Aktenzeichen Au 7 S 19.1653
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 46 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 7
FeV Anlage 4 Nr. 9.1
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller (geb. 1998) wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B und L.
1. Die Polizeiinspektion … teilte dem Landratsamt … (nachfolgend: Landratsamt) mit Schreiben vom 3. Juni 2019 („Mitteilung wegen eines Verkehrsdelikts“) mit, dass der Antragsteller am Donnerstag, den 2. Mai 2019, 00:12 Uhr, in … einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen worden sei. Beim Antragsteller seien drogentypische Auffälligkeiten festgestellt worden, z.B. keine Pupillenreaktion, zittrig, nervös. Der Antragsteller habe gegenüber dem Polizeibeamten geäußert, dass er vor ca. vier Wochen das letzte Mal „gekifft“ habe. Ein durchgeführter Drogenurintest sei positiv auf Kokain, Methamphetamin und Amphetamin ausgefallen. Laut dem beigefügten Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im … vom 9. Mai 2019 konnte in der am 2. Mai 2019 um 01:07 Uhr entnommenen Blutprobe des Antragstellers Benzoylecgonin, ein Abbauprodukt von Cocain, mit einem Wert von 105,9 ng/ml festgestellt werden.
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 24. Juni 2019 wurde der Antragsteller darüber informiert, dass beabsichtigt sei, ihm wegen des Konsums harter Drogen die Fahrerlaubnis zu entziehen und er sich hierzu bis zum 8. Juli 2019 äußern könne.
Nachdem die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 6. Juli 2019 dessen Vertretung angezeigt hatten, wurde ihnen Akteneinsicht gewährt; die beantragte Verlängerung der Äußerungsfrist wurde abgelehnt (Schreiben des Landratsamtes vom 8.7.2019).
2. Mit Bescheid vom 12. Juli 2019 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1). Der Antragsteller wurde verpflichtet, seinen Führerschein spätestens fünf Tage nach Zustellung dieses Bescheides beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Nr. 2 dieses Bescheids festgelegten Pflicht wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Fahrungeeignetheit des Antragstellers aufgrund des Kokainkonsums feststehe.
Dieser Bescheid wurde den Bevollmächtigten des Antragstellers laut Postzustellungsurkunde am 13. Juli 2019 zugestellt.
Am 15. Juli 2019 ging die Stellungnahme der Bevollmächtigten des Antragstellers beim Landratsamt ein. Sie führten im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller sich insoweit einlasse, dass er tatsächlich Drogen eingenommen habe. Der Antragsteller habe lediglich ein einziges Mal konsumiert. Es habe sich um eine Ausnahme gehandelt. Der Konsum habe einige Tage vor der Verkehrsteilnahme auf einer Party stattgefunden. Der Antragsteller habe eine erhebliche Menge Alkohol getrunken und sich zu späterer Stunde von einem Unbekannten überreden lassen, die Droge zu sich zu nehmen. Er habe sich nichts dabei gedacht und es einfach ausprobieren wollen. Er sei mit einem Taxi nach Hause gefahren, habe ausgiebig geschlafen, bis zur Fahrt einige Male gegessen und viel Flüssigkeit zu sich genommen. Erst am 2. Mai habe er sich wieder ans Steuer gesetzt, da er keinerlei Beschwerden oder Auswirkungen des Drogenkonsums gespürt habe. Er habe die Auswirkungen von Benzoylecgonin deutlich unterschätzt, was zeige, dass er bislang keinerlei Erfahrung im Umgang mit Drogen gemacht habe. Zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle habe sich der Antragsteller, der viel Sport betreibe, in einer strengen Stoffwechseldiät befunden. Am 2. Mai 2019 habe er seine Diät nach Monaten brechen und Alkohol trinken dürfen, worauf er monatelang habe verzichten müssen. Womöglich habe der Körper des Antragstellers aufgrund des Ernährungsplans und des monatelangen Verzichts auf Alkohol anders auf die Droge reagiert als bei anderen. Aufgrund seiner körperlichen Verfassung habe er die Auswirkungen der Droge nicht gespürt. Er sei keine Gefahr für den Straßenverkehr. Er sei nur abends auf einer Landstraße eine sehr kurze Strecke gefahren. Es bestehe keine Abhängigkeit von Drogen, da nur ein einziger Konsumvorgang vorliege. Eine Fahrerlaubnisentziehung sei für den Antragsteller unzumutbar, da er berufsbedingt auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei. Er befinde sich in den letzten Zügen seiner Ausbildung zum Einzelkaufmann im Fachbereich Elektro und arbeite nebenbei als Fahrer bei einer Pizzeria. Seine Lehrstelle in … sei mehr als 20 km vom Haus seiner Eltern entfernt. Der Antragsteller arbeite im Schichtsystem und könne nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis würde der Antragsteller seinen Ausbildungsplatz verlieren.
