Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Betäubungsmittelkonsums

Aktenzeichen  11 CS 18.1429

Datum:
22.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 997
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 8, § 14 Abs. 1 S. 2, § 46 Abs. 1, Anlage 4 Nr. 9.2.2

 

Leitsatz

Eine Gutachtensanordnung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 FeV setzt grundsätzlich keine über den Besitz hinausgehenden Anhaltspunkte für eine Einnahme voraus (vgl. OVG NRW BeckRS 2002, 20016). Nur im Falle der Einnahme oder des Besitzes von Cannabis setzt die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung bei verfassungskonformer Auslegung noch tatsächliche Anhaltspunkte für ein Konsum- und Bevorratungsverhalten voraus, das geeignet ist, Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen (vgl. VGH BW BeckRS 2010, 49182). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 8 S 18.248 2018-06-14 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, C1, M, L und S.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 20. Juli 2016 verurteilte das Amtsgericht Landshut den Antragsteller wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz einer verbotenen Waffe zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen.
Mit Schreiben vom 20. März 2017 gab das Landratsamt Landshut unter Hinweis auf den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt dem Antragsteller gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV auf, ein fachärztliches Gutachten zu der Frage beizubringen, ob er Betäubungsmittel oder andere psychoaktiv wirkende Substanzen einnehme oder eingenommen habe, die die Fahreignung nach Anlage 4 zur FeV in Frage stellten. Da die Fahreignung nach § 14 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bereits bei einmaligem Konsum von Betäubungsmitteln nicht mehr gegeben sei, begründeten die vorliegenden Informationen Zweifel an der Fahreignung. Sofern lediglich der Konsum von Cannabisprodukten gegeben sei, werde um Abklärung gebeten, ob gelegentliche oder regelmäßige Einnahme vorliege.
Das vorgelegte ärztliche Gutachten des TÜV Süd vom 8. August 2017 kam zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller keine Betäubungsmittel oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe einnehme, die die Fahreignung in Frage stellten. Es habe sich kein Anhalt auf einen aktuellen oder fortgesetzten Drogenkonsum ergeben. Die Angaben des Antragstellers seien allerdings nicht mit den aktenkundigen Tatsachen in Einklang zu bringen. Hier fehle die nötige Offenheit. Die erste von zwei Urinproben sei derart verdünnt gewesen, dass eine sichere Aussage über das Nichtvorhandensein der untersuchten Substanzen im Körper nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2017 bat die Polizeiinspektion Rottenburg a.d. Laaber das Landratsamt um die Prüfung der charakterlichen Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Nach dem polizeilichen Ermittlungsbericht ist der Antragsteller am 16. Juli 2017 in mutmaßlich alkoholisiertem Zustand gefahren und hat zum Nachteil seiner Freundin eine massive fortgesetzte Körperverletzung und eine Nötigung begangen. Die Alkoholisierung habe aufgrund der verspäteten Anzeigenerstattung nicht mehr objektiv festgestellt werden können. In ihrer Zeugenvernehmung gab die Freundin an, der Antragsteller sei betrunken gefahren. Sie wisse nicht, wieviel er getrunken habe, er habe jedoch sehr betrunken gewirkt. An dem Tag habe er keine Drogen konsumiert.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2018 entzog das Landratsamt dem Antragsteller gestützt auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV wegen fehlender Mitwirkung die Fahrerlaubnis und forderte ihn auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern. Des Weiteren ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an und drohte bezüglich der Abgabepflicht ein Zwangsgeld an. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der zweite Teil der Fragestellung, ob der Antragsteller in der Vergangenheit Betäubungsmittel eingenommen habe, aufgrund fehlender Aufklärungsbereitschaft nicht habe beantwortet werden können. Die erste Urinprobe sei derart verdünnt gewesen, dass man eine zweite Probe habe vornehmen müssen. Diese habe keine Hinweise auf derzeitigen Drogenkonsum ergeben. Der Antragsteller habe nicht ausreichend an der Klärung der Fahreignung mitgewirkt und die notwendigen zweckdienlichen Angaben nicht gemacht. Durch die Vereitelung der Aufklärung und Unerweislichkeit der Fahreignung ergebe sich aber keine Eignungsvermutung. Aufgrund der Zeugenaussage in dem anhängigen Ermittlungsverfahren und des unvollständigen Gutachtens bestünden die Zweifel an der Fahreignung fort. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV und sei nach § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV sofort vollziehbar. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Ziffer 2 des Bescheids sei notwendig, um bei Nichtbeachtung der Verpflichtung Zwangsmittel anwenden zu können. Es könne nicht bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtsmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis zugewartet werden, da von einer fehlenden Fahreignung auszugehen sei.
