Strafrecht

Einmaliger Verstoß des gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot führt zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  RN 8 S 16.1847

Datum:
8.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO  § 80 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 2 S. 1, § 80 Abs. 3 S. 1, § 80 Abs. 5
StVG StVG § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 3 S. 1
FeV FeV  § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Bereits der einmalige Verstoß des gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV führt zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch die Antragsgegnerin.
Der am … 1995 geborene Antragsteller war zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen B, L, M und S.
Am 15. Oktober 2015 gegen 19:45 Uhr wurde der Antragsteller mit seinem PKW in der … Straße in … einer Verkehrskontrolle unterzogen, da er zunächst auffallend langsam und dann mit erhöhter Geschwindigkeit stadtauswärts gefahren war. Außerdem war der Scheibenwischer auf Dauerbetrieb eingeschaltet, obwohl es nicht regnete. Der Antragsteller zeigte keine Pupillenreaktion und konnte den Anweisungen der kontrollierenden Polizeibeamten nicht folgen. Aufgrund dieser Verdachtsmomente auf den Konsum von Betäubungsmitteln wurde dem Antragsteller ein freiwilliger Urintest angeboten, welchen dieser vehement ablehnte. Da der Antragsteller auch mit der Blutentnahme nicht einverstanden war, wurde diese durch den Jour-Staatsanwalt und Jour-Richter angeordnet. Gemäß dem Gutachten des FTC, München, vom 5. November 2015 ergab die anschließend durchgeführte Blutentnahme einen THC-Wert von 9,3 ng/ml, einen Hydroxy-THC-Wert von 3,9 ng/ml und einen THC-Carbonsäure-Wert von 148 ng/ml.
Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Passau wurde durch das FTC, München, am 27. Januar 2016 ein ergänzendes forensisch-toxikologisches Gutachten erstellt. Danach spreche die festgestellte Menge an THC-Carbonsäure für einen regelmäßigen Cannabiskonsum. Im gegenständlichen Fall könne eine relative Fahrunsicherheit aber nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit bejaht werden.
Mit Verfügung vom 29. Januar 2016 wurde das Ermittlungsverfahren in Bezug auf den obengenannten Sachverhalt (Az. 26 Js …2/15 JUG bzw. BY-2219- …56-15/5) gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Ermittlungsverfahren sei aus tatsächlichen Gründen einzustellen gewesen. Die Täterschaft des Beschuldigten lasse sich nicht mit der für die Erhebung der öffentlichen Klage notwendigen Sicherheit nachweisen. Der Anfangsverdacht beruhe auf den Feststellungen und Beobachtungen der kontrollierenden Beamten. Bei der Analyse des Blutes seien THC und Hydroxy-THC in Konzentrationen nachgewiesen worden, die eine starke akute Wirkung dieser Substanzen im Zeitpunkt der Blutentnahme aus toxikologischer Sicht belegen würden. Fahrfehler hätten beim Beschuldigten nicht festgestellt werden können. In einer beauftragten ergänzenden Stellungnahme habe der Gutachter eine rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit aber nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Wahrscheinlichkeit bejahen können. Allerdings liege eine Überschreitung der sogenannten analytischen Grenzwerte nach § 24a Abs. 2 StVG vor.
Mit Schreiben vom 2. Mai 2016 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung an. Dem Antragsteller wurde die Möglichkeit gegeben bis zum 16. Mai 2016 Stellung zu nehmen.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2016, zugestellt am 14. Juni 2016, entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S (Ziffer 1), ordnete die Abgabe des Führerscheins bis spätestens fünf Tage nach der Zustellung des Bescheids (Ziffer 2) sowie die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern 1 und 2 an (Ziffer 3). Für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung nach vorstehender Ziffer 2 nicht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250 € angedroht (Ziffer 4). Der Antragsteller habe am 15. Oktober 2015 ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss berauschender Mittel geführt. Das Verfahren sei durch die Staatsanwaltschaft Passau eingestellt und zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörden abgegeben worden. Der Antragsteller konsumiere zumindest gelegentlich Cannabis und können offensichtlich nicht zwischen dem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen. Die Nichteignung des Antragstellers stehe zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest. Auf die weitere Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Der in den Behördenakten befindliche Führerschein wurde laut Aktenvermerk am 16. Juni 2016 abgegeben.
