Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis nach behauptetem unwillentlichem und unwissentlichem Konsum von Amphetaminen

Aktenzeichen  W 6 K 16.1168

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 24a Abs. 2
FeV FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Behauptet eine Person, in deren Körper Betäubungsmittel oder Abbauprodukte nachweislich vorgefunden wurden, sie habe die Droge unwissentlich eingenommen, so muss sie einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Da derartige Betäubungsmittel illegal und zudem nicht billig sind, spricht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel gegen ihren Willen zuführen, diese zum Beispiel eine derartige Substanz ohne Wissen des Betroffenen in ein Getränk einbringen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wer sich auf einen Fall der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 der FeV beruft, muss durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darlegen und nachweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (Anschluss BayVGH BeckRS 2013, 51411). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig jedoch unbegründet.
1. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2016 ist – soweit noch streitgegenständlich -rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Damit ist hier der Zugang des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2016, der am 19. Oktober 2016 erfolgte, maßgeblich.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach muss die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen, sobald sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegt oder von einem Inhaber einer Fahrerlaubnis erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und hierdurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FeV).
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt. Eine Ausnahme gilt für die Einnahme von Cannabis (Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV). Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV führt die regelmäßige Einnahme von Cannabis zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wer den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen liegt nach Nr. 9.2.2 auch dann vor, wenn zusätzlich zum gelegentlichen Konsum von Cannabis ein Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt.
1.1. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber mindestens einmal sogenannte harte Drogen wie Amphetamin konsumiert hat (st. Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 9.6.2016 – 11 CS 16.942 – juris; B. v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris; B. v. 23.2.2016 – 11 CS 16.38 – juris; OVG NRW, B. v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris m. w. N.).
Nach Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin zumindest einmal Amphetamin konsumiert. Die Überzeugung stützt sich auf das toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums B. vom 30. Mai 2016. Danach steht fest, dass sich in der Blutprobe, die der Klägerin am 2. Mai 2016 entnommen wurde, Amphetamin in einer Konzentration von 14,2 ng/ml sowie Cannabinoide (2,3 ng/ml THC) befunden haben. Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte, dass das toxikologische Gutachten an formellen oder materiellen Mängeln leidet oder sonst nicht verwertbar wäre.
Auch soweit die Klägerin vorträgt, dass die Einnahme von Amphetamin unwillentlich und unwissentlich erfolgt sei, besteht keine Veranlassung, ausnahmsweise von der Vermutung der sich aus Nummer 9.1 der Anlage 4 zur FeV regelmäßig ergebenden Wertung abzuweichen. Denn behauptet eine Person, in deren Körper Betäubungsmittel oder Abbauprodukte nachweislich vorgefunden wurden, sie habe die Droge unwissentlich eingenommen, so muss sie einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Da derartige Betäubungsmittel illegal und zudem nicht billig sind, spricht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel gegen ihren Willen zuführen, diese zum Beispiel eine derartige Substanz ohne Wissen des Betroffenen in ein Getränk einbringen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat derartigen Behauptungen nur dann Beachtlichkeit zuerkannt, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers ein Kontakt mit Personen vorangegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hätten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen, und dass es ferner naheliegt, dass ihm die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt blieb (vgl. SächsOVG, B. v. 10.12.2014 – 3 B 148/14 – juris; B. v. 14.12.2012 – 3 B 274/12 – LKV 2013, 180; OVG NRW, B. v. 27.10.2014 – 16 B 1032/14 – juris; OVG MV, B.v. 25.8.2014 – 1 M 78/14 – VRS 127, 200; BayVGH, B. v. 21.11.2012 – 11 CS 12. 