Hiergegen ließ der Antragsteller am 20. Februar 2018 durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage (RN 8 K 18.249) erheben und gleichzeitig Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO stellen. Mit Beschluss vom 14. Juni 2018 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag hinsichtlich der Ablieferungspflicht und des Zwangsgeldes statt und lehnte ihn im Übrigen ab. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klage gegen die Ablieferungspflicht werde zwar voraussichtlich erfolglos bleiben, jedoch sei das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs nicht nachvollziehbar begründet worden. Es fehle eine schlüssige, konkrete und substantiierte Darstellung der wesentlichen Erwägungen, warum ein weiteres Zuwarten mit der Vollziehung der Anordnung während des Klageverfahrens nicht möglich sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV seien erfüllt. Der Antragsteller habe aufgrund des dem Strafbefehl zugrundeliegenden Sachverhalts zweimal Betäubungsmittel mit dem Wirkstoff AKB-48F im Internet bestellt und bei der Wohnungsdurchsuchung am 10. März 2016 48 g Tabak-Marihuana-Gemisch, weitere 1,29 g Marihuana sowie insgesamt 6,01 g Haschisch aufbewahrt. Es seien keine Umstände dafür ersichtlich, dass der Besitz nicht den Verdacht der Einnahme rechtfertige. Die Angaben vor der ärztlichen Gutachterin am 3. Juli 2017 seien als Schutzbehauptungen zu werten. Das Konsummuster des Antragstellers habe aufgrund unzureichender Angaben nicht festgestellt werden können. Diese bereits im Gutachten festgehaltene Feststellung habe die Gutachterin am 22. September 2017 lediglich bestätigt. Selbst wenn von einer ergänzenden Stellungnahme auszugehen sei, zu der der Antragsgegner nicht die Einwilligung des Antragstellers eingeholt habe, stehe dies einer Verwertung der ärztlichen Aussage nicht entgegen.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Antragsteller die rechtmäßig angeordnete Überprüfung der Fahreignung durch Versagung seiner notwendigen und zumutbaren Mitwirkung (teilweise) verhindert habe. Der Schluss auf eine fehlende Fahreignung sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil die Gutachtensanordnung nicht formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig gewesen sei. Der bloße Besitz von Cannabis rechtfertige nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Schluss auf eine fehlende Fahreignung und auch keine Überprüfung der Fahreignung, da sich aus dem Besitz von Cannabis nicht ohne weiteres ein fehlendes Trennvermögen ableiten lasse. Aus der Anordnung ergäben sich keine Hinweise, die auf das ständige Vorhandensein fahreignungsrelevanter Leistungsdefizite schließen ließen. Es sei somit bereits zweifelhaft, ob ein hinreichender Verdacht zur Überprüfung der Fahreignung bestanden habe. Das nichtsdestotrotz vorgelegte Gutachten komme eindeutig zu einem positiven Ergebnis. Es seien keine Folgen eines früheren Drogenkonsums und keine Hinweise auf einen aktuellen Drogenkonsum festgestellt worden, so dass die behördliche Fragestellung vollständig beantwortet worden sei. Das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten sei auch verwertbar. Die Kontaktaufnahme mit der Gutachterin ohne Rücksprache mit dem Antragsteller sei rechtswidrig gewesen, so dass deren Inhalt nicht im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen werden könne. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe bei der Erstellung des Gutachtens nicht hinreichend mitgewirkt, treffe nicht zu. Außerdem habe der Fahreignungsgutachter eine zukunftsgerichtete Prognose zu erstellen, da es um den präventiven Schutz der Allgemeinheit gehe. Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Fehlens der Fahreignung in der Vergangenheit hätte repressiven Charakter. Desgleichen treffe die Annahme nicht zu, dass es sich bei der Aussage des Antragstellers, die bei ihm gefundenen Betäubungsmittel hätten seiner Verlobten gehört, um eine Schutzbehauptung handle. Es sei durch nichts belegt, dass der Antragsteller diese selbst konsumiert habe. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller als Rettungsassistent beruflich die eigenständige Versorgung von Notfallpatienten und der Krankentransport obliege, überwiege sein Suspensivinteresse gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners.
