Strafrecht

Gewährung, Vollzugslockerung, Bezirkskrankenhaus, Maßregelvollzug

Aktenzeichen  SR StVK 391/18

Datum:
1.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14677
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVollzG § 114 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Alleine das Abwarten einer Verlegung kann nach der Formulierung des Art. 16 I BayMRVG “ist” zu lockern “sobald” ein Zuwarten mit der Gewährung von Vollzugslockerungen nicht rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen der Lockerungen bereits im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses vom 2.1.2019 in Nr. 3 verpflichtet, dem Antragssteller Vollzugslockerungen in Form von begleiteten Ausgängen außerhalb des gesicherten Bereichs und außerhalb des Klinikgeländes zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes bleibt unverändert.
3. Die Kostenentscheidung bleibt unverändert.

Gründe

I.
Der Antragsteller befindet sich im Maßregelvollzug im Bezirkskrankenhaus …
Mit Schriftsatz vom 18.12.2018 hat der Antragssteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihn zu lockern. Das BKH … hat darauf mit Stellungnahme vom 27.12.2018 reagiert, der Antragssteller mit Schriftsatz vom 21.12.2018 erneut Stellung genommen.
Mit Beschluss vom 2.1.2019 hat die Kammer die Ablehnung von Vollzugslockerungen aufgehoben und den Antrag im Übrigen abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 15.1.2019 hat der Antragssteller seinen Antrag dahingehend präzisiert, dass Vollzugslockerungen in Form von „begleiteten Ausgängen außerhalb des gesicherten Bereichs, sowie begleitete Ausgänge außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung und begleitete Außenbeschäftigung“ zu gewähren seien.
Das BKH hat mit Schreiben vom 29.1.2019 dazu Stellung genommen.
Insoweit wird jeweils auf die Aktenbestandteile Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz ist nach § 114 Abs. 2 S. 3 Hs 2 StVollzG von Amts wegen abzuändern.
Der Antrag ist nunmehr ausreichend bestimmt und insoweit zulässig. Es liegt der gleiche Verfahrensgegenstand vor, der Antrag wurde nach Hinweis des Gerichts lediglich präzisiert.
Über den Antrag ist im Wege der einstweiligen Anordnung zu entscheiden, gem. § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 2 S. 2 StVollzG.
„Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden […]“, § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO.
Angesichts der bereits seit der Stellungnahme des BKH vom 23.5.2018 feststehenden Eignung des Antragsstellers zur Verlegung in eine Lockerungsklinik, sowie dem Gutachten im Rahmen der Fortdauerprüfung (Bl. 58 ff des Gutachtens) ist zur Sicherung des Freiheitsanspruchs des Antragsstellers ein dringendes Bedürfnis zum Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Es droht die Vereitlung einer zügigen Entlassung des Antragsstellers, sollte über seinen Antrag auf Gewährung von Vollzugslockerungen durch das BKH Straubing nicht zutreffend entscheiden werden. Angesichts der überragenden Bedeutung des Freiheitsgrundrechts ist eine Eilentscheidung daher angezeigt.
Die Entscheidung ist auch deswegen im einstweiligen Rechtsschutz geboten, weil die Entscheidung des BKH mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist und in tatsächlicher Hinsicht Einigkeit über die Lockerungseignung des Antragsstellers besteht.
Zwar steht der Antragsgegnerin hinsichtlich der Frage ob Lockerungen gewährt werden können ein Beurteilungsspielraum gem. Art. 16 Abs. 1 BayMRVG zu, der zu behandeln ist wie ein Ermessen gem. § 115 V StVollzG.
„Die Gerichte haben daher die Prüfung darauf zu beschränken, ob der Anstaltsleiter von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob er seiner Entscheidung den richtigen Begriff der Versagungsgründe zugrunde gelegt hat und ob seine Beurteilung des Gefangenen [hier: Untergebrachten] vertretbar ist.“ (OLG Hamm, BeckRS 2017, 107970)