Zwar führe die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV zum Entzug der Fahreignung aufgrund fehlender Eignung. Allerdings weiche Vorbemerkung 3 der Anlage 4 diese Vorschriften auf. Im vorliegenden Fall würden alle Anzeichen darauf deuten, dass es sich um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt habe. Jede Haarprobe könne belegen, dass seitdem kein Konsum von harten Drogen vorgenommen worden sei. Der Antragsteller bereue den Griff zu BZE sehr und habe sein Verhalten, was Drogen angehe, sofort geändert. Aufgrund des Umdenkens des Antragstellers und dem lediglich einmaligen Konsum könne keine Gefährdung des Straßenverkehrs durch eine Ungeeignetheit festgestellt werden. Der Antragsteller habe auch jeglichen Konsum von Alkohol aufgegeben, da er unter massivem Einfluss von Alkohol die Entscheidung getroffen und die Droge ausprobiert habe. Da kein Regelfall vorliege, sei ausnahmsweise von einem Entzug der Fahrerlaubnis Abstand zu nehmen. Die Kompensation sei in dem Punkt „besondere Verhaltensumstellungen“ der Vorbemerkung 3 zu finden. Der Antragsteller sei einverstanden, regelmäßige Screenings durchführen zu lassen und diese dem Landratsamt vorzulegen.
Am 18. Juli 2019 wurde der Führerschein des Antragstellers beim Landratsamt abgegeben. Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt, Zentrale Bußgeldstelle, informierte das Landratsamt mit Schreiben vom 18. Juli 2019 (Mitteilung bezüglich der Rechtskraft eines Bußgeldbescheides nach § 24a StVG) darüber, dass gegen den Antragsteller aufgrund der Fahrt unter Betäubungsmitteleinfluss am 2. Mai 2019 ein Bußgeldbescheid erlassen worden sei.
3. Mit Schriftsatz vom 12. August 2019 (eingegangen beim Landratsamt per Fax am selben Tag) legten die Bevollmächtigten des Antragstellers gegen den Bescheid vom 12. Juli 2019 Widerspruch ein. Zur Begründung des Widerspruchs wurde mit Schriftsatz vom 16. August 2019 ausgeführt, dass das Landratsamt weder die Verhaltensänderung des Antragstellers berücksichtigt habe, noch dass er berufsbedingt stark auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei. Es sei eine Kompensation durch Verhaltensumstellung gemäß Anlage 4 Vorbemerkung 3 zur FeV gegeben. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei daher unverhältnismäßig und stelle für den Antragsteller eine unangemessene Härte dar. Es sei vielmehr eine medizinischpsychologische Untersuchung notwendig, deren positives Ergebnis bereits jetzt prognostiziert werden könne.
Mit Schreiben vom 23. August 2018 legte das Landratsamt den Widerspruch der Regierung von … zur Entscheidung vor.
