Aktenzeichen 11 CS 17.368
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
StVG StVG § 24a
Leitsatz
1 Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falls, dass eine Person nach einem einmaligen Konsum zum einen bereits kurz darauf ein Kraftfahrzeug führt und zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät und die Polizei einen Drogentest veranlasst, ist in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (Anschluss an OVG NRW BeckRS 2012, 48670). (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten ist bereits bei einer einmaligen Teilnahme mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr unter dem Einfluss von 1,0 ng/ml oder mehr THC im Blut von fehlendem Vermögen, den Konsum von Cannabis und die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug zu trennen, auszugehen (Anschluss BVerwG BeckRS 2014, 57534). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 26 S 16.5527 2017-01-23 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B (einschließlich Unterklassen).
Mit Bußgeldbescheid vom 6. Juli 2016, rechtskräftig seit 31. Juli 2016, verhängte die Zentrale Bußgeldstelle Viechtach wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG gegen den Antragsteller ein Bußgeld und ein Fahrverbot von einem Monat. Dem lag zu Grunde, dass er am Samstag, den 19. März 2016, gegen 8:00 Uhr ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte, obwohl er unter dem Einfluss von Cannabis-Produkten stand. Die Analyse des um 8:53 Uhr entnommenen Bluts des Antragstellers durch das rechtsmedizinische Institut der Ludwig-Maximilians-Universi-tät München vom 24. Mai 2016 ergab eine Konzentration von 4,3 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 2,2 ng/ml Hydroxy-THC sowie 33 ng/ml THC-Carbonsäure.
Laut Bericht der Polizeiinspektion P. vom 19. März 2016 gab der Antragsteller bei der Kontrolle an diesem Tag an, am 18. März 2016 gegen 15:00 Uhr auf einer Party (Wohnung) einen Joint konsumiert und zuletzt am 19. März 2016 von 0:00 Uhr bis 6:30 Uhr geschlafen zu haben. Zur letzten Nahrungsaufnahme gab er an: 18. März 2016, 16:00 Uhr, ein Steak, Gaststätte, 21:00 Uhr ein Wurstbrot. Das Polizeiprotokoll ist vom Antragsteller unterschrieben. Auf dem ärztlichen Untersuchungsbericht vom 19. März 2016 ist handschriftlich vermerkt: „gestern Cannabis“.
Auf Anhörung der Fahrerlaubnisbehörde ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16. September 2016 vortragen, es liege beim ihm ein einmaliger experimenteller Cannabiskonsum am 18. März 2016 auf einer Geburtstagsfeier vor. Auf Nachfrage der Fahrerlaubnisbehörde ergänzte er mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2016, der Konsum habe erst am 19. März 2016 um 3:00 Uhr morgens stattgefunden. Er habe eine Haschzigarette geraucht. Bei der Zeitangabe habe es eine Verwechslung gegeben. Der Antragsteller habe bei seiner Unterschrift diese Aussage im Protokoll – auch cannabisbedingt – nicht bemerkt. Mit weiterem Schriftsatz vom 7. November 2016 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigenbüros (Prof. Dr. P. …) vor zu der Frage, ob bei den beim Antragsteller gemessenen Blutwerten ein vorheriger um 3:00 Uhr erfolgter Konsum von THC möglich erscheine oder ob diese Werte zwingend dazu führten, dass später noch ein zweiter Konsum stattgefunden haben müsse. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die „Wertekonstellation“ in der beim Antragsteller entnommenen Blutprobe nach entsprechender wissenschaftlicher Analyse ohne weiteres darauf gründen könne, dass der Antragsteller am 19. März 2016 um den Zeitraum 3:00 Uhr einmalig Cannabiszubereitungen inhalativ konsumiert habe. Daneben könne eine weitere, zeitnähere Aufnahme von Cannabisinhaltsstoffen sachverständig nicht belegt werden.
Nach nochmaliger vorheriger Anhörung entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller mit Bescheid vom 2. Dezember 2016 die Fahrerlaubnis und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Abgabe des Führerscheins innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids sowie die sofortige Vollziehung an. Unter Nr. 3 des Bescheids lehnte die Fahrerlaubnisbehörde den vom Antragsteller am 16. Dezember 2014 gestellten Antrag auf Erteilung bzw. Erweiterung einer Fahrerlaubnis der Klasse BE ab.
Gegen den Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht München gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid wiederherzustellen. Den Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Januar 2017 ab. Den Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2017 zurück. Gegen Bescheid und Widerspruchsbescheid ist nach telefonischer Auskunft des Verwaltungsgerichts Klage anhängig (vom 27.2.2017, Az. M 26 K 17.827).
