Strafrecht

Keine Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus mangels Verhältnismäßigkeit der Anordnung

Aktenzeichen  16 KLs 808 Js 5912/19

Datum:
12.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45167
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 20, § 63

 

Leitsatz

1. Für eine Maßnahme nach § 63 StGB bleibt in der Regel dann kein Raum, wenn der Beschuldigte die Anlasstaten im Rahmen einer bereits aus anderen Gründen angeordneten Unterbringung begangen hat und Tatopfer die Angehörigen des Pflegepersonals sind (Anschluss an BGH, BeckRS 9998, 35911). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine (hier abgelehnte) Unterbringung nach § 63 StGB kommt allerdings bei Taten während einer anderweitigen Unterbringung ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Beschuldigte in einer forensischen Klinik sicherer oder in einer für ihn weniger belastenden Weise untergebracht ist oder es sich um solche Taten handelt, die dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind, wobei es Aufgabe des Betreuers ist, eine auf den Patienten in personeller und medizinisch-therapeutischer Hinsicht abgestimmte Pflegeeinrichtung zu finden (Ergänzung zu BGH, BeckRS 9998, 35911). (Rn. 54 – 60) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird abgelehnt.
II. Der Beschuldigte ist für die in der Zeit vom 01.08.2019 bis 12.12.2019 erfolgte einstweilige Unterbringung aus der Staatskasse zu entschädigen.
III. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Staatskasse.
Angewendete Vorschriften:
§§ 20, 63 StGB

Gründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
A. Persönliche Verhältnisse
I. Persönlicher Werdegang
Der Beschuldigte wurde am 25.09.1960 als Sohn eines Bauarbeiters und einer Lehrerin in Duschanbe/Tadschikistan geboren und hat eine jüngere und eine ältere Halbschwester. Er ist deutscher Staatsangehöriger.
In seiner Heimat besuchte der Beschuldigte die Mittel- und Abendschule. Er machte eine Ausbildung zum Goldschmied und Schweißer und war Wehrpflichtiger bei der sowjetischen Armee. Aufgrund eines in Tadschikistan erlittenen Arbeitsunfalls 1993 ist der Beschuldigte erheblich sehbehindert. Im Jahr 1994 kam der Beschuldigte nach Deutschland und arbeitete hier zeitweise in einer Behindertenwerkstatt. Darüber hinaus ging der Beschuldigte in Deutschland keiner Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt nach, sondern lebte überwiegend von Sozialleistungen. Zuletzt befand sich der Beschuldigte aufgrund zivilrechtlich gem. § 1906 BGB angeordneter Unterbringung im Pflegezentrum Rupprechtstegen und seit dem 01.08.2019 aufgrund einstweiliger Unterbringung gem. § 126 a StGB im Klinikum am … in E. Soziale Kontakte hat der Beschuldigte keine. Der Kontakt zu seiner Mutter ist ebenfalls abgebrochen. Der Beschuldigte war zweimal verheiratet. Er hat ein oder zwei Töchter. In der
Hauptverhandlung hat der Beschuldigte angegeben, eine Tochter zu haben, gegenüber dem Sachverständigen L… hatte er im Rahmen der Begutachtung hingegen angegeben, je eine Tochter aus jeder Ehe zu haben.
II. Krankheitsgeschichte
Der Beschuldigte leidet seit fast 25 Jahren an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie.
Zudem besteht bei dem Beschuldigten eine hochgradige Sehbehinderung beidseits. In der Vergangenheit wurde eine Hepatitis B diagnostiziert. Es kam zum Nierenversagen. Der Beschuldigte leidet zudem unter behandlungsbedürftigem Bluthochdruck.
Der Beschuldigte war erstmalig zum Jahreswechsel 1995/96 in stationärer Behandlung im Bezirksklinikum E. In der Folgezeit fanden vielfache Krankenhausbehandlungen in den Kliniken E., A. und E. statt. Es wurde diagnostisch durchgängig von einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie ausgegangen.
Zeitweise lebte der Beschuldigte in der Pflegeeinrichtung Pro Seniore in der R. Straße 20 in N. Dort befand er sich im sog. „Beschützten“-Bereich, d.h. er war geschlossen untergebracht.
