Strafrecht

Mord aus Heimtücke – Unterbringung

Aktenzeichen  1 Ks 128 Js 13064/10

Datum:
4.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49283
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 20, § 63, § 211

 

Leitsatz

1. Arglos ist regelmäßig auch der Schlafende, wenn er einschläft. Er überlässt sich dem Schlaf im Vertrauen darauf, dass ihm nichts geschehen werde. In diesem Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit. Arglos ist er hingegen nicht nur, ehe er einschläft. Wer sich zum Schlafen niederlegt, nimmt die Arglosigkeit mit in den Schlaf; sie begleitet ihn, auch wenn er sich ihrer nicht mehr bewusst ist. (Rn. 227) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt. Dies kommt insbesondere bei einfach gelagerten Tatsituationen in Betracht. (Rn. 236 – 237) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Umstände eines Beziehungsdelikts sind im Rahmen der Prüfung, ob der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich ist, zu berücksichtigen. (Rn. 265) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Unterbringung des Beschuldigten Ya. Ed. AZ., geboren am 01.10.1964 in L.(Togo), in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
II. Der Beschuldigte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Strafvorschriften: §§ 20, 63 StGB

Gründe

Der Beschuldigte Az., der spätestens seit Mitte des Jahres 2009 an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist, fuhr im August 2010 gemeinsam mit seiner Ehefrau Ai. Af. Az., geb. De., nach Ghana, um dort seine Erkrankung, die er als solche nicht akzeptieren konnte/wollte, auf „traditionelle Weise“ mit Gebeten und Kräutern behandeln zu lassen. Einige Tage vor dem geplanten Rückflug der Ehefrau nach München, wo beide seit 1992 bzw. 1995 ihren ständigen Wohnsitz hatten, flogen sie von Ac. (Ghana) zu einem Besuch ihrer Familien nach L. (Togo), wo sie im Hause seines Schwagers Wo. nächtigten.
Am 09.09.2010 gegen Abend begab sich das spätere Tatopfer Ai. Af. Az., in dem Vertrauen darauf, im Haus ihrer Schwiegerfamilie sicher und geschützt zu sein, zu Bett. Während Ai. Af. Az. tief und fest schlief, fasste der Beschuldigte „von einem Geist geleitet“, also unter dem Einfluss auditiver und/oder visueller Halluzinationen stehend, den Entschluss, sie zu töten. Zu diesem Zweck ergriff er am 10.09.2010 in der Zeit zwischen 00.48 und 01.00 Uhr ein in München gekauftes, silberfarbenes Messer der Marke „Bemilex“ aus Edelstahl mit einer Klingenlänge von mindestens 10 cm und stach damit der Geschädigten wuchtig und zielgerichtet in die linke Halsseite, um sie zu töten. Dem Beschuldigten war dabei bewusst, dass die Geschädigte sich keines Angriffs auf ihre körperliche Unversehrtheit oder gar ihr Leben versah, sondern sie sich gutgläubig zu Bett begeben hatte und eingeschlafen war. Der Beschuldigte nutze dieses Überraschungsmoment auch gezielt für seine Tat aus. Er versetzte der schlafenden, auf dem Bauch liegenden Geschädigten mit dem Messer 3 Stiche gegen den Halsbereich, wobei der erste Stich mit einer Tiefe von mindestens 5 cm die Halsschlagader durchtrennte, zu einer schnellen Handlungsunfähigkeit der Geschädigten und zum Todeseintritt durch Verbluten nach außen führte.
Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten war bei Tatbegehung infolge seiner psychiatrischen Grunderkrankung sicher aufgehoben.
Das soeben skizzierte Verhalten des Beschuldigten wertet die Strafkammer als Mord gemäß § 211 Abs. 2 Var. 5 StGB, da sie das Mordmerkmal der Heimtücke als gegeben erachtet.
Der Beschuldigte, der die deutsche und die togolesische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde am 13.09.2010 von der togolesischen Polizei vorläufig festgenommen. Nach einer alsbald durchgeführten eingehenden psychiatrischen Untersuchung wurde er am 30.09.2010 in dem psychiatrischen Krankenhaus von Zebe – Aneho untergebracht. Am 10.08.2015 erfolgte auf richterliche Anordnung vom 28.07.2015 hin nach Einholung weiterer psychiatrischer Stellungnahmen seine bedingte Freilassung. In der Folge hielt er sich bei seiner Mutter in L.(Togo) auf und befand sich weiterhin in ambulanter psychiatrischer Behandlung. Mit richterlichem Beschluss vom 30.01.2019 wurde das Verfahren gegen den Beschuldigten endgültig eingestellt, da er bei Tatbegehung aufgrund einer chronischen Psychose für seine Taten nicht verantwortlich gemacht werden kann.
Am 22.07.2019 verließ der Beschuldigte L.(Togo) mit dem Flugzeug, um nach Deutschland zurückzukehren. Er wurde am 23.07.2019 bei der Einreise am Flughafen in Lissabon aufgrund eines Europäischen Haft- bzw. Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts München vorläufig festgenommen und am 31.07.2019 nach Deutschland ausgeliefert. Seither befindet er sich in einstweiliger Unterbringung im … I.-A.-Klinikum M. Ost.
Sachverhalt
I. Vorgeschichte
Der Beschuldigte litt seit 1994 an ersten unspezifischen Symptomen einer psychischen Erkrankung, nämlich Schlafstörungen, Verdauungsproblemen und Anorexie, die ihn auch in der Folgezeit begleiteten.
Spätestens ab dem Jahre 2005/2006 verschlechterte sich der psychische Zustand des Beschuldigten zusehends. Die Schlafstörungen nahmen zu, der Beschuldigte hatte keinen Appetit mehr, entwickelte massive Verfolgungsängste und fühlte sich von seinem Arbeitgeber überwacht. So war er der Überzeugung, dass in seinem Schlafzimmer Kameras angebracht seien, sein Telefon abgehört würde und seine Kollegen ihn beobachten würden. Der Beschuldigte wurde dadurch in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, was die Probleme am Arbeitsplatz verstärkte, er war unkonzentrierter, reizbarer, auch im Umgang mit seinen beiden Söhnen, und fühlte sich auf der Straße wiederholt verfolgt.
Spätestens Mitte des Jahres 2009 bildete sich bei dem Beschuldigten eine chronische psychische Erkrankung in Form einer paranoiden Schizophrenie aus. Es entwickelte sich eine floride Symptomatik mit akustischen Halluzinationen, einem Beziehungs-, Bedeutungs- und Verfolgungswahn.
Am 21.06.2009 wurde er auf Drängen seiner Ehefrau, der späteren Geschädigten Ai. Af. Az., und seines Bruders Ko. Az. erstmalig stationär in der Psychiatrischen Universitätsklinik in der N. straße in M. aufgenommen und ihm dort die Verdachtsdiagnose einer paranoiden Schizophrenie gestellt. Bei Aufnahme war er denkzerfahren und wies deutliche Auffassungsstörungen auf. Bevor eine geeignete Medikation angesetzt werden konnte, verließ der Beschuldigte am 30.06.2009 gegen ärztlichen Rat wieder die Klinik.
Ein zweiter stationärer Aufenthalt fand in der Zeit vom 04.09.2009 bis zum 08.10.2009 im … I.-A.-Klinikum M.-Ost statt, während sich seine Ehefrau in Togo und seine beiden Söhne bei Verwandten in Luxemburg aufhielten. Der Beschuldigte war in das IAK-KMO eingewiesen worden, nachdem er zuvor völlig aufgeregt und unruhig durch seine Wohnung geirrt war, unkontrollierte Laute ausgestoßen und gegen die Fenster geklopft hatte. Die Aufnahme erfolgte in einem desorganisierten, fraglich wahnhaften Zustandsbild; er war wiederum völlig denkzerfahren. Zudem bestand der Verdacht, dass er unter akustischen Halluzinationen litt. Dort wurde ihm die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie gestellt und eine Medikation mit Risperidon 2-0-4 mg und Quetiapin 0-0-100 mg begonnen.
Spätestens seit diesem zweiten stationären Aufenthalt hatte der Beschuldigte auch seine Ehefrau in sein bestehendes Wahngebilde eingebaut und verdächtigte diese der Untreue sowie an den ihn betreffenden Überwachungsmaßnahmen beteiligt zu sein.
Seit dem 09.09.2009 stand der Beschuldigte aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts München – Abteilung für Betreuungssachen – unter vorläufiger und seit dem 09.03.2010 unter dauerhafter Betreuung, Gz.: 705 XVII 6507/09. Als berufsmäßiger Betreuer wurde jeweils Rechtsanwalt T1. bestellt.
Am 22.08.2010 reiste der Beschuldigte auf Anraten des Priesters der freikirchlichen evangelikalen Pfingstgemeinde in München, bei der er sehr engagiert war, gemeinsam mit seiner Ehefrau nach Ghana, um dort in einem Gebetszentrum seine Erkrankung, die er als solche nicht akzeptieren konnte und wollte, auf „traditionelle Weise“ mit Gebeten und Kräutern behandeln zu lassen. Die beiden Kinder waren derweil bei seinem Bruder Ko. in D. untergebracht. Geplant war, dass die Ehefrau des Beschuldigten zum Ende der Schulferien hin wieder nach München zurückkehrt, um sich um die Kinder zu kümmern, während der Beschuldigte noch einige Zeit zur Behandlung in Ghana verbleiben sollte.
II. Tat
Der Beschuldigte hielt sich ab dem 09.09.2010 mit seiner Ehefrau Ai. Af. Az., geborene Degbe, dem späteren Tatopfer, im Wohnanwesen seines Schwagers, Herrn K1. W. im togolesischen Lomé, im Quartier Adidogomé Soviépé auf. Das in München wohnhafte Ehepaar war von Ghana aus zu einem Besuch der Verwandten in Togo weitergereist. Es nächtigte in einem Nebengebäude auf dem Grundstück, das aus einem Wohn- und Schlafzimmer nebst Bad bestand.
Gegen Abend begab sich die spätere Geschädigte Ai. Af. Az. im Vertrauen darauf, im Haus ihres Schwagers in Anwesenheit ihrer Familie sicher und geschützt zu sein, zu Bett. Während Ai. Af. Az. tief und fest schlief, fasste der Beschuldigte „von einem Geist geleitet“, also unter dem Einfluss auditiver und/oder visueller Halluzinationen stehend, den Entschluss, diese zu töten.
Zu diesem Zweck ergriff er am 10.09.2010 in der Zeit zwischen 00.48 und 01.00 Uhr ein in München gekauftes, silberfarbenes Messer der Marke „Bemilex“ aus Edelstahl mit einer Klingenlänge von mindestens 10 cm und stach damit der schlafend auf dem Bauch liegenden Geschädigten wuchtig und zielgerichtet in die linke Halsseite, um sie zu töten. Dem Beschuldigten war dabei bewusst, dass die Geschädigte sich keines Angriffs auf ihre körperliche Unversehrtheit oder gar ihr Leben versah, sondern sich gutgläubig zu Bett begeben und eingeschlafen war. Der Beschuldigte nutze diesen Moment auch gezielt für seine Tat aus.
Der Stich drang am linken Kieferwinkel ein, setzte sich sodann über den Mundboden schräg nach unten in Richtung des Kehlkopfes fort, wobei es zu einem Abgleiten am Unterkiefer kam und damit zu einer unregelmäßigen Stich-Schnittkombination, die letztlich die Halsschlagader durchtrennte. Sodann stach der Beschuldigte zwei weitere Male mit dem Messer auf seine Ehefrau ein, einmal wiederum gegen die linke Halsseite, verfehlte diese aber und traf an der linken Schulter auf, wo er einen kleineren Schnitt verursachte und ein weiteres Mal glitt ein dritter gegen linke Halsseite geführter Stich am linken Schlüsselbein ab, prallte auf den Knochen und verursachte dort eine oberflächliche Stich- /Schnittverletzung.
Der erste Stich mit einer Tiefe von mindestens 5 cm, der die Halsschlagader durchtrennt hatte, führte zu einer schnellen Handlungsunfähigkeit der Geschädigten und zum Todeseintritt durch Verbluten nach außen.
Das am Übergang zwischen Griff und Klinge zerbrochene Tatmesser der Marke „Bemilex“ wurde im Wohnzimmer des Nebengebäudes aufgefunden.
III. Nachtatgeschehen
Der Beschuldigte wurde am 13.09.2010 von der togolesischen Polizei vorläufig festgenommen und hielt sich – auch nach seiner Entlassung aus der stationären Unterbringung in dem psychiatrischen Krankenhaus von Zebe – Aneho am 10.08.2015 – bis zu seiner Ausreise am 22.07.2019 in L.(Togo) auf.
Die beiden Söhne des Beschuldigten, der am 11.08.1999 geborene P.Remsom Eyram Az. und der am 21.04.2005 geborene Fernando Elom Benjamin Az., die sich zur Tatzeit bei seinem Bruder, dem Zeugen Ko. Az. in D. aufhielten, kamen am 04.10.2010, also nur wenige Wochen nach der Tat, in ein Waisenhaus in München. Ihr Onkel Ko. wurde zum Vormund für sie bestimmt. Der jüngere Sohn F1. entwickelte in der Folge schwere Verhaltensauffälligkeiten, die letztlich dazu führten, dass er 2011 in die USA zu der dort lebenden Schwester des Beschuldigten, Marceline, ausreisen durfte und seither dort lebt. Eine Adoption ist mit dem Einverständnis des Beschuldigten angestrebt. Der ältere Sohn P1. befand sich bis 2015 in dem Waisenhaus und wechselte dann in eine Jugendhilfeeinrichtung in Pasing, wo er bis 2019 aufhältig war. P.hat mittlerweile die Schule mit dem Abitur erfolgreich abgeschlossen und studiert derzeit Wirtschaftsinformatik in München. Durch das aktuelle Verfahren ist er psychisch belastet und überlegt derzeit sich therapeutische Hilfe zu holen.
IV. Schuldfähigkeit
Der Beschuldigte litt zum Tatzeitpunkt unter einer akuten Exazerbation einer seit spätestens Mitte 2009 bei ihm bestehenden paranoiden Schizophrenie, episodisch mit mittlerweile stabilem Residuum nach ICD 10 F 20.02. Bei Tatbegehung war er zwar in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen, jedoch nicht mehr in der Lage, sein Verhalten zu steuern. Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten war insoweit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung zur Tatzeit sicher aufgehoben und er damit schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB. C.
Beweiswürdigung
I. Persönliche Verhältnisse
1. Die Feststellungen zum Lebenslauf und Werdegang des Beschuldigten sowie zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus den insoweit glaubhaften Angaben des Beschuldigten in der Hauptverhandlung. Ergänzend stützt sich die Strafkammer auf die glaubhaften Bekundungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. R1. zur biographischen und gesundheitlichen Anamnese des Beschuldigten sowie auf die glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Zeugen P., Ko. und Andrea Az., der sachverständigen Zeugen Dr. P2. und Dr. O. sowie des Sachverständigen Dr. R1.
Im Übrigen beruhen die Feststellungen zum Lebenslauf und Werdegang des Beschuldigten sowie zu seinem Gesundheitszustand auf folgenden Beweismitteln und Erwägungen:
a) Neben seinen glaubhaften Angaben zu seiner Familiengeschichte und seiner Biographie gab der Beschuldigte selbst zusammengefasst noch an, dass er an einem Donnerstag geboren wurde und deswegen den Vornamen Ya. erhalten habe, welcher in seiner Landessprache „an einem Donnerstag“ bedeute.
2008/2009 sei er aufgrund der Wirtschaftskrise von seinem damaligen Arbeitgeber, der Fa. Rotec, aufgefordert worden entweder eine Weiterbildung zu absolvieren oder die Firma zu verlassen. Seine Frau habe ihm damals geraten die Firma zu verlassen und vorher das Geld für die Kinder von der Bank abzuheben. Nach seiner Kündigung im März 2009 habe er erfahren, dass er jetzt kein Krankengeld mehr bekomme. Wenn ihm dies vorher bekannt gewesen wäre, wäre er in der Firma geblieben und hätte sich aufgrund seiner Erkrankung frühpensionieren lassen. Er sei dann 1 Jahr lang arbeitslos gewesen. Seine Frau habe ihn dann aufgefordert, sich eine andere Arbeit in Luxemburg oder in Augsburg zu suchen. Ersteres habe sich aufgrund der Entfernung als nicht durchführbar erwiesen, so dass er dann eine Stelle in Augsburg gefunden und angetreten habe, wo er von etwa März bis August 2010 Elektroteile montiert habe. Wenn er Spät-/Nachtschicht gehabt habe, habe er bei einem befreundeten Ehepaar in Augsburg übernachtet und sei erst am Freitag wieder zur Familie gefahren; wenn er Frühschicht gehabt habe, sei er jeweils täglich um 15.00 Uhr zurück nach München gefahren. Es sei unzutreffend, dass er in dieser Zeit von seiner Frau getrennt gelebt habe.
Als er in Zebe – Aneho im Krankenhaus gewesen sei, sei zweimal jemand gekommen, einmal jemand von der Seite seiner Frau und einmal von seiner Schwester, um sicherzustellen, dass er immer noch dort sei. Der zweite Besuch habe ihm gesagt, dass er von seiner Frau beauftragt worden sei herumzuspionieren, wo er sich befinde. Da passiere etwas im Hintergrund, über das er noch nichts sagen könne, weil ihm da noch einige Informationen fehlen würden.
