Aktenzeichen Au 7 K 17.1392
FeV § 14 Abs. 1 S. 3
VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Aus der Empfehlung der Grenzwertkommission aus September 2015 folgt lediglich, dass bei einer THC-Konzentration ab 3,0 ng/ml im Blutserum entweder zeitnaher oder häufiger Konsum vorliegen muss, nicht aber, dass erst ab einer solchen THC-Konzentration von einer möglichen Beeinträchtigung der Fahrsicherheit und fehlendem Trennungsvermögen auszugehen wäre. Im Gegenteil kann auch unterhalb eines solchen Werts die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit bestehen. (Rn. 45 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Form der Entscheidung schriftlich einverstanden erklärten (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.
Der Bescheid des Beklagten vom 22. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt der Begründung in dem streitgegenständlichen Bescheid und in dem den Beteiligten bekannten Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 23. Oktober 2017 (Az.: Au 7 S 17. 1393) und sieht daher insoweit von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (analog § 117 Abs. 5 VwGO).
An diesem Ergebnis ändert auch der von Klägerseite mit Schreiben vom 1. März 2018 vorgebrachte Einwand nichts, dass entsprechend neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse eine Trennung von Konsum und Fahren erst ab einer THC-Konzentration im Blut von 3,0 ng/ml nicht mehr gegeben sein soll.
Zu dieser Frage hat der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in dem Beschluss vom 23. Mai 2016 (Az: 11 CS 16.690 – juris Rn. 16 ff.) ausführt:
„Richtig ist zwar, dass die Grenzwertkommission in ihrer Verlautbarung vom September 2015 empfohlen hat, bei (mindestens) gelegentlichem Cannabiskonsum eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu verneinen, wenn im Blutserum eine THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr festgestellt wurde. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass nicht auch unterhalb eines solchen Werts die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat den insoweit zu Grunde zu legenden Gefährdungsmaßstab im Hinblick auf die staatliche Pflicht, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, und die schwerwiegenden Gefahren, die von Kraftfahrzeugführern, die in ihrer Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sind, für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer ausgehen können, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 24a StVG (B.v. 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 – NJW 2005, 349) dahingehend definiert, dass eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit durch den Cannabiskonsum sicher ausgeschlossen sein müsse. Nur dann, wenn eine solche Beeinträchtigung durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten könne, liege eine ausreichende und im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch hinnehmbare Trennung zwischen Konsum und Fahren vor (BVerwG, U.v. 23.10.2014 a.a.O. Rn. 32-36).
Hiervon ausgehend ergibt sich aus der genannten Empfehlung der Grenzwertkommission lediglich, dass bei einer THC-Konzentration ab 3,0 ng/ml im Blutserum entweder zeitnaher oder häufiger Konsum vorliegen muss, nicht aber, dass erst ab einer solchen THC-Konzentration von einer möglichen Beeinträchtigung der Fahrsicherheit und fehlendem Trennungsvermögen auszugehen wäre. Vielmehr sieht auch die Grenzwertkommission ausdrücklich keine Veranlassung zu einer Neubewertung des von ihr am 20. November 2002 beschlossenen und durch weiteren Beschluss vom 22. Mai 2007 bekräftigten Grenzwerts von 1,0 ng/ml zu § 24a Abs. 2 StVG (vgl. Blutalkohol 2015, 323). Die Empfehlung, bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen nach Teilnahme am Straßenverkehr und einer festgestellten THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum eine Trennung von Konsum und Fahren zu verneinen, hat die Grenzwertkommission vor dem Hintergrund des Umstands ausgesprochen, dass erhöhte THC-Konzentrationen bei chronischem Konsum „auch noch einige Tage nach dem letzten Konsum feststellbar sein können, also zu einem Zeitpunkt, an dem sicher keine akute Beeinflussung der Leistungsfähigkeit mehr vorliegt“ (Blutalkohol a.a.O. S. 323). Damit hat sie aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass unterhalb einer solchen THC-Konzentration eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch den Cannabiskonsum grundsätzlich ausgeschlossen ist. Andernfalls hätte sie unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Dezember 2004 (a.a.O. Rn. 29), wonach für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG eine THC-Konzentration festgestellt werden muss, die es als möglich erscheinen lässt, dass der Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war, an ihrem empfohlenen Grenzwert von 1,0 ng/ml für die Anwendung dieses Ordnungswidrigkeitentatbestands nicht explizit festhalten können.
