Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  Au 7 S 16.1402

Datum:
28.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1
StVG StVG § 3
FeV FeV § 11 Abs. 7, § 46
FeV Anlage 4 Nr. 9.2.2

 

Leitsatz

1 Das Verwaltungsverfahren kennt ebenso wie der Verwaltungsprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und Beweisführungspflicht. Wer aber einen unwahrscheinlichen Sachverhalt behauptet (erstmaliger Drogenkonsum nach 12 Jahren Abstinenz), trägt eine erhöhte Verantwortung der Sachverhaltsaufklärung, deren Verstoß zu seinen Lasten geht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein gelegentlicher Konsum liegt nicht schon vor, wenn nach 12-jähriger Cannabisabstinenz erstmalig wieder konsumiert wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1970 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Vorlage seines Führerscheins.
1. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts … vom 25. September 2008 (Az.: …) wurde der Antragsteller wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt; am 17. August 2012 wurde der Strafrest bis 6. September 2016 zur Bewährung ausgesetzt. In dem in diesem Strafverfahren durch den Landgerichtsarzt bei dem Landgericht … erstellten forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 8. September 2008 (Bl. 41 bis 50 der Behördenakte) wird u. a. ausgeführt, dass der Antragsteller nach seinen Angaben seit der Diagnose einer Diabeteserkrankung im Jahr 2001 mit dem „Kiffen“ begonnen und insbesondere in der Zeit, als er ein Musiklokal betrieben habe (ab 2003), täglich bis zu zehn Einzelportionen Cannabis geraucht habe. Im Rahmen geselliger Freizeitaktivität und auch während der Tätigkeit in seinem Lokal abends und nachts habe er zudem häufig Kokain geschnupft, in Mengen bis zu 10 g über ein Wochenende hinweg. Dies sei begleitet gewesen von zum Teil massivem Alkoholgenuss, der bis hin zu Rauschzuständen mit nachfolgenden Erinnerungsstörungen geführt habe. Den genannten Konsum habe der Antragsteller 2004 im Rahmen einer geänderten Lebenssituation und neuer Perspektiven von sich aus, ohne Zuhilfenahme von Drogenberatung oder Arzt, ohne größere Schwierigkeiten eingestellt.
2. Durch das Schreiben der Polizeiinspektion … 6 vom 7. März 2016 („Mitteilung wegen eines Betäubungsmitteldelikts“) wurde die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin darüber informiert, dass der Antragsteller am 29. Januar 2016, 15:40 Uhr, einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen worden sei, bei der drogentypische Auffälligkeiten festgestellt worden seien. Der Antragsteller habe einen zeitnahen Drogenkonsum eingeräumt. Ein freiwilliger Drogenvortest sei positiv auf THC verlaufen. Anschließend sei eine freiwillige Blutentnahme durchgeführt worden.
Die Untersuchung dieser dem Antragsteller am 29. Januar 2016 um 16:45 entnommenen Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums … ergab laut dem Gutachten vom 24. Februar 2016 u. a. folgenden Befund:
Cannabinoide (immunologisch) positiv
THC: 1,2 ng/ml
11-OH-THC (THC-Metabolit) 0,9 ng/ml
THC-COOH (THC-Metabolit): 21,5 ng/ml
Zu diesen Werten wurde im Gutachten u. a. ausgeführt, dass in der Serumprobe THC in einer Konzentration aufgefunden worden sei, die dafür spreche, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels gestanden habe.
Die Fahrt unter Cannabiseinfluss am 29. Januar 2016 wurde mit Bußgeldbescheid vom 10. März 2016 (rechtskräftig seit 30.3.2016) geahndet.
