Aktenzeichen 1 OLG 8 Ss 173/16
StGB StGB § 47, § 56
StPO StPO § 302, § 349 Abs. 2
GVG GVG § 121
Leitsatz
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt: Kann ein Angeklagter seine Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken, wenn er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist (§ 21 Absatz 1 Nummer 1 StVG) und sich die Feststellungen darin erschöpfen, dass er wissentlich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ein Fahrzeug bestimmter Marke und mit einem bestimmten Kennzeichen geführt habe, ohne die dazu erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen?
Tenor
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
Kann ein Angeklagter seine Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken, wenn er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist (§ 21 Absatz 1 Nummer 1 StVG) und sich die Feststellungen darin erschöpfen, dass er wissentlich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ein Fahrzeug bestimmter Marke und mit einem bestimmten Kennzeichen geführt habe, ohne die dazu erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen?
Gründe
I.
Das Amtsgericht – Strafrichter – Schwabach verurteilte den Angeklagten am 21. Januar 2016 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen, deren Vollzug es nicht zur Bewährung aussetzte. Zur Tat stellte die Strafrichterin in ihrem Urteil fest:
„Der Angeklagte fuhr am 19.08.2015 gegen 14.21 Uhr mit dem PKW Opel, Kennzeichen LB-BM 2609 auf der W. Straße in S., obwohl er die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Dies wusste der Angeklagte. Während der Fahrt benutzte der Angeklagte verbotswidrig ein Mobiltelefon.“
In den Erwägungen zur Strafzumessung findet sich noch der Satz: „Der Angeklagte ist offensichtlich auch eine lange Strecke gefahren.“ Allerdings fehlt dieser Annahme eine Begründung, und eine solche ist auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Daher lässt sich jene Annahme nur als Vermutung, aber nicht als Feststellung behandeln. Auch sonst enthalten die Urteilsgründe keine weiteren Feststellungen zu der abgeurteilten Fahrt.
Gegen dieses Urteil legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft beschränkte sie von vornherein auf den Rechtsfolgenausspruch, der Angeklagte tat dies – mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft – in der Berufungshauptverhandlung am 17. Mai 2016 (Teilrücknahme nach § 302 StPO). Die Kammer verwarf beide Berufungen mit Urteil vom selben Tage als unbegründet. Hinsichtlich des Schuldspruchs betrachtete die Kammer die Feststellungen der Strafrichterin als bindend und zitierte sie in ihrem Urteil fast wörtlich:
„Der Angeklagte fuhr am 19.08.2015 gegen 14.21 Uhr mit dem Pkw Opel amtliches Kennzeichen LB-BM 2609 auf der W. Straße in S., obwohl er, wie er genau wusste, die erforderliche Fahrerlaubnis nicht besaß.“
Zur Nutzung des Mobiltelefons stellte die Kammer ergänzend fest, dass der Angeklagte es als Navigationsgerät verwendet habe, um den Weg zum Flughafen Nürnberg zu finden. Für den Rechtsfolgenausspruch traf die Kammer Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten einschließlich seiner Vorstrafen (UA S. 3-5). Ferner stellte sie fest, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle noch nicht weit gefahren gewesen sei, dass sein Beifahrer von dem Fehlen einer Fahrerlaubnis bei ihm gewusst habe und dass der Angeklagte die Tat vollständig gestanden habe und bedaure. Außerdem stellte die Kammer fest, dass der Angeklagte „unauffällig und im wesentlichen verkehrsordnungsgemäß“ gefahren sei.
Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte über seinen Verteidiger fristgerecht Revision eingelegt. Er erhebt die allgemeine Sachrüge und beantragt, das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision gemäß § 349 Absatz 2 StPO als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen. Die Berufung habe sich wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, und der lasse keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Der Angeklagte und sein Verteidiger hatten Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, haben sich aber nicht geäußert.
II.
