Strafrecht

Fehlende förmliche Zustellung

Aktenzeichen  7 T 1174/19

Datum:
16.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53091
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 189
ZVG § 100

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 K 49/12 2018-11-21 AGWEILHEIM AG Weilheim

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weilheim i.OB vom 21.11.2018, Az. 2 K 49/12, wird verworfen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert wird auf 917.597,14 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller zu 1) und die Beschwerdeführerin sind Geschwister und Miteigentümer der gegenständlichen Immobilie … in …, die von der Beschwerdeführerin bewohnt wird.
Der Antragsteller zu 1) betreibt die Teilungsversteigerung des Objekts. Mit Beschuss vom 25.05.2012 ordnete das Amtsgericht die Zwangsversteigerung des Grundstücks an (Bl. 7/10).
Mit Verfügung vom 11.08.2015 bestellte der Rechtspfleger des Amtsgerichts der Beschwerdeführerin Rechtsanwalt … als besonderen gesetzlichen Vertreter (im weiteren: Prozesspfleger) gem. § 57 ZPO (Bl. 444). Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin prozessunfähig sei.
Mit Beschlüssen vom 14.08.2018 (Bl. 649 ff.) und 08.11.2018 (Bl. 684 f.) lehnte das Amtsgericht eine Abberufung des Prozesspflegers ab, da sich an der grundlegenden Situation nichts geändert habe.
Am 16.08.2018 bestimmte das Amtsgericht Termin zur Versteigerung auf den 21.11.2018. Die Terminsbestimmung wurde an den Prozesspfleger zugestellt. Eine Mitteilung an die Beschwerdeführerin erfolgte nicht.
Im Versteigerungstermin am 21.11.2018 war die Beschwerdeführerin nicht anwesend.
Mit dem angegriffenen Zuschlagsbeschluss vom 21.11.2018 (Bl. 720 ff.) wurde der Zuschlag an … und … erteilt. Der Zuschlagsbeschluss wurde dem Prozesspfleger am 27.11.2018 zugestellt (Bl. 725) und an die Beschwerdeführerin formlos hinausgegeben (Bl. 726).
Am 11.02.2019 wurde der Zuschlagsbeschuss im Parteibetrieb durch die Gerichtsvollzieherin an die Beschwerdeführerin zugestellt (Anlage zu Bl. 836/838).
Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.03.2019 legte die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss ein (Bl. 782/783). Mit Verfügung vom 02.04.2019 wurde der Beschwerdeführerseite Akteneinsicht bewilligt (Bl. 800), wegen des Umfangs der Akten und des gleichzeitig laufenden Vollstreckungsschutzantrags auf der Geschäftsstelle. Die Beschwerdeführerseite begründete die Beschwerde mit Schriftsatz vom 07.04.2019 (Bl. 811/814). Sie führte aus, sie sei selbst in der Lage, ihre Interessen zu vertreten. Für die Bestellung eines Prozesspflegers habe keine Gefahrenlage bestanden. Das erstinstanzliche Gericht habe nichts im Hinblick auf die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters veranlasst. Den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Zustellungen an die Beschwerdeführerin seien nicht erfolgt. Dies betreffe auch die im Rahmen des Verfahrens erfolgten Beschlüsse.
Auf Antrag der Beschwerdeführerin setzte das Beschwerdegericht die Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses am 08.04.2019 einstweilen aus (Bl. 829/833).
Die Erwerber wiesen mit Schriftsatz vom 10.04.2019 (Bl. 836/837) auf die am 11.02.2019 durch die Gerichtsvollzieherin bewirkte Zustellung hin. Sie belegten dies durch den Zustellnachweis der Gerichtsvollzieherin. Die Beschwerdeführerin machte demgegenüber geltend, dass die von Amts wegen zu erfolgende Zustellung im Verfahren nicht erfolgt sei (Bl. 846).
Die Erwerber machten mit Schriftsatz vom 21.06.2019 (Bl. 899/905) geltend, dass eine förmliche Zustellung des Zuschlagsbeschlusses an die Beschwerdeführerin nicht erforderlich gewesen sei, und ein eventueller Zustellungsmangel jedenfalls gem. § 189 ZPO geheilt sei, da das Amtsgericht den Willen zur förmlichen Zustellung gehabt habe, wie der förmlichen Zustellung an den Prozesspfleger zu entnehmen sei. Außerdem habe die Beschwerdeführerin keinen nach § 100 ZVG zulässigen Beschwerdegrund angegeben.
