Strafrecht

Erfordernis einer MPU bei Begehung von Straftaten mit hohem Aggressionspotenzial

Aktenzeichen  11 CS 20.1781

Datum:
30.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36121
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 7, Abs. 8, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
StVG § 2 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1. Bei dem Regelbeispiel in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV kommen typischerweise solche Straftaten in Betracht, die sich durch Aggression gegen Personen oder Sachen ausdrücken, wie etwa Körperverletzung, Raub, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Nötigung und Sachbeschädigung. Die Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial müssen hinreichend konkret sein und den entsprechenden Eignungsmangel des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das eignungsausschließende Aggressionspotenzial muss aber nicht bereits als vorhanden festgestellt worden sein. Ob ein solcher Eignungsmangel vorliegt, soll vielmehr erst durch die medizinisch-psychologische Begutachtung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV geklärt werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 S 20.491 2020-06-24 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A79, A1, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt an der Aisch vom 7. Dezember 2015 wurde der Antragsteller wegen Nötigung und Beleidigung in vier tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass er am 8. August 2015 seinen PKW sowie Traktor absichtlich so auf einer öffentlichen Stichstraße abgestellt hatte, dass ein Anwohner die dadurch entstandene Engstelle mit seinem Pkw und Wohnwagen nicht passieren konnte. Auch nach Aufforderung der Polizei entfernte der Antragsteller seine Fahrzeuge nicht, so dass diese einen Abschleppdienst beauftragen musste. Bei dessen Eintreffen erschien der Antragsteller, beleidigte die beteiligten Polizeibeamten als „Straßenhunde, die nur Scheiße im Kopf“ hätten, und zeigte ihnen den ausgestreckten Mittelfinger.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Neustadt an der Aisch vom 30. Januar 2017 wurde der Antragsteller wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass der Antragsteller die vorbenannte, mit Strafbefehl vom 7. Dezember 2015 verhängte Geldstrafe zunächst nicht zahlte, so dass Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde. Als die Polizei den Antragsteller am 22. Mai 2016 aufsuchte, um den Haftbefehl zu vollstrecken, kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Der Antragsteller packte einen der beiden Polizeibeamten am Kragen, rangelte mit ihm und schlug ihm ins Gesicht, so dass dieser Schmerzen im Gesicht sowie Hautabschürfungen und Hämatome an beiden Knien erlitt. Zudem wurde die Dienstkleidung der Polizeibeamten zerrissen bzw. verschmutzt.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Neustadt an der Aisch vom 22. Januar 2018 wurde der Antragsteller wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte mit vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte mit versuchter Nötigung und versuchter Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem lag zu Grunde, dass die Polizeiinspektion Neustadt an der Aisch mit Bescheid vom 11. September 2016 eine erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers nach § 81b Alt. 2 StPO angeordnet und diesen vorgeladen hatte. Nachdem der Antragsteller der Vorladung keine Folge geleistet hatte, wurde er am 9. Mai 2017 in seinem PKW von drei Polizeibeamten angehalten. Er weigerte sich, zur Dienststelle mitzukommen, und wehrte sich, als die Polizeibeamte versuchten, ihn aus seinem Fahrzeug zu befördern und ihm Handfesseln anzulegen. Dabei erlitt einer der Polizeibeamten Schmerzen im rechten Handgelenk sowie leichte Hautabschürfungen. Nachdem der Antragsteller im Anschluss daran ins Krankenhaus verbracht worden war und dort von vier Polizeibeamten aufgesucht wurde, die ihn zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Polizeiinspektion bringen wollten, versuchte der Antragsteller zu flüchten und bedrohte einen Polizeibeamten, der ihn am T-Shirt festgehalten hatte, mit Schlägen, wenn er ihn nochmals berühre. Zugleich hob er die rechte Hand, in der er einen Koffer hielt, so, als würde er zu einem Schlag ausholen. Damit wollte er erreichen, dass von weiteren polizeilichen Maßnahmen abgesehen wird. Bezogen auf diesen Vorfall verfasste der Antragsteller am 9. Juli 2017 ein Schreiben an einen Polizeibeamten, welches in den Posteinlauf des Bayerischen Landeskriminalamts in Nürnberg kam, und forderte die Zahlung von 6.000 EUR sowie weiteren 16.000 EUR für ihm angeblich durch die Polizei zugefügte Körperverletzungen. Dabei stellt er dem Polizeibeamten in Aussicht, dass er, sollte die Zahlung nicht binnen eines Monats erfolgen, „auf die gleiche Art wie dieser Drecksstaat“ antworten werde, um diesen zur Zahlung zu veranlassen. Hierbei spielte er auf die in dem vorbenannten Verfahren von der Polizei eingesetzten körperlichen Zwangsmittel an.