Der Antragsgegner erwidert, dass nach den vom Antragsteller bestellten und bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittelmengen und seiner Einlassung hierzu ein begründeter Verdacht auf Konsum von AKB-48F sowie auf regelmäßigen Cannabiskonsum im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV bestanden habe. Da der Antragsteller nach den gutachterlichen Feststellungen an der Aufklärung seines Betäubungsmittelkonsums in der Vergangenheit nicht hinreichend mitgewirkt habe und die körperlichen Untersuchungsbefunde einen früheren, die Fahreignung ausschließenden Betäubungsmittelkonsum nicht ausschließen könnten, sei ihm gemäß § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2162), in Kraft getreten am 1. Januar 2018, und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Januar 2018 (BGBl I S. 2), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Gutachtensanordnung rechtmäßig war. Nach der in § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV enthaltenen gesetzgeberischen Wertung kann der vergangene und aktuelle („besitzt oder besessen hat“) widerrechtliche Betäubungsmittelbesitz ein Hinweis auf die Einnahme von Betäubungsmitteln sein. Dabei muss der Besitz konkret nachgewiesen sein (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 11 CS 16.2605 – juris Rn. 11; B.v. 31.5.2011 – 11 CS 11.459 – juris Rn. 10 m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 14 FeV Rn. 17). Dies ist nach den strafgerichtlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 20. Juli 2017 der Fall. Neben Marihuana und Haschisch war der Antragsteller im Besitz von Produkten, die das synthetische Cannabinoid AKB-48F, ein nach Anhang II zum BtMG verkehrsfähiges, nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG, enthielten. Er ist wegen des Erwerbs von drei Produkten mit diesem Wirkstoff, die an seine Anschrift geliefert worden sind, verurteilt worden und hatte sich gegenüber der Polizei dahin eingelassen, dass er die im Internet bestellten Fläschchen schon lange nicht mehr besitze. Danach hatte er sie also auch nach eigenen Angaben einmal im Besitz. Die Angabe bei der ärztlichen Begutachtung, dass die aufgefundenen Drogen einer ehemaligen Verlobten gehört hätten, bezog sich ausdrücklich nur auf die bei der Wohnungsdurchsuchung am 10. März 2016 gefundenen Betäubungsmittel und damit nicht auf die knapp zwei Jahre zuvor bestellten Produkte mit dem Wirkstoff AKB-48F.