Mit Schreiben vom 21. April 2016 hörte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an und räumte ihm eine Äußerungsfrist bis zum 11. Mai 2016 ein. Am 10. Mai 2016 bat der Bevollmächtigte des Antragstellers um Akteneinsicht und um Verlängerung der Äußerungsfrist bis 14 Tage nach Akteneingang, was ihm gewährt wurde. Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2016 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers u. a. aus, dass die vorliegenden Umstände Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers nicht begründen. Der Cannabiskonsum des Antragstellers liege mehr als zwölf Jahre zurück. Damaliger Sachverhalt könne heute nicht mehr zu Eignungszweifeln führen. Bis zum 29. Januar 2016 habe der Antragsteller kein Cannabis mehr konsumiert. An diesem Tag sei ihm von einem Trainingskollegen empfohlen worden, mit Cannabis seine Leistungsfähigkeit steigern zu können Da der Antragsteller Marihuana aber noch nie zu diesem Zweck getestet habe, sei er neugierig gewesen, ob es sich tatsächlich so verhalte. Deshalb habe er mit dem Trainingskollegen zusammen vor dem Training eine Marihuanazigarette konsumiert und im Anschluss daran ca. zwei Stunden trainiert. Er habe dann den Eindruck gehabt, dass sich seine Leistung dadurch nicht gesteigert habe, ihm vielmehr davon schlecht gewesen sei. Nach dem Training sei es ihm wieder gut gegangen und er habe auch keine Wirkung des Marihuanas mehr verspürt. Auf dem Heimweg sei es zu der anlassbezogenen Anhaltung gekommen.
Die Antragsgegnerin führte mit Schreiben vom 1. Juli 2016 aus, dass und warum sie an der beabsichtigten Entscheidung festhalte und weiterhin von einem gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers ausgehe. Mit Fax-Schreiben vom 5. Juli 2015 trat die Antragstellerseite den Ausführungen der Antragsgegnerin entgegen.
3. Mit Bescheid vom 20. September 2016 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A18, A1, B, L, M und S (Nummer 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, seinen Führerschein, Führerscheinnummer: …, ausgestellt am 27. Juli 2000, unverzüglich, spätestens binnen drei Tagen nach Zustellung dieses Bescheids bei der Antragsgegnerin abzuliefern (Nummer 2). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nummer 3). Für den Fall der Nichtbefolgung der Nummer 2 dieses Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Ziffer 6).
Der Antragsteller sei nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er gelegentlich Cannabis konsumiere und dabei nicht in der Lage sei, den Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen sicher zu trennen. Auch der zwölf Jahre zurückliegende Cannabiskonsum sei geeignet, die Gelegentlichkeit des Konsums zu belegen, da aufgrund der hohen Erfahrung des Antragstellers mit Betäubungsmitteln davon ausgegangen werden könne, dass es sich bei dem Vorfall im Januar 2016 um eine bewusste Entscheidung gehandelt habe, Cannabis wieder zu konsumieren. Des Weiteren bestünden Zweifel an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der Aussage des Antragstellers. Es sei äußerst unwahrscheinlich, als Erstkonsument trotz fehlender Fahrauffälligkeiten in eine polizeiliche Verkehrskontrolle zu geraten. Zudem sei der Erstkonsum nicht im Rahmen der Verkehrskontrolle und Blutentnahme, sondern erstmalig im Anhörungsverfahren geltend gemacht worden. Auch die Aussage, der Cannabiskonsum sei erfolgt, um die sportliche Leistungsfähigkeit zu steigern, sei äußerst unglaubwürdig, da dem Antragsteller die eher beruhigende Wirkung von Cannabis bekannt sein müsste.
Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers laut Postzustellungsurkunde am 23. September 2016 zugestellt.
Am 27. September 2016 lieferte der Antragsteller seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.
4. Am 4. Oktober 2016 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 20. September 2016 aufzuheben und den Führerschein an den Kläger auszureichen.
Die Klage wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 16.1401geführt.
Gleichzeitig wurde der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. September 2016, durch den dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A18, A1, B, L, M, S entzogen wurde und dem Antragsteller unter Zwangsgeldandrohung aufgegeben war, den Führerschein unverzüglich bei der Beklagten abzugeben, wiederherzustellen.
Außerdem wurde beantragt, die Beiziehung des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren für notwendig zu erklären.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, da entgegen den Verwaltungsvorschriften eine ordnungsgemäße Anhörung des Antragstellers unterblieben sei. Die Antragsgegnerin habe die Stellungnahme der Antragstellerseite bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht beachtet.
Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Der Antragsteller sei kein gelegentlicher Konsument von Cannabis. Die anlassgebende Tat sei ein einmaliger Konsum im Sinne der FeV gewesen. Am 29. Januar 2016 habe der Antragsteller nach jahrelanger Abstinenz wieder einmal Cannabis konsumiert, nachdem ein Trainingskollege dem Antragsteller von der Möglichkeit der Leistungssteigerung durch Cannabis berichtet, um nicht zu sagen beschworen habe. Zwar habe der Antragsteller in der länger zurückliegenden Vergangenheit die Wirkung von Cannabis kennengelernt, habe sich aber im Jahr 2004, bereits im Vorfeld der Haft, freiwillig von der Benutzung der Droge distanziert, nachdem er bemerkt habe, dass diese ihm nicht gut tut. Allein der lange Zeitraum von zwölf Jahren zwischen dem früheren Konsum und der Zusichnahme im Januar 2016 spreche schon gegen den Fortsetzungszusammenhang. Der Antragsteller habe auch substantiiert vorgetragen, wie es zu dem Cannabiskonsum am 29. Januar 2016 gekommen sei.
Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 die Behördenakte vor und beantragte,
den Eilantrag abzulehnen.
Die Annahme, dass der Antragsteller mindestens zwei Mal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert habe, sei hier in mehrfacher Hinsicht gerechtfertigt. Aus dem Urteil wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Jahr 2008 gehe hervor, dass der Antragsteller bis zum Jahr 2004 zuletzt täglich bis zu zehn „Tüten“ Cannabis geraucht, auch Kokain geschnupft und vermehrt Alkohol getrunken habe. Nicht verkannt habe die Antragsgegnerin, dass seither bis zur erneuten Auffälligkeit im Januar 2016 rund elf Jahre vergangen seien. Die Frage, ob eine relevante Zäsur zwischen den einzelnen Konsumakten anzunehmen sei, sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Nach eingehender Einzelfallbewertung sei im Falle des Antragstellers in Anbetracht seiner intensiven Drogenerfahrung nicht von einem „erneut einmaligen“, experimentellen Konsum oder Probierverhalten auszugehen, auch wenn er geltend mache, er habe die Droge nunmehr im Hinblick auf eine andere Wirkung (Leistungssteigerung im Sport) konsumiert.
Auch wenn der Antragsteller nunmehr die Umstände des (angeblich) einmaligen Konsums darlege, fehle es doch an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben, da er einen Erstkonsum bei der polizeilichen Kontrolle nicht geltend gemacht habe. Auch habe der Antragsteller nicht mitgeteilt, welchen Sport er ausgeübt, wo die Sportausübung im Januar (im Winter) stattgefunden und welche konkreten Wettkampfvorteile er sich erhofft habe.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag zielt bereits nach seinem Wortlaut darauf, die aufschiebende Wirkung der Klage nur im Hinblick auf die Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 20. September 2016, deren sofortige Vollziehbarkeit die Antragsgegnerin angeordnet hat, wiederherzustellen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 2. Alternative VwGO). Dagegen wird mit dem vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei sachgerechter Auslegung, entgegen der Ansicht der Antragsgegnerseite, nicht bezweckt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage auch gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Nummer 6 des Bescheids (Zwangsgeldandrohung, vgl. Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz/BayVwZVG), angeordnet wird (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO), da ein solcher Antrag angesichts der bereits vor Antragstellung erfolgten Ablieferung des Führerscheins ins Leere ginge.
2. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs (II. 3., S. 4 des Bescheids vom 20.9.2016) entspricht offenkundig den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzustellen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage zusätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch. Ein solcher Fall lag hier aus der Sicht der Antragsgegnerin vor. Die Behörde hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine inhaltliche Überprüfung der Begründung der Behörde, sondern es wird eine eigenständige gerichtliche Interessenabwägung durchgeführt (BayVGH, B. v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris; B. v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 6 m. w. N.).