Der Beschuldigte berichtete sodann über seine kurze Haftzeit in L.2010 und in Lissabon 2019 und legte insoweit dar, dass die Haft in L.mit der Haft in europäischen Gefängnissen nicht vergleichbar sei. Er sei aber nur 2 Wochen in L.im Gefängnis gewesen und dann in die psychiatrische Klinik verlegt worden. Diese sei mit der Klinik in M.-H. durchaus vergleichbar, zumal sie von Deutschen gegründet und aufgebaut worden sei. Teilweise gehe es in der Klinik in Togo lockerer zu; so sei dort z.B. der Gebrauch von Messern uneingeschränkt erlaubt.
Nach seiner Entlassung aus der Klinik im Jahre 2015 habe er weiterhin jede Woche am Donnerstag Dr. G. in einem psychiatrischen Zentrum in L.gesehen. Dieser habe die Medikation dann geändert, den Namen der neuen Medikamente erinnere er jedoch nicht mehr. Dr. G. habe ihm noch 2015 in der Klinik gesagt, dass er eine Depression gehabt habe, jetzt aber geheilt sei. Dr. G. habe weiter zu ihm gesagt, dass er keine paranoide Schizophrenie habe, da er – wenn überhaupt – nur einen Schub gehabt habe und es damit keine Schizophrenie sein könne. Er habe nach seiner Entlassung bei seiner Mutter in L.gewohnt. Gearbeitet habe er nicht. Als er nach Deutschland gekommen sei habe er die verordneten Medikamente, nämlich Terzian (Anm. ein Antipsychotikum) und Adalat (Anm. ein Mittel gegen Bluthochdruck) bei sich gehabt. Er habe diese bis zuletzt, also bis zu seiner Ankunft in München, genommen, Terzian immer 25 mg abends und Adalat immer morgens.
Nachdem sein Verfahren in Togo Anfang 2019 endgültig eingestellt worden sei, habe er sich darum bemüht, wieder nach Deutschland zu seinen Kindern zu kommen. Auf Nachfrage räumte der Beschuldigte ein, dass ihm bekannt sei, dass sein jüngerer Sohn seit längerem in den USA bei seiner Schwester lebe und ein Adoptionsverfahren laufe. Weiter gab er an, dass es zutreffend sei, dass er es abgelehnt habe, den Besuch seines ältesten Sohnes und seines Bruders in H. zu empfangen. Dies liege daran, dass dort kein Platz für Besuche sei, bedeute aber nicht, dass er etwas gegen sein Kind habe.
Er habe in der Unterbringung in München-H. jetzt fast durchgängig die Arbeitstherapie besucht. Lediglich zu Anfang sei es ihm aufgrund der Temperaturunterschiede zwischen Togo und München zu kalt gewesen, zumal er nicht viel zum Anziehen gehabt habe. Er arbeite jetzt aber gut und letzte Woche, als er auf seinem Zimmer gewesen sei, sei der Arbeitstherapeut extra gekommen, um ihn zu holen. Dieser habe gesagt, dass man ihn brauchen würde. Das zeige doch, dass er gut arbeiten würde und man auf ihn nicht verzichten könne.
Befragt zu seinen Zukunftsplänen gab der Beschuldigte an, dass es für ihn, im Falle, dass das Gericht anordnen sollte, dass er weiterhin im IAK-KMO in München-H. bleiben müsse, zwar „ein Unglück“, letztlich aber nicht so schlimm wäre, da er wisse, dass auch der weitere Aufenthalt dort zeitlich begrenzt sei und er irgendwann auf jeden Fall freigelassen werde. Sollte er direkt nach der Verhandlung entlassen werden, werde er sich den Problemen des Lebens stellen und sich eine Wohnung und eine Arbeit suchen. Er könne zum Arbeitsamt gehen oder direkt bei den Firmen vorsprechen oder im Internet nach freien Stellen suchen. Einen Betreuer benötige er nicht, er sei vielmehr durchaus alleine in der Lage diese Dinge zu regeln. Er beabsichtige nach Hamburg zu gehen und sich dort niederzulassen, da seine Frau gemeint habe, dass es in Hamburg schön sei. Seine Entscheidung für Hamburg und gegen München sei quasi die Fortsetzung eines Wunsches seiner Frau. Verwandte, Freunde, Bekannte oder eine Anlaufstelle, an die er sich wenden könne, habe er dort zwar keine, er brauche aber auch niemanden.
Zu seiner aktuellen gesundheitlichen Situation gab der Beschuldigte an, dass ihm bewusst sei, dass er immer noch dabei sei, seine Gesundheit wiederherzustellen. Deswegen werde er auch nach einer Entlassung weiterhin seine Medikamente nehmen, da sein Körper diese benötige, um schlafen zu können. Wenn er nicht schlafe, könne er am Folgetag nicht arbeiten, deswegen sei er quasi verpflichtet diese einzunehmen. Zudem „brenne sein Körper“ wenn er die Medikamente nicht nehme. Eine Umstellung seiner Medikation auf Depotspritzen lehne er jedoch ab, da ihm die Verabreichung von Spritzen Schmerzen bereiten würde und er hierzu allenfalls 1 x jährlich bereit sei.
Der Beschuldigte gab weiter an, dass er beide Hände benutze, er bevorzuge aber seit jeher die linke Hand.
b) Der Zeuge P. Az. ist der ältere Sohn des Beschuldigten. Nach dessen glaubhaften Angaben, die er ruhig und ohne jeglichen Be- oder Entlastungseifer vortrug, wollte er im Februar 2020 gemeinsam mit seinem Onkel Ko. seinen Vater im IAK-KMO besuchen. Dieser habe es jedoch abgelehnt sie zu empfangen. Warum wisse er nicht. Er habe auch erst durch seine Vorladung zu einer polizeilichen Zeugenvernehmung im November 2019 davon erfahren, dass sein Vater mittlerweile in Deutschland und hier im IAK-KMO untergebracht sei. Seit der Tat im September 2010 habe er nur 2 x telefonisch Kontakt zu seinem Vater gehabt, wobei die Gespräche jeweils sehr kurz gewesen und nicht von ihm ausgegangen seien. Der Tod der Mutter sei bei diesen Telefonaten kein Thema gewesen. Er erinnere sich konkret an ein Telefonat im Sommer 2014 oder 2015 als er bei seiner Tante und seinem Bruder in den USA zu Besuch gewesen sei.
Der Zeuge gab an, dass manche Erinnerungen an seine Kindheit mittlerweile verblasst seien. Seine Mutter sei eine sehr liebevolle Person gewesen, die sich immer gut um ihn und seinen 6 Jahre jüngeren Bruder gekümmert und dafür gesorgt habe, dass sie glücklich seien. Sie habe in der Zeit, als er in der Grundschule gewesen sei einen Minijob als Putzfrau gehabt, den sie jeweils von 04.00 bis 07.00 Uhr morgens ausgeübt habe Der Vater sei anfänglich der entspanntere Elternteil gewesen.
Das Familienleben sei zunächst ganz normal gewesen, man habe auch gemeinsame Reisen ins Ausland, u.a. nach Paris, New York, Luxemburg, Kanada und Belgien unternommen. Er sei auch mit den Eltern 2002 und 2008 auf Verwandtenbesuch in Togo gewesen, seither habe er das Land nicht mehr betreten. Bei dem letzten gemeinsamen Besuch dort im Jahre 2008 sei die Erkrankung des Vaters bereits ein Thema gewesen.
Beide Eltern seien in einer freikirchlichen evangelikalen Gemeinde in München sehr engagiert gewesen.
c) Der Zeuge Ko. Az. ist der Bruder des Beschuldigten. Er führte neben seinen Angaben zu den familiären Verhältnissen und dem Werdegang seines Bruders glaubhaft aus, dass sein Bruder früher gesund und unauffällig sowie von seiner Art her schon immer sehr ruhig gewesen sei. Sie seien ganz normal aufgewachsen und auch dessen Integration hier in Deutschland sei gut verlaufen. Er habe seinen Bruder noch nie übergriffig oder aggressiv erlebt. Dessen Frau sei ganz normal gewesen, vielleicht etwas lebhafter als der Beschuldigte. Die Ehe sei gut gewesen, Probleme seien ihm zunächst nicht bekannt geworden.
Zudem führte er aus, dass er bis zu seiner polizeilichen Vernehmung im November 2019 nicht gewusst habe, dass der Beschuldigte zwischenzeitlich hier in München-H. im IAKKMO untergebracht sei. Er habe diesen im Februar 2020 dort mit seinem Neffen P.besuchen wollen, der Beschuldigte habe sich aber geweigert sie zu empfangen.
d) Die Zeugin A4. Az. ist die Ehefrau des Zeugen Ko. Az. und die Schwägerin des Beschuldigten. Sie gab glaubhaft an, dass sie den Beschuldigten im Jahr 1995 erstmalig kennengelernt habe. Dieser sei zwar nett und freundlich, aber auch irgendwie reserviert und merkwürdig gewesen. Seit sie im Jahr 2003 nach D. gezogen seien, hätten sie öfter Kontakt mit dem Beschuldigten und seiner Frau gehabt. Diese sei eine sehr liebe, herzensgute Person gewesen, die gut habe kochen können und sehr familienorientiert gewesen sei. Die Beiden seien in der Pfingstgemeinde in der H2. straße sehr engagiert gewesen, wo nach den Gottesdiensten jeweils noch in Gemeinschaft gekocht und gegessen worden sei. Sie sei auch zweimal dort gewesen, habe aber die Gottesdienste dort als sehr übertrieben, unheimlich und irgendwie hysterisch empfunden. Der Beschuldigte sei offensichtlich der Auffassung gewesen, dass nur Gott seine Krankheit heilen und allein Beten dagegen helfen könne. Sonst hätte er es kaum abgelehnt einen Psychiater in Nordrhein-Westfalen, den ihr Mann dem Beschuldigten empfohlen habe, zur Behandlung aufzusuchen und sich stattdessen in einen Ashram in Ghana zu einem religiösen Heiler zum Beten begeben. Der Beschuldigte habe auf sie meist sehr abwesend und merkwürdig gewirkt. So habe er bei Besuchen nie auf das Klingeln hin die Haustüre geöffnet, sondern immer erst aus dem Fenster gesehen, wer draußen war. Der Kontakt zwischen ihren beiden Familien sei nie richtig intensiv gewesen, was an der übertriebenen Religiosität des Beschuldigten und dessen Ehefrau gelegen habe.
Ihrem Mann seien diese Dinge immer sehr peinlich gewesen und er habe nur ungern darüber gesprochen. Dieser fliege weiterhin etwa 1 – 2 Mal im Jahr nach Togo, um seine Mutter zu besuchen, die gehbehindert sei, in einem eigenen Haus, mittlerweile getrennt vom Mann und der Großfamilie alleine lebe und von einer Pflegekraft, die auch für sie koche, versorgt werde.
Sie meine sich zu erinnern, dass der Beschuldigte im August 2010 bereits kurz vor seiner Frau nach Ghana geflogen sei. Sicher wisse sie noch, dass deren Söhne während der Abwesenheit der Eltern 3 Wochen bei ihnen untergebracht gewesen seien und ihre Schwägerin sie noch vom Flughafen aus angerufen habe, um sich dafür nochmals zu bedanken. Trotz der Erkrankung des Beschuldigten habe sich ihre Schwägerin immer sehr bemüht, die Familie zusammenzuhalten, dies sei ihr sehr wichtig gewesen.
e) Der sachverständige Zeuge Dr. P2. führte aus, dass der Beschuldigten erstmalig am 27.07.2009 bei ihm vorstellig geworden sei. Er habe den Patienten von seinem Kollegen Dr. R2. übernommen, der die Vordiagnose einer fraglichen mittelgradigen depressiven Episode gestellt und Amitriptylin verordnet hatte. Der Beschuldigte habe ihm gegenüber nur über Schlafstörungen und wenig Appetit geklagt. Am 20.10.2009 habe er dann vom … einen Arztbrief über einen vorangegangenen stationären Aufenthalt des Beschuldigten zugeleitet bekommen, der die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie enthalten habe und aus dem sich ergeben habe, dass während des stationären Aufenthalts eine Medikation mit Risperidon 2-0-4 mg und Quetiapin 0-0-100 mg begonnen worden sei. Diese Medikation habe er bei den weiteren Terminen in seiner Praxis am 22.10.2009, 18.01.2010, 19.05.2010 und 12.08.2010 unverändert fortgeführt. Kontrolluntersuchungen zur Bestimmung des Medikamentenspiegels habe er zu keiner Zeit durchgeführt, da sich für ihn den gesamten Zeitraum über keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass der Beschuldigte diese nicht regelmäßig einnehmen würde. Der Kontakt mit dem Beschuldigten sei spröde und wenig effizient gewesen, da der Beschuldigte zwar immer freundlich, primär aber sehr schweigsam und zurückhaltend gewesen sei. Er habe diesen daher im Wesentlichen dahingehend instruiert, dass er die verordneten Medikamente weiter nehmen müsse. Paranoide Symptome habe der Beschuldigte ihm gegenüber nie geäußert, sondern weiterhin im Wesentlichen über Schlafstörungen und depressive Verstimmungen geklagt. Ein krankheitsbedingter Leidensdruck sei nicht erkennbar gewesen. Die großen Abstände zwischen den einzelnen Terminen würden sich daraus ergeben, dass der Beschuldigte nur zur Weiterverordnung der angesetzten Medikamente erschienen sei, welche er immer in Packungen à 100 Stück verordnet habe, sodass sie jeweils für einen Zeitraum von ca. 3 Monaten ausgereicht hätten. Von sich aus habe der Beschuldigte weder über private Dinge noch über seine Erkrankung oder entsprechende Symptome berichtet. Auch die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie hätten sie – seiner Erinnerung nach – nicht ausführlich besprochen. Nach seiner Einschätzung sei der Beschuldigte aber davon ausgegangen, dass er diese Erkrankung nicht habe. Über etwaige Probleme in der Arbeit oder in der Ehe habe der Beschuldigte nicht reden wollen, obwohl er diesen mehrfach danach gefragt habe. Dies könne ggf. als Symptom seiner Erkrankung gedeutet werden. Insgesamt habe es in der gesamten Zeit, in der er den Beschuldigten behandelt habe, weder eine Verschlechterung noch eine Verbesserung in dessen Verhalten oder Affekt gegeben. Er erinnere nicht, dass bei einem oder mehreren der Termine der Beschuldigte von seiner Ehefrau begleitet worden wäre.
f) Die Angaben zur Medikation des Beschuldigten zu Beginn seines stationären Aufenthalts in der Klinik Zebe – Aneho beruhen auf dem verlesenen Bericht über die ärztliche Untersuchung von Dr. A5. vom 22.11.2010. Daraus ergibt sich auch, dass der Beschuldigte am 18.09.2010 an akustischen Halluzinationen litt. Zu dessen Zustand am 18.11.2010 vermerkte Dr. A5., dass der Beschuldigte nun keine Stimmen mehr höre und sich nicht mehr ferngelenkt fühle, sondern ihm vielmehr bewusst sei, dass er psychisch gestört sei.
g) Der sachverständige Zeuge Dr. O. ist der verantwortliche Oberarzt auf der Station 60 C, auf der der Beschuldigte im Rahmen der einstweiligen Unterbringung im … seit 01.08.2019 untergebracht ist. Er gab an, dass der Beschuldigte ihm gegenüber geäußert habe, dass er nach seiner Freilassung nach Hamburg gehen und sich dort auf dem 1. Arbeitsmarkt eine Stelle als Kommunikationselektroniker suchen werde. Nach seiner Kenntnis habe der Beschuldigte jedoch keinen Bezug nach Hamburg und dort auch keine Freunde, Verwandten oder Bekannten. Ihm sei auch nicht bekannt gewesen, dass der Beschuldigte hier im Münchner Raum Verwandtschaft habe und der Sohn und Bruder ihn einmalig hätten besuchen wollen.
h) Der Sachverständige Dr. R1. führte aus, dass der Beschuldigte ihm gegenüber im Rahmen der Exploration vom 14.08.2019 angegeben habe, dass er seinen Bruder und seine Kinder nicht sehen wolle. Diese wüssten auch nichts von seinem Aufenthalt hier in Deutschland und im IAK-KMO und bräuchten das auch nicht zu erfahren. Es gebe niemanden hier, der sich um ihn kümmern würde und er brauche das auch nicht; er schaffe das alles alleine. Er sei hierher nach München als freier Bürger gekommen mit dem Ziel nach Hamburg zu gehen.
In der weiteren Exploration vom 03.09.2019 habe der Beschuldigte das dann dahingehend korrigiert, dass er seine Kinder schon sehen wolle, aber nicht während seines Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik.
2. Grundlage für die Feststellungen zur Intelligenz und Persönlichkeit des Beschuldigten waren die Ausführungen der psychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. Liwon, welche den Beschuldigten im Vorfeld der Hauptverhandlung einer testpsychologischen Begutachtung unterzogen hatte, und des psychiatrischen Sachverständigen Dr. R1. Beide Sachverständige waren in der mehrtägigen Hauptverhandlung anwesend. Die Sachverständigen sind von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Ihre Erläuterungen waren durchweg von Sachkunde getragen, widerspruchsfrei und überzeugend.