Der Senat hält die Revision für statthaft und auch im übrigen für zulässig, beabsichtigt aber, sie als unbegründet zu verwerfen. Den Rechtsfolgenausspruch hält der Senat für rechtsfehlerfrei. Zwar nennen die Gründe weder §§ 46, 47 noch § 56 StGB und sind vor allem mit Blick auf §§ 47, 56 StGB knapp (vgl. zu § 47 StGB BGH NStZ 1996, 429 [ebd.]; Theune Leipziger Kommentar, 12. Auflage, § 47 Rn. 8 ff.; zu § 56 StGB BGH NStZ 2001, 366 [367]; wistra 2001, 378 [379]). Gleichwohl lassen sie erkennen, dass sich die Kammer auch insoweit der entscheidungserheblichen Maßstäbe bewusst gewesen ist und sie zutreffend angewendet hat. Erörterungsmängel sind nicht ersichtlich. Das Ergebnis ist mindestens vertretbar und folglich in der Revision nicht zu beanstanden (vgl. BGHSt. 17, 35 [36]; BGHR § 56 Abs. 1 Sozialprognose 1, 9; BayObLG NStZ-RR 2004, 42 [43]).
III.
Gehindert sieht sich der Senat an dieser Entscheidung durch einen Beschluss und ein Urteil des Oberlandesgerichts München sowie durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG München Beschluss vom 8. Juni 2012, 4 StRR 97/12, hier zitiert nach NZV 2014, 51; Urteil vom 18. Februar 2008, 4 StRR 202/07, zitiert nach juris; OLG Bamberg Urteil vom 25. Juni 2013, 3 Ss 36/13, zitiert nach juris).
1. Die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg sowie anderer Oberlandesgerichte:
Die Oberlandesgerichte München und Bamberg meinen, dass nach einer amtsgerichtlichen Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Absatz 1 Nummer 1 StVG) der Angeklagte seine Berufung nur dann wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken könne, wenn das Amtsgericht zu der fraglichen Fahrt Feststellungen getroffen habe, die über Ort und Zeit der Fahrt, die Identität des Fahrzeugs sowie darüber hinausgingen, dass der Angeklagte nicht im Besitz der nötigen Fahrerlaubnis gewesen sei und vorsätzlich gehandelt habe.
In der Frage, welche zusätzlichen Feststellungen zu treffen seien, unterscheiden sich die angeführten Entscheidungen etwas, aber nicht wesentlich. Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 8. Juni 2012 hat der Tatrichter Feststellungen auch zur Fahrstrecke zu treffen, zu den Beweggründen und zum Anlass der Tat sowie zu den Verkehrsverhältnissen bei ihrer Begehung; insbesondere dazu, ob andere Verkehrsteilnehmer gefährdet worden seien (NZV 2014, 51 [52]). In seinem Urteil vom 18. Februar 2008 spricht das Oberlandesgericht allgemein von den „Gegebenheiten der Fahrt“ und führt aus, dass zu ihnen folgende Umstände zählen könnten (in juris Rn. 16): der Anlass der Fahrt, ihre tatsächliche sowie beabsichtigte Länge und Dauer, die Beweggründe des Täters (mit Beispielen), ob er von anderen zu der Fahrt verleitet wurde, wie er zu seinem Fahrzeug kam, seine Fahrtgeschwindigkeit, ob Versicherungsschutz bestand sowie die Verkehrsbedeutung der befahrenen Stra-ße(n). Zudem schränkt das Oberlandesgericht seine Rechtsansicht in diesem Urteil insofern ein, als es die fraglichen Feststellungen nur dann als erforderlich erachtet, soweit sie dem Tatrichter möglich sind. Daraus folgt, dass das Oberlandesgericht München einen Rechtsfehler nur dann annimmt, wenn jene Feststellungen fehlen und nicht nachvollziehbar und vollständig dargelegt wird, warum.