4. Am 8. Oktober 2019 wurde beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12. August 2019 gegen den Bescheid vom 12. Juli 2019 wiederherzustellen und die Vollziehung der Abgabe des Führerscheins durch Herausgabe des Führerscheins an den Antragsteller aufzuheben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen der Antragstellerseite im behördlichen Verfahren Bezug genommen und die derzeitigen Schwierigkeiten, den Arbeitsplatz zu erreichen, dargestellt. Der Antragsteller werde am 16. Oktober 2019 bei einer Begutachtungsstelle an einem Infoabend teilnehmen. Zum Beweis seiner Drogenfreiheit beabsichtige er, die Begutachtungsstelle mit der Erstellung eines medizinischpsychologischen Gutachtens zu beauftragen. Eine mögliche Auflage im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO könne daher die Vorlage von Haaranalysen alle drei Monate für die Dauer eines Jahres sein.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 23. Oktober 2019,
den Antrag abzulehnen.
5. Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12. Juli 2019 wiederherzustellen, ist nach § 122 Abs. 1, § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sachgerecht dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO (nur) gegen Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids wiederhergestellt werden soll, deren sofortige Vollziehung das Landratsamt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass sich der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, da er schon seinem Wortlaut nach auf die „Wiederherstellung“ der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtet ist, nicht darauf erstrecken soll, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Nr. 3 des Bescheids (Zwangsgeldandrohung, vgl. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungs- und Vollstreckungsgesetzes/VwZVG) anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO), zumal einem solchen Antrag das Rechtschutzinteresse fehlen würde. Denn der Antragsteller hat seinen Führerschein fristgemäß abgeliefert, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld gleichwohl noch beitreiben wird.
2. Der in diesem Sinne ausgelegte Antrag ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs (unter Gründe, IV., des Bescheids vom 12.7.2019) entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a.a.O. § 80 Rn. 36). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht des Antragsgegners vor. Er hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris Rn. 10; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
b) Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen, hat das Gericht – wie bereits oben ausgeführt – eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, hier also des Widerspruchs vom 12. August 2019. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass der Widerspruch mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen (vgl. zum Ganzen: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, Rn. 152 ff zu § 80).
So liegt die Sache hier. Der Widerspruch vom 12. August 2019 wird nicht zum Erfolg führen. Der angefochtene Bescheid vom 12. Juli 2019 ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten (§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kommt somit nicht in Betracht.
c) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Damit ist hier, da ein Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen wurde, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt dieser Entscheidung abzustellen.
d) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens.
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber – wie hier – mindestens einmal sogenannte harte Drogen wie Kokain konsumiert hat (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn. 10 m.w.N.).
aa) Dass der Antragsteller Kokain konsumiert und – ohne dass es fahrerlaubnisrechtlich darauf ankäme – unter der Wirkung dieser Substanz am 2. Mai 2019 ein Kraftfahrzeug geführt hat, steht aufgrund der polizeilichen Ermittlungen (vgl. „Mitteilung wegen eines Verkehrsdelikts“, Bl. 1 der Behördenakte), des eingeholten toxikologischen Gutachtens vom 9. Mai 2019 (Bl. 3 – 4 der Behördenakte) und des rechtskräftigen Bußgeldbescheids (Bl. 21 der Behördenakte) fest. Auch hat der Antragsteller den Konsum dieser Droge eingeräumt (s. Stellungnahme seines Bevollmächtigten vom 15.7.2019, Bl. 16 – 18 der Behördenakte). Hierdurch hat er seine Fahreignung verloren.
bb) Bei den in Anlage 4 zur FeV aufgeführten Regelfällen handelt es sich um verbindliche Wertungen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn 19), von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann, nämlich wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Beispielhaft sind in Satz 2 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen genannt, durch die z.B. die Kompensation drogenbedingter Einschränkungen erfolgen kann. Es obliegt jedoch insoweit dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 13 m.w.N., B.v. 10.6.2014 – 11 CS 14.347 – juris Rn. 9; B.v. 7.8.2012 – 11 ZB 12.1404 – DAR 2012, 660 = juris Rn. 8).