Nach einem stationären Aufenthalt im Bezirksklinikum A. vom 20.03.2017 bis 12.09.2017 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 20.03.2017 die zivilrechtliche Unterbringung des Beschuldigten gem. § 1906 BGB bis längstens 19.03.2019 angeordnet und dieser im Pflegezentrum R., M.weg 5, 9… H. untergebracht. Durch Beschluss des Amtsgerichts Hersbruck vom 07.03.2019 wurde die zivilrechtliche Unterbringung des Beschuldigten sodann bis längstens 09.02.2021 angeordnet.
Innerhalb des Pflegezentrums befand sich der Beschuldigte ebenfalls im sog. „Beschützten“-Bereich.
Dort kam es im Zeitraum vom 26.01.2018 bis zum 17.02.2019 zu den Anlasstaten gegenüber eingesetzten Pflegekräften und Heimbewohnern.
Seit dem 01.08.2019 war der Beschuldigte im Klinikum am …, Am E. 71, 9… E., einstweilen untergebracht.
Bereits im Jahr 2014 wurde gegen den Beschuldigten ein Verfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung geführt, welches wegen festgestellter Schuldunfähigkeit eingestellt wurde. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde der Beschuldigte bereits durch Gutachten des Sachverständigen L… vom 20.01.2015 begutachtet. Unter Hinzuziehung von Betreuungsgutachten ab 1997 und Arztberichten ab 1996 aus den Bezirkskliniken A. und E. sowie eigener Untersuchungen des Beschuldigten diagnostizierte dieser auch hier eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie, aufgrund derer die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht des Handelns zur Tatzeit aufgehoben war.
Die letzte Begutachtung des Beschuldigten erfolgte ebenfalls durch den für hiesiges Verfahren beauftragten Sachverständigen L… durch dessen Gutachten vom 12.07.2019. Dieser diagnostizierte beim Beschuldigten eine chronifizierte paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0/F20.5). Anhaltspunkte für eine primäre hirnorganische Beeinträchtigung fänden sich nicht, genauso wenig Hinweise für eine effektive Störung im Sinne einer rezidivierenden depressiven Störung oder einer bipolaren Störung. Nach Ansicht des Sachverständigen müsse von einer ausreichenden Primärintelligenz ausgegangen werden. Die Persönlichkeit werde von der chronifizierten schizophrenen Psychose beherrscht. Anhaltspunkte für eine zusätzliche Persönlichkeitsproblematik vom Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung gebe es jedoch nicht.
Der Beschuldigte wurde während seines Aufenthalts im Pflegezentrum Rupprechtstegen von April 2019 bis Juli 2019 mit Depot-Neuroleptika behandelt. Zur Verabreichung der Depot-Neuroleptika wurde er vierzehntägig in die …-Klinik nach E. verbracht. Zusätzliche orale Medikation wurde von dem Beschuldigten verweigert. Zuletzt erhielt der Beschuldigte die Depot-Neuroleptika am 02.08.2019 im Rahmen seines Aufenthalts im Klinikum am … in E. Seitdem verweigert der Beschuldigte jegliche Medikation.
III. Strafrechtliches Vorleben
Der Beschuldigte ist strafrechtlich bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
1. STA NÜRNBERG-FÜRTH vom 21.01.2015
D3300S 804 Js 19024/14
Tatbezeichnung: Versuchte gefährliche Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 24.08.2014
Angewendete Vorschriften: StGB § 241
Verfahren eingestellt wegen Schuldunfähigkeit
Mitgeteilte Tat(en) ist/sind ein Vergehen
Datum des Gutachtens 20.01.2015
IV. Unterbringungsdaten
Der Beschuldigte war vom 01.08.2019 bis 12.12.2019 aufgrund Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.07.2019 im Klinikum am … E. strafrechtlich einstweilen untergebracht.
B. Anlasstaten
1. Am 26.01.2018 gegen 14:20 Uhr befand sich der als Pflegekraft eingesetzte N… W… an der Kaffeeausgabe des Pflegezentrums Rupprechtstegen, als der Beschuldigte an ihn herantrat. Der Beschuldigte sprach etwas auf Russisch und schlug dann ohne rechtfertigenden Grund gegen das linke Auge des Geschädigten W… Hierdurch erlitt der Geschädigte, wie von dem Beschuldigten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, eine leichte Rötung und ein Hämatom unter dem linken Auge.
