NVwZ-RR 2003, 877). Dies bedeutet, dass in schweren Fällen eine dem förmlichen Disziplinarverfahren vorbehaltene Maßnahme, bei einem aktiven Beamten also eine Gehaltskürzung, Degradierung oder in besonders schweren Fällen sogar die Entfernung aus dem Dienst zu verhängen ist.
Im Falle des Beklagten wurde gegen diesen wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in sieben Fällen und vorsätzlicher unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln in zwei Fällen gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I zum BtMG; § 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 53 StGB mit Strafbefehl vom 28. Mai 2015 lediglich eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 70,00 EUR festgesetzt.
Das geahndete strafrechtliche Unrecht bewegt sich somit im unteren Bereich. Der Beklagte hat auch lediglich von einer Person für den Eigengebrauch Marihuana bezogen und an diese abgegeben. Er ist nicht als Dealer aufgetreten und hatte auch nicht mit „harten Drogen“ wie Heroin zu tun. Soweit in der Disziplinarklage dem Beklagten vorgehalten wird, er habe harte Drogen angekauft, verkauft und konsumiert, ist dies nicht zutreffend.
Der Beklagte hat Dritte nicht zum Konsum von Drogen verführt. Er hat auch keine andere Person zum Konsum von Betäubungsmitteln veranlasst, die zum ersten Mal – und durch ihn – zum Erwerb oder zum Genuss von Drogen verleitet worden wären.
Zugunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass dieser bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Für den Beklagten sprechen auch die guten dienstlichen Leistungen und das sehr positive Persönlichkeitsbild. Der Beklagte ist nach Einschätzung seines Dienstherrn ein leistungsstarker Beamter, der durch großes dienstliches Engagement, gewissenhaftes und motiviertes Arbeiten auffällt, als Teamplayer auftritt und bei seinen Kolleginnen und Kollegen angesehen und geschätzt ist.
Andererseits ist nochmals deutlich darauf hinzuweisen, dass von einem Polizeibeamten, der als Hüter der staatlichen Ordnung zur Bekämpfung von Straftaten, insbesondere solchen im Drogenmilieu, berufen ist, erwartet wird, dass er strafbares Verhalten durch Erwerb bzw. die Abgabe von Betäubungsmitteln unterlässt. Mit dem Auftrag zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung ist es schlichtweg unvereinbar, wenn ein Polizeibeamter – auch außerhalb des Dienstes – gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen und einem besonderen staatlichen Anliegen dienen, wie dies bei den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, die der Eindämmung des wegen seiner hohen Sozialschädlichkeit verbotenen Umgangs mit Betäubungsmitteln dienen, der Fall ist. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ist deshalb in besonderem Maße geeignet, die dem Beamten zukommende Achtung und seine dienstliche Vertrauenswürdigkeit in außerordentlicher Weise zu beeinträchtigen.
Entsprechendes gilt, wenn ein Polizeibeamter selbst Betäubungsmittel konsumiert. Auch dies ist geeignet, eine Vertrauensbeeinträchtigung herbeizuführen, da die Gefahr besteht, dass der Beamte bei seiner Aufgabenerfüllung im Zusammenhang mit möglichen Betäubungsmitteldelikten nicht mehr objektiv und vorurteilsfrei handelt.
Vorliegend ist zu Lasten des Beklagten in die Bemessungsentscheidung auch einzustellen, dass es den Beteiligten bei dem Erwerb bzw. der Abgabe des Marihuanas und dessen Konsum bekannt war, dass der Kläger Polizeibeamter ist.
Hiervon ausgehend ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass das Fehlverhalten des Beklagten zwar schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wiegt, der Beklagte – insbesondere unter Berücksichtigung seines Gesamtpersönlichkeitsbilds und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens – das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit jedoch noch nicht endgültig verloren hat. Andererseits ist jedoch eine deutliche Pflichtenmahnung durch eine Disziplinarmaßnahme mit Außenwirkung in Form der Zurückstückstufung in das Amt eines Polizeiobermeisters erforderlich und auch verhältnismäßig ist. Die Herabstufung steht in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und dem Verschulden des Beklagten. Nur durch die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme mit Außenwirkung lässt sich vorliegend das Vertrauen des Dienstherrn bzw. der Allgemeinheit in eine künftig beanstandungsfreie Amtsführung durch den Beklagten wiederherstellen (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2004 – 1 D 33/02, juris).
Im Hinblick auf die Dauer des Disziplinarverfahrens hielt es die Kammer jedoch für angezeigt, den in Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BayDG bestimmten Zeitraum, innerhalb dem der Beklagte weder befördert noch eine Leistungsstufe erhalten darf, auf drei Jahre nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu verkürzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Illegale Müllentsorgung

Warme Sonnenstrahlen bringt der Frühlingsanfang mit sich und lockt die Menschen vor die Türe. Hier wird auf öffentlichen Plätzen gegrillt, dort eine Flasche Wein getrunken - was häufig bleibt ist der liegengebliebene Müll.
Mehr lesen