Solche besonderen Umstände hat die Antragstellerseite weder in ihrer Stellungnahme vom 15. Juli 2019 noch in der Antragsbegründung vom 8. Oktober 2019 schlüssig vorgebracht, geschweige denn bewiesen. Die bloße Beteuerung, es habe sich um einen „einmaligen Ausrutscher“ bzw. die angeblich einmalige Einnahme von Cocain gehandelt, genügt insoweit nicht, zumal bereits der einmalige Konsum einer harten Droge die Fahreignung entfallen lässt. Ebenso wenig sind die erklärte Bereitschaft des Antragstellers zur Teilnahme an einem Drogenkontrollprogramm oder der Hinweis auf die Folgen der Entziehung der Fahrerlaubnis für seine berufliche Zukunft ausreichend, da sie in keinem Zusammenhang mit der Fähigkeit stehen, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie mit dem Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen. Der Vortrag, dass der Antragsteller nach dem Ende einer monatelangen strengen Diät mit Alkoholabstinenz sich dann auf einer Party in massiv alkoholisiertem Zustand zum Ausprobieren von Kokain entschlossen habe, spricht eher für eine mangelnde Selbstkontrolle und bewirkt erhebliche Zweifel an der Behauptung, dass nunmehr eine besondere Verhaltenssteuerung und Verhaltensumstellung vorliegen soll. Abgesehen davon besagen die Umstände, die den Antragsteller zum Konsum von Cocain bewegt haben sollen, nichts über seine Fahreignung (vgl. BayVGH, B.v. 10.6.2014 – 11 CS 14.347 – juris Rn. 8 f.). Auch widerspricht die Aussage des Antragstellers, dass er, als er sich am 2. Mai 2019 ans Steuer gesetzt habe, keinerlei Auswirkungen der Droge mehr gespürt habe, den Feststellungen der Polizeibeamten, dass beim Antragsteller drogentypische Ausfallerscheinungen auffällig waren, z.B. keine Pupillenreaktion, zittrig, nervös. Dass im Zeitpunkt der Drogenfahrt eine akute Wirkung der Droge vorgelegen hat, zeigt zudem die im Blut des Antragstellers nachgewiesene Betäubungsmittelkonzentration – 105,9 ng/ml Benzoylecgonin -, die eine erhebliche Überschreitung des analytischen Grenzwertes von 75 ng/ml darstellt; daher wurde die Drogenfahrt des Antragstellers auch mit Bußgeldbescheid geahndet. Die Annahme, dass der Antragsteller aufgrund des unstreitigen Konsums von Kokain nicht mehr über die erforderliche Kraftfahreignung verfügt, wird daher durch die Drogenfahrt, die das mangelnde Trennvermögen belegt, noch erhärtet. Des Weiteren deutet die Angabe des Antragstellers gegenüber den Polizeibeamten (vgl. Mitteilung wegen eines Verkehrsdelikts, Bl. 1 der Behördenakte), er habe vor ca. vier Wochen das letzte Mal „gekifft“ (umgangssprachlich für das Rauchen von Cannabis-Produkten) darauf hin, dass er ein gelegentlicher Cannabiskonsument war/ist und daher vor dem Konsum der harten Droge Kokain bereits Kontakte zur Drogenszene gehabt hat. Diese Umstände weisen darauf hin, dass beim Antragsteller eine fortgeschrittene Drogengefährdung oder eine Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik im Sinne der Hypothesen D2 oder D3 der von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin herausgegebenen Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung (3. Aufl. 2013, S. 103/105, S. 181-191), mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 (VkBl 2014, 132) als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt – vorliegen könnte.