Die Sachverständige Dipl.-Psych. Liwon führte aus, dass sich der Beschuldigte bei der testpsychologischen Exploration gut motiviert und anstrengungsbereit gezeigt habe. Er sei freundlich, jedoch sehr zurückhaltend und teilweise leicht ablenkbar gewesen. Weiter sei ihr seine ungewöhnlich lange Reaktionszeit aufgefallen. Bei dem sprachfreien Test zur Erfassung des Intelligenzpotenzials habe sich eine Intelligenzausstattung von 109 IQ-Punkten, also im mittleren bis oberen Durchschnittsbereich, ableiten lassen. Im Verhaltens- und Erlebnisinventar (VEI) sei eine ausgeprägte Apathie und Teilnahmslosigkeit sowie eine Tendenz zur Schönfärberei aufgefallen und der Versuch des Beschuldigten sich als tadellos und frei von gewöhnlichen Schwächen darzustellen. Die Validität der klinischen Skalen dieser Testung, welche grenzwertig erhöhte Werte nur in den Skalen „günstiger Eindruck“ und „Seltenheit“ ergeben habe, sei damit ernsthaft in Frage zu stellen. Der Behandlungsablehnungsindex sei ungewöhnlich hoch gewesen. Dies zeige, dass der Beschuldigte keine Notwendigkeit für die Durchführung einer Therapie oder eine Änderung seines Verhaltens sehe, was zudem für eine Dissimulation, also ein erfolgreiches Dissimulieren psychotischer Symptome, spreche. Zusammenfassend habe sich kein Hinweis auf einen Schwachsinn oder das Vorliegen von hirnorganischen Beeinträchtigungen ergeben. Jedoch habe sich eine starke Tendenz zur Dissimulation, zu einer besonders positiven Selbstdarstellung und Bagatellisierung sowie einer fehlenden Behandlungsbereitschaft gezeigt.
3. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister für den Beschuldigten vom 26.02.2020 sowie das togolesische Vorstrafenverzeichnis des Beschuldigten kam zur Verlesung. Beide enthalten keine Eintragungen. Der Beschuldigte bestätigte die Richtigkeit der Registerauskunft und des Vorstrafenverzeichnisses.
4. Die Feststellungen zum Verfahrensgang, zu den Haftdaten und zu dem Betreuungsverfahren ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der Zeugen T1. und … Ba., des sachverständigen Zeugen Dr. M2. sowie den entsprechenden Verlesungen aus den Akten und dem Sonderband „Ermittlungsakten Togo“, die sich im Einzelnen aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergeben.
a) Der Zeuge, Rechtsanwalt T1. gab glaubhaft an, dass er von 2009 bis 2014 der Betreuer des Beschuldigten gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Bestellung habe sich der Beschuldigte aufgrund einer schweren Psychose im IAK-KMO befunden. Er könne sich heute nicht mehr sicher erinnern, ob er den Beschuldigten erstmalig noch während des stationären Aufenthalts in der Klinik oder erst nach der Entlassung bei sich im Büro getroffen habe. Er erinnere sich jedenfalls nicht, diesen jemals in einem hochpsychotischen Zustand gesehen zu haben. Im Vorfeld dieses stationären Aufenthalts habe der Beschuldigte krankheitsbedingt seine Wohnung gekündigt gehabt, ohne sich um eine Ersatzwohnung für die Familie, seine Ehefrau und 2 Kinder, gekümmert zu haben. Er habe durch Gespräche mit dem Vermieter diese Kündigung rückgängig machen können, so dass die Familie dort weiter habe wohnen bleiben können. Nach seiner Erinnerung habe der Beschuldigte damals ALG I bezogen und teilweise bei einem Sicherheitsdienst gearbeitet. Er habe diesen immer sehr klar und strukturiert, niemals aggressiv oder übergriffig erlebt. Er habe auch dessen kleinen Sohn und dessen Ehefrau kennengelernt. Es sei eine liebe, nette Frau und eine sehr nette Familie gewesen, mit der er in gutem Kontakt gestanden sei. Der Beschuldigte sei weiter in ambulanter psychiatrischer Behandlung bei Dr. P2. gewesen. Ob er die verordnete Medikation auch zuverlässig eingenommen habe, wisse er aber nicht. Es habe für ihn jedoch zu keiner Zeit Anzeichen dafür gegeben, dass die Psychose wieder aufgeflammt sei. Der Beschuldigte sei nach seiner Einschätzung vielmehr stabil gewesen.
Auffallend sei für ihn nur gewesen, dass der Beschuldigte seine Erkrankung nicht habe annehmen wollen. Dies sei ihm suspekt gewesen und auch die Einnahme der Medikamente habe der Beschuldigte abgelehnt. Weiter habe der Beschuldigte darauf gedrängt, dass die Betreuung im August 2010 auslaufen solle und nicht weiter verlängert würde. Warum wisse er nicht; eine Begründung habe der Beschuldigte dafür nicht gegeben. Er habe aber gewusst, dass der Beschuldigte geplant habe, im August nach Togo zu fahren, um sich dort in Behandlung in eine Spezialklinik zu begeben. Näheres hierzu wisse er aber nicht. Weiter sei der Beschuldigte der Ansicht gewesen, dass er alles alleine könne und habe die Betreuung daher stets als Makel empfunden.
Der Zeuge T1. führte weiter aus, dass er die Betreuung noch bis 2014 weitergeführt und zum einen Witwenrente für den Beschuldigten beantragt sowie zum anderen versucht habe, für diesen aufgrund seiner Erkrankung mit einer paranoiden Schizophrenie eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten.
Weiter erinnerte der Zeuge noch, dass der Beschuldigte ihn 2019 vor seiner Rückkehr nach Deutschland einmal angerufen und gebeten habe, ihm irgendein Dokument zu schicken, was er getan habe. Seither habe er keinen Kontakt mehr mit diesem gehabt.
b) Der sachverständige Zeuge Dr. M2. gab an, dass er den Beschuldigten am 22.01.2010 im Auftrag des Amtsgerichts München – Vormundschaftsgericht – zur Frage der Verlängerung der bestehenden Betreuung exploriert habe. Der Beschuldigte habe angegeben, dass er derzeit von Dr. P2. mit Seroquel und Risperidon behandelt und diese Behandlung auch fortsetzen werde. Zugleich habe er aber berichtet, dass er sich gerne in Afrika von christlichen Geistlichen mit traditionellafrikanischen Methoden behandeln lassen wolle bzw. Verwandte ihn zu einer derartigen Behandlung schicken wollten. Insoweit gab der sachverständige Zeuge an, keine genaue Erinnerung mehr zu haben, ob diese Behandlung in Afrika dem eigenen Wunsch des Beschuldigten entsprungen sei oder seine Verwandten ihn dazu hätten überreden wollen.
Die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie habe er den ihm vorliegenden Vorbefunden über zwei stationäre Aufenthalte im Sommer/Herbst 2009 entnommen. Zum Zeitpunkt der Exploration sei der Beschuldigte nach seiner Erinnerung jedoch symptomfrei gewesen. Dieser habe lediglich eine geringgradige Unsicherheit und Instabilität mit dem vereinzelten Aufkommen einer inneren Unruhe und einem diskret reduzierten Antrieb aufgewiesen. Zudem habe der Beschuldigte über gelegentliche Konzentrationsstörungen und einem Druckgefühl im Rücken geklagt. Er, der sachverständige Zeuge, habe dann – entsprechend dem ausdrücklichen Wunsch des Beschuldigten – eine Verlängerung der Betreuung bis August 2010 empfohlen. Dies sei vor dem Hintergrund geschehen, dass sich ihm, dem sachverständigen Zeugen, nicht erschlossen habe, warum ein längerer Zeitraum als von dem Beschuldigten gewünscht, gegen dessen erklärten Willen, angeordnet werden solle.
c) Entsprechend dem verlesenen Beschluss des Amtsgerichts München – Abteilung für Betreuungssachen – vom 22.06.2014 wurde die bestehende Betreuung betreffend den Beschuldigten aufgehoben.
d) Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen … Ba. habe er seit Oktober 2010 regen Kontakt mit der deutschen Botschaft in L.(Togo) unterhalten, da von Beginn an im Raum gestanden sei, dass der Beschuldigte nach Deutschland zurückkehren und sich hier weiter behandeln lassen wolle. Dies habe sich jedoch immer wieder verzögert, da das Verfahren in Togo sehr lange nicht zu einem Abschluss gebracht worden sei. Seitens der deutschen Botschaft sei ihm mitgeteilt worden, dass deren Mitarbeiter während der stationären Unterbringung des Beschuldigten zweimal persönlichen Kontakt mit diesem gehabt hätten. Es sei mitgeteilt worden, dass es dem Beschuldigten dort gut gehe und die Einrichtung vergleichbar mit psychiatrischen Kliniken in Deutschland sei. Der Beschuldigte müsse jedoch seine Medikamente selbst bezahlen bzw. dessen Familie müsse hierfür aufkommen. Die Klinik habe auch zu erreichen versucht, dass die deutsche Botschaft die Kosten für dessen Aufenthalt dort übernehmen solle, was seitens der Botschaft abgelehnt worden sei. Man habe über die Botschaft erfahren, dass der Beschuldigte im Jahr 2015 aus der stationären Unterbringung entlassen worden sei, das Verfahren aber weiterhin andauere, da ein neues psychiatrisches Gutachten beauftragt worden sei. Erst Anfang 2019 sei mitgeteilt worden, dass das Verfahren nunmehr endgültig eingestellt worden sei.
Ein bereits im Jahr 2015 von der Staatsanwaltschaft auf den Weg gebrachtes Rechtshilfeersuchen habe 2019 dazu geführt, dass man die wesentlichen Unterlagen aus den togoischen Verfahrensakten übersandt bekommen habe. Letztlich habe man über die deutsche Botschaft erfahren, dass der Beschuldigte nunmehr nach Deutschland ausreisen und am 23.07.2019 in Lissabon am Flughafen eintreffen werde.
II. Einlassungen des Beschuldigten zur Sache
Der Beschuldigte hat sich im Verlauf des Ermittlungs- und Sicherungsverfahrens mehrfach zur Sache geäußert und dabei wechselnde, teils bestreitende, teils geständige Einlassungen abgegeben.
1. Aus der verlesenen kriminalpolizeilichen Niederschrift vom 10.09.2010 ergibt sich, dass der Beschuldigte dem Polizeibeamten Y. gegenüber noch am Tatort in Adidogome Soviepe angegeben habe, dass er mit seiner Frau im Bett gewesen und plötzlich von Lärm erwacht sei. Als er nachgeschaut habe, was los sei, habe er im Wohnzimmer 3 Personen vorgefunden, alle in blauen Jeans, einer habe ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift „New York“ getragen, die beiden anderen bunte Hemden. Sie hätten auf Englisch von ihm Geld gefordert. Er habe ihnen um 01.00 Uhr 2.000 € gegeben, um keine Probleme zu bekommen. Zwei der Männer seien dann ins Schlafzimmer gegangen, während einer ihn mit dem Messer in Schach gehalten habe. Nach dem Verschwinden der drei Männer habe er festgestellt, dass seine Ehefrau mit Messerstichen verletzt in einer Blutlache auf dem Bett gelegen habe.
2. Aus dem verlesenen Bericht des Dr. A6. vom 18.09.2010 über die medizinische Beobachtung des Beschuldigten an diesem Tag ergibt sich, dass der Beschuldigte diesem gegenüber angegeben habe, dass er sich im Augenblick ferngesteuert fühle und den Befehl bekomme umherzuwandern und sich zu entblößen. Er höre Stimmen, die ihm sagen würden „Du bist seit Geburt verrückt“ und das seien Personen, die „Ewe“ sprächen. Die Personen würden ihm alberne und blöde Fragen stellen, um ihm zu beweisen, dass er verrückt sei. Man fordere ihn auf, schnell im Kopf auf 9 x 4 zu antworten, 1 x 1 und er könne nichts mehr verstehen. Er vergesse alles und seltsamerweise bitte ihn auch seine Ehefrau auf 4 x 9 zu antworten. Das raube ihm den Verstand. Er habe gehört wie seine Frau gesagt habe „mi le me vo“, so weit sei es schon – ein echtes Komplott. Die Stimmen würden hinsichtlich seiner Arbeit bestätigen, dass man verstehen müsse, dass man Deutschland nicht den Afrikanern geben könne. Um ihre Untreue zuzugeben, sage seine Frau, alles was geschehe sei deren Schuld, denn man tue, was man nicht tun solle und aufgrund dieser lakonischen Ausdrucksweise verstehe er, dass seine Frau es zugeben würde. Seine Frau und er hätten beschlossen, in Ghana zu beginnen, um nach Nigeria zu gehen über Lomé, um dort den ambivalenten Pfarrer Olo Louüam aus Nigeria von der Sekte MFM (Montagne du Feu des Miracles – Berg des Feuers der Wunder) zu treffen, gleichzeitig Gottesmann und Verbündeter der Hexer (aus Deutschland und seiner Familie und Schwiegerfamilie aus Togo). Pfarrer Dieudonne habe ihm und seiner Frau verboten, den Boden von L.zu betreten, sie hätten dieses Verbot nicht befolgt. Sie seien zu seinen Schwiegereltern gegangen, um ihre Schwierigkeiten zu erklären. Bei der Ankunft an ihrem Übernachtungsort, also bei seinem Schwager, habe er zahlreiche Personen ins Zimmer, in dem er mit seiner Frau die Nacht verbracht habe, kommen sehen, und sie hätten mit dem Messer, dass er selbst in Deutschland gekauft gehabt habe, seiner Frau zahlreiche Messerstiche versetzt. Das sei eine geheimnisvolle Operation, die erfolgt sei, nachdem man ihn aus dem Wohnzimmer weg- und wieder zurückgebracht habe, um zu sehen, dass seine Frau in ihrem Blut liege. Er habe tatsächlich gesagt, er schäme sich, er habe Angst. Wie könne er seine Kinder anrufen, wie ihnen den Unfall mitteilen, wie ihnen mitteilen, dass sie erstochen worden sei – und von wem?
Nach diesen Ausführungen habe sich der Beschuldigte, laut Dr. A6., den Kopf gehalten und geweint.
Dr. A6. hielt in seinem Bericht weiter fest, dass der Beschuldigte trotz der Schutz- und Verteidigungsmechanismen seiner Persönlichkeit zwischen zwei Wahnvorstellungen lichte Momente habe, in denen er von moralischem Schmerz, Schuldgefühlen, Reue und dem Gefühl eines gehetzten, beeinflussten und unvermeidlich auf die Umsetzung der dritten und letzten Vorhersage (s. hierzu noch näher unter C VI. 3.) getriebenen Menschen gepackt sei. Der aufeinanderfolgende Tod seiner Ehefrau einschließlich seines eigenen Todes durch einen bald bevorstehenden Selbstmord durch die Einnahme psychiatrischer Medikamente, die ihm die Hexer, seine ewigen und schrecklichen Verfolger, schicken würden, habe – so die Angaben des Beschuldigten nach dem Bericht Dr. A7. – selbst durch die „Formel des Blutes Jesu“ nicht aufgehalten werden können.
3. Aus dem verlesenen Bericht des Dr. A5. vom 22.11.2010 ergibt sich, dass er den Beschuldigten zweimal, nämlich am 18.09.2010 in der Direktion der Kriminalpolizei in L.und am 18.11.2010 in der psychiatrischen Klinik in Zebe – Aneho gesehen habe. Der Beschuldigte habe laut Dr. A5. bei beiden Begegnungen ihm gegenüber zum Tathergang angegeben, dass Personen in der Nacht in ihr Zimmer eingedrungen seien und ihn ruhiggestellt hätten, bevor sie seiner Frau Messerstiche versetzt hätten. Seine Frau sei aus dem Zimmer herausgegangen und habe ihm die Hand gegeben, um ihm „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Weiter ist zur zweiten Begegnung des Dr. A5. mit dem Beschuldigten vermerkt, dass der Beschuldigte immer noch Wahnideen habe, ab und zu aber bei klarem Verstand sei. Er höre keine Stimmen mehr und fühle sich nicht mehr ferngelenkt, sondern es sei ihm bewusst, dass er psychisch gestört ist.
4. Aus dem verlesenen richterlichen Vernehmungsprotokoll des Richters S2., Richter am erstinstanzlichen Gericht erster Klasse von Lomé, vom 13.02.2015 von 11.40 Uhr bis 12.12 Uhr ergibt sich, dass der Beschuldigte, der an einer Depression leide und seit Oktober 2010 zur Behandlung im psychiatrischen Krankenhaus von Zebe untergebracht sei, nach ordnungsgemäßer Belehrung über den ihm zur Last gelegten Tatvorwurf des Totschlags nach Art. 44 des togoischen Strafgesetzbuchs an seiner Ehefrau Afi Az., geb. Degbe, und darüber, dass es ihm freistehe sich zu äußern oder nicht auszusagen, erklärte: „Ich erinnere mich nicht“.