Gegen den Antragsteller wurde wegen eines weiteren Vorfalls am 15. Oktober 2015 gegen 18.30 Uhr ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet und am 3. Mai 2016 Anklage erhoben (Az. 13 Js …7/15 JUG bzw. BY-2280- …66-15/2). Mit Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Passau vom 17. Januar 2017 wurde der Antragsteller wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen.
Mit am 1. Juli 2016 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller Klage erheben lassen (RN 8 K 16.1012). Mit am 1. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller zudem um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragsgegnerin die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Umstände gestützt habe, welche auf dem Ermittlungsverfahren BY-2219- …56-15/5 beruhen würden. Gegen den Betroffenen seien mehrere strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, BY-2219- …56-15/5 und BY-2280- …66-15/2. In dem Strafverfahren aufgrund des Verdachts des illegalen Handels von Cannabis in nicht geringen Mengen, sei es nicht ausgeschlossen, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen werde. Das Strafverfahren habe eine Straftat zum Gegenstand, die von ihrer Art her eine Entziehung rechtfertigen könne. Solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig sei, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht komme, dürfe die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens sei, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Außerdem gehe der Antragsteller davon aus, dass die Antragsgegnerin aufgrund des toxikologischen Gutachtens nicht von einem gelegentlichen Konsum habe ausgehen dürfen. Der THC-COOH-Wert liege unter 150 ng/ml und weitere Umstände bzw. Anhaltspunkte seien dem Bescheid des Antragstellers nicht zugrunde zu legen gewesen.
Für den Antragsteller wird sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids der Stadt Passau vom 10. Juni 2016 wiederherzustellen und die Aufhebung der Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheids der Stadt Passau vom 10. Juni 2016 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, dass sich der Entziehungsbescheid vom 10. Juni 2016 auf das bereits eingestellte Strafverfahren (Az. 26 Js …2/15) bezüglich des Führens eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss beziehe. Das laufende Strafverfahren (Az. 13 Js …7/15) sei für das Entziehungsverfahren nicht entscheidend. Die Entscheidungsgrundlage der Entziehung sei die gelegentliche Einnahme von Cannabis und das fehlende Trennungsvermögen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Anträge sind nicht begründet.
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, soweit sie gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Juni 2016 gerichtet ist. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, wenn die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann dann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Weiter begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Juni 2016 anzuordnen (§ 88 VwGO). Nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO kann das Gericht auf Antrag und wenn zugleich ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO geführt wird, die Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollzogen ist. Als Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO sind dabei auch Handlungen anzusehen, die der Adressat des Verwaltungsakts selbst freiwillig unter dem Druck drohender Vollzugsmaßnahmen vorgenommen hat. Diese Handlungen werden insoweit der Behörde zugerechnet.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 der Antragsgegnerin vom 10. Juni 2016 führt nicht zum Erfolg.
a) Die Antragsgegnerin, die die sofortige Vollziehung angeordnet hat, hat das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen.
Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen ist nämlich das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 36). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde daher in solchen Fällen nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde vorliegend hinreichend mit dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer begründet. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Abgabe des Führerscheins wurde hinreichend begründet. Solange der Antragsteller im Besitz des Führerscheins sei, bestehe die nicht auszuschließende Gefahr des Missbrauchs des Führerscheins durch dessen Vorzeigen bei eventuellen Verkehrskontrollen. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigene Interessenabwägung durchgeführt.
b) Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt auch, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt.
aa) Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann regelmäßig kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273 – juris Rn. 14).
bb) Nach summarischer Prüfung wird die Klage gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Juni 2016 aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Danach ist (ohne Ermessensspielraum) die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann der Fall, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Mit den Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Fahreignung befasst sich Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis besteht nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung des Betroffenen nur dann, wenn der Cannabiskonsum vom Fahren getrennt wird (Trennungsgebot), kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen stattfindet und keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegen. Nach Nr. 3 der Vorbemerkungen zu dieser Anlage gelten diese Bewertungen für den Regelfall.