2171 – juris; B. v. 24.7.2012 – 11 ZB 12.1362 – juris).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, eine unbewusste Verabreichung von Amphetamin nachvollziehbar und plausibel darzulegen. In der Klagebegründung ließ die Klägerin lediglich ausführen, dass sie sich am 30. April 2016, also zwei Tage vor der Blutentnahme am 2. Mai 2016, auf einer Veranstaltung in S. befunden habe, auf der vornehmlich elektronische Musik gespielt werde und dass es auf derartigen Veranstaltungen in der Vergangenheit häufig zur unbewussten Einnahme von Betäubungsmitteln gekommen sei. Dieser Weg werde gewählt, um die Stimmung der einzelnen Teilnehmer zu beeinflussen. Genauere Umstände, wie es zur Verabreichung des Amphetamins auf der Veranstaltung gekommen sein könnte, wurden allerdings nicht vorgetragen. In der mündlichen Verhandlung wurde dieser Vortrag zwar präzisiert. So gab die Klägerin an, um welche Veranstaltung es sich genau gehandelt habe, mit wem sie die Veranstaltung besucht habe, in welchem Zeitraum sie sich auf der Veranstaltung befunden habe und dass sie sechs oder sieben Cocktails in offenen Gläsern getrunken habe. Allerdings ergibt sich auch aus diesem Vortrag nicht, wie genau es zu der Verabreichung von Amphetamin kommen konnte. Es wurde nur die Vermutung geäußert, dass die Substanz in das offene Cocktailglas gegeben worden sein könnte. Die Klägerin konnte aber auch den Zeitraum, in dem es zur Verabreichung des Amphetamins gekommen sein könnte, nicht eingrenzen. Die Klägerin machte auch keine Angaben dazu, ob bzw. wie oft sie ihr Glas unbeaufsichtigt ließ. Auch konnte nicht angegeben werden, welche Person für die unwissentliche Verabreichung der Substanzen in Frage kommt bzw. welche Person ein Interesse daran gehabt haben könnte, der Klägerin illegale Drogen zu verabreichen. Der allgemeine Hinweis darauf, dass es auf derartigen Veranstaltungen schon öfter zur unwissentlichen Verabreichung von Betäubungsmittel komme, reicht nicht aus. Es entspricht keineswegs der Üblichkeit, dass auf Veranstaltungen – auch wenn auf diesen elektronische Musik gespielt wird – Gästen willkürlich Drogen in das Getränk gemischt werden. Soweit die Klägerin angibt, nach der Veranstaltung an Magenkrämpfen gelitten zu haben, die möglicherweise auf die unwissentliche Einnahme von Amphetamin zurückzuführen seien, spricht auch dies nicht für die unwissentliche Einnahme von Amphetamin. Unterstellt man, dass die gesundheitlichen Beschwerden tatsächlich auf die Einnahme des Betäubungsmittels zurückzuführen waren, wären die Beschwerden genauso aufgetreten, wenn das Amphetamin wissentlich eingenommen worden wäre.
Hinzu kommt schließlich, dass die Antragstellerin auch schon vor dem 2. Mai 2016 Betäubungsmittel in nicht unerheblichen Umfang konsumiert hat. Nach eigenen Angaben hat die Klägerin schon häufiger Cannabis konsumiert. Auch die Einnahme von Amphetamin mit Anfang 20 wurde in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Dieser Umgang mit illegalen Drogen in Zusammenschau mit dem wenig substantiierten Vortrag führt dazu, dass die von der Klägerin behauptete unbewusste und unwillentliche Einnahme von Amphetamin nach Überzeugung des Gerichts nicht geglaubt werden kann.
1.2 Die Fahreignung der Klägerin ist auch deshalb nicht gegeben, weil sie gelegentlich Cannabis konsumiert und ein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt.
1.2.1 Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumsvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumsvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, U v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris; BayVGH, B. v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2480 – juris). Ein einmaliger Konsum kann nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2480 – juris).