3. Das Gericht hat bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine über die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs hinausgehende, eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, zu bewerten. Ausschlaggebend im Rahmen der Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wieder hergestellt werden soll, hier also der Klage vom 4. Oktober 2016. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass das Rechtsmittel mit Sicherheit Erfolg haben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
So liegt der Fall hier. Die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. September 2016 lassen sich bei der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen (nachfolgend unter 4.). Gleichwohl fällt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids zum Nachteil des Antragstellers aus (nachfolgend unter 5.).
4. Ob der Bescheid vom 20. September 2016 rechtmäßig oder rechtswidrig ist, lässt sich im Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht abschließend klären. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerwG, U. v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Damit ist hier auf den Zugang des Bescheids vom 20. September 2016 – dies war der 23. September 2016 – abzustellen.
a) Der von dem Antragsteller erhobene Einwand gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung – das behauptete Unterbleiben einer ordnungsgemäßen Anhörung vor deren Erlass – begründet allerdings keine Erfolgsaussichten seiner Klage.
Eine ordnungsgemäße Anhörung des Antragstellers hat gemäß Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zweifellos stattgefunden. Der Antragstellerseite wurde durch die Verlängerung der Äußerungsfrist ausreichend Zeit eingeräumt, ihre Stellungnahme zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung abzugeben. Durch ihre Schriftsätze vom 6. Juni 2016 und 5. Juli 2016 hat sie diese Möglichkeit auch genutzt. Dass die dortigen Ausführungen die Fahrerlaubnisbehörde nicht überzeugten, kann die behauptete Mangelhaftigkeit der Anhörung nicht begründen.
b) Offen ist im Zeitpunkt dieser Entscheidung jedoch, ob der Bescheid vom 20. September 2016 in materieller Hinsicht rechtmäßig ist
Rechtsgrundlage der mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. September 2016 verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis sind § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Von einer mangelnden Eignung ist u. a. auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis und fehlender Trennung zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs die Fahreignung zu verneinen.
aa) Die hier maßgebliche Frage, ob der Antragsteller am 29. Januar 2016 Cannabis erstmals wieder im Rahmen eines einmaligen Probierkonsums konsumiert hat, oder ob er die damalige Fahrt unter Cannabiseinfluss als gelegentlicher Konsument dieser Droge unternommen hat, kann aufgrund des bisher bekannten Sachverhalts und des Vortrags des Antragstellers im Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht mit der erforderlichen Gewissheit beantwortet werden und obliegt der weiteren Aufklärung, z. B. durch Einvernahme von Zeugen, im Rahmen des Hauptsachverfahrens.
Gelegentlicher Cannabis-Konsum liegt nach ständiger Rechtsprechung bereits dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, U. v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 16 ff.; siehe auch BayVGH, B. v. 21.7.2014 – 11 CS 14.988; B. v. 13.12.2010 – 11 CS 10.2873, beide juris). Danach kann allerdings nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums herangezogen werden. Eine aktuelle gelegentliche Cannabiseinnahme setzt einen inneren und zeitlichen Zusammenhang der Konsumereignisse voraus, wobei sich eine schematische Festlegung von Zeiten, nach deren Ablauf ein Cannabiskonsum im Rahmen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV unbeachtlich wird, verbietet.
Zwar kann die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums nicht darauf gestützt werden, dass der Antragsteller bereits im Zeitraum von ca. 2001 bis 2004 Cannabis konsumiert hat.