Die Beschwerdeführerseite nahm hierzu nicht mehr Stellung, obwohl ihr Gelegenheit dazu gegeben wurde.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, da verfristet.
Für die Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss gilt gem. §§ 96, 793, 569 Abs. 1 ZPO eine Beschwerdefrist von zwei Wochen. Die Frist beginnt – da die Beschwerdeführerin im Termin nicht anwesend war, § 98 S. 2 ZVG – mit der Zustellung des Beschlusses (§ 329 Abs. 3 ZPO).
Der Zuschlagsbeschluss wurde vorliegend durch das Amtsgericht förmlich an den Prozesspfleger am 27.11.2018 zugestellt. Eine förmliche Zustellung unmittelbar an die Beschwerdeführerin wurde nicht veranlasst.
Damit ist zweifelhaft, ob durch die Zustellung an den Prozesspfleger bereits eine wirksame Zustellung an die Beschwerdeführerin erfolgt ist. Die Zustellung an die Beschwerdeführerin wäre jedenfalls dann wirksam, wenn diese prozessunfähig ist, da in diesem Fall zwingend an den gesetzlichen Vertreter zuzustellen ist (Thomas/Putzo, 40. Aufl., Rz. 14 vor § 166 ZPO). Indessen macht die Beschwerdeführerin vorliegend geltend, sie sei prozessfähig. Die überwiegende Meinung in der Kommentarliteratur empfiehlt daher eine Zustellung auch an die Partei (Baumbach/Lauterbach, 77. Aufl., Rz. 11 zu § 57 ZPO; Thomas/Putzo, 40. Aufl., Rz. 7 zu § 57 ZPO; Musielak/Voit, 16. Aufl., Rz. 5 zu § 57 ZPO, wobei teilweise auf die „Aufnahmefähigkeit“ der Partei abgestellt wird; ähnlich Zöller, 32. Aufl., Rz. 10 zu § 57 ZPO; BVerfGE 101, 397 (404) zu einem Fall der Nachlasspflegschaft; a.A. Stein/Jonas, 22. Aufl., Rz. 9 zu § 57 ZPO).
Die Zustellung an die Beschwerdeführerin ist jedoch jedenfalls gem. § 189 ZPO geheilt durch die Zustellung des Zuschlagsbeschlusses durch die Gerichtsvollzieherin am 11.02.2019.
Ein Zustellungswille des Amtsgerichts in Richtung auf die Beschwerdeführerin bestand nach Ansicht des Beschwerdegerichts: Das Amtsgericht hat die förmliche Zustellung an den Prozesspfleger der Beschwerdeführerin veranlasst. Dieser gilt grundsätzlich für die Entgegennahme bevollmächtigt (Zöller, 32. Aufl., Rz. 9 zu § 57 ZPO m. Verw. auf Rz. 10 zu § 81 ZPO). Dadurch wird belegt, dass das Amtsgericht eine förmliche Zustellung vornehmen wollte. Es wird des Weiteren belegt, dass sich dieser Wille auf die Beschwerdeführerin als Adressatin bezog: In der Zustellungsverfügung des Amtsgerichts an den Prozesspfleger ist ausdrücklich ausgeführt „für Antragsgegnerin Dr. W.“. Anders als in der Entscheidung des BGH vom 19.05.2010, IV ZR 14/08 war somit eine Zustellung an die Beschwerdeführerin (über ihren gesetzlichen Vertreter) beabsichtigt. Der Prozesspfleger nimmt insoweit die Stellung eines gesetzlichen Vertreters ein (Zöller, 32. Aufl., Rz. 9 zu § 57 ZPO).
Sollte diese Zustellung mangelhaft gewesen sein, falls die Beschwerdeführerin prozessfähig ist, so ist die Zustellung geheilt durch den tatsächlichen Zugang des Zuschlagsbeschlusses am 11.02.2019. Die zweiwöchige Beschwerdefrist ist danach am 25.02.2019 abgelaufen. Die Beschwerde ist erst am 05.03.2019 beim Amtsgericht eingegangen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Der Gegenstandswert war gem. § 54 Abs. 2 S. 1 GKG festzusetzen in Höhe des Meistgebots (bares Meistgebot von 800.000,00 € zuzüglich des Werts der bestehen bleibenden Rechte von 117.597,14 €).
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen da, soweit ersichtlich, die Frage der Wirksamkeit der Zustellung an den Prozesspfleger für eine fraglich prozessunfähige Partei, und die Heilung der Zustellung bei Zustellungswillen an den Prozesspfleger für die Partei bis jetzt nicht entschieden ist.
Aufgrund der Zulassung der Rechtsbeschwerde verbleibt es bei der Einstellung der Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung.

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