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Senat legt den im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag dahingehend aus, dass zum einen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der inzwischen erhobenen Klage, hilfsweise unter Auflagen, begehrt wird und andererseits dahingehend, dass sich der Antragsteller nur gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Ablieferung des Führerscheins wendet, nicht hingegen gegen die Ablehnung der Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse BE.
Die so ausgelegte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig wäre.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. November 2016 (BGBl S. 2722), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2016 (BGBl S. 3083), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden können, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass die Einnahme vom Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. Nach § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.
1.1. Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller zumindest gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439; BayVGH, B.v. 18.4.2016 – 11 ZB 16.285 – juris Rn. 11). Ein einmaliger Konsum kann nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurück liegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat.
Aufgrund des Gutachtens des rechtsmedizinischen Instituts der L.-M1.-Universität M. vom 24. Mai 2016 steht fest, dass der Antragsteller wenige Stunden vor der Polizeikontrolle am 19. März 2016 um 8:00 Uhr Cannabis konsumiert hat, soweit er nicht regelmäßig Cannabis konsumiert. Es kann offenbleiben, ob aufgrund der in den Akten vermerkten Erklärung des Antragstellers, er habe am 18. März 2016 gegen 15:00 Uhr Cannabis konsumiert, ein zweiter Konsumakt nachgewiesen ist, auch wenn die vom Antragsteller angeführte Verwechslung der Uhrzeit äußerst zweifelhaft ist, da der Antragsteller gleichzeitig angegeben hat, am 19. März 2016 von 0:00 Uhr bis 6:30 Uhr geschlafen zu haben. Denn vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falls, dass eine Person nach einem einmaligen Konsum zum einen bereits kurz darauf ein Kraftfahrzeug führt und zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät und die Polizei einen Drogentest veranlasst, ist in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 11 CS 17.143 Rn. 15; B.v. 21.04.2015 – 11 ZB 15.181 – juris; OVG NW, B.v. 12.3.2012 – 16 B 1294/11 – DAR 2012, 275). Erst wenn substantiierte Darlegungen erfolgen, die für einen einmaligen Konsum sprechen, ist ihre Glaubhaftigkeit unter Würdigung sämtlicher Fallumstände zu prüfen.
Der Antragsteller hat zwar im Verwaltungsverfahren einen einmaligen experimentellen Konsum behauptet, ist jedoch im Beschwerdeverfahren den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (BA S. 10 f.), wonach dieser Vortrag nicht hinreichend substantiiert ist, nicht entgegengetreten, sodass es insoweit bereits an der entsprechenden Darlegung der Beschwerdegründe fehlt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Im Übrigen ist offensichtlich, dass die bloße Behauptung nicht ausreicht. Das Gutachten des medizinischen Sachverständigenbüros vom 7. November 2016 besagt entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht, dass der Antragsteller nur einmalig Cannabis konsumiert hat. Es hält es lediglich für möglich, dass die im Blut des Antragstellers festgestellten THC-Werte auf einen Cannabiskonsum um 3:00 Uhr desselben Tages zurückgeführt werden können und für den festgestellten THC-Wert von 4,3 ng/ml nicht ein weiterer Konsumsakt zwischen 3:00 Uhr und dem Zeitpunkt der Blutabnahme um 8:53 Uhr notwendig gewesen sei. Ob letzteres nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Abbauverhalten von Cannabis zutreffen kann, soweit nicht regelmäßiger Konsum vorliegt, kann hier offen bleiben.
1.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trennt ein gelegentlicher Konsument von Cannabis dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl angesichts des bei ihm festgestellten Tetrahydrocannabinol-Werts (THC) eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – DAR 2014, 711). Danach ist bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten bereits bei einer einmaligen Teilnahme mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr unter dem Einfluss von 1,0 ng/ml oder mehr THC im Blut von fehlendem Vermögen, den Konsum von Cannabis und die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug zu trennen, auszugehen, sodass der Betroffene nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV fahrungeeignet ist und ihm deshalb gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen ist.
Diese Rechtsprechung zugrunde gelegt, ist dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen worden, da Anhaltspunkte für eine Wiedererlangung der Fahreignung bis zu dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2017 nicht vorliegen. Die bloße Vorlage eines Abstinenznachweises im Beschwerdeverfahren reicht hierfür nicht.
1.3 Nach jüngerer Rechtsprechung des Senats (vgl. B.v. 29.8.2016 – 11 CS 16.1460 – Blutalkohol 54, 52) ist es offen und deshalb in einem Hauptsacheverfahren zu klären, ob bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug unter Cannabis-einfluss mit einer THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr, die aber – wie hier – nicht zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht geführt hat, die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV entziehen muss oder ob entsprechend dem Vorgehen bei fahrerlaubnisrechtlichem Alkoholmissbrauch (§ 13 FeV i.V.m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV) nur eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV angeordnet werden kann (a.A. VGH BW, B.v. 7.3.2017 – 10 S 328/17 – juris).