2. Am 05.09.2018 gegen 14:45 Uhr kam der Beschuldigte in den Speiseraum des Pflegezentrums Rupprechtstegen und verlangte nach einem weiteren Stück Kuchen. Plötzlich und ohne rechtfertigenden Grund schlug der Beschuldigte den dort anwesende Krankenpfleger R… A… mit der Faust gegen den Brustkorb. Wie von dem Beschuldigten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, erlitt der Geschädigte hierdurch Schmerzen und eine Rötung an der Brust.
3. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am 24.10.2018 betrat die sodann geschädigte Pflegekraft K… R… das Zimmer des Beschuldigten, um ihm sein Essen zu bringen. Der Beschuldigte kam ihr entgegen, schrie sie auf Russisch an und versuchte mit den Fäusten auf sie einzuschlagen. Die Geschädigte R… konnte den Schlägen jedoch gerade noch ausweichen, sie ging rückwärts aus dem Zimmer und den Gang entlang. Der Beschuldigte folgte der Geschädigten und versuchte weiter, diese mit Fäusten zu schlagen. Er drängte sie bis in den hinteren Teil des Ganges. Die Geschädigte konnte sich unter seinen Armen hinwegducken und so an dem Beschuldigten vorbei den Gang zurück vor ihm flüchten. Entgegen der Intention des Beschuldigten wurde die Geschädigte nicht verletzt.
4. Am 13.11.2018 gegen 17:00 Uhr begegneten sich der Beschuldigte und der sodann geschädigte Heimbewohner P… K…. im Stationsgang des Pflegezentrums Rupprechtstegen. Als der Geschädigte K dem Beschuldigten eine Frage stellte, schlug ihm dieser unvermittelt zweimal mit der Hand kraftvoll ins Gesicht, wodurch der Geschädigte mit seinem Rollstuhl nach hinten umkippte. Wie von dem Beschuldigten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, erlitt der Geschädigte hierdurch Schmerzen im Gesicht und eine kleine Prellmarke an der linken Augenbraue.
5. Am 18.12.2018 gegen 09:00 Uhr kam der Beschuldigte ins Stationszimmer des Pflegezentrums Rupprechtstegen und beschuldigte die anwesenden Pflegekräfte, ihm in seinen Kaffee uriniert zu haben. Als der sodann Geschädigte S… D… dies verneinte, schüttete der Beschuldigte ihm den sich in einem Becher befindenden heißen Kaffee ins Gesicht. Der Geschädigte D erlitt hierdurch, wie vom Beschuldigten zumindest erkannt und billigend in Kauf genommen, Schmerzen im Gesicht. Das Gesicht war zwar leicht gerötet. Der Kaffee war aber nicht derart heiß, dass es zu schwerwiegerenden Verletzungen, wie Brandblasen oder Verbrühungen, gekommen ist. Eine ärztliche Behandlung war nicht erforderlich.
6. Unmittelbar anschließend an Tat 5 schlug der Beschuldigte der ebenfalls im Stationszimmer anwesenden Stationsleiterin E… M…-G… plötzlich und ohne rechtfertigenden Grund mit der Faust gegen das rechte Auge. Wenige Minuten später schlug der Beschuldigte der Geschädigten M…-G… bei der Zigarettenausgabe erneut und ebenfalls ohne rechtfertigenden Grund in einem Handgemenge mit der flachen Hand stark auf die linke Wange. Wie vom Beschuldigten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, erlitt die Geschädigte M…-G… hierdurch Schmerzen im Gesicht, eine Rötung an der Wange und am Ohr und ein Lidhämatom.
7. Am 16.02.2019 gegen 17:40 Uhr verletzte der Beschuldigte vor dem Speisesaal des Pflegezentrums Rupprechtstegen den Heimbewohner G… H…, indem er plötzlich und ohne rechtfertigenden Grund mit den Fäusten auf ihn einschlug. Wie von dem Beschuldigten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, stürzte der Geschädigte H… hierdurch und erlitt eine Olekranonfraktur am rechten Arm.
Infolgedessen musste der Geschädigte eine Schiene tragen. Der Bruch ist vollständig verheilt, Langzeitfolgen sind nicht eingetreten.
8. Am 17.02.2019 gegen 18:30 Uhr verletzte der Beschuldigte vor dem Stationszimmer des Pflegezentrums Rupprechtstegen den Heimbewohner J… W…, indem er ihm plötzlich und ohne rechtfertigenden Grund mit der Faust gegen den Brustkorb schlug. Hierdurch erlitt der Geschädigte, wie von dem Beschuldigten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, Schmerzen, Atembeschwerden und eine Rötung am Brustkorb.