Eine Gutachtensanordnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV setzt grundsätzlich keine über den Besitz hinausgehenden Anhaltspunkte für eine Einnahme voraus (OVG NW, B.v. 22.11.2001 – 19 B 814/01 – NZV 2002, 427 = juris Rn. 10; Dauer, a.a.O.). Nur im Falle der Einnahme oder des Besitzes von Cannabis setzt die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung bei verfassungskonformer Auslegung noch tatsächliche Anhaltspunkte für ein Konsum- und Bevorratungsverhalten voraus, das geeignet ist, Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen (vgl. VGH BW, B.v. 20.4.2010 – 10 S 319/10 – VBlBW 2010, 323 = juris Rn. 5; Dauer, a.a.O.). Denn im Gegensatz zum Konsum sog. harter Drogen entfällt die Fahreignung nach Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV nicht schon bei einer einmaligen Einnahme von Cannabis, sondern erst bei regelmäßigem Cannabiskonsum oder bei gelegentlichem Konsum, wenn zusätzlicher Gebrauch von Alkohol vorliegt oder das Vermögen zur Trennung von Konsum und Fahren fehlt. Außerdem ist die Gutachtensanordnung nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann nicht ermessensgerecht, wenn besondere Umstände einen Betäubungsmittelkonsum des Fahrerlaubnisinhabers ausschließen, etwa weil sie dafür sprechen, dass er mit Betäubungsmitteln ausschließlich Handel getrieben hat (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1999 – 3 B 145.98 – juris Rn. 3; B.v. 30.12.1999 – 3 B 150.99 – NZV 2000, 345 = juris Rn. 4).
Mit dem Einwand, der bloße Besitz von Cannabis rechtfertige nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Schluss auf eine fehlende Fahreignung und auch keine Überprüfung der Fahreignung kann der Antragsteller allerdings nicht durchdringen, da feststeht, dass er auch im Besitz des Wirkstoffs AKB-48F war, der zu den synthetischen Cannabinoiden gehört. Bei diesen handelt es sich um psychoaktive Substanzen (vgl. Hahn/Kalus, Müncher Kommentar zum StVR, 1. Aufl. 2016, § 14 FeV Rn. 36) oder – wie bei AKB-48F – um Betäubungsmittel, die mit Cannabis nicht identisch sind, da sie andere Wirkstoffe haben (vgl. Anlage I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG), anders wirken und nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtlich anders eingeordnet sind. Auch wenn sie meistens ein dem in Cannabis enthaltenen Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) ähnliches Wirkungsspektrum haben, haben sie teilweise vielfach stärkere Wirkungen und Nebenwirkungen (Patzak in Körner/Patzak/ Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 8. Aufl. 2016, Teil 1 Kap. 2 Rn. 82). AKB-48F wirkt mindestens dreimal stärker als THC und ist weitaus gefährlicher, da es starke, auch lebensbedrohliche Nebenwirkungen hat (Weber, BtMG, 5. Aufl. 2017, § 29a Rn. 103; vgl. auch LG Ravensburg, U.v. 6.3.2015 – 2 KLs 23 Js 21719/13 – juris Rn. 86: 2 g AKB-48F entsprechen ungefähr der Wirkung von 6-7 g THC bzw. müsste der Betreffende, um diese Menge zu konsumieren, 60 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10% rauchen). Die im strafrechtlichen Sinn nicht geringe Menge von AKB-48F wurde bei 2 g angenommen (LG Ravensburg, a.a.O., die Revision gegen das Urteil hat der BGH mit B.v. 4.8.2015 verworfen, Anm. der Schriftleitung von beckonline), während sie bei THC bei 7,5 g liegt (Patzak, BtMG, § 29a Rn. 64). AKB-48F wird in Anlage II des BtMG als verkehrsfähiges, nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel geführt, während Cannabis nach Anlagen I und III des BtMG zum Teil als nicht verkehrsfähig und im Übrigen als verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel eingestuft ist. Der Antragsgegner hat den Betäubungsmittelbesitz des Antragstellers folglich zu Recht nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV und nicht nach Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV beurteilt.