Der Antragsteller hat sich nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, da er zumindest gelegentlich Cannabis konsumiert hat und den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeuges nicht hinreichend getrennt hat:
(1) Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2480 – juris Rn. 13). Dabei ist vor dem Hintergrund des äußert seltenen Falles, dass eine Person nach einem einmaligen Cannabiskonsum zum einen bereits kurz darauf ein Kraftfahrzeug führt und zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät und die Polizei einen Drogentest veranlasst, in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2480 – juris Rn. 14, m.w.N.).
Aufgrund des chemisch-toxikologischen Gutachtens des FTC, München, vom 5. November 2015 steht fest, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme am 15. Oktober 2015 um 20.30 Uhr und folglich auch zum Zeitpunkt der Verkehrsteilnahme am 15. Oktober 2015 gegen 19.45 Uhr unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mitteln gestanden hat. Zudem kommen die Gutachter des ergänzenden forensich-toxikologischen Gutachtens vom 27. Januar 2016 zu dem Ergebnis, dass der festgestellte THC-COOH-Wert (148 ng/ml) sogar für einen regelmäßigen Cannabiskonsum spricht. Anders als von der Antragstellerseite vorgetragen, sprechen bereits THC-COOH-Werten über 100 ng/ml für einen gelegentlichen Cannabiskonsum (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.3.2006 – 11 CS 05.1559 – juris Rn. 25; HessVGH, B.v. 3.5.2010 – 2 B 441/10 – juris Rn. 6). Jedenfalls ist aber aufgrund der Teilnahme des Antragstellers als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr unter der Einwirkung von Cannabis zumindest von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen, da der Antragsteller schon selbst nicht substantiiert behauptet, dass es sich bei dem Cannabiskonsum vor der Autofahrt lediglich um einen Probierkonsum gehandelt habe. Zudem bestätigen auch die Angaben des Antragstellers im nunmehr rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren (5 LS 13 Js …7/15 JUG bzw. BY-2280- …66-15/2), dass der Drogenfahrt vom 15. Oktober 2015 kein einmaliger Probierkonsum zugrunde lag (vgl. AG Passau. U.v. 17.1. 2017 – UA S. 3).
(2) Der Antragsteller hat auch nicht hinreichend zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt (Trennungsgebot). Dies ergibt sich aus dem Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter Einfluss von Cannabis am 15. Oktober 2015.
Für einen Verstoß gegen das Trennungsgebot ist grundsätzlich entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht. Dies ist bereits dann zu bejahen, wenn ein gelegentlicher Cannabiskonsument ein Fahrzeug mit einem THC-Wert von mindestens 1,0 ng/ml führt (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 41; BayVGH, B.v. 10.3.2015 – 11 CS 14.2200 – juris Rn. 12). Es kommt nicht darauf an, ob sich der Betroffene subjektiv fahrtüchtig fühlte und er mit einer Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nach seinem Cannabiskonsum rechnen musste. Maßgeblich ist allein, ob der Fahrerlaubnisinhaber objektiv im Zeitpunkt der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr unter einem rechtserheblichen Einfluss von THC stand und das Führen eines Kraftfahrzeugs durch ihn damit mit einem drogenkonsumbedingten erhöhten Gefahrenpotential einher ging (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2006 – 11 CS 05.2009 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 17.11.2008 – 11 CS 08.2157 – juris Rn. 3). Diese Risikoerhöhung für die Verkehrssicherheit bestand bei der Fahrt des Antragstellers am 15. Oktober 2015, wie das Ergebnis der Blutuntersuchung mit einem festgestellten THC-Wert von 9,3 ng/ml belegt.