Der Beschuldigte leidet an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0/F20.5). Die krankheitsbedingte Beeinträchtigung von Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen ist derart schwerwiegend, dass der Beschuldigte nicht mehr in der… Lage ist, sein Handeln von vernünftigen Entscheidungen abhängig zu machen sowie etwaige von seinem Handeln ausgehende Gefahren zu erkennen und sein Handeln kritisch zu reflektieren. Die Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen, war bei ihm infolgedessen zum jeweiligen Tatzeitpunkt vollständig aufgehoben.
C. Beweiswürdigung
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
Die Feststellungen zum persönlichen Werdegang und zur Krankheitsgeschichte des Beschuldigten beruhen auf seinen eigenen Angaben und auf den glaubhaften Ausführungen des Sachverständigen L…. Die Feststellungen zum strafrechtlichen Vorleben beruhen auf dem vom Beschuldigten als richtig erkannten verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister.
II. Feststellungen zu den Anlasstaten
Der Beschuldigte bestritt, die Anlasstaten begangen zu haben. Er sei zu 100 % blind und demnach nicht in der Lage, sich zu schlägern. Nach der Einlassung des Beschuldigten urinieren die Mitarbeiter des Pflegezentrums Rupprechtstegen in den Kaffee der Heimbewohner bzw. vergiften diesen und mischen in die Speisen Kot. Darüber hinaus werde bei dem Tod eines Heimbewohners dessen Leiche zerlegt, um sie nicht seinen Eltern übergeben zu müssen. Das Menschenfleisch werde sodann angebraten, zu Gulasch verarbeitet und den übrigen Heimbewohnern zum Essen serviert. Die Menschen würden in der Psychiatrie zu Kannibalen gemacht. Er selbst erschmecke das Menschenfleisch daran, dass menschliches Fleisch weniger von Sehnen zersetzt sei als tierisches Fleisch. Er fühle sich von den Heimmitarbeitern schikaniert und provoziert, da diese keine Süßigkeiten herausgeben und die Zigarettenausgabe absichtlich hinauszögerten. Das Pflegepersonal schwärze ihn an, da es von seinem Konto Geld haben wolle. In Deutschland sei es nämlich gesetzlich geregelt, dass der Geschädigte bei einer Körperverletzung 1000 Euro vom Konto des Täters erhalte. Des Weiteren habe er das Gefühl, dass in dem Pflegezentrum sein Blut zum einen getrunken werde, wodurch die Trinkenden nach 30 Minuten betrunken würden, zum anderen von seiner Mutter für 110 Euro pro 500 Gramm verkauft werde. Ihm seien auch blaue Kontaktlinsen eingesetzt worden, die mit einem Chip ausgestattet seien, welcher über einen Laptop gesteuert werden könne. Würden ihm die Kontaktlinsen, wie von ihm gefordert, rausgenommen werden, könne er wieder sehen. Medikamente könne er nicht einnehmen, da er allergisch gegen Medikamente sei. Folge der Medikamenteneinnahme wäre eine zwei Wochen anhaltende Lähmung. Dies stünde so auch in einer Enzyklopädie. Sein Großvater sei außerdem der König des deutsch-bayerischen Staates gewesen und er demnach sein Erbe. Dies sei auch der Grund, warum seine Mutter seine Unterschrift gefälscht habe. Sie selbst wolle Erbin und damit Königin werden. In seiner Funktion als König habe er humanitäre Arbeit geleistet, der Staat habe ihm viel zu verdanken.
Die Kammer ist aber aufgrund der glaubhaften Angaben der Geschädigten R…, Mi… G…, W… A… und D…, der polizeilichen Sachbearbeiter PHM V… und POM B…, welche über die polizeilichen Ermittlungen berichteten, sowie der Zeugen L… und S… von der Tatbegehung durch den Beschuldigten überzeugt. Die Zeugen berichteten über das jeweilige Tatgeschehen und die Tatfolgen. Anhaltspunkte, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, bestanden keine. Des Weiteren stützte die Kammer ihre Überzeugung auf die ärztlichen Atteste der Geschädigten Mi…-G…, H… und K… und auf die eingeführten Lichtbilder, welche die Verletzungen der Geschädigten M… G… W…, W… und K… zeigten.
III. Feststellungen zur Schuldunfähigkeit
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beschuldigte auch bei Begehung der Taten an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie litt und zum Tatzeitpunkt das Unrecht seines Handelns nicht einsehen konnte.