Dessen ungeachtet lagen auch hinsichtlich Cannabis (Haschisch und Marihuana) Anhaltspunkte für ein Konsumschema vor, das Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung bot. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen besaß der Antragsteller die bei ihm aufgefundenen Cannabisprodukte zum Eigenkonsum. Er hat Cannabissamen im Internet bestellt und besaß im Zeitpunkt der Wohnungsdurchsuchung eine Cannabispflanze. In seinem Zimmer wurden ferner Rauschgiftutensilien, 48 g Tabak-Marihuana-Gemisch, weitere geringere Einzelmengen an Marihuana und Haschisch (insgesamt 6,01 g) sowie 17 g Aschegemisch im Aschenbecher und zehn Joint-Reste aufgefunden, desgleichen ein angerauchter Joint in seinem Pkw, was in der Zusammenschau die Annahme eines einmaligen, experimentellen Konsums ausschließt und auf einen häufigeren bis regelmäßigen Konsum von Cannabisprodukten hinweist. So muss nach den von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin herausgegebenen Beurteilungskriterien (vgl. Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, 3. Aufl. 2013, eingeführt als aktueller Stand der Wissenschaft mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132], S. 192 Kriterium D 4.1 N) ab einer Vorratshaltung von mehr als 5 g Haschisch von einem regelmäßigen Konsum ausgegangen werden. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die nicht weiter substantiierte Behauptung gegenüber der ärztlichen Gutachterin am 3. Juli 2017, die am 10. März 2016 aufgefundenen Drogen hätten einer ehemaligen Verlobten gehört, nicht glaubhaft ist und keinen gewichtigen Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen darstellt, an denen er sich festhalten lassen muss (vgl. BayVGH, U.v. 17.11.2015 – 11 BV 14.2738 – juris Rn. 19 m.w.N.). Konkrete nachprüfbare Angaben zur Person einer ehemaligen Verlobten, der die zeitlich im Zusammenhang mit der Wohnungsdurchsuchung an einem Donnerstagmorgen um 7:05 Uhr in seinem Zimmer aufgefundenen gerauchten Betäubungsmittelreste und der später in seinem Pkw aufgefundene Rest eines Joints zuzuordnen sein könnten, und deren Konsumverhalten hat der Antragsteller nicht gemacht. Nachdem keine besonderen Umstände erkennbar waren, die für eine Weitergabe an Dritte gesprochen oder sonst einen Betäubungsmittelkonsum ausgeschlossen hätten, bot der Sachverhalt auch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen die Fahreignung ausschließenden Cannabiskonsum. Dass der Antragsgegner mit Blick auf die vorhandenen Betäubungsmittelutensilien, die angerauchten Betäubungsmittelrückstände und den Anbau von Cannabis ggf. auch eine Gutachtensanordnung auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Nr. 2 FeV hätte erlassen können, führt nicht zu Rechtswidrigkeit der Anordnung.
Der weitere Einwand, das ärztliche Gutachten vom 8. August 2017 sei positiv ausgefallen und habe die von der Fahrerlaubnisbehörde gestellten Fragen zu Gunsten des Antragstellers beantwortet, trifft nicht zu. Ebenso wenig trifft die Behauptung zu, dass der Antragsteller erwiesenermaßen keine Betäubungsmittel nehme. Vielmehr konnte die Gutachterin nur einen Teil der gestellten Frage beantworten und bei ihrer Momentaufnahme am 3. Juli 2017 lediglich keine Folgen eines früheren Drogenkonsums und keinen Anhalt für einen aktuellen oder fortgesetzten Drogenkonsum finden. Dabei war der abgegebene Urin an diesem Tag regelwidrig derart verdünnt, dass eine sichere Aussage über das Nichtvorhandensein der untersuchten Substanzen nicht möglich und davon auszugehen war, dass der Antragsteller – wohl nicht ohne Grund – die Untersuchung vereitelt hat. Weiter zweifelte die Gutachterin in Anbetracht der aktenkundigen Tatsachen an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben und stellte fest, dass die nötige Offenheit im Gespräch fehle. Zudem ist die frühere Aufnahme von Betäubungsmitteln zeitlich nur begrenzt in Körpersubstanzen nachweisbar, im Urin in der Regel nur für die Dauer von einem bis zu vier Tagen (Ausnahme: bei intensivem Cannabiskonsum mehrere Wochen; vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl. 2005, S. 177 ff., 179 Tabelle 2). Eine einmalige Urinuntersuchung hat damit nur eine sehr begrenzte Aussagekraft. Ob der Antragsteller in der Vergangenheit Betäubungsmittel eingenommen hat, blieb ungeklärt. Die Antwort auf diese Frage wäre aber wesentlich gewesen, da die bloße Abstinenz nicht zur Wiedererlangung einer durch einen einmaligen Betäubungsmittelkonsum verloren gegangenen Fahreignung führt und auch über einen bestimmten Zeitraum (regelmäßig mindestens ein Jahr) hinweg einzuhalten und nachzuweisen wäre (Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand: 24.5.2018, S. 78; Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, S. 184, Nr. 4 des Kriteriums D 2.4 N, S. 190, Nr. 1 und 2 des Kriteriums D 3.4 N). Hinzu kommt der regelmäßig durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führende Nachweis eines stabilen Einstellungswandels. Somit beschränkt sich der Auftrag des Fahreignungsgutachters nicht nur auf die Erstellung einer zukunftsgerichteten Prognose, sondern beinhaltet zunächst die Feststellung möglichst aller, auch in der Vergangenheit liegender Umstände als Grundlage seiner Prognose.