5. Aus dem verlesenen richterlichen Vernehmungsprotokoll des Richters S2. vom 13.02.2015 von 12.40 Uhr bis 13.57 Uhr ergibt sich, dass nur wenige Minuten nach seiner ersten richterlichen Vernehmung diese in Anwesenheit seines Verteidigers, Rechtsanwalt A8., fortgeführt wurde und der Beschuldigte zunächst an die Tat, die ihm vorgeworfen wird und seine vorhergehenden Erklärungen erinnert wurde. Der Beschuldigte habe daraufhin erklärt, dass er wiederhole, sich nicht daran zu erinnern, was passiert sei. Er habe in Deutschland gelebt und habe auch die deutsche Staatsangehörigkeit, komme aber ursprünglich aus Togo. Irgendwann habe er, der Beschuldigte, begonnen an einer Krankheit zu leiden, die er nicht genau beschreiben könne. Unter anderem gebe es Ausprägungen wie Traurigkeit, unkontrollierte Taten etc.. Man habe ihm gesagt, dass es sich um eine Depression handeln würde, und habe ihn auf Seroquel und andere Antidepressiva eingestellt. Er sei zusammen mit seiner Frau in ein Gebetszentrum nach Ghana gereist, in der Hoffnung auf eine Besserung seines Gesundheitszustandes. Danach seien sie nach Togo gereist, um die Familie zu grüßen. In der Tatnacht habe er seine Medikamente genommen, habe aber nicht geschlafen. Er habe irgendwann den Eindruck gehabt, dass Regen auf den Koffer seiner Frau im Zimmer falle. Er sei daher zu dem Koffer gegangen, aber da sei nichts dergleichen gewesen. Als die Mittel dann ihre Wirkung entfaltet hätten, habe er geschlafen. Dann habe er nochmal denselben Eindruck gehabt und sei nochmal losgegangen, um dieselben Feststellungen zu treffen. Es sei ein kleines Wohn- und Schlafzimmer gewesen, in dem sie gewohnt hätten und er habe mit seiner Frau an diesem Tag im Schlafzimmer auf dem Bett geschlafen. Nach den Geschichten mit dem Regen habe er Geräusche im Wohnzimmer gehört und sei dorthin gegangen, um zu sehen, was dort passiert. Er habe eine Person wahrgenommen, die auf ihn zugekommen sei, um ihn zurückzuhalten. Zwei Personen seien dann in das Zimmer eingedrungen. Er wisse nicht mehr, was dann passiert sei. Noch in der Nacht nach den gerade beschriebenen Vorkommnissen sei er wach geworden und habe seine Frau in ihrem Blut badend gesehen. Er habe sofort die Familie über das, was er festgestellt habe, informiert. Er wisse nicht, wer seine Frau getötet habe. Am Vorabend der Geschehnisse habe seine Frau sich von jemandem nach Be-Arigo mitnehmen lassen, um dort Geld zu wechseln von Euro in CFA. Er habe einen Verdacht gegen den Letztgenannten, kenne aber dessen Namen nicht. Er glaube nicht, dass seine Frau F2. in L.gehabt habe.
Auf erneute Frage des Richters S2., ob er definitiv damit sagen wolle, er wisse nicht wer seine Frau getötet habe, erklärte der Beschuldigte, dass er nicht wach gewesen sei. Wenn er wach gewesen wäre, wüsste er es. Es habe am Tag der Vorkommnisse geregnet. Das Messer, mit dem seine Frau getötet wurde, habe diese selbst aus Deutschland mitgebracht. Seine Verletzung am linken Daumen sei dadurch entstanden, dass die Person, die ihn festgehalten habe, ihm ein Messer gezeigt habe, welches er festgehalten habe. Hierdurch sei er verletzt worden.
Auf Frage des Richters S2., ob es sich um reale Personen gehandelt habe oder es nur ein Eindruck gewesen sei, da die Ermittler keine Einbruchsspuren festgestellt hätten, erklärte der Beschuldigte, dass er noch nie einen solchen Eindruck gehabt habe. Er wisse nicht, ob es real gewesen sei oder nicht. Er habe nie Gründe gehabt, seiner Frau etwas zu verübeln. Er fühle heute, da er sich im Klaren sei, dass seine Frau nicht mehr am Leben sei, ein Bedauern.
Auf die Frage des Richters S2., was er antworten würde, wenn seine beiden Kinder ihn heute fragten, was ihrer Mutter zugestoßen sei, antwortete der Beschuldigte: „Sie wurde getötet, aber ich weiß nicht von wem“. Ihr Tod habe eine große Leere hinterlassen.
6. Aus der verlesenen abschließenden Einstellungsverfügung des Richters L. beim erstinstanzlichen Gericht erster Klasse von L.vom 30.01.2019 ergibt sich hinsichtlich des dortigen Verfahrens gegen den Beschuldigten, dass dieser aufgrund diverser Einlassungen des Beschuldigten von folgendem Sachverhalt ausging:
Afi Az., geb. Degbe lebte zusammen mit ihrem Mann, dem Beschuldigten und deren beiden Kindern in München. Auf der Durchreise nach L.blieben sie für einen kurzen Aufenthalt von 5 Tagen im Hause ihres Schwagers Wodome in L.Soviepe. Am 10.09.2010 gegen 01.00 Uhr wurden die Bewohner des betreffenden Hauses und der Umgebung durch die Schreie des Beschuldigten geweckt, in denen er von der Ermordung seiner Frau in ihrem Bett, während er schlief, sprach. Nachdem die Polizei vom Sachverhalt informiert wurde, wurde der Beschuldigte ergriffen, der
– zunächst aussagte, dass er in der Nacht der Vorkommnisse im Bett mit seiner Frau gewesen sei, als er Lärm oder Geräusche gehört habe, als ob Wasser auf einen Koffer fallen würde. Er sei also in das Wohnzimmer gegangen, um herauszufinden, als er 3 Personen gesehen habe, die Geld von ihm forderten. Obwohl er diesen 2.000 € gegeben habe, habe einer der Männer, der mit einem Messer bewaffnet gewesen sei, ihn festgehalten, während die beiden anderen in das Schlafzimmer gegangen und nach einiger Zeit wieder herausgekommen seien. Erst nachdem diese Personen sich entfernt hätten, habe er die Ermordung seiner Frau festgestellt.
– Bei seiner zweiten Vernehmung im Ermittlungsverfahren sagte der Beschuldigte aus, schon seit er in München gewesen sei, an mentalen Problemen gelitten zu haben; ihm sei daher von Pfarrer Bonsu geraten worden, nach Ghana zu gehen, um dort zu beten. Er sei daraufhin mit seiner Frau am 22.08.2010 nach Ghana gereist und habe bei der Gelegenheit auch die Familie in L.besucht.
Der Beschuldigte habe bei dieser zweiten Vernehmung noch angegeben, dass die Frequentierung eines Hexenclubs in München durch seine Frau deren Trennung bewirkt habe. Erst als diese sich entschieden habe, den Club zu verlassen, um zu Hause zu sein, hätten die bösen Geister die Ermordung programmiert, um zu verhindern, dass das eheliche Zusammenleben wieder aufgenommen würde.
– Bei seiner dritten Vernehmung im Ermittlungsverfahren sagte der Beschuldigte aus, dass er gegen 00.40 Uhr erwacht und von einem Geist geführt in das Wohnzimmer gegangen sei, das Messer ergriffen habe, das sich bei den Sachen seiner Frau befunden habe, und in das Schlafzimmer zurückgekehrt sei, wo er, immer noch von dem Geist geleitet, nach eigenen Angaben in nachfolgender Weise weitergehandelt habe:
„Ich habe das Messer in der linken Hand gehalten und mit einer schnellen Geste das Messer auf der linken Seite in ihren Hals gestoßen. Sie hat einige Momente darauf ihr Leben ohne zu gestikulieren und ohne zu schreien ausgehaucht. Von dem Einfluss befreit, sei ihm dann klar geworden, dass er seine Frau getötet hatte und dass er sich rechtfertigen müsse, um all die Anschuldigungen zu verhindern (…)“
Richter L. kam damit in seiner Einstellungsverfügung unter Würdigung der Einlassungen des Beschuldigten zu folgendem Ergebnis:
Aufgrund der nicht nur schwankenden, sondern auch inkohärenten Angaben des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren und des Umstandes, dass der Beschuldigte ausgesagt hat, dass er nicht genau wisse, was bei der Ermordung seiner Frau geschehen sei;
in Anbetracht dessen, dass keine Beweise die Annahme erhärten könnten, dass die erste Aussage des Beschuldigten wahr sei, in der er von Dieben spricht, die seine Frau ermordet haben sollen;
in Anbetracht dessen, dass eher im Gegenteil davon auszugehen sei, dass es sich bei dem Tatwerkzeug tatsächlich um das Messer handelte, das die Eheleute in München, Deutschland gekauft hatten, und dass vielmehr der Beschuldigte die gegenständliche Tat begangen hat;
in Anbetracht des Wortlauts aus Artikel 26 Absatz 1 des neuen Strafgesetzbuchs: „Eine Person, die zum Zeitpunkt der Geschehnisse an einer psychischen oder neuropsychischen Störung leidet, die dessen Urteilskraft oder Kontrolle über sein Handeln aufhebt, ist strafrechtlich nicht verantwortlich.“
Im Hinblick auf das Gutachten des Professors Da. vom 05.02.2018, in dem dieser eine chronische mentale Erkrankung (chronische Psychose) feststellt, die sich bei dem Beschuldigten seit dem Jahr 1996 entwickelt hätte, die derzeit jedoch unter der von ihm in Anspruch genommenen psychiatrischen Behandlung angeklungen sei und dass die diesem zur Last gelegte Straftat in Bezug zu der chronischen Psychose stehe, war in Anbetracht der Ergebnisse der vorstehenden Erkenntnisse, dass die mentalen Befähigungen des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Geschehnisse verändert gewesen sind und er sich daher in einem strafrechtlich nicht verantwortlichen Zustand befunden hatte, die Aufhebung des gegen ihn geführten Verfahrens anzuordnen.
Aus diesen Gründen verfüge er im Hinblick auf die Bestimmungen der Artikel 149 und 150 der Strafprozessordnung das Verfahren gegen den genannten Az. Ya. Ed. wegen Totschlags nicht fortzuführen.
7. Nach dem glaubhaften Bericht des polizeilichen Sachbearbeiters … Ba. habe der Beschuldigte in der Beschuldigtenvernehmung vom 27.09.2019 seine Täterschaft bestritten und angegeben, dass er sich an die Tat nicht erinnern könne, da alles schon so lange her sei. Der Beschuldigte habe weiter behauptet, dass der Polizist Y. geschrieben habe, was er gemeint habe, und auch der Richter in Togo habe gemeint, dass er schreiben müsse, dass er, Az., seine Frau umgebracht habe, damit er weiterarbeiten könne. Richtig sei, dass er sich auch damals nicht habe erinnern können, was in dieser Nacht passiert sei. Er erinnere nur, dass noch in der Nacht Polizisten gekommen seien und ermittelt hätten. Diese Polizisten seinen 3 Tage später nochmals zum Ermitteln gekommen. Er habe jedoch keine Erinnerung, dass in der Nacht Personen gekommen seien, um ihn zu überfallen.
… Ba. gab weiter an, dass der Beschuldigte einen freundlichen, teils kindlich naiven, teils deutlich genervten und störrischen Eindruck auf ihn gemacht habe. So habe dieser nicht verstanden, warum sich die deutsche Polizei jetzt auch mit der Sache befassen würde. Über seine Erkrankung habe der Beschuldigte nicht weiter sprechen wollen. Er habe nur angegeben, dass man es in Deutschland nicht geschafft hätte, ihn gesund zu machen, während das in Togo dann gelungen sei.
Die Vernehmung sei damals auf Wunsch des Beschuldigten in Anwesenheit seiner Verteidigerin in deutscher Sprache geführt worden. Eine Dolmetscherin für Französisch sei zugegen gewesen, habe aber nur ganz gelegentlich bei einzelnen Begriffen übersetzen müssen.
8. Dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. R1. zufolge habe der Beschuldigte anlässlich der Exploration am 14.08.2019 zunächst keine Angaben zur Sache getätigt, bei einer weiteren Exploration am 03.09.2019 habe dieser Folgendes zur Tat berichtet:
Er habe an dem besagten Tag seine Medikamente eingenommen, 2 mg morgens und 4 mg abends sowie zusätzlich abends Seroquel, um besser schlafen zu können. Er sei deswegen sehr schläfrig gewesen. Dann seien diese Leute, insgesamt drei Einbrecher, gekommen. Einer habe ihn mit dem Messer angegriffen und am Bein verletzt. Es sei nur eine oberflächliche Wunde gewesen, so dass er keine Narbe davongetragen habe. Er habe an dieser Stelle am Bein auch geblutet, aber der Chefpolizist Karmu habe gesagt, das solle nicht aufgeschrieben werden. Die Einbrecher hätten Geld von ihm verlangt und er habe ihnen 2.000 € gegeben. Nachdem die Sache passiert sei, habe er so laut geschrien, dass alle Leute aus dem Viertel zusammengekommen und vor der Haustüre gestanden seien. Danach habe er die Geschichte von den Einbrechern erzählt. Da seien auch Fußabdrücke von den Einbrechern gewesen, die vom Haus weggeführt hätten. Die Polizei habe das aber nicht aufgeschrieben. Auf Vorhalt, dass sich aus den Akten ergeben würde, dass alle Türen verschlossen gewesen seien, habe der Beschuldigte angegeben, dass sein Schlüssel schlecht geschlossen habe und er sich überlegt habe, einen neuen zu kaufen.
Auf Vorhalt seiner Angaben in der dritten polizeilichen Vernehmung habe der Beschuldigte ihm gegenüber angegeben, dass der Polizist Y. gesagt habe, dass ein Geist gekommen sei, der ihm gesagt habe, er solle ein Messer holen, um seine Frau damit zu töten. Er selbst habe dazu gar nichts sagen dürfen, sonst wäre er geschlagen worden. Der Sachverständige Dr. R1. führte diesbezüglich erläuternd aus, dass der Beschuldigte ihn bei dieser Behauptung bestätigungsheischend angesehen und sich dabei leicht verschwörerisch nach vorne gebeugt habe.
Der Beschuldigte habe ihm gegenüber weiter angegeben, dass er das Messer damals in München im Auftrag seiner Frau gekauft und es dieser gegeben habe. Er habe es aber nicht mit auf die Reise genommen und sei sich sicher, dass es auch seine Frau das Messer nicht dabeigehabt habe. Sie seien zweimal bei der Einreise am Flughafen kontrolliert worden und es sei verboten, ein Messer mitzuführen. Woher das zerbrochene, am Tatort aufgefundene Messer stamme, wisse er nicht.
Es sei „Quatsch“, dass er Geräusche wie Wasser auf dem Koffer gehört habe. Er habe seiner Frau nie Ehebruch vorgeworfen. Es habe keine Angriffe von etwaigen Feinden gegen ihn gegeben. Auch habe er nie Verfolgungsideen gehabt, sich von Kameras überwacht gefühlt oder Stimmen gehört. Er habe zudem nie Symptome wie Gedankenentzug oder Gedankenausbreitung gehabt, er habe sich nur traurig gefühlt und abgenommen, weil er Depressionen gehabt habe. Diese seien aber seit 2012 vorbei gewesen.
Weiter gab der Sachverständige Dr. R1. an, dass der Beschuldigte ihm gegenüber noch geäußert habe, dass es der Wunsch seiner Frau gewesen sei, nach Ghana zu reisen, damit er sich dort traditionell behandeln lassen könne. Diese habe auch die Flugtickets gekauft und das Messer aus Deutschland mitgenommen. Von einem Hexer-Club in München, bei dem seine Frau gewesen sei, wisse er nichts.
9. Der behandelnde Oberarzt im kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost, der sachverständige Zeuge Dr. O., bekundete glaubhaft, dass der Beschuldigte, der nahezu akzentfrei deutsch spreche, ihm gegenüber sehr wenig von der Tat berichtet habe. Er habe lediglich berichtet, dass er in den letzten 10 Jahren in Togo gelebt habe und 5 Jahre davon in der Psychiatrie wegen Depressionen behandelt worden sei. Auf konkrete Nachfrage habe er im November 2019 angegeben, dass er keine Stimmen gehört und seine Frau nicht umgebracht habe. Er sei in Deutschland nie verfolgt oder von Kameras überwacht worden oder habe sich entsprechendes vorgestellt. Er habe an Depressionen gelitten und sei deswegen auf Anraten seiner Ehefrau nach Ghana gefahren, um sich dort einer spirituellen Heilung zu unterziehen. Er habe damals in Togo „Mist“ erzählt. Weiter habe der Beschuldigte angegeben, dass er nicht wegen seiner „Depressionen“ im Gefängnis gewesen sei. Dr. O. gab insoweit an, dass diese Äußerung des Beschuldigten sehr vage sei und Interpretationsspielraum biete. Fakt sei jedoch, dass der Beschuldigte auf die Diagnose einer Depression fokussiert sei. Eine andere Diagnose erkenne er nicht an und sei nicht bereit, sich darauf einzulassen oder damit zu befassen, dass er an einer paranoiden Schizophrenie leide und was dies für ihn und seine Zukunft bedeute.
10. In der Hauptverhandlung gab der Beschuldigte an, dass er immer gesagt habe, was er gesehen habe, nämlich dass drei Männer in der Nacht ins Zimmer gekommen seien. Einer hätte ein Messer gehabt, er habe den Mann angegriffen oder jedenfalls etwas in der Art und sei dadurch von dem Messer oberhalb des rechten Knies verletzt worden. Es sei eine sehr tiefe Wunde gewesen, er habe aber keine Narbe davongetragen. Die Polizei habe sich geweigert, diese Wunde zu fotografieren. Man habe vielmehr nur eine andere Wunde an seinem rechten Mittelfinger fotografiert, die er sich aber nicht durch ein Messer, sondern beim Öffnen einer Sardinendose zugefügt gehabt habe. Diese Dosen seien bekanntlich sehr scharf und verletzend. Auch dieses Foto sei nicht in den Akten. Wie die drei Männer ins Zimmer gekommen seien, wisse er nicht, da er vor seiner Frau zu Bett gegangen sei und daher nicht wisse, ob diese die Türe versperrt habe oder nicht. Richtig sei jedoch, dass das Türschloss nicht beschädigt gewesen sei. Es habe aber Fußspuren gegeben, die vom Haus weggeführt hätten. Die Polizei habe diese bis zur Straße verfolgt, aber niemanden gefunden. Weitere Ermittlungen diesbezüglich seien auf Anweisung des Chefs der Polizei nicht angestellt worden. In der Tatnacht habe es zudem geregnet, so dass man außen am Haus keine Fingerspuren habe nehmen können.
