Strafrecht

Erfolglose Klage gegen Ausweisung

Aktenzeichen  M 12 K 17.1105

Datum:
28.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133505
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 8
AufenthG § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 6 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Liegt die Ursache begangener Straftaten (auch) in einer Suchtmittelabhängigkeit, so kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Ausländer nicht erfolgreich eine Therapie abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht und sich in Freiheit bewährt hat (ebenso BayVGH BeckRS 2015, 56386). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Verlöbnis ist nicht einer nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK geschützten Ehe gleichzustellen. Ein Verlöbnis hat allenfalls die „Vorwirkung“ einer Ehe, wenn die Eheschließung und der Beginn der ehelichen Lebensgemeinschaft unmittelbar bevorstehen (ebenso BayVGH BeckRS 2016, 55749). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 16. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
I.
Die Ausweisung des Klägers aus der BRD durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Maßgeblicher Zeitpunkt zur rechtlichen Überprüfung der Ausweisung sowie der weiteren durch den Beklagten getroffenen Entscheidungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. nur BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 12).
Die Ausweisungsentscheidung des Beklagten ist rechtmäßig. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der BRD gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
1. Vom Kläger geht eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, § 53 Abs. 1 AufenthG. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). Dabei gilt für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 16 m.w.N.). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Kläger die Gefahr der Begehung von weiteren Straftaten ausgeht.
Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts M… vom … Juni 2016 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Unter Berücksichtigung der vom Kläger bei seinen Taten gezeigten kriminellen Energie und des festgestellten Drogenabhängigkeitssyndroms ist die Wiederholungsgefahr beim Kläger gegeben. Der Kläger wurde in der Vergangenheit bereits wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt, so wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts F… vom … Juni 2009 wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die abgeurteilten Straftaten verübte der Kläger unter anderem zur Beschaffung von Betäubungsmitteln. Liegt, wie beim Kläger, die Ursache der begangenen Straftaten (auch) in der Suchtmittelabhängigkeit, so kann nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH‚ B.v. 26.11.2015 – 10 ZB 14.1800 – juris; B.v. 18.7.2014 – 10 ZB 13.2440 – juris; B.v. 14.11.2012 –10 ZB 12.1172 – juris) von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger nicht erfolgreich eine Therapie abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende nicht glaubhaft gemacht und sich in Freiheit bewährt hat. Der Kläger hat bislang keine Therapie abgeschlossen. Auch wenn der Kläger nun therapiewillig und -einsichtig ist, muss er erst den Beweis antreten, dass er tatsächlich auch außerhalb des überwachten Haftrahmens ein straf- und drogenfreies Leben führen kann. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger in der JVA in der jüngeren Vergangenheit eine positive Entwicklung genommen hat. Die Situation in der Haft kann nicht verglichen werden mit der Situation in Freiheit. Zudem war das vollzugliche Verhalten des Klägers ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts L… vom … Februar 2011 bereits in der Vergangenheit beanstandungsfrei und der Beklagte sah von einer Ausweisung ab, ohne dass dies den Kläger davon abgehalten hätte, erneut Straftaten zu begehen. Gleiches gilt für den vom Kläger vorgetragenen sozialen Empfangsraum in Form der Beziehung zur Frau Ö. und einer Wohnmöglichkeit bei dieser und Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach der Haftentlassung, da diese Situation ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts L… vom … Februar 2011 durch die Beziehung zu seiner ehemaligen Ehefrau und des Arbeitsplatzes als …helfer bereits einmal 2011 und somit vor der letzten Verurteilung bestand. Doch auch dieser soziale Empfangsraum konnte den Kläger nicht davon abhalten, Straftaten zu begehen. Es kann gerade nicht vorausgesagt werden, ob der Kläger eine Therapie erfolgreich beenden und aufgrund dessen beim Kläger tatsächlich keine Wiederholungsgefahr mehr bestehen wird. Daher kann derzeit nicht von einer Drogenfreiheit und damit von einem Entfallen der Wiederholungsgefahr die Rede sein. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Verlauf einer begonnenen Therapie oder gar den Verlauf der Strafhaft abzuwarten, bevor er über eine Ausweisung entscheidet (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.2013 – 1 B 22.12 – juris). Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch die bei den Straftaten gezeigte Professionalität des Klägers in Form des Streckens der Betäubungsmittel zusätzlich für eine Wiederholungsgefahr spricht.
Die Ausweisung verfolgt im Übrigen – neben dem spezialpräventiven Zweck zu verhindern, dass der Kläger weitere Straftaten begeht – gleichzeitig auch den Zweck zu verhindern, dass andere Personen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden wie der Kläger, mithin ausländische Personen mit einer langer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet, es ihm nachtun, indem sie zeigt, dass ein derartiges Verhalten aufenthaltsrechtliche Folgen zeitigt (vgl. zu der Zulässigkeit generalpräventiver Zwecke auch nach neuem Recht: BayVGH, B.19.9.2016 – 19 CS 15.1600 – juris Rn. 34; U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris Rn. 38 und B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 10). Es entspricht insofern auch der Verwaltungspraxis des Beklagten, im Fall von Drogenhandel – freilich unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls – eine Ausweisung anzuordnen.
2. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt.
a) § 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet nach dieser Gesamtabwägung überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die Katalogisierung in den §§ 54, 55 AufenthG schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände nicht aus (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Die Aufzählung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien ist aber nicht abschließend (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung maßgeblich auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner, Nr. 46410/99 – juris; EGMR, U.v. 2.8.2001 – Boultif, Nr. 54273/00 – InfAuslR 2001, 476-481). Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie die Ernsthaftigkeit der Schwierigkeiten, welche die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (VG Oldenburg, U.v. 11.1.2016 – 11 A 892/15 – juris Rn. 24).
b) Im Hinblick auf den Kläger besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Denn er wurde 2016 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
c) Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber. Denn der Kläger ist seit 1. Juni 2005 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.
d) Die nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG durchzuführende Gesamtabwägung ergibt unter Berücksichtigung der §§ 54, 55 AufenthG und unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass die Ausweisung des Klägers rechtmäßig ist, weil das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse überwiegt.
Im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände kann festgestellt werden, ob das Interesse an der Ausweisung das Bleibeinteresse überwiegt (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49). Vorliegend überwiegt das besonders schwere Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Interessen des Klägers an einem Verbleib in der BRD, insbesondere sprechen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht gegen die Ausweisung des Klägers.
(1) Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Die Behörde darf nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden (Bauer in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, Vor §§ 53-56 Rn. 96 ff.). Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, in die sämtliche Aspekte des Einzelfalls einzustellen sind.
Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Klägers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris – Rn. 16; BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Insofern beanspruchen die oben zu Art. 8 EMRK genannten Kriterien auch Geltung für die Beantwortung der Frage, ob der vorliegende Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG ist.
(2) Der Kläger wurde 1978 in der Dominikanischen Republik geboren und befindet sich seit 2002 im Bundesgebiet. Zudem hat der Kläger in den Jahren vor seiner letzten Inhaftierung mehrfach sein Heimatland besucht. Zudem verfügt der Kläger in seinem Heimatland über familiäre Bindungen in Form seiner Eltern und Kinder. Daher geht das Gericht davon aus, dass der Kläger die Sprache seines Heimatlandes beherrscht und ihm die Gebräuche in seinem Heimatland auch nicht völlig fremd sein dürften, mag er sich auch an die Lebensgewohnheiten in Deutschland gewöhnt haben. Der Kläger ist nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit unzumutbar wäre. Er kann die ggf. vorhandenen kulturellen Hürden mit einiger – zumutbarer – Anstrengung überwinden und sich in sein Heimatland integrieren. Daher wird sich der Kläger in seinem Heimatland eine neue Existenz aufbauen können.
(3) Weiter ist vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK und des Art. 6 GG zu berücksichtigen, dass die minderjährige Tochter des Klägers in Deutschland lebt und er guten Kontakt zu ihr pflegt. Auch in der Haft besucht ihn seine Tochter regelmäßig. Somit ergibt sich, dass die Abschiebung des Klägers sowohl für seine Kinder als auch für ihn selbst einen tiefgreifenden Eingriff darstellt. Allerdings ist auch zu sehen, dass sich Vater und Tochter wenig gesehen haben, da der Kläger aufgrund der Haft er nur etwa 5 Monate für seine Tochter sorgen konnte, als diese noch ein Säugling war, und somit ein gemeinsames Leben mit ihr damit nur sehr kurzzeitig geteilt hat. Dennoch ist mit Blick auf die erheblichen Straftaten und die vom Kläger ausgehende immense Wiederholungsgefahr für hochrangige Rechtsgüter dessen Abschiebung auch vor dem Hintergrund des Kindeswohls und der familiären Beziehung des Klägers zu seinen Kindern verhältnismäßig. Zumal die Tochter des Klägers am … 2015 und somit vor der Begehung der mit Urteil vom 23. Juni 2016 abgeurteilten Straftaten geboren wurde und somit auch ihre Geburt den Kläger nicht von Straftaten hatabhalten können. Die vom Kläger begangenen Betäubungsmitteldelikte sind besonders schwerwiegende Straftaten und dürfen daher in die Abwägung mit dem entsprechenden Gewicht eingestellt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger in der Dominikanischen Republik nicht unmöglich sein wird, den bestehenden Telefon- und Briefkontakt aufrechtzuerhalten und auszuweiten, da die Beschränkungen der Haft wegfallen. Die vom Kläger ersehnte Intensivierung des Kontakts zu seiner Tochter ist aus dem Ausland nur zu einem gewissen Grad möglich, jedoch kann die bestehende Beziehung aufrechterhalten werden.