Damit konnte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass der Antragsteller nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Anders als von der Antragstellerseite vorgetragen, konnte die Antragsgegnerin der Fahrerlaubnisentziehung auch den Sachverhaltskomplex des Fahrens unter Cannabiseinfluss zugrunde legen. § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG stand einer Berücksichtigung dieses Sachverhalts nicht entgegen, da das entsprechende Ermittlungsverfahren (Az. 26 Js …2/15 JUG bzw. BY-2219- …56-15/5) im maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entziehungsverfügung (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – juris Rn. 16) am 14. Juni 2016 bereits durch die Einstellungsverfügung vom 29. Januar 2016 eingestellt war. Einer Berücksichtigung des Fahrens unter Cannabiseinflusses stand auch das damals noch nicht abgeschlossene Strafverfahren wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln (Az. 13 Js …7/15 JUG bzw. BY-2280- …66-15/2) nicht entgegen. Denn der durch § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG zum Ausdruck gebrachte Vorrang der strafgerichtlichen Entscheidung gilt nur für das jeweilige Strafverfahren. Ist eines von mehreren Strafverfahren – wie hier durch eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO – beendet, besteht nach Wortlaut und Zweck des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG keine Veranlassung mehr, der Fahrerlaubnisbehörde eine Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen im Hinblick auf diesen Sachverhalt zu untersagen (vgl. VGH BW, B.v. 19.2.2007 – 10 S 3032/06 – juris Rn. 5; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 3 Rn. 49). § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG schließt lediglich die Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhalts aus – hier den Vorfall vom 15. Oktober 2015 gegen 18.30 Uhr -, untersagt der Fahrerlaubnisbehörde aber nicht, dem Betroffenen im Hinblick auf andere Umstände, die berücksichtigt werden dürfen, die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Auch Ausnahmen von der Regelvermutung der Anlage 4 zur FeV liegen nicht vor. Diese sind nur dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Beispielhaft werden in Satz 2 der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen genannt, durch die z.B. eine Kompensation drogenbedingter Einschränkungen erfolgen kann. Es obliegt dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028 – juris Rn. 27). Solche Umstände wurden aber weder dargetan noch sind sie sonst ersichtlich.
(3) Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt bei feststehender Nichteignung die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Die Entziehung ist auch ohne eine Auffälligkeit im Verkehr zwingend vorgeschrieben, wenn die Voraussetzungen – wie hier – vorliegen. Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsum steht die Ungeeignetheit bereits bei einem erstmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot fest, sodass die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV entziehen muss und nicht, entsprechend dem Vorgehen bei fahrerlaubnisrechtlichem Alkoholmissbrauch (§ 13 FeV i.V.m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV), nur eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV anordnen kann (vgl. VG Regensburg, U.v. 20.2.2017 – RO 8 K 16.1708 – UA S. 6ff; ebenso: VG Würzburg, B.v. 9.11.2016 – W 6 S 16.1093 – juris Rn. 33ff; VG Augsburg, B.v. 23.1.2017 – Au 7 S. 16.1714 – juris Rn. 55ff; offengelassen: BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 11 CS 16.1460 – juris; BayVGH, B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris).
Auch wenn der Normgeber nach der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 302/08, S. 57f. und 62 f.) die Vorschriften hinsichtlich Alkohol- und Cannabiskonsums ausdrücklich angleichen wollte, so hat er eine derartige Angleichung nur im Rahmen der §§ 13 und 14 FeV vorgenommen. Eine Angleichung von Nr. 8.1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist hingegen nicht erfolgt. Ein (weitergehender) Wille des Verordnungsgebers, dass mit der angestrebten Angleichung der §§ 13 und 14 FeV auch ein Abweichen von den Vorschriften zur Ungeeignetheit in Anlage 4 zur FeV gewollt sein sollte, ist nicht ersichtlich. Ein solches Abweichen von Wortlaut und Systematik der Anlage 4 zur FeV wäre auch auf keine fachliche (medizinische oder psychologische) Grundlage gestützt. Die seit September 1995 entwickelten Begutachtungsleitlinien werden hinsichtlich ihrer fachlichen Grundlagen fortlaufend überprüft. Die letzte – digital verfügbare – Überarbeitung (Stand: Dezember 2016) erfolgte in den Kapiteln 3.4 „Herz- und Gefäßkrankheiten“ und 3.11 „Tagesschläfrigkeit“. Ein fachlich begründeter Änderungsbedarf für die Kapitel 3.13 „Alkohol“ und 3.14 „Betäubungsmittel und Arzneimittel“ (gültig ab Februar 2000) wird offensichtlich nicht gesehen. Die unterschiedliche Beurteilung der ersten Fahrt unter Cannabiseinfluss gegenüber der einmaligen Trunkenheitsfahrt findet ihre Rechtfertigung darin, dass bei Cannabis ein über lange Zeit gewachsenes und stabiles Problembewusstsein in weiten Teilen der Verkehrsteilnehmer nicht ausgeprägt ist, und dass im Hinblick auf THC-Gehalt, Umfang, Ausprägung und Dauer der Wirkung von Cannabis eine zuverlässige Einschätzung selbst von Konsumenten nicht möglich ist (vgl. Kommentar zu den Begutachtungsleitlinien von Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Schriftenreihe Fahreignung, 2. Auflage, unter Nr. 3.12 Begründung 1.1 „Unterschiede zum Alkoholmissbrauch“; vgl. auch VG Würzburg, B.v. 9.11.2016 – W 6 S. 16.1093 – juris Rn. 57).