Bereits der lange Zeitraum von knapp zwölf Jahren spricht gegen einen inneren Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum des Antragstellers im Zeitraum 2001 bis 2004 und dem Cannabiskonsum am 29. Januar 2016. Hinzu kommt, dass der frühere und der am 29. Januar 2016 festgestellte Cannabiskonsum auf ein sehr unterschiedliches Konsumverhalten hindeuten. Der Cannabiskonsum im Zeitraum 2001 bis 2004 ist als regelmäßige Einnahme im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV zu werten („täglich schon ab dem Aufwachen bis zu zehn Tüten geraucht“, siehe S. 6 des forensisch-psychiatrischen Gutachten des Landgerichtsarztes bei dem Landgericht … vom 8.9.2008, Bl. 45 der Behördenakte). Dagegen spricht der festgestellte Wert für das psychoinaktive Stoffwechselprodukt THC-COOH in Höhe von 21,5 ng/ml (s. Gutachten des Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums … vom 24.2.2016, Bl. 5-7 der Behördenakte) gegen einen regelmäßigen Cannabiskonsum und lässt – für sich allein gesehen – auch nicht einmal einen Schluss auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum zu. Auch dies spricht gegen einen inneren Zusammenhang zwischen dem regelmäßigen Cannabiskonsum im Zeitraum 2001 bis 2004, der zudem begleitet war durch die Einnahme von Kokain und vermehrtem Alkoholgenuss, und dem am 29. Januar 2016 festgestellten Konsum von Cannabis ohne zusätzlichen Konsum sog. „harter“ Drogen.
Der Antragsteller hat aber jedenfalls im Zeitpunkt dieser Entscheidung noch nicht ausreichend substantiiert dargetan, dass es sich bei dem Konsum am 29. Januar 2016 um einen einmaligen, gleichsam experimentellen Probierkonsum gehandelt hat.
Im Hinblick darauf, dass die Kombination von erstmaligem Cannabiskonsum, anschließender Verkehrsteilnahme unter Einwirkung des erstmalig konsumierten Stoffs und schließlich der Feststellung dieses Umstands bei einer polizeilichen Verkehrskontrolle sehr selten auftreten dürfte, bedarf es neben einer ausdrücklichen Behauptung des Probierkonsums noch substantiierter Darlegungen – unter genauer Schilderung der konkreten Einzelumstände des Konsums – dazu, dass bzw. warum es zu dem erstmaligen Konsum gekommen ist (ständige Rechtsprechung, siehe z. B. BayVGH, B. v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2480 – juris Rn. 14, 15; VGH BW, B. v. 22.7.2016 – 10 S 738/16 – juris Rn. 7; OVG NW, B. v. 12.3.2012 – 16 B 1294/11 – DAR 2012, 275, juris Rn. 5 ff.)
Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Antragstellers, jedenfalls im Zeitpunkt dieser Entscheidung, nicht.
Im behördlichen Anhörungsverfahren (insbesondere Schriftsatz vom 6.6.2016) und im gerichtlichen Verfahren wurde zu dem behaupteten Erstkonsum vorgetragen, dass der Antragsteller am 29. Januar 2016 deswegen nach jahrelanger Abstinenz wieder einmal Cannabis konsumiert habe, da ihn ein Trainingskollege vor dem Sport zum gemeinsamen Cannabiskonsum eingeladen und ihm vorher von der Leistungssteigerung durch Cannabis berichtet, um nicht zusagen beschworen habe. Zwar habe der Antragsteller 2004 aufgehört, THC-Produkte zu konsumieren, nachdem diese ihm nicht gut getan hätten. Allerdings sei er auf den neuen Aspekt neugierig geworden und habe sich deswegen auf den Cannabiskonsum vor dem Training einladen lassen. Der Antragsteller habe aber keine Leistungssteigerung feststellen können, vielmehr sei ihm von dem Konsum schlecht geworden.
Im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Sachvortrag den behaupteten Erstkonsum nicht schlüssig erklärt bzw. glaubhaft macht.