Das Oberlandesgericht Bamberg verlangt in seinem Urteil vom 25. Juni 2013 Feststellungen zu den Beweggründen des Täters, zu den Verkehrsverhältnissen bei der Tat, zu deren Anlass, dazu, ob andere Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden, sowie „gegebenenfalls“ zu „weiteren Umständen der Tat“, zu denen das Gericht unter anderem die tatsächliche oder beabsichtigte Länge und Dauer der Fahrt zählt (in juris Rn. 6 und 7). Auch das Oberlandesgericht Bamberg schränkt seine Forderung ein: Die fraglichen Feststellungen habe der Tatrichter „jedenfalls dann“ zu treffen, wenn sie „ohne weiteres möglich“ seien (in juris Rn. 6). Hieraus folgt wiederum, dass ein Rechtsfehler nur dann vorliegen soll, wenn jene Feststellungen fehlen und das Urteil zu den Ursachen schweigt. – Ferner macht das Oberlandesgericht Bamberg die Einschränkung, dass solche Feststellungen „jedenfalls dann“ getroffen werden müssten, wenn sie „für den Schuldumfang erkennbar von ausschlaggebender Bedeutung“ seien (in juris Rn. 6). Dieser Passus soll sich aber wohl nur auf die oben aufgeführten „weiteren Umstände der Tat“ der beziehen. Denn zu den anderen, zuvor genannten Umständen – Beweggründe, Tatanlass, Verkehrsverhältnisse, Gefährdungen – heißt es, sie seien „wegen ihrer wesentlichen Bedeutung für den Schuldumfang“ festzustellen, und das heißt offenbar: stets festzustellen (jedenfalls sofern dies ohne weiteres möglich ist).
Alle drei Entscheidungen halten eine Berufungsbeschränkung für unwirksam, wenn dem erstinstanzlichen Urteil die besagten zusätzlichen Feststellungen fehlen (ergänze: und sich ihm auch nicht entnehmen lässt, dass sich das Gericht um die Feststellungen bemüht hätte). Der Berufungsrichter sei dann gehalten, die Berufung als eine unbeschränkte zu behandeln und den Sachverhalt vollumfänglich festzustellen. Verkenne er dies, sei sein Urteil in der Revision grundsätzlich aufzuheben. Hiervon könne nur abgesehen werden, wenn der Berufungsrichter trotz seines Irrtums alle erforderlichen Feststellungen selbst getroffen habe. In seinem Urteil vom 18. Februar 2008 räumt das Oberlandesgericht München dem Berufungsrichter offenbar ein, lediglich ergänzende Feststellungen zu treffen, also die erstinstanzlichen Feststellungen zu übernehmen (vgl. in juris Rn. 17-19). In seinem Beschluss vom 8. Juni 2012 tut es das allerdings nicht mehr, und das Oberlandesgericht Bamberg verwehrt dem Berufungsrichter in seinem Urteil vom 25. Juni 2013 ausdrücklich, nur ergänzende Feststellungen zu treffen, und verpflichtet ihn, die Entscheidungsgrundlage vollständig neu zu ermitteln (in juris Rn. 7).
Das Oberlandesgericht Köln teilt die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg, soweit es um den Umfang der Pflicht des Tatrichters geht, Feststellungen zu treffen (OLG Köln Beschluss vom 14. Februar 2014, RVs 19/14, RVs 19/14, in juris Rn. 7; dort als „ständige Senatsrechtsprechung“ bezeichnet unter Verweis auf Entscheidungen vom 20. April 2007, 81 Ss 52/07, und vom 27. April 2007, 82 Ss 32/07 [beide unveröffentlicht]). Zu der Frage, ob eine Berufungsbeschränkung wirksam sei, wenn der Tatrichter diese Pflicht verletze, hat sich das Oberlandesgericht jedoch – soweit ersichtlich – noch nicht geäußert.
