Aktenzeichen 11 CS 16.38
FEV Anlage 4 Nr. 9.1
Leitsatz
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.
Bei einer Verkehrskontrolle am 25. März 2015 stellte die Polizei beim Antragsteller mit einer Drogenvortestlampe eine verlangsamte Pupillenreaktion und leicht gerötete Augen fest. Ein daraufhin durchgeführter Urin-Drogenvortest ergab ein positives Ergebnis auf Amphetamin. Dem Polizeibericht zufolge erklärte der Antragsteller hierzu, vor zwei Wochen einmal Amphetamin konsumiert zu haben. Eine chemisch-toxikologische Analyse der mit seiner Einwilligung entnommenen Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München erbrachte nach dortiger Mitteilung vom 8. Juni 2015 keinen sicheren Hinweis auf Betäubungsmittelkonsum.
Mit Bescheid vom 21. September 2015 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur Abgabe des Führerscheins. Über die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 abgelehnt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Der Antragsteller müsse sich an seiner von der Polizei dokumentierten Einlassung, er habe zwei Wochen vor der Kontrolle Amphetamin konsumiert, festhalten lassen. Selbst eine nur einmalige Einnahme von Amphetamin führe auch ohne Bezug zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr regelmäßig zum Verlust der Fahreignung. Das negative Ergebnis der Blutuntersuchung lasse sich aufgrund der unterschiedlichen Nachweisdauer im Blut gegenüber der im Urin erklären und könne daher den positiven Urinvortest nicht widerlegen.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, lässt der Antragsteller im Wesentlichen vortragen, der Urinvortest habe nur Indizwirkung und gegenüber dem Ergebnis der Blutuntersuchung keinen gleichwertigen Beweiswert. Der zunächst positive Befund sei durch das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der LMU widerlegt. Außerdem sei der Antragsteller bei der polizeilichen Kontrolle nicht über seine Rechte belehrt worden. Deshalb unterlägen seine angebliche Aussage und der Urintest einem Verwertungsverbot. Er bestreite weiterhin, einen Amphetaminkonsum zwei Wochen vor der Verkehrskontrolle eingeräumt zu haben. Das Verwaltungsgericht habe die angebliche Aussage des Antragstellers selektiert verwertet und die Unstimmigkeit eines Konsums zwei Wochen vor der Kontrolle und der maximal viertägigen Nachweisbarkeit von Amphetamin im Urin außer Acht gelassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), lassen nicht erkennen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig wäre.
1. Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV]) vom 18. Dezember 2010 (BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2015 (BGBl S. 1674). Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens (§ 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 7 FeV).
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber mindestens einmal sogenannte harte Drogen wie Amphetamin konsumiert hat (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris Rn. 5 ff. m. w. N.).
a) Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller zumindest in den Tagen vor der Verkehrskontrolle am 25. März 2015 Amphetamin konsumiert hat. Hierfür spricht zum einen der positive Urin-Schnelltest und zum anderen die im Polizeibericht dokumentierte Einlassung des Antragstellers bei der Verkehrskontrolle, zwei Wochen zuvor Amphetamin konsumiert zu haben. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Antragsteller, der die Einlassung lediglich pauschal bestreitet, sich gegenüber den Polizeibediensteten entsprechend geäußert hat.
Der Konsum ist auch nicht durch das negative rechtsmedizinische Ergebnis der Blutuntersuchung widerlegt. Insoweit besteht kein Widerspruch zwischen dem Drogenschnelltest und dem Befund des Instituts für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München. Während Amphetamin im Blut lediglich ca. 6 Stunden nach Konsumende nachweisbar ist, beträgt die Nachweisdauer im Urin ca. 1 bis 3 Tage (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 8. Auflage 2016, vor §§ 29 ff. Rn. 386 und ‚Stoffe‘ Rn. 266). Bei einem Konsum, der im Zeitpunkt der Blutentnahme mehr als 6 Stunden, aber weniger als 3 Tage zurückliegt, kann es daher zu unterschiedlichen Ergebnissen einer Urin- und Blutuntersuchung kommen.
Auch die Zeitangabe des Antragstellers zum Konsum führt nicht dazu, dass dieser fahrerlaubnisrechtlich irrelevant wäre. Zwar wäre zwei Wochen nach dem Konsum mit einem negativen Ergebnis der Urinuntersuchung zu rechnen. Allerdings spricht das positive Ergebnis des Drogenschnelltests dafür, dass der Konsum entgegen den Angaben des Antragstellers später stattfand. Unabhängig davon wäre der Antragsteller aber auch bei Richtigkeit seiner Zeitangabe zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet.
b) Die Einlassung des Antragstellers gegenüber den Polizeibediensteten und das Ergebnis der Urinuntersuchung unterliegen auch keinem Verwertungsverbot. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Fahrerlaubnisrecht kein allgemeiner, von der gesetzlichen Normierung unabhängiger Rechtsgrundsatz besteht, dem zufolge Äußerungen eines Betroffenen in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren nur verwertet werden dürfen, wenn er zuvor auf sein Schweigerecht hingewiesen wurde. Ein Beweisverwertungsverbot ist jedenfalls – von einer hier nicht vorliegenden Blutentnahme unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO abgesehen (BVerfG, B.v. 28.6.2014, NJW 2015, 1005 Rn. 13) – als Ausnahme nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen nach Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall anzuerkennen, insbesondere bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder dem Vorliegen eines besonders schweren Verfahrensfehlers (BayVGH, B.v. 31.5.2012 – 11 CS 12.807 u. a. – juris Rn. 13; B.v. 9.5.2012 – 11 ZB 12.614 – juris Rn. 3; B.v. 17.6.2009 – 11 CS 09.833 – juris Rn. 11 f.; ebenso OVG NW, B.v. 26.11.2015 – Blutalkohol 53, 78 Rn. 12-18; B.v. 2.9.2013 – 16 B 976/13 – juris Rn. 2-6). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).