Im „Protokoll und Antrag zur Feststellung von Drogen im Blut“ vom 29. Januar 2016 (Bl. 8 der Behördenakte) ist unter dem Punkt „Angaben über Alkohol-/Medikamenten-/Drogenauf- bzw. -einnahme“ vermerkt, dass der Antragsteller angab, verschiedene Medikamente (insbesondere Insulin) vor „Fitnesstraining 10:00 Uhr“ genommen zu haben. Zusammen mit seinen Angaben aus diesem Verfahren (Trainingskollege habe ihn zum Rauchen des Joints vor dem Sport eingeladen) lässt dies den Schluss zu, dass der Cannabiskonsum am 29. Januar 2016 wohl im Rahmen des Besuchs eines Fitnessstudios bzw. Studios für Kraftsport, Bodybuilding etc. stattfand. Angesichts seiner erheblichen Drogenproblematik in der Vergangenheit und auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dem Antragsteller bekannt war, dass seine Bewährungszeit noch bis zum 6. September 2016 dauert (s. Führungszeugnis, Bl. 10 der Behördenakte), erscheint die Erklärung, er habe nach vielen Jahren der Drogenabstinenz am 29. Januar 2016 Cannabis lediglich aus Neugier konsumiert (um zu sehen, ob es zu einer Leistungssteigerung kommt), sehr konstruiert bzw. lebensfremd. Auch die Behauptung, der Trainingskollege habe den Eintritt einer Leistungssteigerung durch Cannabis „beschworen“ (s. S. 2 der Klage-/Antragsschrift vom 29.9.2016), lässt keinen plausiblen Anlass für den behaupteten Erst-/Probierkonsum erkennen, zumal gegen eine solche massive Verhaltensänderung (Aufgabe einer 12-jährigen Drogenabstinenz) aus einem nur als belanglos zu bezeichnenden Anlass (Leistungssteigerung für ein Training in einem Fitnessstudio) das Alter des Antragstellers (46 Jahre) spricht, das eine spontane Entscheidung aus Leichtsinn oder aus Abenteuerlust auf eine neue Erfahrung als eher unwahrscheinlich erscheinen lässt. Auch seine einschneidenden Erfahrungen mit dem „Drogenmilieu“ (frühere erhebliche eigene Drogenproblematik und langjährige Haftstrafe wegen des Handels mit Drogen) sprechen gegen die behauptete Spontanentscheidung, einen Joint lediglich aus Neugier im Hinblick auf eine Leistungssteigerung beim Training erstmals geraucht zu haben. Insoweit hat auch die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 26. Oktober 2016 zu Recht darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Antragstellers einen nachvollziehbaren Grund für einen Erst-/Probierkonsum nicht erkennen lässt, indem er selbst nicht einmal behauptet hat, er sei Leistungssportler oder habe wegen eines Wettkampfs eine Leistungssteigerung herbeiführen wollen.
Damit bleibt festzustellen, dass der Antragsteller zwar einen Cannabiskonsum am 29. Januar 2016 beschreibt, der einen THC-Wert von 1,2 ng/ml gerade noch zu erklären in der Lage ist. Seine Erklärung, weshalb er aber ausgerechnet an diesem Tag oder im Hinblick auf dieses Training seine langjährige Drogenabstinenz aufgegeben haben will, ist dagegen lebensfremd und nicht nachvollziehbar, sondern spricht eher dafür, dass der Antragsteller bereits vor dem 29. Januar 2016 in ähnlichen Situationen, auch z. B. aus Gründen der Geselligkeit („Mitrauchen“), Cannabis gelegentlich konsumiert hat.
Damit obliegt es dem Antragsteller, Weiteres zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen und z. B. anzugeben, wo bzw. in welchem Studio er am 29. Januar 2016 trainiert hat, wie lange er dort schon trainiert, weshalb ihm eine Leistungssteigerung überhaupt bzw. gerade am 29. Januar 2016 wichtig erschien, ob er z. B. an Wettkämpfen teilnimmt bzw. teilgenommen hat, und insbesondere, welcher Trainingskollege (ladungsfähige Anschrift) ihm den Joint angeboten hat.