Der gelegentliche Konsum von Cannabis steht nach Überzeugung des Gerichts fest. Die Klägerin hat gegenüber den Polizeibeamten in der Verkehrskontrolle vom 2. Mai 2016 eingeräumt, am 30. April 2016 auf einer Feier Cannabis konsumiert zu haben. Dies wird auch durch das Ergebnis der Untersuchung der Blutprobe bestätigt, die laut Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums B. vom 30. Mai 2016 positiv auf Cannabinoide verlief. Darüber hinaus steht fest, dass die Klägerin am 8. April 2015 Cannabis konsumiert hat. Dies räumte die Klägerin bei einer Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei am 9. April 2015 ein. Auch dies wird bestätigt durch ein rechtsmedizinisches Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums B. vom 12. Mai 2015. Auch dieses verlief positiv auf Cannabinoide. Außerdem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, bis zu einer Gallen-OP am 18. Oktober 2016 gelegentlich Cannabis konsumiert zu haben. Sie habe ein bis zweimal im Monat Cannabis konsumiert. Acht Wochen vor der OP habe sie sogar ein- bis zweimal in der Woche Cannabis konsumiert, um ihre Schmerzen in Zusammenhang mit einer Gallenerkrankung zu lindern. Der angegebene Grund für den Konsum von Cannabis ist für die Frage, ob ein gelegentlicher Konsum von Cannabis vorliegt, allerdings unbeachtlich. Auch wenn man unterstellt, dass das Cannabis tatsächlich konsumiert wurde, um Schmerzen zu lindern, wurde die Einnahme von Cannabis nicht von einem Arzt zur Linderung der Schmerzen verordnet. Außerdem stellt auch der medizinisch indizierte Konsum von Cannabis die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen infrage. Die Gefährdung des Straßenverkehrs tritt unabhängig von dem Grund des Konsums ein.
1.2.2 Ein zur gelegentlichen Einnahme von Cannabis zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen i. S. der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV (sog. Mischkonsum) setzt in zeitlicher Hinsicht eine Einnahme der Substanzen voraus, die zu einer Wirkungskumulation führen kann. Es ist keine „handlungsbezogene“, sondern eine „wirkungsbezogene“ Betrachtungsweise anzustellen; nötig ist keine gleichzeitige Einnahme der Substanzen, sondern unter einem zeitlichem Blickwinkel eine Einnahme, die eine kombinierte Rauschwirkung zur Folge haben kann. Dabei ist nicht erforderlich, dass in der Person des Mischkonsumenten Besonderheiten bestehen, die befürchten lassen, dass gerade bei ihm ein fehlendes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Straßenverkehr zu besorgen ist. (BVerwG, U .v. 14.11.2013 – 3 C 32/12 – BVerwGE 148, 230).
Nach Überzeugung des Gerichts liegt auch ein solcher Mischkonsum bei der Klägerin vor. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin an, auf der Veranstaltung in S. am 30. April 2016 Marihuana (zwei Joints) geraucht zu haben. Sie habe auf der Veranstaltung auch größere Mengen an Alkohol konsumiert. So habe sie fünf oder sechs Cocktails (Caipirinha) getrunken. Die gleichzeitige Einnahme von Alkohol und Cannabis legt nahe, dass es auf der Veranstaltung am 30. April 2017 zu einer kombinierten Rauschwirkung bei der Klägerin gekommen ist. Für eine solche Wirkung spricht auch die Menge der konsumierten Rauschmittel. Die Klägerin hat mit zwei Joints eine größere Menge Cannabis konsumiert und in erheblichem Maße Alkohol zu sich genommen. Außerdem ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin auch Amphetamin zu sich genommen hat (s. o.). Da sich in der Blutprobe vom 2. Mai 2016, die die Aufnahme von Amphetamin beweist, auch Cannabinoide (2,3 ng/ml THC) befunden haben, liegt es auch nahe, dass die Klägerin die beiden Substanzen in einer solchen zeitlichen Abfolge aufgenommen hat, die eine kombinierte Rauschwirkung zur Folge haben kann.