Die erneute Entscheidung des BKH über die aufgehobene Ablehnung von Lockerungen lässt aber nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin sich mit den positiven und negativen Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 BayMRVG überhaupt auseinander gesetzt hat. Es liegt daher ein „Beurteilungsausfall“ vor.
Gem. Art. 16 BayMRVG ist „der Vollzug der Unterbringung […] zu lockern, sobald
1.zu erwarten ist, dass dadurch die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werden, und
2.nach allen aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen wird.
Bei der Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen wird insbesondere auch berücksichtigt, ob eine Entlassung der untergebrachten Person absehbar ist.“
Damit aber setzt sich die Antragsgegnerin nicht auseinander, Lockerungen werden vielmehr pauschal versagt und auf eine Verlegung in das BKH … verwiesen. Die Antragsgegnerin schreibt sogar, dass der Antragssteller die Voraussetzungen für Lockerungen derzeit erfüllt. Insoweit greift das Gericht mit einer Verpflichtungsentscheidung auch nicht in den Beurteilungsspielraum ein, denn die Antragsgegnerin hat die Prognose insoweit selbst getroffen, will nur nicht die dann zwingenden rechtlichen Schlüsse ziehen.
Ein Verweis auf eine Verlegung in das BKH … wie ihn das BKH … vornimmt, kann allenfalls dann rechtmäßig sein, wenn die Rechtmäßigkeit einer Verlegung in das BKH … zweifelsfrei feststeht und dort mit einer unmittelbaren Aufnahme zu rechnen ist. Alleine das Abwarten einer Verlegung kann nach der Formulierung des Art. 16 Abs. 1 BayMRVG „ist“ zu lockern „sobald“ ein Zuwarten mit der Gewährung von Vollzugslockerungen nicht rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen der Lockerungen bereits im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen. Jedenfalls ist in eine konkrete Prüfung des Einzelfalls einzutreten und eine konkrete Abwägung zu treffen, ob eine zeitnahe Verlegung möglich ist und ob angesichts der konkreten Umstände in der Zielklinik eine Verlegung etwa dem Vollzugsziel der „Heilung“ widerspricht. Andernfalls ist die Gewährung von Lockerungen in der Maßregelvollzugseinrichtung der Antragsgegnerin konkret und individuell zu prüfen.
Wie im Beschluss vom 2.2.2019 dargestellt, ist die Rechtmäßigkeit der Verlegung vorliegend nicht offensichtlich rechtmäßig, weshalb eine diesbezügliche Abwägung erforderlich gewesen wäre. Auch ist die nunmehr vorgebrachte erneute Weigerung des Untergebrachten sich verlegen zu lassen alleine die Weigerung des Untergebrachten angesichts seines Freiheitsanspruchs kein hinreichender Grund von einer Verlegung abzusehen und damit in der Folge keine Lockerungen durchzuführen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn seine Gesundheit dort gefährdet ist, was dann aber zwingend zu einer Lockerung durch das BKH … führen müsste. Aber auch dann kann eine Verlegung erforderlich sein, wenn die Unterbringungssituation (Mehrbettzimmer) in … zur Belastungserprobung zwingend nötig ist.
Damit setzt sich die Antragsgegnerin aber ersichtlich weiterhin nicht auseinander.
Die Antragsgegnerin war daher zu verpflichten, den Antragssteller die beantragten Lockerungen zu gewähren. Solange der Untergebrachte nicht, nach einer Abwägung der Gesundheitsgefahren ggf auch gegen seinen Willen, nach … verlegt wird, hat der Antragssteller Anspruch auf Vollzugslockerungen nach dem BayMRVG in …. Nachdem Ausnahmetatbestände im Gesetz für das BKH … nicht vorhanden sind, gilt dies auch für das BKH …. Alleine organisatorische, bauliche oder sonstige Hinderungsgründe sind nicht geeignet die klare gesetzgeberische Wertung zu konterkarieren.
Soweit die Außenbeschäftigung beantragt wurde, war der Antrag abzulehnen, weil nicht erkennbar ist, dass der Antragssteller eine derartige Beschäftigung in Aussicht hat und die konkrete Beschäftigung geprüft werden müsste.
Gegen die vorliegende Entscheidung ist ein Rechtsmittel gemäß § 114 Absatz 2 Satz 3, 1. Halbsatz StVollzG nicht gegeben. Das Gericht kann die Entscheidung jederzeit abändern.

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