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das vom Antragsteller nicht autorisierte Telefonat zwischen der Fahrerlaubnisbehörde und der Gutachterin am 13. September 2017, in dem letztere ihre Zweifel lediglich nochmals bestätigt hat, nicht für entscheidungserheblich gehalten hat.
Ferner hat das Verwaltungsgericht das Verhalten des Antragstellers bei der Begutachtung zu Recht als teilweise Weigerung, sich untersuchen zu lassen, gewertet, die eine Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV rechtfertigt. Eine Weigerung im Sinne von § 11 Abs. 8 FeV kann nicht nur in einer Verweigerung der Begutachtung als solcher liegen, sondern auch darin, dass der Betroffene die Untersuchung teilweise verweigert oder unmöglich macht, indem er etwa wie hier unzureichend mitwirkt und keine wahren Angaben macht oder eine verwertbare Urinprobe vereitelt (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2018 – 11 CS 18.1777 – juris Rn. 23; NdsOVG, U.v. 15.4.2014 – 12 LB 64/13 – DAR 2014, 475 = juris Rn. 46; OVG Hamburg, B.v. 27.8.2003 – 3 Bs 185/03 – NJW 2004, 2399).
Da der Verdacht eines Konsums sog. harten Drogen nicht ansatzweise aufgeklärt werden konnte und keinerlei Erkenntnisse über die Einstellung des Antragstellers und einen eventuellen Einstellungswandel vorliegen, kommt angesichts der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter Auflagen wegen der privaten, insbesondere beruflichen Interessen des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO nicht in Betracht. Der Umstand, dass dem Antragsteller bisher noch keine Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Betäubungsmitteln nachgewiesen wurde, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Auch ist die Fahrerlaubnisbehörde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht gehalten, vom Vollzug eines rechtmäßigen Entziehungsbescheides abzusehen, um einem Betroffenen die Gelegenheit einzuräumen, die (zukünftige) Wiedererlangung der Fahreignung nachzuweisen (BayVGH, B.v. 6.11.2018 – 11 CS 18.821 – juris Rn. 18). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 13), so dass Nachweise über die Wiedererlangung der Fahreignung erst im Wiedererteilungsverfahren berücksichtigt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2017 – 11 CS 17.1483 – juris Rn. 27). Erlangt der Betroffene seine Fahreignung nach Erlass des Entziehungsbescheides wieder, sieht das Gesetz eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis vor (vgl. BayVGH B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris Rn. 18 ff.).
Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 und Nr. 46.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Illegale Müllentsorgung

Warme Sonnenstrahlen bringt der Frühlingsanfang mit sich und lockt die Menschen vor die Türe. Hier wird auf öffentlichen Plätzen gegrillt, dort eine Flasche Wein getrunken - was häufig bleibt ist der liegengebliebene Müll.
Mehr lesen