Weiter ist vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK und des Art. 6 GG zu berücksichtigen, dass der Kläger mit Frau Ö. verlobt ist und er einen guten Kontakt zu seiner Verlobten pflegt. Auch in der Haft besuchte diese ihn ausweislich der Besucherlisten regelmäßig. Ein Verlöbnis ist allerdings nicht einer nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK geschützten Ehe gleichzustellen. Ein Verlöbnis hat allenfalls die „Vorwirkung“ einer Ehe, wenn die Eheschließung und der Beginn der ehelichen Lebensgemeinschaft unmittelbar bevorstehen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dies ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Der Klägerbevollmächtigte hat selbst angegeben, dass die Eheschließungsunterlagen am 3. Juli 2017 an die deutsche Botschaft in der Dominikanischen Republik übersandt wurden und die dortige Bearbeitungszeit ca. vier Monate beträgt. Anschließend kann die Anmeldung der Eheschließung erfolgen und der gesamte Vorgang im Zusammenhang mit dem Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses an das Oberlandesgericht München übermittelt werden. Dort beträgt die Bearbeitungszeit ca. vier bis sechs Wochen. Erst anschließend kann die Eheschließung stattfinden. Somit kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt die Eheschließung feststeht oder verbindlich bestimmbar ist, da noch wesentliche, zeitlich nicht verbindlich feststehende Zwischenschritte zur Eheschließung fehlen. Zudem besteht die Beziehung zu Frau Ö. bereits seit 2011 und hat den Kläger nicht davon abgehalten, in der Folgezeit Straftaten zu begehen.
(4) Vor diesem Hintergrund, unter Berücksichtigung der Schwere der vom Kläger begangenen Taten für hochrangige Rechtsgüter und der immensen von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr fällt die nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG zu treffende Gesamtabwägung zu Lasten des Klägers aus. Das Ausweisungsinteresse überwiegt das Bleibeinteresse.
Bei der Gewichtung des Ausweisungsinteresses ist zu sehen, dass die Verurteilung, die der Beklagte zum Anlass für die Ausweisung genommen hat, bereits die zweite wegen Betäubungsmitteldelikten ist. 2009 wurde der Kläger bereits wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem sah die Staatsanwaltschaft mehrfach von der Verfolgung von Diebstahlsdelikten ab. Der Kläger zeigt sich somit unbeeindruckt von drohenden Konsequenzen. Weder die Bewährungszeit noch die Haftstrafe konnten den Kläger davon abhalten, straffällig zu werden. Dies deutet darauf hin, dass der Kläger generell nicht gewillt ist, die Rechtsordnung zu achten. 2011 wurde seitens des Beklagten von einer Ausweisung abgesehen. Dennoch beging der Kläger in der Folgezeit weiter Straftaten. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger daran gelegen ist, sich zukünftig rechtstreu zu verhalten. Zudem gefährdete der Kläger durch seine Taten hochrangige Rechtsgüter in Form des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Die Ausweisung steht auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da sie gesetzlich vorgesehen ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG) und einen in dieser Bestimmung aufgeführten legitimen Zweck, nämlich die Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Verhinderung von Straftaten, verfolgt. Die Ausweisung ist die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Der Schutz der Bevölkerung vor Betäubungsmittelkriminalität stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, zu dessen Wahrung die Ausreise des Klägers erforderlich ist. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nicht erreicht werden. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Klägers daher verhältnismäßig und rechtmäßig.
II.
Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Nr. 3 des angegriffenen Bescheids auf vier Jahre weist keine Rechtsfehler auf.
1. Die Ausweisung des Klägers hat gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot zur Folge. Dieses ist von Amts wegen zu befristen, § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden.
Da es sich um eine behördliche Ermessensentscheidung handelt, kann gerichtlich nach § 114 Satz 1 VwGO nur überprüft werden, ob überhaupt Ermessen ausgeübt wurde, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Gemessen an diesem Maßstab hat der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
2. Der Beklagte berücksichtigte bei der Bestimmung der Länge der Frist das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck. Im Rahmen einer prognostischen Einschätzung des Einzelfalls und unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts, also verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, kam sie in nicht zu beanstandender Weise zu der in dem angegriffenen Bescheid verfügten Fristsetzung.
Der Beklagte berücksichtigte im Einzelnen, dass der Kläger schwere Straftaten begangen hat und von ihm eine massive Gefahr ausgeht. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seines Ermessens einen Zeitraum von vier Jahren für erforderlich hielt, um dem hohen Gefahrenpotential des Klägers Rechnung tragen zu können.
Diese Fristen sind auch gemessen an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben des Art. 8 EMRK angesichts der Bedeutung der bedrohten Rechtsgüter und der erheblichen Wiederholungsgefahr nicht zu beanstanden. Gegebenenfalls bestehende besondere Härten können durch die Ausnahmegenehmigung nach § 11 Abs. 8 AufenthG gemildert werden.
III.
Die Abschiebung unmittelbar aus der Haft heraus ergibt sich aus § 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 AufenthG. In diesem Fall bedarf es keiner Fristsetzung nach § 59 Abs. 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung und die dem Kläger zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist für den Fall, dass er vor Durchführung der Abschiebung aus der Haft entlassen wird, ergeben sich aus §§ 58 Abs. 1 und 59 Abs. 1 AufenthG und sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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