Aktenzeichen 11 CS 17.682
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Bei einem erstmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot muss die Behörde von dem – insoweit anwendbaren – § 14 FeV Gebrauch machen und im Ermessenswege darüber entscheiden, ob es nach § 14 Abs. 1 S. 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet (Anschluss BayVGH BeckRS 2017, 108147). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
B 1 S 17.119 2017-03-06 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 6. März 2017 wird in Nr. I aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Bamberg vom 3. Februar 2017 wird wiederhergestellt.
II.
Unter Abänderung der Nr. II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts trägt der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B (mit Unterklassen).
Gemäß Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts vom 13. Oktober 2016, rechtskräftig seit 2. November 2016, hat der Antragsteller am 7. September 2016 ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis geführt. Im Blut ist eine Konzentration von 19,8 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) gefunden worden. Das Polizeiverwaltungsamt verhängte eine Geldbuße von 500 Euro und einen Monat Fahrverbot.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 forderte das Landratsamt Bamberg (im Folgenden: Landratsamt) den Antragsteller auf, ein ärztliches Gutachten beizubringen. Es sei zu klären, ob einmalige, gelegentliche oder regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln vorliege. Das Gutachten des TÜV Hessen Life Service vom 16. Januar 2017 kam zu dem Ergebnis, dass zwischen 2015 und dem 7. September 2016 gelegentliche Einnahme von Cannabis vorgelegen habe. Hinweise auf aktuellen Drogenkonsum gäbe es keine.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis, ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Vorlage des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids sowie die sofortige Vollziehbarkeit an. Der Antragsteller sei nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt habe. Am 9. Februar 2017 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt ab.
Über die Klage gegen den Bescheid vom 3. Februar 2017 hat das Verwaltungsgericht Bayreuth noch nicht entschieden (B 1 K 17.120). Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. März 2017 abgelehnt. Der Bescheid sei rechtmäßig, der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Mit der dagegen erhobenen Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, § 11 Abs. 7 FeV sei nicht anwendbar. Es sei zuerst eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen. Der Antragsteller habe auch am 28. März 2017 ein einjähriges Drogenabstinenzprogramm bei der … S. L. Service GmbH begonnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet und die aufschiebende Wirkung der Klage ist wiederherzustellen, da diese voraussichtlich erfolgreich sein wird.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. November 2016 (BGBl I S. 2722), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2016 (BGBl I S. 3083), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden können, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt nach § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens.
Der Antragsteller war nach dem Gutachten des … L. Service vom 16. Januar 2017 gelegentlicher Cannabiskonsument i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4.
Er hat auch gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen, da er mit einer THC-Konzentration von 19,8 ng/ml im Blut am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 28 ff.). Dieser Sachverhalt steht aufgrund der rechtskräftigen Bußgeldentscheidung vom 13. Oktober 2016 fest und der Antragsteller muss die Feststellungen im Bußgeldverfahren gegen sich gelten lassen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 3 StVG Rn. 56).
Es steht mit diesem ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot jedoch nicht i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Das Landratsamt war nicht berechtigt, dem Antragsteller nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es hätte zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach § 46 Abs. 3 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 14 FeV Gebrauch machen und im Ermessenswege darüber entscheiden müssen, ob es nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet (vgl. BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33). Aufgrund des hohen THC-Gehalts im Blut und des Umstands, dass der Antragsteller nach eigenem Bekunden bereits eine halbe Stunde nach dem Konsum die Fahrt angetreten hat, spricht allerdings vieles dafür, dass der Ermessensspielraum insoweit reduziert ist (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 40).
Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).