Der Beschuldigte gab weiter an, dass er auf die Frage, wie seine Frau zu Tode gekommen sei, immer gesagt habe, dass er nicht wisse, wie es passiert sei. Der Polizeibeamte Y. habe damals gesagt, dass sie beide doch in der Pfingstkirche seien und Gott auch und Y. habe dann gesagt und aufgeschrieben, dass der Geist ihm befohlen hätte, das Messer zu nehmen und seine Frau damit zu töten. Gott habe das so gesagt. Er selbst habe das nie so angegeben.
Zudem hat der Beschuldigte behauptet, dass der Chef des Polizeibeamten Y. auch unter dem Waschbecken am Tatort einen Fingerabdruck gefunden, abgenommen und mit seinen verglichen hätte; es habe keine Übereinstimmung gegeben. Warum das nicht in den übersandten Akten sei, wisse er nicht.
Aufgrund seiner Vorsprachen bei der deutschen Botschaft zum Erhalt seiner Reisedokumente habe er gewusst, dass er in Deutschland gesucht werde und mit einer Verhaftung rechnen müsse.
III. Vorgeschichte
Die Feststellungen zur Vorgeschichte der Tat ergeben sich aus der Einlassung des Beschuldigten, soweit dieser gefolgt werden konnte, sowie den glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Zeugen P. Az., Ko. Az. und Rechtsanwalt T1. sowie den sachkundigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. R1.
1. Der Beschuldigte selbst gab insoweit noch an, dass er nach seiner Entlassung aus dem IAKKMO im Herbst 2009 regelmäßig zu Dr. P2. gegangen sei und auch immer die von diesem verordneten Medikamente eingenommen habe. Seine Frau habe ihn gelegentlich zu diesen Terminen begleitet, insbesondere weil sie gedacht habe, dass er seine Medikamente nicht zuverlässig einnehmen würde, was er jedoch stets getan habe.
Auf Nachfrage, ob er sich im Zeitraum von 2005 bis 2010 durch Kameras überwacht oder verfolgt gefühlt habe, gab der Beschuldigte an, dass zu der Zeit, als er im September 2009 ins IAK-KMO eingewiesen worden sei, sich seine Frau in ihrem Dorf in Togo befunden habe. Diese habe ihn trotzdem abends schon in der Klinik angerufen und habe gewusst, wo er war und dass er ein Fenster in der Wohnung nicht geschlossen gehabt habe. Auch habe seine Frau gewusst, dass er bereits ein Ticket gekauft gehabt habe, um die Kinder in Luxemburg abzuholen, man das Datum auf dem Ticket jetzt aber ändern lassen müsse: „Wie kann sie das gewusst haben? Vielleicht könnten die Ermittler das klären!“ Was die Kameras angehe, verfüge er noch nicht über die notwendigen Informationen, er könne aber über andere Dinge sprechen. So habe er seiner Frau abends zu Hause erzählt, dass er bei Rotec gekündigt habe und am nächsten Morgen in der Arbeit hätten alle bereits gesagt, dass er die Firma verlassen werde. Anderen sei es auch schon passiert, dass sie eine extra schwierige Arbeit aufgetragen bekamen und wenn man versage, dann werde man der Lächerlichkeit preisgegeben. Ihm sei das auch passiert. Und als er seine Frau gefragt habe, wie die Kollegen in der Arbeit das alles wissen könnten, habe seine Frau gesagt, dass der schlechte Geist/die schlechten Geister das auf der Arbeit sagen würde/n. Man solle seinen Bekannten Kokou einladen und fragen, ob es da Kameras gibt oder nicht. Es passiere etwas im Hintergrund. Er brauche da aber noch nähere Informationen.
Der Beschuldigte führte weiter aus, dass er sich auf Wunsch seiner Ehefrau einer längeren traditionellen afrikanischen Behandlung in Ghana unterziehen wollte, weil man hier in Deutschland seine Krankheit nicht begreifen würde. Deswegen seien sie im August 2010 auch gemeinsam nach Accra (Ghana) geflogen, wo sie sich eine Woche etwa in einem geistlichen Zentrum aufgehalten hätten. Seine Frau habe die Adressen und das Programm für die Behandlung gehabt. Die Behandlung sei jedoch noch nicht begonnen worden, da der Pastor gesagt habe, dass hierfür die Anwesenheit einer Begleitperson notwendig sei. Seine Ehefrau hätte aber Mitte September wieder nach München zurückkehren müssen. Das sei schwierig gewesen. Sie könne ihn doch nicht einfach verlassen, wenn er dort in Behandlung sei. Deswegen seien sie dann weiter nach L.zu den Verwandten gefahren, um dort jemanden zu finden, der ihn nach Ghana begleiten würde. Leider sei dort dann „das Drama“ passiert.
2. Der Zeuge P. Az., der ältere Sohn des Beschuldigten berichtete glaubhaft über den sich nach seiner Erinnerung seit 2005/2006 verschlechternden Zustand des Beschuldigten und die bei diesem vorhandenen psychischen Auffälligkeiten.
So gab der Zeuge an, dass als er ungefähr 6 Jahre alt gewesen sei, also etwa im Jahre 2005, der Vater angefangen habe einen Verfolgungswahn zu entwickeln. Er habe sich von seinem Arbeitgeber verfolgt gefühlt und gedacht, dass dieser Kameras im Schlafzimmer angebracht hätte, um ihn zu überwachen. Der Vater habe das Haus damals zwar noch verlassen, sei aber auffällig vorsichtig geworden. Die Verfolgungsideen des Vaters hätten sich wie ein „roter Faden“ durch seine Kindheit gezogen. Der Vater habe dann irgendwann die Firma gewechselt. Im Jahr 2009 sei er nach München-H. ins dortige Klinikum, IAK-KMO, eingewiesen worden. Seine Mutter sei damals in Togo und er und sein Bruder bei Verwandten in Luxemburg gewesen. Der Vater hätte sie dort eigentlich wieder abholen sollen, was dann aber nicht geklappt habe. Als der Vater aus der Klinik entlassen und wieder nach Hause zurückgekommen sei, sei er reizbarer gewesen und habe sich verändert gehabt.
Der Zeuge P. Az. führte weiter aus, dass sein kleiner Bruder nie geschlagen worden sei, er selbst habe gelegentlich Ohrfeigen vom Vater bekommen, wenn er nicht schnell genug auf dessen Fragen geantwortet habe. Der Vater habe immer wieder Phasen gehabt, wo es ihm mal besser und dann wieder schlechter gegangen sei. Dieser sei seines Wissens nach in ärztlicher Behandlung gewesen, ob er seine Tabletten aber tatsächlich eingenommen habe, wisse er nicht. Bei seinem letzten Besuch in Togo gemeinsam mit den Eltern und dem Bruder im Jahr 2008 sei die Erkrankung des Vaters bereits ein Thema gewesen.
Im August 2010 seien seine Eltern nach Afrika geflogen, um in Ghana nach spiritueller Hilfe für seinen Vater zu suchen und um in Togo die Verwandten zu besuchen. Nach seiner Kenntnis sei dies der Wunsch beider Elternteile gewesen. Es sei vereinbart gewesen, dass seine Mutter pünktlich zum Schulanfang zurückkehren und sein Vater noch länger in Ghana bleiben sollte.
3. Der Zeuge Ko. Az., der Bruder des Beschuldigten, gab insoweit glaubhaft an, dass ihm etwa im Jahr 2005/2006 Veränderungen im Verhalten seines Bruders aufgefallen seien, die er erst nicht so beachtet habe. So habe er z.B. bemerkt, dass der Beschuldigte zum Teil panische Angst gehabt habe. Als Beispiel hierfür könne er benennen, dass dieser ihm damals Geld geschuldet und er ihn dann aufgefordert habe, er solle ihm den Betrag doch online überweisen. Dies habe der Beschuldigte sofort mit einem klaren „nein“ in einer Heftigkeit von sich gewiesen, dass es für ihn erschreckend gewesen sei.
Im Juni 2008, als seine älteste Schwester Odile den Beschuldigten in München besucht habe, sei es jedoch für sie zu einer Gewissheit geworden, dass etwas mit diesem nicht in Ordnung sei. Damals sei seine Schwester zu ihm gekommen und habe ihm gesagt, dass etwas mit dem Beschuldigten nicht stimmen würde. Sie entnehme das seinen Äußerungen und dass er mit seiner Frau streite und die Art wie sie streiten würden. Sie hätten dann auch beim Beschuldigten verschreibungspflichtige Medikamente gegen psychische Auffälligkeiten gefunden. Der Beschuldigte habe sich jedoch ihm gegenüber geweigert diesbezügliche Fragen zu beantworten. Ihre Mutter habe ihn dann aufgefordert, den Beschuldigten doch einmal zum Arzt zu begleiten, damit man Klarheit über Art und Umfang seiner Erkrankung bekommen würde. Er habe den Beschuldigten daher gefragt, ob er ihn beim nächsten Termin zum Arzt begleiten dürfe. Der Beschuldigte habe das abgelehnt und nur gesagt, dass man seine Krankheit nicht heilen und keiner ihm helfen könne. Zudem habe die Ehefrau des Beschuldigten ihn damals wiederholt angerufen und berichtet, dass der Beschuldigte die Bilder im Schlafzimmer umdrehen würde, um zu kontrollieren, ob dahinter Kameras seien. Auch berichte dieser ihr öfter, dass er auf dem Weg in die Arbeit verfolgt werde. Daraufhin habe er sich selbst einen Termin bei dem damaligen Arzt des Beschuldigten, Herrn Dr. R2., geben lassen und habe diesem von den Verhaltensauffälligkeiten des Beschuldigten berichtet. Dr. R2. habe daraufhin gemeint, dass dies für ihn Neuigkeiten in Bezug auf den Zustand des Beschuldigten seien, dieser sehr schwer krank sei und sich am besten stationär aufnehmen lassen solle. Dr. R2. habe ihm für dieses Gespräch am 07.08.2008 eine Privatrechnung übersandt. Er habe dann einen Neurologen in Nordrhein-Westfalen ausfindig gemacht, der französisch gesprochen habe und auf die Behandlung von Afrikanern bei derartigen Erkrankungen spezialisiert gewesen sei; sein Bruder habe es aber abgelehnt mit ihm diesen Arzt aufzusuchen. Der Beschuldigte habe Anfang 2009 seine Arbeitsstelle letztlich gekündigt, weil er weiter der Überzeugung gewesen sei, dass die Kollegen ihn überwachen und verfolgen würden. Später habe dieser die Kündigung rückgängig machen wollen, was aber nicht funktioniert habe.
Mitte 2009 habe ihn die Ehefrau des Beschuldigten angerufen und gesagt, dass der Beschuldigte gerade völlig durcheinander sei, wirre Dinge erzähle und sie nicht mehr wisse, was sie machen solle. Sie hätten ihn dann gemeinsam in die Klinik in der N. straße gebracht, wo er einige Tage stationär aufgenommen worden sei, dann aber auf Entlassung gedrängt habe. Einige Zeit später, noch in 2009, habe ihn die Ehefrau des Beschuldigten in der Arbeit angerufen und habe ihm mitgeteilt, dass der Beschuldigte in die Klinik in München-H. eingewiesen worden sei. Er solle damals viel Lärm gemacht haben, so dass die Nachbarn die Polizei gerufen hätten und er dann nach H. gebracht worden sei. Der Beschuldigte sei damals etwa 3 Wochen stationär eingewiesen gewesen. Er sei in der Klinik sehr ruhig gewesen. Nach seiner Entlassung habe der Beschuldigte immer behauptet, dass er, der Zeuge, ihn dort hätte einweisen lassen, was jedoch unzutreffend sei. Seit dem Ausbruch der Erkrankung sei er, der Zeuge, für seinen Bruder immer „der Böse“ gewesen. Nach der Entlassung aus H. habe er den Beschuldigten dort abgeholt und habe sich noch intensiver als zuvor um diesen gekümmert. Er habe über den Neurologen aus Nordrhein-Westfalen einen Neurologen in München empfohlen bekommen und bei diesem einen Termin für seinen Bruder vereinbart. Sein Bruder sei dort allerdings nicht hingegangen und habe ihm gegenüber behauptet, er habe die Adresse nicht gefunden. Gleich nach der Entlassung aus dem IAK-KMO sei der Beschuldigte wie ausgewechselt gewesen. Etwa ab März 2010 sei es dem Beschuldigten wieder schlechter gegangen. Er sei aus der Ehewohnung ausgezogen und habe bei Freunden in Augsburg gewohnt. All diese Dinge habe er jeweils nicht vom Beschuldigten selbst erfahren, sondern von dessen Ehefrau. Der Beschuldigte habe es immer abgelehnt mit ihm über seine Erkrankung oder über seine Probleme zu sprechen.
Der Beschuldigte und seine Ehefrau seien dann am 22.08.2010 gemeinsam nach Togo geflogen, weil sich der Beschuldigte dort habe behandeln lassen wollen. Die Rückkehr der Ehefrau sei für den 10./11.09.2010 geplant gewesen, während der Beschuldigte noch länger habe dort bleiben wollen.
4. Der Zeuge Rechtsanwalt T1., der damalige Betreuer des Beschuldigten, berichtete über den Beginn und Verlauf der Betreuung und über seinen Eindruck vom Beschuldigten. Auf die obigen Ausführungen unter C. I. 4 a) wird insoweit verwiesen.
5. Der Sachverständige Dr. R1. berichtete über die beiden stationären Voraufenthalte des Beschuldigten vom 21.06.2009 bis zum 30.06.2009 in der psychiatrischen Klinik in der N. straße sowie vom 04.09. bis 08.10.2009 in … I.-A.-Klinikum M.-Ost, das psychische Erscheinungsbild des Beschuldigten jeweils bei Aufnahme, die dort gestellten Diagnosen und die dort eingeleitete Medikation.
IV. Tat
Die Feststellungen zur Tat und den Tatfolgen beruhen auf nachfolgenden Beweismitteln, Umständen und Erwägungen:
Seine Überzeugungsbildung zur Tat des Beschuldigten zum Nachteil seiner Ehefrau Afi Aimee Az. stützt das Schwurgericht auf die Einlassung des Beschuldigten, soweit dieser gefolgt werden konnte, auf die glaubhaften Bekundungen der Zeugen … Ba., P.und Ko. Az., die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. O., die sachkundigen Ausführungen der Sachverständigen Dr. R1. und Prof. Dr. P3. sowie die entsprechenden Verlesungen aus den togolesischen Verfahrensakten, die im Einzelnen dem Hauptverhandlungsprotokoll zu entnehmen sind.
1. Die Feststellungen zum Tatort und der Tatzeit ergeben sich aus der verlesenen kriminalpolizeilichen Niederschrift des Polizeibeamten Y. vom 10.09.2010 sowie aus sowie der verlesenen Sterbeurkunde betreffend die Geschädigte, die als Sterbetag den 10.09.2010 ausweist.
In der Niederschrift ist festgehalten, dass der Polizeibeamte Y. mit einem Kollegen von einer Polizeistreife am 10.09.2010 um 02.25 Uhr abgeholt und zum Tatort in Adidogome Soviepe gebracht wurde. Es handele sich hier um ein Nebengebäude bestehend aus einem Zimmer, einem Wohnzimmer und einem WC und Dusche östlich des auf dem gleichen Grundstück befindlichen Haupthauses. Beim Eintreten in das Wohnzimmer hätten sie ein zerbrochenes Messer aus Weißmetall und daneben einige Blutspuren gefunden. Im Zimmer selbst hätten sie einen leblosen Körper weiblichen Geschlechts auf dem Bauch liegend, den Kopf nach Osten gerichtet, in einer Blutlache liegend, vorgefunden. Sie hätten den Körper in die Rückenlage gedreht und festgestellt, dass das Opfer auf der linken Halsseite mit Messerstichen verletzt gewesen sei, die eine tiefe Wunde hinterlassen hätten. Bei dem Opfer habe es sich um Afi Az., geb. Degbe, geboren am 13.12.1968 in Dalia-Bedje, Hausfrau, wohnhaft in München (Deutschland) gehandelt, die am 07.09.2010 über den Flughafen Accra in Begleitung ihres Ehemanns, Ya. Ed. Az., Kommunikationselektroniker in München für einen Aufenthalt nach L.gekommen sei und dort im Haus des Wodome genächtigt habe.
2. Aus der verlesenen Niederschrift des Polizeibeamten Y. vom 20.09.2010 ergibt sich, dass der Vater der Getöteten an diesem Tag Anzeige gegen den Beschuldigten wegen Ermordung seiner Tochter erstattete und seine Überzeugung von dessen Schuld darauf stützte, dass sein Schwiegersohn dessen Ehefrau wiederholt der Untreue bezichtigt habe.
3. Die Feststellungen zu den äußeren Umständen am Tatort und der Auffindung des Leichnams ergeben sich aus dem verlesenen technischen Bericht des Polizeibeamten Se..