Das Oberlandesgericht Koblenz lehnt die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts München ab (OLG Koblenz Beschluss vom 18. März 2013, 2 Ss 150/12, NZV 2013, 411 [412] m. Anm. S.). Es geht aber offenbar davon aus, dass diese Ansicht keine Geltung beanspruche, wenn ein Berufungsgericht die bestimmenden Strafzumessungserwägungen allein in den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten finde und daher keinen Grund habe, sich für die näheren Umstände der angeklagten Fahrt zu interessieren. Über einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Koblenz in dem angeführten Beschluss zu entscheiden. Dies dürfte der Grund dafür gewesen sein, dass es sich nicht mit einer Vorlagepflicht nach § 121 GVG befasst hat. Auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg ging das Oberlandesgericht Koblenz in jenem Beschluss nicht ausdrücklich ein.
Das Oberlandesgericht Dresden lehnt die Auffassung der Oberlandesgerichte München und Bamberg ebenfalls ab (OLG Dresden Beschluss vom 11. September 2013, 2 OLG 21 Ss 652/12, in juris Rn. 9). In dem Verfahren des angeführten Beschlusses war aber offenbar keine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erklärt worden (so schon die Einschätzung von Sandherr in seiner Anmerkung in SVR 2014, 67 [68]). Daher gehören die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht Dresden die Ansicht der beiden bayerischen Oberlandesgerichte ablehnt, wohl nicht zu den tragenden Gründen seines Beschlusses und haben deshalb keine Vorlagepflicht nach § 121 GVG ausgelöst. Zudem meinte das Oberlandesgericht Dres 2 den, dass es dabei um eine Frage gehe, deren Beantwortung vom Einzelfall abhänge und die schon aus diesem Grund nicht für eine Vorlage in Betracht komme, da es sich dann nicht um eine Rechtsfrage handele (in juris Rn. 10 und 11).
2. Die Ansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg betrifft eine Rechts-, nicht eine Tatfrage.
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Dresden geht es in der oben 1 wiedergegebenen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte München und Bamberg um eine Rechtsfrage (vgl. BGHSt. 27, 212 [214-216]). Zwar hängt es vom Einzelfall ab, ob die näheren Umstände einer Fahrt ohne Fahrerlaubnis für die Strafzumessung bestimmend werden und ob sie sich ermitteln lassen. Eine allgemeine und damit eine Rechtsfrage ist es aber, ob eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam ist, wenn das Tatgericht solche Umstände weder festgestellt noch festzustellen versucht hat.
3. Die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg war jeweils ein tragender Grund ihrer Entscheidungen.
Die oben 1 wiedergegebene Rechtsansicht trägt die drei angeführten Entscheidungen der Oberlandesgerichte München und Bamberg: Jede dieser Entscheidungen hebt das vorinstanzliche Urteil auf, weil es die geforderten Feststellungen nicht enthalte (ergänze: und nicht erkennen lasse, dass sich die Vorinstanz um sie bemüht hätte).
4. Auf der Grundlage der Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg hätte der Senat anders zu entscheiden als beabsichtigt.
Hätte der Senat seiner Entscheidung die Rechtsansicht zugrunde zu legen, die von den Oberlandesgerichten München und Bamberg in den drei angeführten Entscheidungen vertreten wird, müsste er das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Mai 2016 aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverweisen. Denn wenn man jener Rechtsansicht folgte, hätte das Landgericht Nürnberg-Fürth die Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch zu Unrecht als wirksam angesehen. In einem solchen Fall ist ein Berufungsurteil insgesamt aufzuheben und ist die Sache zurückzuverweisen (Meyer-Goßner Meyer-Goßner/Schmitt, 59. Auflage, § 352 Rn. 4). Und ob das Berufungsgericht eine Berufungsbeschränkung zu Unrecht als wirksam angesehen hat, muss ein Revisionsgericht von Amts wegen prüfen (BGHSt. 27, 70 [72]; Meyer-Goßner am angegebenen Ort).