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten beruhen zum einen auf den Ausführungen des Sachverständigen L…. Diesen schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung an. An der Sachkompetenz des Sachverständigen zur Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten bestehen keine Zweifel. Als gerichtsbekannter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie besitzt er die hierfür erforderliche Erfahrung. Seine Ausführungen sind schlüssig und nachvollziehbar und nach der durchgeführten Beweisaufnahme teilt die Kammer seine Einschätzung.
Danach war der Beschuldigte zur Tatzeit schuldunfähig i.S.d. § 20 StGB. Er litt auch bei Begehung der Taten an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0/F20.5). Diese ist als krankhafte seelische Störung zu qualifizieren. Die Merkmale der „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“ und des „Schwachsinns“ würden ausscheiden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer zusätzlichen Persönlichkeitsproblematik vom Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung seien nicht gegeben, so dass vom Vorliegen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ nicht ausgegangen werden könne. Die krankheitsbedingte Beeinträchtigung von Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen sei derart schwerwiegend, dass der Beschuldigte nicht mehr in der Lage sei, sein Handeln von vernünftigen Entscheidungen abhängig zu machen. Denken, Fühlen und Handeln seien auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigungen ausgelegt. Er sei auch nicht in der Lage, von seinem Handeln ausgehende Gefahren zu erkennen und sein Handeln kritisch zu reflektieren. Die Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen, war bei ihm infolgedessen für alle Anlasstaten vollständig aufgehoben.
Zum anderen ist die kammer aufgrund der von dem Beschuldigten in der Hauptverhandlung geschilderten wahnhaften Vorstellungen davon überzeugt, dass zum Tatzeitpunkt seine Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der jeweiligen Taten aufgehoben war.
IV. Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Unterbringung
Die Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugen W… und K… und auf den Ausführungen des Sachverständigen L… denen sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung anschließt, sowie auf dem verlesenen Beschluss des Amtsgerichts Hersbruck vom 07.03.2019, der die zivilrechtliche Unterbringung bis längstens 09.02.2021 anordnet. Der Sachverständige L… nahm eine zusammenschauende Beurteilung der Person des Angeklagten aufgrund von spezifischen prognoserelevanten Aspekten der historischen Daten, des gegenwärtigen Befundes und der zukünftigen Risiken vor. Es bestehen keine Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen, seine Ausführungen sind schlüssig und nachvollziehbar.
D. Rechtliche Würdigung
Durch sein Verhalten verwirklichte der Beschuldigte rechtswidrig den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung in sieben Fällen und der versuchten Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, Abs. 2, 230 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 53 StGB.
Aufgrund der bei ihm zur Tatzeit vorliegenden krankhaften seelischen Störung war seine Einsichtsfähigkeit vollständig aufgehoben und er handelte daher schuldunfähig i.S.d. § 20 StGB.
E. Keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Von der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB war abzusehen, da die Verhängung der Maßregel insbesondere mit dem in § 62 StGB normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang zu bringen ist.
1. Begehung einer rechtswidrigen Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit
Der Beschuldigte hat im gesicherten Zustand der Schuldunfähigkeit die o.g. Anlasstaten und damit rechtswidrige Taten begangen. Der Zustand beruht auf dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung in Form einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0/F20.5). Es handelt sich dabei um einen bereits seit Jahrzehnten vorliegenden Dauerzustand und keinen nur vorübergehenden Zustand.
2. Erwartung erheblicher rechtswidriger Taten
Es ist bereits zweifelhaft, ob von dem Beschuldigten die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten zu erwarten sind.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf wegen der Schwere des mit ihr verbundenen Eingriffs lediglich angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde in Folge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln. Sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Angeklagten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. (BGH, Urteil vom 18.07.2019 – 4 StR 43/19).
Eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 63 Satz 1 StGB liegt dabei vor, wenn diese mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte sind, soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt, regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 05.06.2019 – 2 StR 42/19).
