Strafrecht

Durchsuchungsanordnung – Anfangsverdacht und Begründung; Auswirkungen einer rechtswidrigen Durchsuchungsanordnung auf die Beschlagnahme aufgefundener Gegenstände

Aktenzeichen  3 Qs 95/17

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO StPO § 34, § 94, § 102

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für jede Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde, wofür hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssen und vage Anhaltspunkte oder reine Vermutungen nicht genügen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Durchsuchungsbeschluss sind die wesentlichen Verdachtsmomente einschließlich der Indiztatsachen zu nennen. Der reine Verweis auf die bisherigen Ermittlungen ist nicht ausreichend. Die Angabe der wesentlichen Verdachtsmomente darf nur unterbleiben, wenn die Bekanntgabe den Untersuchungszweck gefährden würde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung folgt noch nicht per se die Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Beschlagnahme. Liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Durchsuchung nicht vor und wurde der Beschuldigte auch nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt, sind die aufgefundenen Beweismittel nicht verwertbar. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zu den Anforderungen an eine ordnungsmäße Durchsuchungsanordnung  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 Gs 1472/17 2017-08-08 Bes AGANSBACH AG Ansbach

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ansbach vom 08.08.2017 wird festgestellt, dass der angefochtene Beschluss sowie die auf diesem Beschluss beruhende Durchsuchung vom 09.08.2017 und die auf ihm beruhenden Beschlagnahmen vom 09.08.2017 rechtswidrig sind.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Ansbach ordnete mit Beschluss vom 08.08.2017 die Durchsuchung der Wohnung und Fahrzeuge der Beschuldigten nach Betäubungsmitteln, Betäubungsmittelutensilien sowie nach schriftlichen und elektronischen Aufzeichnungen über Betäubungsmittelgeschäfte an. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen bestehe der Tatverdacht, dass die Beschuldigte zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Anfang Juni 2017 an … eine noch unbekannte Menge eines noch unbekannten Betäubungsmittels in ihrem Wohnhaus in … verkauft und übergeben habe. Hierdurch habe sie Gewinn erzielen wollen und gewusst, dass sie nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis besitze. Zugleich ordnete das Amtsgericht Ansbach die Beschlagnahme der vorgenannten Gegenstände an, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden.
Die angeordneten Maßnahmen würden in angemessenem Verhältnis zu Schwere der Tat und Stärke des Tatverdachts stehen und seien für die Ermittlungen notwendig.
Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 09.08.2017 vollzogen. Bei der Beschuldigten wurden die im Beschlagnahmeverzeichnis aufgeführten Gegenstände aufgefunden. Die Beschuldigte erklärte sich weder mit der Durchsuchung noch mit der Sicherstellung einverstanden.
Die Beschuldigte legte mit Schriftsatz vom 26.09.2017 gegen vorgenannten Beschluss Beschwerde ein und beantragte, seine Rechtswidrigkeit festzustellen. Hinsichtlich der hierfür vorgebrachten Gründe wird auf die Beschwerdebegründungen vom 26.09.2017, 06.10.2017 und 13.10.2017 verwiesen.
Das Amtsgericht Ansbach half der Beschwerde am 11.10.2017 nicht ab.
Die Staatsanwaltschaft Ansbach brachte die Akten mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen, in Vorlage.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig gem. § 304 Abs. 1 StPO. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ergibt sich ein Anderes auch nicht daraus, dass die Durchsuchung in Erledigung des Durchsuchungsbeschlusses bereits vollzogen und beendet worden ist. Aufgrund des mit der Durchsuchung der Wohnung einhergehenden Grundrechtseingriffs kann auch nach Abschluss der Durchsuchungsmaßnahme deren Rechtmäßigkeit überprüft werden (BGH, Beschluss vom 13.10.1999 NJW 2000, 84).
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da der angefochtene Beschluss und die auf ihm beruhende Durchsuchung und Beschlagnahmen rechtswidrig sind.
Voraussetzung für jede Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde, wofür hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssen und vage Anhaltspunkte oder reine Vermutungen nicht genügen (Meyer-Goßner, 60. Aufl., 2017, § 102 StPO, Rn. 2).
Vorliegend sind die vorgenannten Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, da sich allein aus den Angaben der Belastungszeugin … keine entsprechende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass es durch die Beschuldigte zu einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz gekommen ist. Es hätte zunächst der Vernehmung des … bedurft. Denn aus der Aussage der Zeugin … ergibt sich nicht einmal, ob es bei der durch sie geschilderten Gelegenheit tatsächlich zu einem Kontakt zwischen … und der Beschuldigten gekommen ist, nachdem die Zeugin … lediglich zur Wohnung der Beschuldigten gefahren hat und ihn dann in einer gewissen Entfernung zum Wohnhaus aus dem Fahrzeug hat aussteigen lassen. Weiter vermochte die Zeugin … kein konkretes Betäubungsmittel oder eine bestimmte Menge, nicht einmal eine Mindestmenge zu benennen. Aufgrund dessen steht nicht fest, ob es sich überhaupt um Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes und den dazugehörigen Anlagen oder aber um sog. „legal highs“ gehandelt haben soll.
Mangels Kenntnis von Art, Menge und Qualität der Betäubungsmittel, mit denen die Beschuldigte f Handel getrieben haben soll, ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht möglich.
Darüber hinaus fehlt es bei dem Durchsuchungsbeschluss an der Angabe der Tatsachen, auf denen der Anfangsverdacht beruht, da der reine Verweis auf die bisherigen Ermittlungen hierfür nicht ausreichend ist. Vielmehr bedarf es der Nennung der wesentlichen Verdachtsmomente einschließlich der Indiztatsachen gem. § 34 StPO, da dem Beschuldigten nur dann eine sachgerechte und umfassende Prüfung, ob der Beschluss rechtmäßig ergangen ist, möglich ist. Es ist vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass eine Bekanntgabe der wesentlichen Verdachtsmomente den Untersuchungszweck gefährdet hätte und die Bekanntgabe deswegen unterbleiben durfte (BGH, Beschl. vom 18.12.2008 – NStZ-RR 2009, 142).
Aus der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung folgt noch nicht per se die Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Beschlagnahme. Die Beschlagnahme aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung aufgefundener Beweisgegenstände ist nur dann rechtswidrig und führt zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn schwerwiegende Verfahrensverstöße vorliegen oder Verfahrensverstöße willkürlich oder bewusst begangen wurden (Meyer/Goßner, aaO, § 94 StPO, Rn. 21; LG Wiesbaden, Besch, v. 04.10.2016 – 2 Qs 74/16).
Liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gem. §§ 102 ff StPO nicht vor und wurde der Beschuldigte auch nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt, sind die aufgefundenen Beweismittel nicht verwertbar (LG Berlin, Beschluss vom 27.06.2008 – StV 2011, 89). Nachdem es vorliegend aufgrund der vagen Angaben der Zeugin^ …p bereits an einem für eine Durchsuchungsanordnung erforderlichen auf Tatsachen gestützten Anfangsverdacht für das Vorliegen einer durch die Beschuldigte begangenen Straftat fehlt, hätte die Durchsuchungsanordnung nicht ergehen dürfen. Nachdem die Beschuldigte auch nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt worden ist, ist die Beschlagnahme der aufgefundenen Gegenstände vorliegend ebenfalls .rechtswidrig. Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus einer Abwägung der Interessen der Beschuldigten, insbesondere ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG und dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafverfolgung, zumal es sich bei dem Vorwurf des vorsätzlich unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bzw. dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln nicht um einen schwerwiegenden Vorwurf handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.

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