Unwirksam wären die Berufungsbeschränkungen hier nach Ansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg, weil dem Urteil des Amtsgerichts Schwabach vom 21. Januar 2016 Feststellungen von der Art fehlen, wie sie diese Oberlandesgerichte verlangen: Jenes Urteil enthält nur Feststellungen zu Ort und Zeit der Tat, zu Marke und Kennzeichen des Fahrzeugs sowie dazu, dass der Angeklagte wissentlich ohne die nötige Fahrerlaubnis fuhr. Darüber hinaus wird lediglich festgestellt, dass er dabei noch ein Mobiltelefon benutzte. Zur Länge der Fahrstrecke enthalten die Strafzumessungserwägungen nur eine Vermutung, keine Feststellung. Das Urteil lässt auch nicht erkennen, dass sich die Strafrichterin bemüht hätte, weitere Tatumstände zu ermitteln. Insgesamt genügen die Feststellungen des Urteils daher nicht den Anforderungen der Oberlandesgerichte München und Bamberg. Insbesondere ist den Feststellungen des Urteils nicht zu entnehmen, aus welchen Beweggründen und aus welchem Anlass der Angeklagte fuhr, ob Dritte auf ihn eingewirkt hatten, wie lange die Fahrt dauerte oder dauern sollte, wie lang die tatsächliche oder beabsichtigte Fahrstrecke war, welche Verkehrsverhältnisse herrschten und ob andere gefährdet wurden.
5. Der Senat hält die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg für unzutreffend.
Der Senat folgt der Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg nicht, weil die Frage, ob eine Berufungsbeschränkung wirksam sei, unabhängig von den Fragen beurteilt werden muss, ob die erste Instanz für die Strafzumessung ihrer Aufklärungspflicht aus § 244 Absatz 2 StPO nachgekommen sei und die Beweise ohne Darstellungsmängel gewürdigt habe.
Zutreffend nehmen beide Oberlandesgerichte an, dass es bei einem Fahren ohne Fahrerlaubnis für den Schuldumfang und damit für den Strafausspruch auf Umstände ankommen kann, die über Ort und Zeit der Fahrt, Marke und Kennzeichen des Fahrzeugs sowie darüber hinausgehen, dass der Angeklagte vorsätzlich ohne die nötige Fahrerlaubnis fuhr. Auch kommen als Umstände dieser Art solche in Betracht, die in den drei angeführten Entscheidungen der Oberlandesgerichte genannt werden: Anlass und Dauer der Fahrt, die tatsächliche oder geplante Fahrstrecke und so fort. Eine abschließende Aufzählung ist kaum möglich, da die Lebenssachverhalte dafür zu vielgestaltig sind. Versäumt es die erste Instanz entgegen § 244 Absatz 2 StPO, ihre Beweisaufnahme auf derartige Umstände zu erstrecken, so kann das Berufungsgericht diese Feststellungen grundsätzlich auch dann nachholen, wenn die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist. Es ist nicht zu erkennen, warum man die Beschränkung in einem solchen Fall stets für unwirksam zu halten hätte.
Für die hier vertretene Rechtsansicht kommt es nicht darauf an, was gilt, wenn das Berufungsgericht in der Beweisaufnahme zum Rechtsfolgenausspruch Erkenntnisse gewinnt, die denen der ersten Instanz zur Schuldfrage widersprechen. Zwar müssen rechtskräftige strafgerichtliche Feststellungen in ein und derselben Sache widerspruchsfrei sein (vgl. BGHSt. 29, 359 [365, 366]; BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 13 mit weiteren Nachweisen). Das lässt sich in den fraglichen Fällen aber auch erreichen, wenn man die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich für wirksam hält. Zum einen ist es möglich, den Feststellungen der ersten Instanz zur Schuldfrage vollen Umfanges Vorrang zu geben und folglich Feststellungen des Berufungsgerichts für unzulässig zu halten, soweit sie den Feststellungen der ersten Instanz zur Schuldfrage widersprächen; ungeachtet dessen, ob diese Feststellungen der ersten Instanz ausschließlich die Schuldfrage betreffen oder eine sogenannte Doppelrelevanz auch für die Rechtsfolgen haben. Für Fahrten ohne Fahrerlaubnis führte dies zum Beispiel dazu, dass das Berufungsgericht keine abweichenden Feststellungen zur Fahrstrecke treffen dürfte, wenn die erste Instanz als Tatort die Autobahn A 7 „zwischen Hamburg und Kempten“ festgestellt hätte – auch wenn die Zeugenvernehmung von Mitfahrenden in der Berufungshauptverhandlung ergäbe, dass der Angeklagte tatsächlich nur zwischen Memmingen und Kempten am Steuer gesessen hat. Eine solche Lösung vertritt der Bundes gerichtshof für die Revision, wenn dort allein der Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und insoweit zurückverwiesen wird (BGH Urteil vom 12. Juni 2014, 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182 [183]).