Am 9. Oktober 2018 versuchte die Polizei, den Antragsteller auf einer Bundesstraße anzuhalten. Dieser reagierte jedoch nicht und hielt über eine Strecke von neun Kilometern trotz wiederholter optischer und akustischer Signale durch Lichthupe, Hupe, Martinshorn und Blaulicht nicht an. Letztlich wurde er von einer Streifenbesatzung zum Stehen gebracht, die ihn überholte. Da die Polizei Alkoholgeruch feststellte, wurde eine Blutprobe angeordnet, die einen Wert von 0,39 Promille ergab. Das eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 24a StVG wurde gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Mit Schreiben vom 7. August 2019 forderte das Landratsamt Neustadt an der Aisch – Bad Windsheim den Antragsteller nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV auf, bis zum 7. Oktober 2019 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu der Frage beizubringen, ob zu erwarten sei, dass er künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Aufgrund der genannten Straftaten bestünden Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial, das dazu führen könne, dass der Antragsteller auch im Straßenverkehr die Rechte anderer verletze.
Da kein Gutachten eingereicht wurde, entzog das Landratsamt dem Antragsteller nach Anhörung mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 25. Oktober 2019 die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Abgabe des Führerscheins binnen sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids. Aus der Nichtbeibringung des Gutachtens sei auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Mittelfranken mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2020 zurück.
Am 17. März 2020 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage erheben und zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen mit der Begründung, die Gutachtensaufforderung sei nicht gerechtfertigt, da das Verhalten gegenüber Polizeibeamten nicht auf das Verhalten im Straßenverkehr zu übertragen sei. Bei dem Antragsteller sei kein allgemeines hohes Aggressionspotenzial vorhanden, sondern wohl eher eine „Uniformallergie“, da er sich durch das Vorgehen der Behörden stark benachteiligt gefühlt habe.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 24. Juni 2020 ab. Der Antrag sei unbegründet, da die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Das Landratsamt habe aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Den abgeurteilten Straftaten und dem weiteren Vorfall vom 9. Oktober 2018 ließen sich hinreichende Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial entnehmen, was erhebliche Zweifel an der Fahreignung begründe und die Gutachtensanordnung rechtfertige. Dass der Antragsteller sich aggressiv gegenüber Polizeibeamten verhalte, lasse erst Recht befürchten, dass er auch gegenüber nicht uniformierten Teilnehmern am Straßenverkehr ein solches Verhalten an den Tag legen werde.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller im Wesentlichen ausführen, die Gutachtensaufforderung sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts rechtswidrig, weil die Fragestellung unverhältnismäßig sei. Sämtliche Straftaten stünden im „Bedingungszusammenhang“, weil es ohne die Tat vom 8. August 2015 nicht zu den Folgetaten gekommen wäre. Die fehlende Akzeptanz des Strafbefehls vom 7. Dezember 2015 habe sich in weiteren Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte manifestiert. Darin zeige sich jedoch kein aggressives Verhalten, vielmehr habe der Antragsteller sich allein gegen aus seiner Sicht nicht rechtmäßige Diensthandlungen zur Wehr gesetzt. Diesen Gesichtspunkt hätte das Landratsamt bei der Prüfung von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial und auch bei der Ausübung seines Ermessens, ob ein Gutachten angefordert wird, berücksichtigen müssen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen wäre.
a) Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat (§ 2 Abs. 4 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes [StVG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 5.3.2003 [BGBl I S. 310, 919], zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.2019 [BGBl I S. 2008], § 11 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13.12.2010 [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980], im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 2.10.2019 [BGBl I S. 1416], in Kraft getreten zum 1.1.2020).
Erweist sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anordnen (§ 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 bis Abs. 6 FeV). Unter anderem kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Fahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV).
§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV betrifft damit die sog. charakterliche Eignung und stellt darauf ab, ob die Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, also Rückschlüsse auf die Kraftfahreignung zulassen. Als Regelbeispiel benennt der Verordnungsgeber insoweit Straftaten, die Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bieten. Auf ein hohes Aggressionspotenzial lassen Straftaten nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (Vkbl S. 110) in der Fassung vom 28. Oktober 2019 (Vkbl S. 775) insbesondere dann schließen, wenn sie eine Bereitschaft zu ausgeprägt impulsivem Verhalten erkennen lassen und dabei Verhaltensmuster deutlich werden, die sich so negativ auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken können, dass die Verkehrssicherheit gefährdet ist. Denn wer aufgrund des rücksichtslosen Durchsetzens eigener Interessen, aufgrund seines großen Aggressionspotenzials oder seiner nicht beherrschten Affekte und unkontrollierten Impulse in schwerwiegender Weise die Rechte anderer verletzt, lässt nicht erwarten, dass er im motorisierten Straßenverkehr die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer – zumindest in den sehr häufigen Konfliktsituationen – respektieren wird (Nr. 3.16 der Begutachtungsrichtlinien; vgl. zu alldem auch VGH BW, U.v. 27.7.2016 – 10 S 77/15 – VRS 130, 256 = juris Rn. 30; HessVGH, B.v. 13.2.2013 – 2 B 189/13 – NJW 2013, 3192 = juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 5.7.2012 – 11 C 12.874 – juris Rn. 24; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn. 35; Koehl, SVR 2013, 8). In Betracht kommen insoweit typischerweise solche Straftaten, die sich durch Aggression gegen Personen oder Sachen ausdrücken, wie etwa Körperverletzung, Raub, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Nötigung und Sachbeschädigung (vgl. HessVGH, a.a.O.; NdsOVG, U.v. 8.7.2014 – 12 LC 224/13 – NJW 2014, 3176 = juris Rn. 58; Tepe, NZV 2010, 64/66). Die Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial müssen hinreichend konkret sein und den entsprechenden Eignungsmangel des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen. Das eignungsausschließende Aggressionspotenzial muss aber nicht bereits als vorhanden festgestellt worden sein. Ob ein solcher Eignungsmangel vorliegt, soll vielmehr erst durch die medizinisch-psychologische Begutachtung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV geklärt werden (vgl. VGH BW, a.a.O; HessVGH, a.a.O.).