Eine solche Obliegenheit führt auch nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu seinen Ungunsten. Vielmehr handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Das Verwaltungsverfahren kennt ebenso wie der Verwaltungsprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und Beweisführungspflicht (formelle oder subjektive Beweislast). Behörden und Verwaltungsgerichte ermitteln den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bzw. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Indes sollen die Beteiligten bei der Sachaufklärung gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG mitwirken bzw. sind hierzu nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO heranzuziehen. Da die in diesem Rahmen geregelte Mitwirkung an der Ermittlung des Sachverhalts nicht mit Zwang durchgesetzt werden kann, sondern bloß eine Obliegenheit der Beteiligten betrifft, sind sie im Ausgangspunkt zwar frei, selbst darüber zu entscheiden, ob sie ihre Mitwirkung verweigern wollen oder nicht. Unterlässt es ein Beteiligter aber ohne zureichenden Grund, seinen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, obwohl ihm das ohne Weiteres möglich und zumutbar ist und er sich der Erheblichkeit der in Rede stehenden Umstände bewusst sein muss, kann dieses Verhalten je nach den Gegebenheiten des Falles bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden (vgl. zum Verwaltungsverfahren Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 26 Rn. 40 f. und 43 f., § 24 Rn. 12a ff. und 50; zum Verwaltungsprozess siehe Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 86 Rn. 11 f., § 108 Rn. 17).
Die Unwahrscheinlichkeit der vom Antragsteller behaupteten Sachverhaltsgestaltung rechtfertigt es, ihm eine gesteigerte Mitwirkungsverantwortung aufzuerlegen, zumal er selbst durch sein Verhalten – Fahren unter Drogeneinwirkung – den entscheidenden Anlass gegeben hat, seine Konsumgewohnheiten im Vorfeld der Fahrt zu hinterfragen.
bb) Von einem fehlenden Trennungsvermögen im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist hier auszugehen. Aufgrund des rechtskräftigen Bußgeldbescheids vom 10. März 2016 steht fest, dass der Antragsteller am 29. Januar 2016 unter Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat. Nach der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 33, BayVGH, B. v. 23.5.2016 – 11 CS 16.690 – juris) ist die Grenze eines hinnehmbaren Cannabiskonsums nicht erst dann überschritten, wenn mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit nicht ausgeschlossen werden kann. Insofern wird der maßgebliche Risikogrenzwert ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum gesehen. Da der Antragsteller nach dem Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens vom 24. Februar 2016 am 29. Januar 2016 ein Kraftfahrzeug mit einer THC-Konzentration von 1,2 ng/ml geführt hat, hat er gezeigt, dass er den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen kann. In dieser fehlenden Trennung liegt – sofern es sich um einen gelegentlichen Cannabiskonsumenten handelt – ein die Fahreignung ausschließender charakterlich-sittlicher Mangel. Er ist darin zu sehen, dass der Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (vgl. BVerwG, U. v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 30 unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 – NJW 2002, 2378 ; OVG NW, U. v. 21.3. 2013 – 16 A 2006/12, B. v. 5.2.2015 – 16 B 8/15; offengelassen: BayVGH, B. v. 29.8.2016 – 11 CS 16.1460 – juris Rn. 16 ff.; B. v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 15 ff.).
5. Lassen sich nach alledem die Erfolgsaussichten der Klage gegen den angefochtenen Bescheid nicht abschließend beurteilen, kann über den Fortbestand der Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung nur anhand einer allgemeinen, d. h. vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängigen Interessenabwägung entschieden werden. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage wieder hergestellt wird, sich der angefochtene Bescheid aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die sich ergeben, wenn es bei einer sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung verbleibt und sich später herausstellt, dass diese Verfügung rechtswidrig ist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
Diese Abwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung ein erheblicher und letztlich nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz einer gegebenenfalls fehlenden Fahreignung weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nicht geltend gemacht hat, dass er ohne die Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu führen, seine Erwerbsgrundlage verlieren würde und dass der Antragsteller nicht etwa „auf dem Land“ mit unzureichender öffentlicher Verkehrsanbindung lebt, sondern seinen Wohnsitz in … hat.
Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wieder gutzumachende Schaden für die zuvor genannten, hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.
6. Die Verpflichtung des Antragstellers zur Ablieferung des Führerscheines beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG sowie den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 sowie Nr. 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14). Maßgeblich für die Streitwertfestsetzung sind die Fahrerlaubnisklassen A1 und B. Für die Fahrerlaubnisklassen A1 ist ein Wert von 2.500,- EUR, für die Klasse B ein Wert von 5.000,- EUR anzusetzen, insgesamt also 7.500,- EUR. Dieser Wert ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

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