Ebenso wäre es aber möglich, die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung davon abhängen zu lassen, ob sich neue Feststellungen zur Rechtsfolgenfrage treffen lassen, ohne in Widerspruch zu jenen Feststellungen der Vorinstanz zu geraten, die den Schuldspruch tragen (OLG Koblenz NZV 2013, 411 [412] mit weiteren Nachweisen und zustimmender Anmerkung Sandherr; zustimmend auch König in der Festschrift für von Heintschel-Heinegg [2015] S. 257 [260 f.]). Bei dieser Lösung hätte das Berufungsgericht in dem genannten Beispielsfall die Berufung als unbeschränkt zu behandeln und sämtliche Feststellungen noch einmal selbst zu treffen (vgl. OLG Koblenz NZV 2013, 411 [412] mit zustimmender Anmerkung Sandherr).
Unschädlich wäre, dass es so zu einer Frage des Einzelfalles würde, ob eine Berufungsbeschränkung wirksam ist. Denn dass dies der Fall sein kann, ist für die Beschränkung von Rechtsmitteln allgemein anerkannt (vgl. etwa BGHSt. 38, 362 [364 f.]; 29, 359 [368]; BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 1). Und es ist ebenso unproblematisch, wenn sich erst in der Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht entscheidet, ob eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam bleibt (OLG Koblenz NZV 2013, 411 [412] mit zustimmender Anmerkung Sandherr; im Ergebnis auch Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13. Juli 2009, 1 Ss 47/09, Leitsatz und unter II, zitiert nach juris [dort Leitsatz und Rn. 6]). Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass schon zu Beginn der Berufungshauptverhandlung ein für allemal feststehen müsste, ob eine Beschränkung der Berufung wirksam ist. Sicher sein müssen die Verfahrensbeteiligten insoweit erst, wenn das Gericht die Sitzung unterbricht, um sich zur Urteilsberatung zurückzuziehen.
Gegenüber einem strikten Vorrang der erstinstanzlichen Feststellungen hat diese Lösung den Vorzug, dem Verfahrensziel einer Ermittlung des wahren Sachverhalts näher zu kommen und die Entscheidung – soweit sie noch zu treffen ist – möglichst weitgehend auf wahre Annahmen zu stützen (zu diesem Verfahrensziel BVerfGE 57, 250 [257]; Th. Fischer Karlsruher Kommentar, 7. Auflage, Einleitung Rn. 3 mit weiteren Nachweisen). Ist eine Berufung allein zugunsten des Angeklagten und be schränkt auf den Rechtsfolgenausspruch eingelegt worden, schützt ihn § 331 StPO davor, dass neue Feststellungen zu einer Verschärfung dieses Ausspruchs führen. Für andere Fälle ist aber nicht einzusehen, warum ein Angeklagter vor einer solchen Verschlechterung allein deshalb geschützt werden müsste, weil der Schuldspruch nicht angegriffen worden ist. Sind die neuen Feststellungen dem Angeklagten günstiger als die alten – wie in dem oben genannten Beispiel -, so wäre es sogar rechtsstaatlich bedenklich, das Berufungsgericht an die falschen nachteiligen Feststellungen der ersten Instanz zu binden. Auch ist das Bedürfnis nach Rechtssicherheit nach einem amtsgerichtlichen Urteil nicht so groß wie nach der Entscheidung eines Revisionsgerichts.