Bei den von dem Beschuldigten begangenen Anlasstaten handelt es sich zwar um Gewalt- und Aggressionsdelikte, jedoch bewegen sich die Körperverletzungen allenfalls am unteren Bereich der mittleren Kriminalität. Infolge der Übergriffe sind keine weitreichenden Folgen eingetreten. Insbesondere bei der Anlasstat zum Nachteil des Geschädigten H. ist zu sehen, dass der Bruch des Armes vollständig ausgeheilt ist und unmittelbar auf dessen Sturz infolge des Schlages und nicht auf den Schlag selbst zurückzuführen ist. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Sturz und die damit verbundene Olekranonfraktur nicht von dem Beschuldigten gewollt war. Die Kammer verkennt hierbef nicht, dass es sich bei den Heimbewohnern in der Regel um körperlich eingeschränkte Personen handelte, bei denen es auch bei „einfachen“ Körperverletzungen zu schwerwiegerenden Folgen, wie Knochenbrüchen oder Ähnlichem, kommen kann. Der körperliche und geistige Zustand von anderen Heimbewohnern ist allerdings bei der Auswahl eines adäquaten Pflegeheims für den Beschuldigten zu berücksichtigen und kein entscheidendes Kriterium für die Qualifizierung der Verletzungshandlungen. Jüngere und körperlich stabilere Mitbewohner könnten dem Beschuldigten entsprechend entgegentreten und potentielle Übergriffe leichter abwehren.
Die Anlasstaten fanden zudem in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum von einem Jahr und ausschließlich im Pflegezentrum Rupprechtstegen statt. Seit Februar 2019, insbesondere auch während des Aufenthalts im Klinikum Am … in E., ist es zu keinen den Anlasstaten vergleichbaren Vorfällen mehr gekommen, obwohl der Beschuldigte weder durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen an der Begehung von Straftaten gehindert war noch während des Aufenthalts im Klinikum in E. Medikamente einnahm (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2019 – 2 StR 42/19). Daher liegt es nahe, – auch wenn nach den Angaben des Sachverständigen L… aufgrund des Krankheitsbildes durchaus den Anlasstaten vergleichbare Taten seitens des Beschuldigten zu erwarten sind – dass die Anlasstaten ihre Ursache in dem konkreten Unterbringungsort im Pflegezentrum Rupprechtstegen und in der Unterbringungssituation selbst haben. Wird der Beschuldigte in einem Pflegeheim, welches hinsichtlich Personal- und Organisationsstruktur auf Patienten wie den Beschuldigten ausgerichtet ist, untergebracht, ist ein Ausbleiben von mit den Anlasstaten vergleichbaren Taten nicht auszuschließen.
3. Gefahr für die Allgemeinheit
Der Beschuldigte ist auch nicht für die Allgemeinheit gefährlich.
Der Gefährlichkeitsprognose steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass sich die Anlasstaten des Beschuldigten ausschließlich gegen die Heimleitung, das Pflegepersonal und andere Heimbewohner richteten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der von § 63 StGB geforderten Gefährlichkeitsprognose können Verhaltensweisen innerhalb einer Betreuungseinrichtung gegenüber dem Pflegepersonal zwar nicht ohne Weiteres denjenigen Handlungen gleichgesetzt werden, die ein Täter außerhalb einer solchen Einrichtung begeht (st. Rspr; vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2019 – 2 StR 42/19; Beschlüsse vom 25.04.2012 – 4 StR 81/12; vom 17.02.2009 – 3 StR 27/09; Urteil vom 22.01.1998 – 4 StR 354/97). Das bedeutet allerdings nicht, dass Aggressions- und Gewaltdelikte als Grundlage für die Annahme einer Allgemeingefährlichkeit eines Beschuldigten ausscheiden, weil sie in einer Betreuungseinrichtung begangen wurden. Jeder ist als Einzelner Mitglied der zu schützenden Allgemeinheit. Dementsprechend genügt es für eine Gefährlichkeit im Sinne des § 63 StGB, wenn vom Täter erhebliche rechtswidrige Taten nur gegen einen begrenzten Personenkreis oder sogar nur gegen eine Einzelperson zu erwarten sind (BGH, Beschluss vom 17.09.2013 – 1 StR 372/13).
Maßgeblich ist, ob die Taten ihre Ursache (auch) in der durch die Unterbringung für den Betreffenden begründeten Ausnahmesituation haben. Auch in solchen Fällen ist, wie stets, die zur Beurteilung der Gefährlichkeit notwendige Prognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln. Einzustellen sind insbesondere die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen (BGH, Urteil vom 10.01.2018 – 2 StR 525/16).