Danach sei er am 10.09.2010 gegen 02.25 Uhr mit dem Vorgang im Zusammenhang mit der Auffindung des leblosen Körpers einer Frau im Haus des Herrn W. in der rue 57 hinter TV 7 in Soviepe betraut worden. Das Grundstück des Herrn W. sei eingezäunt, in der Mitte befinde sich das Hauptgebäude und rechts vom Haupteingang hinter der Garage, aber innerhalb der Umzäunung, ein Nebengebäude mit 2 Zimmer. Im Schlafzimmer rechts vom Eingang sei auf dem Bett der leblose Körper der Afi Az., an der Wand „klebend“ und leicht bekleidet, festgestellt worden. Nach Abheben der Decke hätten sie gesehen, dass der Körper auf dem Bauch liegt, die Beine gespreizt, Kopf und Oberkörper in einer Blutlache. Der Rest des Bettes habe keine Blutspuren oder Spuren eines Kampfes aufgewiesen. Als sie den Körper in Rückenlage gebracht hatten, hätten sie festgestellt, dass ihm durch eine Waffe eine große Wunde auf der linken Halsseite zugefügt wurde. Man habe zunächst den Leichnam der Frau herausgeholt und ins Leichenschauhaus gebracht sowie den Tatort bis zum nächsten Morgen gesperrt. Der Ehemann des Opfers, Ya. Az., habe eine Verletzung am linken Daumen aufgewiesen.
Am 11.09.2010 gegen 07.00 Uhr seien sie erneut zum Tatort gefahren, um die Operationen zur Spurensuche und der Suche nach Indizien fortzusetzen. Vom Eingang des Nebengebäudes bis zum Schlafzimmer, in dem das Verbrechen begangen wurde, seien weder ein Einbruch noch Unordnung festgestellt worden. Nur auf dem inneren Türgriff des Wohnzimmers hätten sie einen Blutstropfen und einen anderen Blutstropfen auf dem Boden gefunden. Am Boden sei ein blutiges Messer mit der Aufschrift „profiline de Bemilex, Original Profischneider handgearbeitet Edelstahl rostfrei“ aufgefunden worden. Als sie die Dusche betreten hätten, die sich zum Schlafzimmer hin öffne, hätten sie Blutspuren in der Dusche auf dem Waschbecken festgesellt.
Weiter wurde festgehalten, dass an der Wand keine Spuren festgestellt wurden, dass jemand eingestiegen wäre und auch die Türen keine Einbruchsspuren aufgewiesen hätten, was bedeuten würde, dass kein Fremder ohne Mittäterschaft Zutritt zum Haus oder zum Zimmer haben konnte. Es wurde keine Unordnung festgestellt, was so nicht der Fall gewesen wäre, wenn Diebe dieses Zimmer betreten hätten. Die Position des Leichnams auf dem Bett würde besagen, dass der Mörder den Oberkörper seines Opfers überwältigte, indem er ihn gegen die Wand gedrückt und den Kopf auf die Matratze gedrückt habe; mit seiner linken Hand habe er dem Opfer die Kehle durchgeschnitten. Nach seiner Tat sei der Mörder in die Dusche gegangen, um sich die Hände zu waschen, woher die Blutspuren auf dem Waschbecken stammen würden.
Der Polizeibeamte Se. zog aus all dem folgende Schlussfolgerungen:
– Die Befunde zeigen, dass kein Fremder im Zimmer war, daher war Ya. Az. mit seiner Frau Af., dem Opfer, alleine im Zimmer.
– Die Position des Leichnams und die Wunde an der linken Halsseite beweisen, dass es die Tat eines Linkshänders ist und Ya. Az. ist von Geburt an Linkshänder.
– Ya. Az. hat eine Wunde am linken Daumen, wobei er darauf geachtet habe, sie während ihrer Feststellungen zu verbergen.
– Die Tatwaffe ist ein Messer einer deutschen Marke (Bemilex) das auf dem togolesischen Markt nicht vertrieben wird.
– Die am Tatort gefundenen Spuren und Indizien sind die eines Angehörigen.
Anhand all dieser materiellen Befunde scheine ihm Ya. Az. der Täter zu sein. Es sei die Sache des letzteren auszusagen, warum er das Verbrechen begangen hat.
4. Das Schwurgericht verschaffte sich einen eigenen Eindruck von der Tatörtlichkeit, indem es die Lichtbilder von der Tatörtlichkeit, der Auffindung des Leichnams, dem zerbrochenen Tatmesser sowie den aufgefundenen Blutspuren in Augenschein nahm.
5. Die Feststellungen zu den tödlichen Verletzungen des Geschädigten und der konkreten Vorgehensweise des Beschuldigten ergeben sich aus den überzeugenden Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P3.
Demzufolge habe die Geschädigte ausgehend von den in Augenschein genommenen Lichtbildern in Bauchlage mit dem Gesicht nach unten und zur Wandseite hin auf dem Bett gelegen, die linke Hals- und Gesichtsseite würden nach oben zeigen. Allerdings dürfte nach den Ausführungen von Prof. Dr. P3. die Kopfpartie gegenüber der Originalsituation bei Tatbegehung leicht verändert sein, da ansonsten die Stichführung eher tangential verlaufen würde.
Ausgehend von den in Augenschein genommenen Bildern habe die Geschädigte insgesamt 3 Verletzungen aufgewiesen. Ein Stich sei am linken Kieferwinkel eingedrungen, habe sich über den Mundboden schräg nach unten fortgesetzt in Richtung des Kehlkopfes, wo es zu einem Abgleiten am Unterkiefer gekommen sei und damit zu einer unregelmäßigen StichSchnittkombination, die letztlich die Halsschlagader durchtrennt habe. Ein weiterer Stich, wiederum gegen die linke Halsseite, habe diese verfehlt, sei an der linken Schulter aufgetroffen, wo er einen kleineren Schnitt verursacht habe. Ein dritter, gegen die linke Halsseite geführter Stich, sei am linken Schlüsselbein abgeglitten, auf den Knochen geprallt und habe dort eine oberflächliche Stich-/Schnittverletzung verursacht. Bei den beiden letzteren würde es sich um medizinisch eher unbedeutende Verletzungen handeln, die nicht wesentlich geblutet hätten. Diese beiden seien letztlich als Schnitte, die als Stiche gedacht gewesen seien, aber nicht richtig getroffen hätten, zu bewerten.
Der erste, wuchtig geführte, Stich mit einer Tiefe von mindestens 5 bis maximal 10 cm, der die Halsschlagader durchtrennt habe, habe zu einer schnellen Handlungsunfähigkeit der Geschädigten und zum Todeseintritt durch Verbluten nach außen geführt, was durch die große Blutlache auf dem Bett belegt werde. Bei einer derartigen Verletzung komme es innerhalb von 5 Sekunden zum Eintritt der Bewusstlosigkeit.
Insoweit wäre gut nachvollziehbar, dass sich die schlafende Geschädigte vor dem Ableben nicht mehr wesentlich bewegt habe. Hierfür spreche auch, dass es keinen positiven Hinweis darauf gebe, und sich auf den Lichtbildern nichts finde, was für eine größere Bewegung der Geschädigten im Bett vor dem Todeseintritt sprechen würde. Auch seien keine Abwehrverletzungen vorhanden.
Die Verletzung am Schlüsselbein dürfte ziemlich schmerzhaft gewesen sein und würde wohl eine Reaktion der Geschädigten nach sich ziehen. Insoweit sei aber anhand der Lichtbilder nicht ableitbar, dass die beiden kleineren Verletzungen bei noch intaktem Kreislauf gesetzt worden seien.
Die Verletzungen dürften der Geschädigten von einem auf dem Bett knienden/hockenden oder am oberen Bettrand stehenden Täter mit der linken Hand beigebracht worden sein, was für einen Linkshänder als Täter spreche. Lediglich für den Fall, dass der Täter am unteren Bettende gestanden sei, sei an eine Beibringung entweder durch die rechte oder durch die linke Hand zu denken.
Auf den Lichtbildern vom linken Daumen des Beschuldigten sei eine ganz oberflächlich verlaufende Kerbung zu sehen. Diese könne beim Zerbrechen des Messers der Marke Bemilex, welches nach seinen Internetrecherchen ein deutsches Produkt von minderer Qualität sei, entstanden sein; nicht ausschließbar jedoch auch beim Öffnen einer Sardinendose. Am wahrscheinlichsten sei ein Abbrechen des Messers bei dem abgeglittenen Stich, der am Schlüsselbein der Geschädigten aufgetroffen sei. Wäre das Messer demgegenüber bei dem tiefen Halsstich abgebrochen, wäre es im Halsbereich steckengeblieben und hätte sicher auch zu einer größeren Verletzung an der messerführenden Hand des Täters geführt. So aber sei die dokumentierte Verletzung am linken Daumen durchaus plausibel mit einer Entstehung bei der Tat durch den Beschuldigten, der Linkshänder sei, zu vereinbaren. Soweit der Beschuldigte nunmehr von einer tiefen blutenden Wunde am Knie/Oberschenkel berichte, die ihm einer der 3 Männer bei dem Vorfall zugefügt habe, so wäre bei einer derartigen Messerstichverletzung aus rechtsmedizinischer Sicht in jedem Fall eine Narbenbildung zu erwarten.
Das Messer habe ausweislich der Lichtbilder eine Klingenlänge von mindestens 10 cm gehabt, ggf. auch noch deutlich länger. Weiter sei auf den Lichtbildern zu erkennen, dass die Klinge länger sei als der Griff. Wenn es sich also um ein Exemplar mit einem handelsüblichen handlichen Griff handeln würde, sei eher von einer Klingenlänge von 15 cm auszugehen.
Prof. Dr. P3. führte weiter aus, dass die vorhandenen Blutspuren, die auf den Lichtbildern dokumentiert worden seien, am plausibelsten durch eine sekundäre Vertragung zu erklären seien, also durch das Abtropfen von Blut von einer Hand auf den Boden bzw. auf die Türklinke beim Öffnen derselben. Die Tropfspur im Waschbecken sei beim Reinigen der Hände nach der Tat entstanden, hier sei ein Tropfen von oben hineingetropft und etwas nach unten abgelaufen.
Auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder wird insoweit Bezug genommen (Bl. 19/38 sowie Bl. 103/122 im Sonderband Ermittlungsakte Togo).
Die Ausführungen des gerichtsbekannt sehr erfahrenen gerichtsmedizinischen Sachverständigen waren überzeugend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar.
6. Der Zeuge Ko. Az. führte glaubhaft aus, dass er am 10.09.2010 nach dem Aufstehen festgestellt habe, dass seine Schwester Odile mehrfach versucht gehabt habe, ihn telefonisch zu erreichen. Dies sei ihm seltsam vorgekommen. Als er diese zurückgerufen habe, habe er im Hintergrund schon Schreie und Weinen im Haus gehört. Odile habe ihm berichtet, dass gegen 01.00 Uhr nachts der Beschuldigte, der in einer Einliegerwohnung auf demselben Grundstück übernachtet gehabt habe, zu ihrem Haus gekommen sei, alle aufgeweckt und gesagt habe, dass seine Frau erstochen worden sei. Die Schwester habe weiter gesagt, dass niemand verstehe, was passiert sei. Bei einem späteren Telefonat habe seine Schwester ihm dann berichtet, dass der Beschuldigte festgenommen worden sei. Er habe diesen in der Folge zweimal in der psychiatrischen Klinik in Zebe – Aneho besucht, mit ihm aber jeweils nicht über den Tatvorwurf gesprochen. Bei den Besuchen sei der Beschuldigte ruhig wie immer gewesen. Der Beschuldigte habe gesagt, dass er gerne zurück nach Deutschland kommen würde, das aber nicht gehen würde, weil sein Pass abgelaufen sei. Warum er unbedingt zurückgewollt habe, wisse er nicht. Ihm sei bekannt, dass der Beschuldigte nach seiner Freilassung aus der Klinik in Togo bei ihrer Mutter gewohnt habe. Insoweit sei ihm zu Ohren gekommen, dass der Beschuldigte die Mutter gelegentlich angebrüllt haben soll.
Auf Nachfrage gab der Zeuge Ko. Az. weiter an, dass vollendete Tötungsdelikte in L.eher selten vorkommen würden und bei derart gravierenden Delikten die Polizei- und Ermittlungsbehörden sehr gründlich und sorgfältig an der Aufklärung des entsprechenden Sachverhalts arbeiten würden.
7. Der Zeuge P. Az. gab zur Tat selbst glaubhaft an, dass sein Onkel Ko. ihnen nach dem 10.09.2010 zunächst berichtet habe, dass die Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Nachdem von vorherein klar gewesen sei, dass der Vater noch länger in Afrika bleiben sollte, sei dessen Fehlen zunächst kein Thema gewesen. Erst 1 oder 2 Jahre später habe ihnen der Onkel dann gesagt, dass die Mutter vom Vater erstochen und der Vater deswegen eingesperrt worden sei.
8. Der Zeuge T1., der vormalige Betreuer des Beschuldigten, berichtete glaubhaft, dass der Bruder des Beschuldigten ihn von der Tat in Kenntnis gesetzt habe. Er habe dann Kontakt mit der deutschen Botschaft in Togo aufgenommen, die bis dahin noch nicht informiert gewesen sei. Nachdem geklärt worden sei, dass der Beschuldigte auch deutscher Staatsangehöriger ist, hätte die Botschaft Kontakt mit der Klinik aufgenommen und ihn in der Folge auch über den weiteren Verlauf des Verfahrens informiert. Ihm sei mitgeteilt worden, dass der Beschuldigte nachts im Hause des Schwagers oder der Schwiegereltern seine Ehefrau mit einem aus Deutschland mitgebrachten Messer in die Halsschlagader gestochen habe und diese daran verstorben sei. Er habe auch Kontakt mit dem dortigen Verteidiger des Beschuldigten gehabt und diesem auf Anforderung Unterlagen aus Deutschland zugesandt und dafür im Gegenzug Unterlagen und Gutachten aus Togo betreffend den Gesundheitszustand des Beschuldigten erhalten. Nach seiner Kenntnis habe der Beschuldigte die Tat nicht bestritten. Dieser solle sich nach entsprechender Behandlung auch schnell wieder in einem guten psychischen Zustand befunden haben. Da der Beschuldigte von Anfang an darauf gedrängt habe, nach Deutschland zurückzukehren, habe die Botschaft versucht, dies in die Wege zu leiten, sei aber zunächst an den togolesischen Behörden und dem dort geführten Verfahren gescheitert.
9. Der Zeuge … Ba. schilderte, dass er erstmalig am 16.10.2010 mit Ermittlungen in diesem Verfahren betraut wurde. Über den damaligen Betreuer, Rechtsanwalt T1., und das Amtsgericht, Betreuungsgericht, sei bekannt geworden, dass der Beschuldigte wegen Mordes an seiner Ehefrau in einer psychiatrischen Anstalt in Togo einsitzen solle. Er habe daraufhin Kontakt mit der deutschen Botschaft in L.aufgenommen und von dort die Bestätigung erhalten, dass der Beschuldigte seit dem 13.09.2010 in Haft und derzeit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht sei. Über die Botschaft und den Betreuer des Beschuldigten, der Kontakt zu dessen Verteidiger in Togo gehabt habe, sei es gelungen, erste Unterlagen aus den dortigen Akten betreffend den Tatvorwurf zu erhalten. Aus diesen habe sich ergeben, dass der Beschuldigte in einer akuten Psychose seine Ehefrau des Nachts mit einem Messer aus Deutschland durch einen Stich in den Hals getötet haben soll.
10. Nach einer umfassenden Gesamtwürdigung aller vorgenannten Beweismittel stützt die Schwurgerichtskammer ihre Überzeugung vom festgestellten Sachverhalt bezüglich der Tat auf nachfolgende Gesichtspunkte:
Die Einlassungen des Beschuldigten direkt nach der Tat, sowie auch gegenüber dem Sachverständigen Dr. R1. und in der Hauptverhandlung, in denen er jeweils von 3 fremden Männern berichtete, die ins Haus eingedrungen wären, ihn mit einem Messer bedroht, Geld gefordert und auch 2.000 € von ihm erhalten hätten, woraufhin der Mann mit dem Messer ihn weiterhin in Schach gehalten habe und die beiden anderen Männer ins Schlafzimmer gegangen seien, wo er nach dem Verschwinden aller 3 Männer seine Frau tot aufgefunden habe, sind zur Überzeugung des Schwurgerichts nicht glaubhaft.
Der Beschuldigte hat diese Einlassung zwar im Kern mehrfach wiederholt und dabei zum Teil auch Details über die Bekleidung der Männer berichtet. Jedoch hat er diese Einlassung immer wieder in Nuancen geändert, verkürzt oder erweitert.
Zudem sprechen die Feststellungen der Polizeibeamten Se. und Y. in ihren in der Hauptverhandlung verlesenen Berichten, wonach das Grundstück umzäunt und gesichert sei, die Türen versperrt gewesen seien und Einbruchsspuren oder entsprechende auf einen Einbruch/Raub hindeutende Kampfspuren nicht aufgefunden worden seien, deutlich gegen die Richtigkeit dieser Behauptungen des Beschuldigten.