Bestätigt wird dies durch die Ausführungen des Vorsitzenden der Grenzwertkommission in einem Verfahren beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (U.v. 20.1.2016 – 9 K 1253/15 – juris Rn. 50 ff.). Danach sei es auch bei gemessenen Werten von unter 2 ng/ml THC nicht ausgeschlossen, dass es zu einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit komme (a.a.O. Rn. 56). Zwar könne unterhalb eines solchen Werts nicht positiv festgestellt werden, ob sich das Leistungsverhalten des Betroffenen durch die Einwirkung von THC verschlechtert habe (a.a.O. Rn. 58). Auch lasse ein Wert von 1 ng/ml THC aufgrund der im Laufe des Abbauprozesses stetig steigenden Halbwertzeiten und des sich daraus ergebenden Kurvenverlaufs nicht zwingend darauf schließen, dass der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden vor der Blutentnahme stattgefunden habe. Bei gelegentlichen Konsumenten könne jedenfalls erst ab einem Wert von 3 ng/ml THC auf einen zeitnahen Cannabiskonsum geschlossen werden (a.a.O. Rn. 73-76). Zu einer Verkehrsbeeinträchtigung könne es aber bereits bei 1 ng/ml THC im Blutserum kommen (a.a.O. Rn. 83, 96).
Daraus ergibt sich, dass die Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 in erster Linie wohl den Umstand im Blick hat, dass bei häufigem Konsum auch noch einige Tage nach dem letzten Konsum erhöhte THC-Konzentrationen feststellbar sein können und in solchen Fällen eine THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr zwar nicht unbedingt als Beleg für einen zeitnahen Konsum herangezogen werden kann, in jedem Fall aber auf fehlendes Trennungsvermögen schließen lässt. Hinsichtlich der hiervon zu unterscheidenden Frage, bei welcher THC-Konzentration die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit nicht mehr ausgeschlossen werden kann, geht aus der Empfehlung der Grenzwertkommission aber keine Abkehr von den bisherigen Verlautbarungen hervor. Angesichts der Klarstellungen des Vorsitzenden der Grenzwertkommission gegenüber dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verbleibt es daher bei dem zuletzt maßgeblichen Risikogrenzwert von 1 ng/ml THC für das fehlende Trennungsvermögen wegen möglicher Beeinträchtigung der Fahrsicherheit (ebenso VG Gelsenkirchen a.a.O. Rn. 97; VG Düsseldorf, B.v. 24.11.2015 – 14 L 3652/15 – juris Rn. 33 ff.; VG Münster, B.v. 2.12.2015 – 10 L 1391/15 – VD 2016, 50 Rn. 17 ff.; VG Aachen, B.v. 7.3.2016 -3 L 972/15 – juris Rn. 12 ff.; ähnlich VG Mainz, U.v. 20.1.2016 – 3 K 509/15. MZ – juris Rn. 25 ff.; offen, aber im Wege der Interessenabwägung zu Lasten des Fahrerlaubnisinhabers entscheidend VG Düsseldorf, B.v. 30.11.2015 – 6 L 3751/15 – juris; zur Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit ab 1 ng/ml THC bei Gelegenheitskonsumenten vgl. auch Patzak in Körner/ Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 8. Auflage 2016, vor §§ 29 ff. Rn. 389 unter Hinweis auf die Ergebnisse der sog. 1. Maastricht-Studie).“
Letztlich kann die Frage für die Entscheidung des vorliegenden Falls dahingestellt bleiben, da durch die an den Kläger gerichtete Aufforderung des Beklagten vom 23. Mai 2017, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, erst aufgeklärt werden soll, ob der Kläger die Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme hat bzw. der vorliegende gelegentliche Konsum sowie weitere Tatsachen Zweifel beim Kläger begründen, ein Kraftfahrzeug zu führen. Es wurde vom Beklagten nicht aufgrund des beim Kläger festgestellten THC-Wertes im Blut von 2,6 ng/ml davon ausgegangen, dass beim Kläger das Trennvermögen fehlt. Vielmehr ist der Bescheid vom 25. April 2017, mit dem – ausgehend von der Annahme eines mangelnden Trennvermögens – die Fahrerlaubnis entzogen wurde, vom Beklagten unter dem 23. Mai 2017 aufgehoben worden.
Damit war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Entgegen der Auffassung der Klägerseite war die Berufung nicht zuzulassen, da vorliegend kein Grund im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO gegeben ist (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).