Im vorliegenden Fall ist nach den glaubhaften Angaben der Leiterin des Pflegezentrums Rupprechtstegen Frau W… und des Stationsarztes des Klinikums Am … Herrn K… das Verhalten des Beschuldigten im Wesentlichen auf die Unterbringungssituation und auf die damit verbundenen Reglementierungen zurückzuführen. Der Beschuldigte verhielt sich insbesondere dann körperlich aggressiv, wenn es um die Reglementierung der Zigarettenausgabe und das Einhalten von Vorschriften und Anweisungen ging. Bei einem Leben in Freiheit würde es zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Selbstgefährdung infolge Verwahrlosung kommen. Aufgrund fehlender Reglementierungen und konkreter Vorschriften ist eine Gefährdung Dritter jedoch eher fernliegend.
Des Weiteren ist zu sehen, dass der Beschuldigte fast vollständig blind ist und demnach gezielte Gewalttätigkeiten nicht zu erwarten sind. Vielmehr schilderten die Geschädigten in der Regel, dass der Beschuldigte bei seinen Körperverletzungshandlungen unkontrolliert mit seinen Armen um sich schlug. Aufgrund seiner Sehbehinderung ist demnach auch nicht zu erwarten, dass der Beschuldigte bei potentiellen Angriffen gefährliche Gegenstände, wie Messer oder in der Unterbringung verfügbare Schlagwerkzeuge, benutzen wird.
4. Verhältnismäßigkeit
Nach den Angaben des Sachverständigen … steht die potentielle Gefährlichkeit des Beschuldigten aufgrund der Zerrüttung seines Persönlichkeitsgefüges und dem damit verbundenen Wegfall der Hemmmechanismen zwar in einem symptomatischen Zusammenhang mit dem die Anlasstat verursachenden oder mitverursachenden Defektzustand im Sinne des § 20 StGB. Allerdings scheitert die Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB insbesondere an der Verhältnismäßigkeit der Anordnung.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet bei der Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit diese im öffentlichen Interesse unerlässlich ist. Es ist erforderlich, dass andere organisatorische Möglichkeiten und außerstrafrechtliche Maßnahmen zur Einschränkung der Gefährlichkeit ausgeschöpft werden. Strafrechtliche Maßnahmen können erst als letztes Mittel in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 04.08.1998 – 5 StR 223/98).
Der Unterbringung nach § 63 StGB steht im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte bereits auf anderer Rechtsgrundlage untergebracht ist unter den hier gegebenen Umständen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) entgegen.
Zwar hindert die zivilrechtliche Unterbringung grundsätzlich die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB nicht. Beide Unterbringungen können nebeneinander bestehen (vgl. BGHSt 24, 98). Diese Grundsätze können aber nur Geltung beanspruchen, wenn die strafrechtliche Unterbringung aus Anlass von Taten in Frage steht, zu denen es vor der konkurrierenden zivilrechtlichen Unterbringung oder während einer Unterbrechung einer solchen Maßnahme gekommen ist. Hat der Beschuldigte die krankheitstypischen und krankheitsbedingten Anlasstaten hingegen – wie hier – im Rahmen einer bereits aus anderen Gründen angeordneten Unterbringung begangen und sind Tatopfer die Angehörigen des Pflegepersonals, dem seine ihn und die Allgemeinheit schützende Betreuung obliegt, so bleibt in der Regel für die Maßnahme nach § 63 StGB als Rechtsfolge kein Raum (BGH, Urteil vom 22.01.1998 – 4 StR 354/97). Hinter diesem Grundsatz steht zum einen die Überlegung, dass in einem solchen Fall die schon bestehende anderweitige Unterbringung zur Abwendung einer von dem Beschuldigten ausgehenden Gefahr in der Regel ausreicht, zum anderen die Erkenntnis, dass krankheitsbedingte aggressive Durchbrüche im Rahmen einer bestehenden Unterbringung mit all ihren Belastungen für die Betroffenen eine typische Begleiterscheinung der Unterbringung sind und die betreffende Einrichtung und ihr Personal sich auf solche Krankheitsfolgen einstellen können und müssen.
Eine Unterbringung nach § 63 StGB ist allerdings nicht ausnahmslos unverhältnismäßig und damit unzulässig, wenn es um krankheitstypische und krankheitsbedingte Taten gegenüber dem Pflegepersonal während einer anderweitigen Unterbringung geht. Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt bei Taten während einer anderweitigen Unterbringung ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Beschuldigte in einer forensischen Klinik sicherer oder in einer für ihn weniger belastenden Weise untergebracht ist oder es sich um solche Taten handelt, die dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind (BGH, Urteil vom 22.01.1998 – 4 StR 354/97).