Darüberhinaus spricht auch die Tatwaffe selbst für eine Täterschaft des Beschuldigten. Das Messer, mit dem die Geschädigte getötet wurde, wurde zerbrochen mit blutigen Anhaftungen am Tatort im Wohnzimmer aufgefunden. Es handelt sich dabei um ein deutsches Fabrikat der Marke „Bemilex“, welches der Beschuldigte nach seiner eigenen Einlassung selbst in München gekauft hatte und jedenfalls nach seinen Angaben gegenüber den togoische Behörden auch von ihm/seiner Ehefrau mit nach Togo zu den Verwandten als Geschenk gebracht worden sei.
Gleiches gilt für die am Tatort aufgefundenen Blutspuren, die sich nach dem Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P3. plausibel durch eine sekundäre Übertragung beim Abwerfen des Messers und beim Öffnen der Türe um Hilfe zu holen bzw. als Abtropfspuren beim groben Reinigen der Hände nach der Tat erklären ließen.
Auch die Verletzung am linken Daumen das Beschuldigten, die fotografisch dokumentiert ist, stimmt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P3., zwanglos mit einer Entstehung bei der Tatausführung durch einen Linkshänder, so wie es der Beschuldigte ist, überein.
Die Strafkammer verkennt dabei nicht, dass ein objektiver Spurenbeweis insoweit nicht vorhanden ist, da keine DNA-Spuren oder daktyloskopischen Spuren am Messer oder sonst am Tatort gesichert wurden.
Das Schwurgericht hat weiter in seine Überlegungen miteingestellt, dass der Beschuldigte nunmehr hier in Deutschland erstmalig wirre Behauptungen aufgestellt hat, wonach der Polizeibeamte Y. ihm Dinge in den Mund oder falsch aufgeschrieben hätte, die er nie gesagt hätte und der Vorgesetzte des Y. die Beamten angewiesen hätte, ihn entlastende Fußspuren nicht weiterzuverfolgen oder ihn entlastende Beweise, wie eine angebliche tiefe blutende Stichverletzung an seinem Oberschenkel/Knie, die ihm von einem der Täter beigebracht worden sei, nicht fotografisch dokumentieren lassen habe. Soweit der Beschuldigte hier eine weitere blutende Verletzung am rechten Mittelfinger ins Spiel bringt, die er sich beim Öffnen einer Sardinendose zugefügt haben will, die zwar fotografisch dokumentiert, dieses Foto aber nicht mitübersandt worden sei, ist diese Verletzung für das Verfahren irrelevant, da sie jedenfalls nicht die fotografisch dokumentierte Verletzung am linken Daumen des Beschuldigten erklärt. Was die vom Beschuldigten nunmehr behauptete tiefe blutende Wunde an seinem Knie/Oberschenkel betrifft, die ihm durch einen der Männer mit dem Messer beigebracht worden sei, so überzeugt die Kammer die sachkundige Ausführung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P3., dass insoweit eine Narbe zwingend vorhanden sein müsste.
Auch insoweit überwiegen somit Widersprüche in den diesbezüglichen Angaben des Beschuldigten, die logisch nicht auflösbar und teilweise aus rechtsmedizinischer Sicht nicht nachvollziehbar sind.
Nach dem Ermittlungsverlauf der Polizeibehörden in Togo, der sich aus den verlesenen Unterlagen ergibt, stand der Beschuldigte nicht von Beginn an im Fokus der Ermittlungen und damit unter dringendem Tatverdacht. Dies ergab sich vielmehr erst einige Tage nach der Tat, so dass für die Strafkammer nicht nachvollziehbar ist, warum hier, wie es der Beschuldigte nunmehr behauptet, quasi von der ersten Sekunde an einseitig und zu dessen Lasten ermittelt worden sein soll. Hinzu kommt, dass nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Ko. Az. Tötungsdelikte auch in L.eher selten seien und die diesbezüglichen Ermittlungen gründlich und sorgfältig geführt würden. Zudem schildert der Zeugen Ko. Az. glaubhaft, dass zunächst auch seiner Schwester und den weiteren anwesenden Verwandten unklar gewesen sei, was vorgefallen sei und auch diese den Beschuldigten, jedenfalls zunächst, nicht als Täter in Betracht gezogen hätten.
Die Strafkammer hält insoweit ausgehend von den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P3., der anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder, den Tathergang und die einzelnen Verletzungen der Geschädigten sowie deren Entstehung plausibel und nachvollziehbar dargelegt hat, die dritte Einlassung des Beschuldigten, welche sich aus der verlesenen richterlichen Einstellungsverfügung vom 30.01.2019 ergibt (vgl. oben II. 6.), für die einzig zutreffende Sachverhaltsschilderung. Dies gründet sich einerseits auf die Tatsache, dass der dort vom Beschuldigten geschilderte Tathergang sich zwanglos mit den Verletzungen der Geschädigten und den äußeren Gegebenheiten vor Ort in Einklang bringen lässt. So gab es keine Abwehrverletzungen bei der Geschädigten. Diese schlief vielmehr, als ihr der erste, schnell zum Tode führende tiefe Stich, der die Halsschlagader durchtrennte, versetzt wurde. Dies wird auch durch die auf den Lichtbildern vom Tatort dokumentierte Auffindungslage der Geschädigten sowie fehlenden Kampf- oder Bewegungsspuren im Bett bestätigt.
Zum anderen lässt sich diese dritte Einlassung des Beschuldigten zum Tathergang sehr gut mit den Schilderungen des Psychiaters Dr. A6. (näher siehe hierzu auch unter C II.2.) über den psychischen Zustand des Beschuldigten bei der Exploration am 18.09.2010 in Einklang bringen. Dieser berichtete eindrucksvoll von diversen akut vorhandenen Symptomen, die das Vorhandensein einer schweren chronischen Psychose, z.B. in Form einer paranoiden Schizophrenie, belegen würden, nämlich auditive und visuelle psychische Halluzinationen, ein „mentaler Mechanismus“ mit Beeinflussung, Diebstahl seines Denkens und seiner Ideen, aufgezwungene Ideen und Handlungen, wachsende Unsicherheit mit Schlaf- und Essstörungen.
Weiter erklärt diese dritte Einlassung auch absolut nachvollziehbar, dass dem Beschuldigten nach Begehung der Tat sein Tun und die sich daraus für ihn ergebenden Folgen bewusst wurden und er sich daraufhin spontan die „Geschichte“ mit den 3 Männern ausdachte und diese zu seiner Entlastung gegenüber den Familienangehörigen und den eintreffenden Polizeibeamten präsentierte, was wiederum entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. R1. (näheres dazu s.u. C. VI. 9.g)) belege, dass seine Einsichtsfähigkeit bei Tatbegehung vorhanden gewesen sei.
Zusammenfassend ist die Schwurgerichtskammer daher aufgrund der o.g. Beweismittel in Verbindung mit dem von den Psychiatern in Togo zeitnah zur Tat beschriebenen akut psychotischem Zustand von der Täterschaft des Beschuldigten überzeugt und wertet dessen bestreitende Einlassungen als Schutzbehauptung.
V. Nachtatgeschehen
1. Die Feststellungen zur Festnahme des Beschuldigten und seinem weiteren Aufenthalt in L.bis 22.07.2019 entnimmt das Schwurgericht der Einlassung des Beschuldigten, den glaubhaften Angaben der Zeugen Ko. Az. und … Ba. sowie den verlesenen Unterlagen über seine vorläufige Festnahme am 13.09.2010 und über die Dauer seines Aufenthalts in der Psychiatrischen Klinik in Zebe – Aneho.
a) Aus der verlesenen Niederschrift Nr. 660/08 des Polizeibeamten Y. vom 14.09.2010 ergibt sich, dass der Beschuldigte am 13.09.2010 wegen des Verdachts der Tötung seiner Ehefrau festgenommen wurde.
b) Aus der verlesenen Bestätigung des Dr. G. D1. ergibt sich, dass der Beschuldigte vom 30.09.2010 bis zum 10.08.2010 in der Psychiatrischen Klinik in Zebe – Aneho untergebracht war.
c) Aus den glaubhaften Angaben des Zeugen Ko. Az., die insoweit mit der Einlassung des Beschuldigten übereinstimmen, ergibt sich, dass der Beschuldigte nach seiner Entlassung aus der Klinik sich weiterhin in L.(Togo) bei seiner Mutter aufhielt.
d) Aufgrund der glaubhaften Angaben des Zeugen … Ba., die insoweit mit der Einlassung des Beschuldigten übereinstimmen, steht fest, dass der Beschuldigte sich nach der Einstellung des Verfahrens bei der Deutschen Botschaft um die Ausstellung der für eine Wiedereinreise nach Deutschland erforderlichen Papiere bemühte und letztlich am 22.07.2019 aus L.abreiste.
2. Die Feststellungen zu den persönlichen und psychischen Folgen für die Hinterbliebenen stützt die Strafkammer auf die glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Zeugen Ko. und P. Az.
a) So berichtete der Zeuge Ko. Az. glaubhaft, dass er weiterhin der Vormund für den jüngeren Sohn des Beschuldigten F1. sei. Dieser lebe seit 2011 in den USA bei der Schwester des Zeugen, nachdem er zuvor in der Schule und im Waisenhaus massive Probleme gehabt und bereitet habe, da er den plötzlichen Verlust beider Elternteile nicht verkraftet habe. Jetzt gehe es Fernando gut, er habe sich dort gut eingelebt und mache auch in der Schule gute Fortschritte. Der Beschuldigte habe damals diesem Wohnsitzwechsel zugestimmt und später auch seine Zustimmung dahingehend erteilt, dass die Schwester Fernando adoptieren könne. Dies sei allerdings bislang noch nicht abschließend erfolgt. Die Vormundschaft für den älteren Sohn P. sei mit Eintritt von dessen Volljährigkeit beendet worden.
b) er Zeuge P. Az. bestätigte glaubhaft, dass sein Bruder Fernando nach ihrem Umzug ins Waisenhaus am 04.10.2010 infolge des plötzlichen Verlustes beider Elternteile massive Verhaltensauffälligkeiten gezeigt habe und man letztlich beschlossen habe, diesen zu seiner Tante in die USA zu bringen, um ihm dort die Chance für einen Neuanfang zu geben. Das sei 2011 dann so geschehen. Er habe seither nicht viel Kontakt zu seinem Bruder, wisse aber, dass es diesem dort gut gehe.
Er selbst habe versucht den Vorfall schnell zu verdrängen, was ihm bislang auch leidlich gut gelungen sei. Er sei bis 2015 im Waisenhaus geblieben und dann in eine Jugendhilfeeinrichtung gekommen. Er habe das Gymnasium erfolgreich mit dem Abitur beendet und studiere derzeit Wirtschaftsinformatik. Er bekomme Bafög und habe einen Nebenjob als Kellner, um sein Studium zu finanzieren. Mittlerweile lebe er in einer eigenen kleinen Wohnung.
Er sei zweimal psychologisch getestet worden, ob es auch bei ihm Anzeichen für eine paranoide Schizophrenie gäbe, da diese Erkrankung bekanntermaßen ja vererblich sei. Bislang sei alles aber normal gewesen. Im Alter von 16/17 Jahren habe er auch ein Jahr lang regelmäßig Gespräche bei einem Jugendpsychologen absolvieren müssen, die er damals als nicht sehr hilfreich empfunden habe.
Seit der Vorladung zur polizeilichen Vernehmung im November 2019, auf der „schwarz auf weiß“ „Verfahren wegen Mordes“ gestanden sei, und durch die Information, dass der Vater jetzt hier in München sei, sei bei ihm alles wieder aufgewühlt worden. Seither habe sich sein psychisches Befinden verschlechtert und er überlege, ob er nochmals therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen solle, um den Vorfall endlich aufarbeiten zu können.
VI. Schuldfähigkeit
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten beruhen auf den sachkundigen und überzeugenden Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P3., des sachverständigen Zeugen Dr. O. und des psychiatrischen Sachverständigen Dr. R1., der die verlesenen ärztlichen Atteste und psychiatrischen Gutachten aus Togo, die im Wege der Rechtshilfe übersandt wurden, in seine Bewertung miteinbezogen hat.
1. Der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. P3. erläuterte nachvollziehbar, dass es keine Hinweise für eine bei dem Beschuldigten zur Vorfallszeit bestehende Alkoholisierung gäbe. Sonstige Hinweise auf eine Substanzbeeinflussung des Beschuldigten im Vorfallszeitpunkt habe die Beweisaufnahme nicht erbracht.
2. Aus dem verlesenen ärztlichen Attest des Psychiaters Dr. A6. vom 18.09.2010 ergibt sich, dass dieser beurkundete, dass der Beschuldigte während seines Urlaubs in L.einen Rückfall einer chronischen Psychose zeigt, er dessen Gesundheitszustand als für diesen und für andere gefährlich erachtet und deshalb dringend dessen Unterbringung in einem Krankenhaus und Versorgung in einer spezialisierten Einrichtung für erforderlich hält, wo der Beschuldigte auf ihn abgestimmte medizinische Behandlung und unterstützende Psychotherapie erhält, um Menschenleben zu schützen.
3. Aus der verlesenen Zusammenfassung des Psychiaters Dr. A6. vom 18.09.2010 über die medizinische Beobachtung des Beschuldigten ergibt sich, dass dieser nach einer ausführlichen Exploration an diesem Tag folgende Anamnese erhoben hat und zu folgenden Ergebnissen kam:
Der Beschuldigte habe bereits 1994 eine Episode schwerer Depression in Deutschland gehabt, gekennzeichnet durch Anorexie und Schlaflosigkeit, gegen die ihm von einem Allgemeinarzt Amitryptilin und Seroquel verordnet wurde sei. Eine Verbesserung sei nicht festgestellt worden, da sich der Patient auf einen „endlosen Tanz mit Pfarrern und Propheten evangelischer Kirchen mit wenig beruhigenden Offenbarungen und Botschaften“ eingelassen habe. Was ihm passierte, sei von ihm als Angriff von Feinden in Deutschland und Togo ausgelegt worden. Nach der Aussage der Pfarrer, darunter Nigerianer, wollten seine Feinde nicht erkannt werden und kämen durch seine Frau und seine Eltern zu ihm, also durch Personen, die er sehr gern habe und die unfreiwillig zu Übertragungskanälen würden. Die Aufforderung der Verwandten, die Medikamente und das Aufsuchen von Psychiatern ergänzend zu den Schutzgebeten wünschten, seien vom Beschuldigten zurückgewiesen worden, da ihn die Pfarrer überzeugt hätten, dass die Medikamente von Feinden kämen und weggelassen werden müssten, wenn er von ihnen geheilt werden wolle.
Der Beschuldigte sei dann in seinem Verhalten immer instabiler geworden. Es habe Tage gegeben, an denen er normal erschienen sei und an anderen Tagen habe er sich schlecht gefühlt und habe unbeabsichtigte Dinge und Gesten wie ein Besessener gemacht. 2002, 2006 und 2007 habe es Spitzen gegeben. Er selbst habe nach seinen Angaben 2 x die Feuerwehr gerufen, damit sie ihn zu einem Arzt bringen. Sie seien einmal gekommen. Angesichts der „wohlstrukturierten Argumentation“ des Beschuldigten und der „mystischen“ Art oder des Ursprungs seiner Probleme und seiner „Scherereien“ bei der Arbeit und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er nicht gewalttätig war, sei nicht davon ausgegangen worden, dass er eine Gefahr darstelle. Trotz des Antrags und der Wünsche seiner Frau und seines jüngeren Bruders, der in Deutschland lebt, sei er häufig nur ambulant behandelt worden.
Der Beschuldigte habe seinen Arbeitsplatz gekündigt, was „mit Wahnsinn vergleichbar“ sei, angesichts der Zeitläufe und bei der schnell ansteigenden Arbeitslosigkeit. Er sei umgezogen und im Haushalt hätten sich mehr und mehr unsichere Lebensumstände breit gemacht, angesichts derer sich jeder von seiner Seite aus mehr habe anstrengen müssen und dies für ein Gehalt, das nur mit Mühe für die üblichen Bedürfnisse und die Notwendigkeit, sich vor Verwünschungen zu schützen, ausgereicht habe.
Die schließlich erworbene deutsche Staatsangehörigkeit habe „nicht viel vermocht“, da gemäß den Verkündigungen der Pfarrer und ihrer Institutionen die verspätete Heimkehr seiner Ehefrau auf eine ungewollte, aber von den Feinden aufgezwungene Untreue zurückzuführen gewesen sei, die die beiden übernommen hätten und manipulierten.
Im September und Oktober 2009 sei der Patient nach seiner Darstellung dann gewaltsam angegriffen worden; er habe ernsthafte Probleme gehabt, angefangen zu schreien und die Nachbarn hätten sich definitiv in Gefahr gefühlt, was zu seiner Aufnahme in einer psychiatrischen Einrichtung (Krankenhaus H.) für 6 Wochen geführt habe.
Laut seinem in Deutschland lebenden Bruder sei er nach der Behandlung in gutem Zustand in sein Zuhause zurückgekommen. Aber aufgrund mangelnder Einhaltung der verschriebenen Behandlung zugunsten von befreienden Gebeten seien die Symptome zurückgekehrt.
Der Patient habe angegeben, er sei für Gebetssitzungen in Togo und in Nigeria mit seiner Frau in Urlaub gekommen und dass das stattgefunden habe, was er einen Unfall nennt; sie sei verstorben und er habe sich in Haft wiedergefunden. All das bestätige seiner Meinung nach die drei von seinen Evangelisten vorhergesagten Unglücke:
a) Du wirst von deiner Frau getrennt und gibst deinen Arbeitsplatz auf
b) Du wirst mit der Justiz konfrontiert
c) Was noch kommt ist eine Reihe von Todesfällen, darunter dein eigener (mit der Präzisierung, für ihn sei das in selbstmörderischer Absicht eine Überdosis der von den Psychiatern verschriebenen Medikamente).