Gegen die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg spricht aber auch, dass es in den fraglichen Fällen meist gar keine Widersprüche zwischen den Erkenntnissen des Berufungsgerichts und den Feststellungen der ersten Instanz zur Schuldfrage gibt. Macht etwa der Angeklagte in der Berufungsinstanz eine atypisch kurze Fahrstrecke und -dauer geltend, weil er das Fahrzeug nur umgeparkt habe, lässt sich das in der Regel klären, ohne den erstinstanzlichen Feststellungen zu Tatort und Tatzeit zu widersprechen. Entsprechendes gilt, wenn die Staatsanwaltschaft eine besonders lange Fahrstrecke und -dauer behauptet, etwa jene Autobahnfahrt von Hamburg nach Kempten, wenn die erste Instanz als Tatort nur die Straße in Kempten festgestellt hat, in der die Polizei den Angeklagten kontrolliert hatte. In solchen Fällen macht es keine Probleme, den Schuldspruch samt den (Mini-mal-)Feststellungen, die ihm zugrunde liegen, als rechtskräftig zu behandeln.
Erst recht gilt dies, wenn sich das Berufungsgericht nicht einmal zu bemühen braucht, Feststellungen zu treffen, die auch den Schuldspruch berühren könnten. Dies ist der Fall, wenn das Berufungsgericht entweder keinen hinreichenden Anlass dafür hat, in die fragliche Richtung zu ermitteln, oder wenn kein geeignetes Beweismittel ersichtlich ist. So mag das Vorbringen des Angeklagten, er habe das Fahrzeug nur umgeparkt, substanzlos bleiben und so keine Ermittlungspflicht auslösen. Ebenso verhält es sich, wenn das Berufungsgericht sicher ist, dass die behaupteten Umstände selbst dann nicht zu bestimmenden Strafzumessungsfaktoren im Sinne des § 267 Absatz 3 Satz 1 StPO würden, wenn sie sich erweisen ließen (vgl. OLG Koblenz NZV 2013, 411 [412]). Der Fall, dass kein geeignetes Beweismittel ersichtlich ist, läge etwa dann vor, wenn die Staatsanwaltschaft einen Zeugen benennt, um eine Autobahnfahrt von Hamburg nach Kempten zu beweisen, und dieser Zeuge in der Berufungshauptverhandlung von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, ohne dass sich ein anderes Beweismittel anböte.
Auch in der Revision gibt es keine Schwierigkeiten, wenn man die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg ablehnt. Wiederum gilt dies ungeachtet der Frage, was zu gelten habe, wenn das Berufungsgericht Erkenntnisse gewonnen hat, die denen der ersten Instanz zur Schuldfrage widersprechen. Nimmt man analog der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Revision an, das Berufungsgericht sei an sämtliche Feststellungen der ersten Instanz zur Schuldfrage gebunden, kann eine Revision sowohl darauf gestützt werden, dass die Berufungsrichter diese Bindung verkannt hätten, als auch darauf, dass die Bindung zwar beachtet, der Rechtsfolgenausspruch aber gleichwohl in anderer Weise rechtsfehlerhaft zustandegekommen sei.
Geht man davon aus, dass die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung von der Beweisaufnahme des Berufungsgerichts abhängt – wie oben als vorzugswürdig erörtert -, so kommt es darauf an: Ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, bleibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, eine Aufklärungsrüge zu erheben mit der Begründung, das Berufungsgericht habe nicht oder nur unzureichend ermittelt, ob besondere Umstände von jener Art zu berücksichtigen gewesen wären, die in den Entscheidungen der Oberlandesgerichte München und Bamberg genannt werden. Ist das Revisionsgericht der gleichen Ansicht, hebt es das Urteil auf und verweist zu erneuter Verhandlung zurück. Entsprechendes gilt für eine Darstellungsrüge. Da die Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt gewesen ist, kann auch die neue Berufungshauptverhandlung zunächst nur den Rechtsfolgen gelten. Allerdings hat das Berufungsgericht wieder zu beachten, was oben schon ausgeführt ist: Solange die Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch ohne Widerspruch bleiben zu den Feststellungen, welche die erste Instanz für den Schuldspruch getroffen hatte, bleibt auch die Berufungsbeschränkung wirksam. Andernfalls bleibt sie dies nicht und hat das Berufungsgericht vollumfänglich eigene Feststellungen zu treffen.