1.3 Ob allein aufgrund der Fahrt unter Cannabiseinfluss – mit einem Wert von 2,3 ng/ml THC im Blut – feststeht, dass die Klägerin – als zumindest gelegentliche Konsumentin von Cannabis – nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren von Kraftfahrzeugen i. S. der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV trennen kann (so OVG NRW, B. v. 15.3.2017 – 16 A 432/16 – juris; VGH BW, B. v. 7.3.2017 – 10 S 328/17 – Blutalkohol 54, 142 [2017]; B. v. 22.7.2016 – 10 S 738/16 – VRS 130, Nr. 70 [2016]; OVG SH, B. v. 23.1.2017 – 4 MB 2/17 – juris; NdsOVG, B. v. 28.11.2016 – 12 ME 180/16 – NJW 2017, 1129; OVG Bln-Bg, U. v. 16.6.2016 – 1 B 37.14 – Blutalkohol 53, 393 [2016]; OVG Bremen, B. v. 25.2.2016 – 1 B 9.16 – ZfSch 2016, 598) oder ob die Behörde weitere Aufklärungsmaßnahmen hätte ergreifen müssen (vgl. dazu BayVGH, U. v. 25.5.2017 – 11 BV 17.33 – juris), muss hier aufgrund des Vorliegens anderer Mängel nach Anlage 4 zur FeV nicht entschieden werden.
1.4 Ein Ausnahmefall i. S. der Nr. 3 der Vorbemerkung zur Anlage 4 der FeV liegt hier nicht vor. Nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV können die Regelvermutungen der Anlage 4 zur FeV nur dann in einem anderen Licht erscheinen, wenn Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen möglich sind. Der Wortlaut der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 der FeV zeigt, dass an Besonderheiten angeknüpft wird, die ihren Ursprung in der Person des Betroffenen selbst haben und bewirken, dass er aufgrund einer besonderen Steuerungs- oder Kompensationsfähigkeit trotz Drogenkonsums ausnahmsweise fahrgeeignet ist (vgl. OVG NRW, B.v. 24.10.2014 – 16 B 946/14 – juris; BayVGH, B.v. 10.6.2014 – 11 CS 14.347 – juris). Es obliegt insoweit dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (BayVGH, B. v. 27.05.2013 – 11 CS 13.718). Ausnahmen von der Regelvermutung sind im vorliegenden Fall – zumindest über die unwissentliche Einnahme von Amphetamin hinaus – nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
1.5 Die Klägerin hat ihre Kraftfahreignung auch nicht wiedererlangt. Denn war die Fahreignung wegen Konsums von Betäubungsmitteln entfallen, kann nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV von einer Wiedererlangung der Fahreignung im Regelfall nur dann ausgegangen werden, wenn eine einjährige Drogenabstinenz nachgewiesen ist. Erst wenn ein Betäubungsmittelkonsument angibt, dass er seit in der Regel mindestens einem Jahr betäubungsmittelabstinent ist, muss die Behörde dem nachgehen, da die Behörde im Entziehungsverfahren die Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers belegen muss und auf die gesetzliche Regelvermutung der Ungeeignetheit nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV nicht mehr als feststehend abstellen kann, wenn ein Betroffener eine einjährige Abstinenz seit dem letzten Drogenkonsum geltend macht (vgl. etwa BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris; B.v. 1.7.2015 – 11 CS 15.1151 – juris; B.v. 4.2.2009 – 11 CS 08.2591 – SVR 2009, 111). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, seit einer Gallen-OP am 18. Oktober 2016 keine Drogen mehr zu konsumieren. Unterstellt man, dass dieser Vortrag der Klägerin zutrifft, war die Klägerin beim Zugang der Widerspruchsbescheid am 19. Oktober 1016 – also zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – erst einen Tag drogenabstinent. Somit war die Jahresfrist zu diesem Zeitpunkt bei weitem noch nicht abgelaufen. Von einer Wiedererlangung der Fahreignung kann deshalb nicht ausgegangen werden.
2. Da die Entziehung der Fahrerlaubnis der gerichtlichen Überprüfung standhält, ist auch die in Nr. 2 des Bescheides angeordnete Herausgabe des Führerscheins rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO
5. Über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigen im Vorverfahren gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO musste nicht entschieden werden, da die Klägerin im Verfahren unterlegen ist (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 162 Rn. 12).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Illegale Müllentsorgung

Warme Sonnenstrahlen bringt der Frühlingsanfang mit sich und lockt die Menschen vor die Türe. Hier wird auf öffentlichen Plätzen gegrillt, dort eine Flasche Wein getrunken - was häufig bleibt ist der liegengebliebene Müll.
Mehr lesen