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19).
b) Daran gemessen begegnet die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die fehlende Fahreignung erweist sich als gerechtfertigt.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 14; BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 18) boten die dem Landratsamt vorliegenden Erkenntnisse hinreichend Anlass für die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach § 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV beizubringen. Auf ein hohes Aggressionspotenzial des Antragstellers, das erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Fahreignung begründet, weisen zunächst die rechtskräftig geahndeten Straftaten der vorsätzlichen Körperverletzung (Taten vom 22.5.2016 und 9.5.2017), der Beleidigung (Tat vom 8.8.2015), der Sachbeschädigung (Tat vom 22.5.2016) sowie der Nötigung (Tat vom 8.8.2015) und versuchten Nötigung (Tat vom 10.5.2017) hin. Darin offenbart sich, auch angesichts der nichtigen Anlässe der Auseinandersetzungen, eine hohe emotionale Impulsivität, mangelnde Steuerungsfähigkeit, die Neigung zur rücksichtslosen Durchsetzung eigener Interessen sowie die Bereitschaft, körperliche Integrität, Ehre als Teil der personalen Würde, Eigentum sowie die freie Willensentschließung und Willensbetätigung anderer anzugreifen. Dies legte nahe, dass der Antragsteller auch bei konflikthaften Verkehrssituationen, etwa bei Fahrfehlern anderer, emotional impulsiv sowie aggressiv handeln und dadurch das Risiko erhöhen werde. Gleiches gilt für die geahndeten Straftaten des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Denn der Antragsteller hat nicht lediglich passiv Ungehorsam geleistet, sondern aktiv die handelnden Polizeibeamten am Kragen gepackt, in eine Rangelei verwickelt und geschlagen (Tat vom 22.5.2016) bzw. sich am Lenkrad seines Pkw festgehalten und dem Anlegen von Handfesseln widersetzt (Tat vom 9.5.2017), was ebenfalls durch nicht unerheblichen Einsatz von Körperkraft gekennzeichnet war (vgl. dazu BVerfG, B.v. 23.8.2005 – 2 BvR 1066/05 – NJW 2006, 136 = juris Rn.2; BGH, U.v. 9.3.1978 – 4 StR 64/78 – VRS 57, 277 = juris Rn. 15). Nichts anderes gilt schließlich für die versuchte Erpressung (Tat vom 9.7.2017), die sich als Angriff u.a. auf das Rechtsgut der persönlichen Freiheit darstellt (vgl. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 253 Rn. 1).
Dagegen kann, anders als die Beschwerde meint, auch nicht ins Feld geführt werden, die Taten stünden im Rahmen einer „Tatenkette“ in einem „Bedingungszusammenhang“. Denn sämtliche Handlungen des Antragstellers beruhen, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist, jeweils auf einem eigenen Tatentschluss und stellen sich als eigenständiger Ausdruck aggressiven Verhaltens dar. Vielmehr verstärken die Gleichgültigkeit, die der Antragsteller gegenüber der Ahndung vorangegangener vergleichbarer Taten an den Tag gelegt hat, sowie das davon unbeeindruckte rücksichtslose Verfolgen eigener Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit die Eignungszweifel. Somit steht der geltend gemachte Zusammenhang zwischen den Taten weder der Annahme einer Mehrzahl von Straftaten (vgl. dazu Koehl, SVR 2013, 8/11) entgegen noch war das Landratsamt gehalten, auf den Umstand des Zusammenhangs zwischen den Taten im Rahmen der Ermessensausübung einzugehen.
Demnach kam es nicht mehr darauf an, ob der Vorfall vom 9. Oktober 2018, der, soweit ersichtlich, keinen Straftatbestand erfüllt, gleichwohl im Rahmen der umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Antragstellers (vgl. dazu Dauer, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rn. 67; BVerwG, U.v. 20.2.1987 – 7 C 87/84 – BVerwGE 77, 40 = juris Rn. 12; Geiger, DAR 2013, 61/66) von Bedeutung sein kann.
2. Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.2, Nr. 46.3, 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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