Hat das Berufungsgericht zu Unrecht eine wirksame Berufungsbeschränkung angenommen – also Feststellungen getroffen, die den Feststellungen der ersten Instanz zum Schuldspruch widersprechen -, hebt das Revisionsgericht das Urteil insgesamt auf und verweist die Sache folglich zu einer neuen Verhandlung sowohl über den Schuldals auch über den Rechtsfolgenausspruch zurück.
Es ist daher insgesamt keine Notwendigkeit zu erkennen, in Fällen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch schon dann als unwirksam zu betrachten, wenn sich die erste Instanz für den Schuldspruch auf Feststellungen dazu beschränkt, wo und wann der Angeklagte mit welchem Fahrzeug vorsätzlich ohne die nötige Fahrerlaubnis gefahren sei.
Ferner müsste dies in der Praxis zu einer Fülle unnötiger Urteilsaufhebungen führen. Denn die weitaus meisten amtsgerichtlichen Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis enthalten zum Schuldspruch nur die besagten Mindestfeststellungen (König in der Festschrift für von Heintschel-Heinegg [2015] S. 257 [258, 264]). Dies auch zu Recht: § 267 Absatz 1 Satz 1 StPO verpflichtet den Richter lediglich, jene Tatsachen festzustellen, die den gesetzlichen Straftatbestand erfüllen. Darüber hinaus soll der Richter nach Satz 2 dieser Norm etwaige Indiztatsachen nennen, die ihn auf die Haupttatsachen haben schließen lassen, und muss er nach Absatz 3 die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Er hat aber keine Pflicht, sich zu sämtlichen denkmöglichen Umständen zu äußern, die bei abstrakter Betrachtung, wenn sie denn vorlägen, seine Entscheidung hätten beeinflussen können. Weder verpflichtet ihn § 244 Absatz 2 StPO, ohne Anhaltspunkte in Richtung sämtlicher solcher Umstände zu ermitteln; dies wäre bei Massendelikten wie dem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Trunkenheitsfahrten (für die Entsprechendes zu gelten hätte) in der Praxis auch unverhältnismäßig aufwendig (König am angegebenen Ort S. 261 f.; Sandherr, Anmerkung zu OLG Koblenz NZV 2013, 411 [413]). Noch ist ein Richter verpflichtet, sich zu theoretisch denkbaren Umständen zu verhalten, die in seinem Fall keine Rolle spielen. Soweit er hinsichtlich solcher Umstände schweigt, kann dies Begleiterscheinung eines Aufklärungs- oder Darstellungsmangels sein. Es kann aber auch alles seine Ordnung haben – und hat es meist.
Schließlich noch müsste man die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte München und Bamberg, träfe sie zu, auf sämtliche anderen Delikte übertragen. Denn diese Rechtsansicht enthält in der Sache keine Erwägung, die sie auf das Delikt des Fahrens ohne Fahrerlaubnis beschränkte. Auch eine Beschränkung auf die Straßenverkehrsdelikte ließe sich für sie nicht plausibel begründen. Da es aber aus oben genannten Gründen nicht in Frage kommt, die Auffassung der Oberlandesgerichte München und Bamberg auf andere Delikte auszudehnen, kann eine stimmige Lösung nur darin bestehen, sie auch für die Straßenverkehrsdelikte einschließlich § 21 StVG aufzugeben.
6. Die Vorlegungsfrage wurde vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden.
Es ist keine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ersichtlich, die jene in der Beschlussformel formulierte Frage bereits entschieden hätte.
IV.
Daher ist die Sache gemäß § 121 Absatz 2 Nummer 1 Alternative 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der in der Beschlussformel formulierten Frage vorzulegen.