Nach allem sind besondere Umstände in der Person des Antragstellers, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen könnten, nicht einmal ansatzweise ersichtlich.
cc) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die Fahreignung bis zum maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung wiedererlangt haben könnte oder die Fahreignung im weiteren Verlauf des anhängigen Widerspruchsverfahrens noch wiedererlangen könnte. Hierzu sind allein die seit dem letzten nachgewiesenen Konsum vergangene Zeit (ca. ein halbes Jahr) und die bloße Abstinenzbehauptung, die der Antragsteller bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung durch keinerlei Belege untermauert hat, nicht ausreichend. Vielmehr lassen die Mitteilungen im Antragsschriftsatz vom 8. Oktober 2019, dass der Antragsteller am 16. Oktober 2019 überhaupt erst an einem Infoabend einer Begutachtungsstelle teilnehmen werde und bereit sei, sich einem Abstinenzprogramm zu unterziehen, darauf schließen, dass er sich bisher keiner Überprüfung, z.B. Untersuchung einer Haarprobe, unterzogen hat, um eine Drogenabstinenz nachzuweisen, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre. Umstände, die die Abstinenzbehauptung für einen ausreichend langen Zeitraum glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen ließen (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2018 – 11 CS 18.2351 – juris Rn. 12 m.w.N.), sind daher nicht ersichtlich, sodass der Antragsteller derzeit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.
Sind die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen, so können sie nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn der Nachweis geführt wird, dass kein Drogenkonsum mehr besteht (Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand 24.5.2018). Bei fortgeschrittener Drogenproblematik im Sinne der Hypothese D2 ist nach den o.g. für die Begutachtungsstellen entwickelten Beurteilungskriterien in der Regel erst nach einem Jahr nachgewiesener Drogenabstinenz und weiteren Voraussetzungen eine positive Begutachtung zu erwarten (Nr. 4 des Kriteriums D 2.4 N, S. 184). Von einer fortgeschrittenen Drogenproblematik ist u.a. bei einer polyvalenten Drogenproblematik auszugehen (Kriterium D 2.3 N). Am 2. Mai 2019 hat der Antragsteller gegenüber der Polizei angegeben, ca. vier Wochen vorher das letzte Mal (also nicht etwa einmalig) „gekifft“ zu haben, was auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum schließen lässt. Zudem hat er unstreitig Kokain konsumiert. Aber selbst bei einer Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik im Sinne der Hypothese D3 der Beurteilungskriterien, die zu einem ausreichend nachvollziehbaren Einsichtsprozess und zu einem dauerhaften Drogenverzicht geführt hat, kann die Fahreignung erst nach einem durch die Ergebnisse geeigneter polytoxikologischer Urin- oder Haaranalysen bestätigten Drogenverzicht von mindestens sechs Monaten und weiteren Voraussetzungen wiederhergestellt sein (Nr. 1 des Kriteriums D 3.4 N, S. 190 der Beurteilungskriterien; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 16 m.w.N.). Auch für einen solchen Zeitraum hat der Antragsteller weder der Widerspruchsbehörde noch dem Gericht Abstinenznachweise vorgelegt.
Damit ist die Widerspruchsbehörde bei derzeit feststehender Fahrungeeignetheit nicht gehalten, eine medizinischpsychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV oder ein Drogenabstinenzkontrollprogramm anzuordnen. Ein solcher Nachweis für die behauptete Drogenabstinenz und für deren Stabilität ist vielmehr im Rahmen eines Wieder- bzw. Neuerteilungsverfahrens durch eine medizinischpsychologische Untersuchung zu erbringen.
dd) Auch die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Konsum harter Drogen dient dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer. Angesichts des hohen Rangs dieser Schutzgüter und der Gefahr, die von Fahrzeugführern ausgeht, die unter der Wirkung berauschender Mittel am Straßenverkehr teilnehmen, können die Folgen, die der Verlust der Fahrerlaubnis für die Lebensführung des Antragstellers, insbesondere für seine Berufsausbildung, mit sich bringt, nicht dazu führen, ihn derzeit weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.
Nach allem war der Antrag abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG sowie den Empfehlungen in Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, Anh. § 164 Rn. 14). Danach ist für eine Fahrerlaubnis der Klasse B (die weiteren Klassen sind darin enthalten, § 6 Abs. 3 Nr. 4 FeV) ein Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR anzusetzen, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.