Der Senat hat daher in mehreren Fällen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei einer einmaligen Teilnahme mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss im Wege einer Interessenabwägung die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Fahrerlaubnisentziehungsbescheid unter der Auflage wiederhergestellt, dass sich der Betreffende unter Absolvierung eines Drogenkontrollprogramms einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterzieht (vgl. zuletzt B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris). Das hat hier der Antragsteller hilfsweise im Beschwerdeverfahren beantragt.
Eine entsprechende Anordnung im Wege der Interessenabwägung zieht der Senat hier nicht in Betracht. Bis zur Klärung der oben genannten offenen Rechtsfrage, kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Fahrerlaubnisentziehungsbescheid bei einer erstmaligen Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss, die nicht zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht geführt hat, auch im Wege der Interessenabwägung unter Auflagen nur in Frage, wenn auch in der Zeit bis zur Klärung der Fahreignung (schlussendlich durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung) eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen ist, wenn also Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene zukünftig entweder abstinent ist oder über das erforderliche Trennungsvermögen zwischen dem Konsum von Cannabiszubereitungen und dem Fahren verfügt. Bei dieser Einschätzung im Wege der Interessenabwägung können auch unterhalb der Schwelle des regelmäßigen Konsums die bei der Fahrt im Blut vorhandenen „THC-Werte“ nicht ausgeblendet werden, auch wenn es einen aus dem Fahrerlaubnisrecht abzuleitenden THC-Wert hierzu nicht gibt. Es kann jedoch insoweit auf wissenschaftliche Aussagen zurückgegriffen werden.
Die Grenzwertkommission hat in ihrer Verlautbarung vom September 2015 (Blutalkohol 2015 S. 322; vgl. hierzu auch Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp, Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Feststellung einer mangelhaften Trennung von Cannabiskonsum und Fahren anhand der Konzentration von THC im Blutserum, Blutalkohol 2016, 409 ff.) empfohlen, bei (mindestens) gelegentlichem Cannabiskonsum eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu verneinen (und damit eine Wiederholungsgefahr zu bejahen), wenn im Blutserum eine THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr festgestellt wurde (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 23.5.2016 – 11 CS 16.690 – juris). Daraus ergibt sich zwar nicht, dass nicht auch unterhalb eines solchen Werts die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 32-36). Aus der genannten Empfehlung der Grenzwertkommission ergibt sich aber, dass bei einer THC-Konzentration ab 3,0 ng/ml im Blutserum entweder zeitnaher oder häufiger Konsum vorliegen muss. Die Empfehlung, bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen nach Teilnahme am Straßenverkehr und einer festgestellten THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum eine Trennung von Konsum und Fahren zu verneinen, hat die Grenzwertkommission vor dem Hintergrund des Umstands ausgesprochen, dass erhöhte THC-Konzentrationen bei chronischem Konsum „auch noch einige Tage nach dem letzten Konsum feststellbar sein können, also zu einem Zeitpunkt, an dem sicher keine akute Beeinflussung der Leistungsfähigkeit mehr vorliegt“ (Blutalkohol a.a.O. S. 323).
Der Antragsteller hat ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt, obwohl er noch 53 Minuten nach der Fahrt unter dem Einfluss von THC mit einem Gehalt von 4,3 ng/ml im Blut stand. Das belegt aufgrund des relativ engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Konsum von Cannabis und der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr, soweit nicht regelmäßiger Konsum vorliegt, nicht nur ein fehlendes Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV in der Vergangenheit, sondern einen charakterlichen Eignungsmangel, der es nicht vertretbar erscheinen lässt, dem Antragsteller vorläufig die weitere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug zu gestatten. Wer wenige Stunden nach dem (offensichtlich erheblichen) Konsum von Cannabis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führt, zeigt eine gewisse Verantwortungslosigkeit, zumindest aber eine Sorglosigkeit für das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, weil davon auszugehen ist, dass ihm bewusst ist, dass er noch unter der Wirkung der Droge steht, zumindest stehen kann. Aufgrund dieses Verhaltens sieht der Senat auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der mit Schriftsatz vom 27. März 2017 vorgelegten Haaranalyse eine erhebliche Wiederholungsgefahr beim Antragsteller. Ein Drogenkontrollprogramm kann in solchen Fällen dieser Gefahr nicht wirksam (genug) begegnen.
Aus diesem Grund können auch die privaten und wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers an der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr nicht dazu führen, ihn im Wege der Interessenabwägung vorläufig ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führen zu lassen.
2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).