Aus der differenzierten fachlichen Betrachtung ergeben sich die differenzierten rechtlichen Regelungen in Nr. 8.1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV bzw. in den §§ 13 und 14 FeV. Zu Recht weist auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Substanzen hin und bestätigt damit die gebotene differenzierte Regelung (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 11 CS 16.1460 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 21). Bei Cannabis ergibt sich nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV aus der fehlenden Trennung von Konsum und Fahren schon bei der ersten Fahrt unter Cannabiseinfluss die Fahrungeeignetheit, eine weitere Aufklärung ist nicht veranlasst (§ 11 Abs. 7 FeV). Der Unterschied zur einmaligen Alkoholfahrt drückt sich gesetzessystematisch dadurch aus, dass in Nr. 8.1 (Alkohol) das Trennungsvermögen zusätzlich noch zu prüfen ist (Spalte 1), während bei Nr. 9.2.2 (gelegentlicher Cannabiskonsum) der Verstoß gegen das Trennungsgebot zwingend zur Fahrungeeignetheit führt (Spalte 2 und 3) (vgl. auch VG Augsburg, B.v. 23.1.2017 – Au 7 S. 16.1714 – juris Rn. 62). Daher finden sich bei Nr. 9.2.2 nur die Tatbestandsmerkmale Fahren und Konsum, während bei Nr. 8.1 das weitere Tatbestandsmerkmal Trennungsvermögen hinzukommt. Wenn Fahren und Konsum feststehen, ist das individuelle künftige Trennungsvermögen also nur noch bei Alkohol im Rahmen von § 13 FeV aufzuklären.
Dieser Auffassung steht auch § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht entgegen. Das Argument des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass es bei entsprechenden Handhabung des gelegentlichen Cannabiskonsums keinen Anwendungsbereich für § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV gebe, verfängt nicht. Mit der Einfügung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV sollte ausdrücklich auch der Fallgestaltung Rechnung getragen werden, dass neben einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG (Alkohol) eine weitere Verkehrszuwiderhandlungen unter Einfluss berauschender Mittel (§ 24a Abs. 2 StVG) begangen wird. Darüber hinaus träfe die gleiche systematische Erwägung auch auf den Konsum von harten Drogen zu (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 9.11.2016 – W 6 S 16.1093 – juris Rn. 11, 33; VG Augsburg, B.v. 23.1.2017 – Au 7 S. 16.1714 – juris Rn. 59f).
Mit der Entziehung erlischt nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG die Fahrerlaubnis. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern.
2. Auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auf Anordnung der Aufhebung der Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheids Antragsgegnerin vom 10. Juni 2016 führt nicht zum Erfolg.
Führt der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf Ziffer 2 des Bescheids Antragsgegnerin vom 10. Juni 2016 nicht zum Erfolg, kann auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO keinen Erfolg haben. Denn die Aufhebung der Vollziehung nach dieser Regelung kommt nur in Betracht, wenn ein Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erfolgreich ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2013 – 10 CS 12.1922 – juris Rn. 15).
Nach allem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).

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