Diese Ausnahmen liegen im vorliegenden Fall nicht vor.
Bei den Anlasstaten handelt es sich lediglich um einfache Körperverletzungen, die nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzuordnen sind.
Des Weiteren ist der Beschuldigte nach den glaubhaften und schlüssigen Angaben des Zeugen K und des Sachverständigen L… in einer forensischen Klinik weder sicherer untergebracht noch in einer für ihn weniger belastenden Weise.
Der Beschuldigte befand sich vor seiner vorläufigen Unterbringung im Klinikum Am … in dem Pflegezentrum Rupprechtstegen. Zwar ist es nach den glaubhaften Angaben der dortigen Leiterin Weiß aufgrund der Personal- und Organisationsstruktur der Einrichtung nicht möglich, Straftaten des Beschuldigten zu verhindern. Das Pflegezentrum verfüge weder über hinreichend ausgebildetes Personal noch über eine geeignete Infrastruktur, um der von dem Beschuldigten ausgehenden Gefahr adäquat begegnen zu können. Des Weiteren ist das Pflegezentrum auch aus medizinisch-therapeutischer Sicht nicht auf Patienten mit einem Krankheitsbild wie dem des Beschuldigten eingestellt. Zwar böte das Pflegezentrum Beschäftigungstherapien an, mit dem Beschuldigten könne jedoch nicht spezifisch in Bezug auf seine aggressive Impulsivität therapeutisch gearbeitet werden.
Diese Umstände können jedoch nicht dazu führen, einen überdurchschnittlich „schwierigen Patienten“, der in dem für den Maßregelvollzug zuständigen Krankenhaus für Ärzte und Pflegepersonal nicht weniger belastend sein wird, strafrechtlich unterzubringen. Sinn und Zweck des Maßregelvollzugs ist es nicht, allgemeine psychiatrische Krankenhäuser von besonders schwierigen – möglicherweise gerade als Folge der langdauernden Unterbringung zunehmend zu schwereren Aggressionsausbrüchen neigenden – Kranken zu entlasten, um so personelle, sachliche oder organisatorische Defizite, die eine Gefährdung des Pflegepersonals zur Folge haben, auszugleichen (BGH, Urteil vom 22.01.1998 – 4 StR 354/97). Vielmehr ist es Aufgabe des Betreuers, eine auf den Patienten in personeller und medizinisch-therapeutischer Hinsicht abgestimmte Pflegeeinrichtung zu finden.
Der Beschluss des Amtsgerichts Hersbruck vom 07.03.2019, der die zivilrechtliche Unterbringung bis längstens 09.02.2021 anordnet, entfaltet weiterhin Geltung. Der Betreuer des Beschuldigten untersteht der Aufsicht des Betreuungsgerichts, das bei Pflichtwidrigkeiten – um eine solche würde es sich beim Betreiben der Entlassung eines gefährlichen Betreuten handeln (vgl. Götz in Palandt BGB 78. Auff. § 1837 Rn. 9) – einschreiten müsste (§§ 1908 i Abs. 1 S. 1 i.V.m. 1837 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus obliegen auch dem Gesundheitsamt Überwachungspflichten, so dass nicht zu befürchten ist, dass der Beschuldigte unkontrolliert entlassen wird. Wie oben bereits ausgeführt, ist die Kammer im Übrigen ohnehin davon überzeugt, dass bei einem Leben in Freiheit seitens des Beschuldigten keine Gefahr für Dritte besteht.
F. Entschädigung
Die Entschädigung des Beschuldigten für die vorläufige Unterbringung nach § 126 a StPO war gem. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StrEG auszusprechen. Ausschluss- oder Versagungsgründe gem. §§ 5, 6 StrEG liegen nicht vor.
G. Verfahrensfördernde Absprachen gemäß § 257 c StPO
Verständigungsgespräche unter den Verfahrensbeteiligten fanden nicht statt.
H. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464 Abs. 1, Abs. 2, 467 Abs. 1 StPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Illegale Müllentsorgung

Warme Sonnenstrahlen bringt der Frühlingsanfang mit sich und lockt die Menschen vor die Türe. Hier wird auf öffentlichen Plätzen gegrillt, dort eine Flasche Wein getrunken - was häufig bleibt ist der liegengebliebene Müll.
Mehr lesen