Dr. A6. zog aus diesen Informationen die Schlussfolgerung, dass bei dem Beschuldigten, einem langjährig Kranken, der ambulant und zeitweise stationär in Deutschland von Allgemeinärzten, Neuropsychiatern und evangelischen Pfarrern behandelt wurde, eine seit mehreren Jahren (also 1 – 2 Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland) „psychiatrisch entgleiste Persönlichkeitsstruktur“ festzustellen sei, vielleicht infolge von „Anpassungsschwierigkeiten“.
Dr. A10. führte weiter aus, dass er bei der Untersuchung am 18.09.2010 beim Beschuldigten einen depressiven Zustand mit Angstgefühlen feststellen habe können, gekennzeichnet durch eine tiefe Traurigkeit, Logorrhö, gut strukturiertem Verfolgungswahn magischreligiöser Natur und mit „multiplen Mechanismen“.
Seine Untersuchung habe im Einzelnen ergeben:
a) Auditive und visuelle psychische Halluzinationen, ein „mentaler Mechanismus“ mit Beeinflussung, Diebstahl seines Denkens und seiner Ideen, aufgezwungene Ideen und Handlungen, wachsende Unsicherheit mit Schlaf- und Essstörung,
b) Auslegung der Aussagen und Handlungen von Verwandten, seiner Frau, seiner Kinder, seines Bruders, seiner Kollegen im Büro und der Pastoren, die Offenbarungen und Ideen insinuieren, die allein er gut verstehen kann,
c) Intuitionen, ein anderer „Mechanismus“, der ihn dazu zwingt, seine Aussagen und sein Verhalten gegenüber einer feindlichen Welt anzupassen, die die Personen als Geiseln genommen hat, die ihm teuer sind, z.B. seine Ehefrau, seinen Bruder usw., die unfreiwillig auf seinen Untergang hinarbeiten und sich nicht richtig um die befreienden Gebete kümmern.
Dr. A6. kam damit zu dem Schluss, dass „auf pathologischer Ebene“
a) die Diagnose einer schweren Psychose, die chronisch geworden ist, bestätigt werden könne;
b) es sich um eine schlecht behandelte Psychose handele, deren „Komplikation“ zweifellos der Totschlag war, dessentwegen er verhaftet wurde. Tötungen dieser Art finde man
aa) bei „atypischen depressiven Zuständen“,
bb) bei „paroxystischem psychomotorischen Aufwallen“ von Schizophrenien gekennzeichnet durch gewaltsame Impulse, automatische, plötzliche, auto- und heteroaggressive, sogar dramatische Handlungen (Tötung);
c) Die logische und strukturierte Art des Vortrags des Beschuldigten könne an eine „Entgleisung einer paranoiden Persönlichkeit“ denken lassen, die sich in einer Affektreaktion mit Übergang zu einer forensischen Tat gezeigt hat.
d) Man könne bei dem Patienten jedoch die „Entgleisung“ einer „Impulsphobie“ oder einer „obsessiven Störung“ diskutieren, die in einer Tötung endete“.
Aus der Beobachtung des Beschuldigten könne man auf den Rückfall einer chronisch gewordenen Psychose bei einem schlecht behandelten Patienten schließen, die durch den Glauben, religiöse Personen und die Tradition hin zu einer magischreligiösen Auslegung und Beherrschung fehlgeleitet ist.
Daraus haben sich lauf Dr. A6. folgende „Komplikationen“ ergeben:
– die freiwillige Kündigung und der entsprechende Verlust eines Arbeitsplatzes, der schwer zu finden ist;
– die prekäre Situation in der Familie;
– der Argwohn beim Ehepaar mit Ausdruck ambivalenter Gefühle von Unsicherheit und Liebe;
– eine „Entgleisung der paranoid psychotischen Struktur“;
– der Übergang zu einer forensischen Tat.
Folgende „Komplikationen“ gelte es laut Dr. A10. nun schnell zu verhindern:
– „Übergang zu anderen Taten in Form des altruistischen Selbstmordes,
– Rache und Mord an den vermuteten Feinden, die aufgrund der den Wahn fordernden Mechanismen identifiziert werden (psychische Halluzination, Intuition und Auslegung)“.
Folgendes scheint nach Auffassung von Dr. A6. daher dringend geboten:
a) Anforderung der medizinischen Berichte der früheren Krankenhausaufenthalte;
b) psychologische Betreuung der Kinder, der Schwester, des Schwagers und der Kinder des Paares, wo die Tötung stattfand, des Bruders in Deutschland und der Schwiegereltern, also der Eltern der Verstorbenen;
c) Vermeidung einer Überlagerung durch religiöse Auslegung, die eine Autosuggestion fördern;
d) unverzügliche Einweisung des Beschuldigten zur Behandlung in eine psychiatrische Einrichtung, als einzige Möglichkeit um einen zeitnahen, angekündigten und als aufgezwungen programmierten Selbstmord zu verhindern.
Abschließend hielt Dr. A6. noch fest, dass es seiner Meinung nach in dem Bereich, der ihm psychopathologisch erscheint, nichts „Mystisches“ gebe.
4. Aus dem verlesenen Bericht des Psychiaters Dr. A5. über die ärztliche Untersuchung des Beschuldigten in der psychiatrischen Klinik in Zebe – Aneho vom 22.11.2010 ergibt sich, dass der Beschuldigte sich zeitlich und räumlich gut orientieren konnte, er ruhig und nicht aggressiv, sauber und gut gekleidet sei. Er habe noch immer Wahnideen, sei aber ab und zu bei sehr klarem Verstand. Er höre jetzt – am 18.11.2010 – keine Stimmen mehr und fühle sich nicht mehr ferngelenkt. Es sei ihm bewusst, dass er psychisch gestört ist. Aktuell habe er starke Durchfälle mit Fieber, eine Behandlung gegen Malaria mit Coartem sei eingeleitet worden. Ebenso eine Behandlung mit Thioridazin 100 mg 0-0-1, Carbamazepin 200 mg 1-0-1, Largactil 100 mg 0-0-2, Noleral 1-0-1, Promazin 0-0-2 und Lemptripyl 1-0-1.
5. Aus dem verlesenen ärztlichen Attest des Psychiaters Dr. G. D1. vom 20.02.2015 ergibt sich, dass dieser den Beschuldigten am 30.09.2010 im Nationalen Fachklinikzentrum von Zebe – Aneho aufgenommen, untersucht und in stationäre Behandlung genommen sowie in der Folge dort behandelt und begleitet hat. Der Beschuldigte leide ausweislich dieses ärztlichen Attests von Dr. G. D1. an einer chronisch auftretenden mentalen Krankheit und benötige langfristig therapeutische Hilfe im Fachbereich. Derzeit sei sein Gesundheitszustand wiederhergestellt. Nichtsdestotrotz müsse er seine antipsychotische Behandlung auf ambulanter Ebene mit strikter Einhaltung der Verordnungen und regelmäßiger psychotherapeutischer Begleitung auf unbestimmte Zeit fortführen. Seine derzeitige mentale Verfassung erlaube es ihm vor einer Gerichtsbehörde zu erscheinen und angehört zu werden. Danach werde er versuchsweise in den Genuss eines Familienurlaubs kommen und könne sein normales soziales und Berufsleben wieder aufnehmen.
6. Aus dem verlesenen ärztlichen Attest des Psychiaters Dr. G. D1. vom 10.03.2016 ergibt sich, dass die Diagnose paranoide Schizophrenie aufrechterhalten wurde. Die klinische Entwicklung sei nach 4 Jahren innerklinischer Behandlung günstig. Der Beschuldigte sei am 10.08.2015 in den Genuss eines Familienurlaubs gekommen und werde aktuell im Centro Medico Psychologique von L.ambulant betreut. Seine Gesundheit gilt als wiederhergestellt und er kann jetzt sein normales soziales und berufliches Leben wieder aufnehmen.
7. Aus dem verlesenen psychiatrischen Gutachten des Professor Da. vom 05.02.2018 ergibt sich, dass dieser den Beschuldigten am 05.02.2018 in L.im Auftrag des Richters L. exploriert habe.
Professor Da. führt zu seinen Eindrücken hinsichtlich der durchgeführten Exploration folgendes aus:
Der Proband habe sich normal dargestellt mit einvernehmlichem Kontakt. Er sei während des gesamten Gesprächs und der Untersuchung kooperativ gewesen. Er weise keine Probleme beim instinktiven oder sozialen Verhalten auf. Er habe keine Drogen genommen und zeige keine Abhängigkeit, sein Bewusstsein sei klar, seine Gedankengänge kohärent. Die Untersuchung weise an diesem Tag auf keine zeitlichräumliche Desorientierung hin. Er zeige keinen Wahn, keine Gedächtnisprobleme, keine Probleme im Denk- und Urteilsvermögen. Er verfüge über ein klares Bewusstsein zu seiner Person und zu seiner Umgebung.
Der Sachverständige Prof. Da. kam damit zu dem Ergebnis, dass der Beschuldigten nach seiner „körperlichen und psychiatrischen Untersuchung heute normal“ sei, diese habe aber „das Vorliegen eines psychiatrischen chronischen Zustands psychotischen Typs beim Beschuldigten zum Zeitpunkt ergeben habe, zu dem die Taten, derer er beschuldigt wird, geschehen sind.“ „Diese Art von Pathologie [neige] dazu, akute Episoden auszulösen, während derer der Betroffene unter dem Einfluss von Halluzinationen oder Wahn forensische Taten begehen kann, wobei nach der Krise eine vollkommene Amnesie der Umstände vorliegt. [Der Beschuldigte haben] in Deutschland an einer chronischen Psychose glitten, die seinen Krankenhausaufenthalt und die antipsychotische Behandlung (Seroquel) gerechtfertigt [habe]. Sie [seien] angesichts des Fortbestehens, ja der Verschlechterung dieses pathologischen Zustands auf der Suche nach traditionellen Heilungsmöglichkeiten nach Ghana gekommen. Aktuell [befinde] er sich in Behandlung in einem Prozess zu einer vollständigen Genesung und [scheine] zur Wiedereingliederung und Wiederanpassung fähig zu sein“.
Prof. Da. zog sodann folgende Schlussfolgerungen:
1. Die psychiatrische und psychologische Untersuchung ergebe beim Beschuldigten eine chronische mentale Störung (chronische Psychose), die sich seit 1996 entwickelt hat, aber aktuell bei seiner psychiatrischen Behandlung abgeklungen ist.
2. Der ihm vorgeworfene Straftatbestand steht im Zusammenhang mit seiner chronischen Psychose.
3. Er ist aktuell stabilisiert, er ist nicht gefährlich, da er seine psychiatrische Behandlung einhält. Bei einer Unterbrechung der Therapie und Nichteinhaltung kann es gefährliche Rückfälle geben.
4. Er benötigt lebenslang eine auf ihn zugeschnittene psychiatrische Behandlung.
5. Mit seinem familiären Umfeld kann er sozial und beruflich wieder eingegliedert und wieder adaptiert werden.
8. Der behandelnde Arzt im kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost, der sachverständige Zeuge Dr. O. führte nachvollziehbar und überzeugend aus, dass er viele schizophrene Patienten bereits behandelt habe, die nach dem Abklingen der akuten Symptome über ihre Tat sehr erschüttert und tief traurig seien, wenn sie erkennen würden, was ihnen in der Psychose widerfahren ist. Andere hingegen würden bis zuletzt leugnen die Tat begangen zu haben und den ihnen zur Last gelegten Vorwurf ganz weit von sich wegschieben, da er nicht mit ihrer Persönlichkeit zusammenpasse und sich mit ihrem Vorstellungsbild von sich selbst nicht in Einklang bringen lasse. Letzteres treffe möglicherweise auf den Beschuldigten zu.
Anfänglich habe der Beschuldigte nicht verstanden, warum er überhaupt im IAK-KMO untergebracht sei, weil er seine Strafe doch schon in Togo abgesessen habe. Nach kurzer Zeit habe er dann aber erklärt, dass er sich darauf eingestellt habe, dass es einen neuen Prozess hier in München geben werde, und er sich dem stellen und dabei mitwirken werde.
Der Beschuldigte sei während der gesamten Dauer der bisherigen Unterbringung stets höflich, ruhig und unauffällig gewesen. Er habe sich durchgängig zurückgezogen und keinen Kontakt zu den Mitpatienten, dem Personal oder den Ärzten und Therapeuten gesucht. Er habe weder Einzelgespräche noch einen tiefergehenden therapeutischen Kontakt zugelassen. Generell habe er nur sehr wenige und kurze Kontakte zugelassen, naheliegend um seine Fassade besser aufrechterhalten zu können. Der Beschuldigte habe viel geschlafen bzw. im Bett gelegen und zum Teil auch die Arbeitstherapie verpasst, wenn er schlecht geschlafen hatte. Nach dem Gespräch über die Tat im November 2019 habe sich der Beschuldigte sehr erschöpft gefühlt und über Schlafstörungen sowie ein Brennen am ganzen Körper geklagt. Deswegen sei zunächst das Taxilan auf 200 mg und dann weiter auf 250 mg erhöht und letztlich die Medikation auf Quetiapin retard 400 mg abends und 300 mg Quetiapin tagsüber umgestellt worden.
9. Der psychiatrische Sachverständige Dr. R1. gelangte zu der Einschätzung, dass bei dem Beschuldigten zum Vorfallszeitpunkt eine paranoide Schizophrenie nach ICD-10 F20.0 vorgelegen habe. Diese Erkrankung sei dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuzuordnen und habe aus medizinischpsychiatrischer Sicht sicher die Schuldunfähigkeit des Beschuldigten zur Folge gehabt. Die übrigen Eingangsmerkmale des § 20 StGB seien nicht erfüllt.
a) Die paranoide Schizophrenie sei durch qualitative Abweichungen in Denken, Fühlen und Wahrnehmung gekennzeichnet. Bei Menschen, die an Schizophrenie erkrankt seien, träten psychotische Ich-Störungen, Affektstörungen, Wahnvorstellungen sowie optische und akustische Halluzinationen auf. Die wichtigsten psychopathologischen Phänomene seien Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Gedankenausbreitung, Wahnwahrnehmung, Kontrollwahn, Beeinflussungswahn oder das Gefühl des Gemachten sowie Stimmen, die in der dritten Person den Patienten kommentierten oder über ihn sprächen.
Der Verlauf der Erkrankung des Beschuldigten sei aufgrund der Ergebnisse der psychiatrischen Exploration und der Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung gut nachvollziehbar.
Eine genetische Disposition für die Ausbildung dieser Erkrankung bestehe beim Beschuldigten nicht, da sich keine Hinweise auf entsprechend erkrankte Familienangehörige ergeben hätten.
Aus der psychiatrischen Anamnese des Dr. A6. lasse sich jedoch ein typischer Entstehungsverlauf dieser Erkrankung entnehmen. So habe Dr. A6. festgehalten, dass der Beschuldigte liebevoll aufgewachsen sei, dann zunehmend bereits als Kind/Jugendlicher Ängste entwickelt habe, die durch den Zusammenhalt der Familie und den Glauben abgemildert worden seien. Am Erwerb des Abiturs sei der Beschuldigte gescheitert und auch seine weitere Ausbildung sei nicht frei von Problemen gewesen. Durch die soziokulturellen Vorfälle in Togo im Jahre 1992 seien diese Ängste des Beschuldigten getriggert worden, was zu seiner Flucht ins Ausland geführt habe. Trotz stärkerer Eingliederungsschwierigkeiten sei es ihm in München gelungen eine Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen. Begleitend hierzu hätten sich aber ab 1994 Schlafstörungen, eine Anorexie, Verdauungs- und Wirbelsäulenprobleme entwickelt, die ihn in den Folgejahren begleiteten.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe beim Beschuldigten spätestens ab 2005/2006 ein sogenanntes Prodromalstadium vorgelegen. Ein solches Stadium gehe üblicherweise der Erstmanifestation einer Schizophrenie voraus. Bei dem Beschuldigten hätten sich in dieser Zeit Veränderungen in Form von deutlichen Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Verdauungsproblemen, einer Stimmungsverschlechterung mit Traurigkeit und eines Erschöpfungszustandes eingestellt. Insbesondere aber habe er sich seit dieser Zeit durch Kameras überwacht, beobachtet und verfolgt gefühlt. Die Familie habe dies mitbekommen, sonst sei aber wenig von diesen Problemen des Beschuldigten nach außen gedrungen. Er habe sich jedoch ärztliche Hilfe bei Dr. R2. gesucht, der Amitriptylin verordnet und die Diagnose einer fraglichen mittelgradigen depressiven Episode gestellt habe.
Eine solche habe nach seiner Einschätzung jedoch damals nicht bestanden, da der Beschuldigte nach den Angaben seines Sohnes P. jedenfalls bis Anfang 2009 noch in der Lage gewesen sei zu arbeiten und Urlaubsreisen mit der Familie zu unternehmen.
Mitte 2009 sei es dann zweimal zu einem akut psychotischen Zustand und in diesem jeweils zu einer stationären Einweisung gekommen. Der Beschuldigte habe insbesondere unter einem Beziehungs- und Verfolgungswahn gelitten und sei Wahnwahrnehmungen unterlegen. Es hätten sich akustische Halluzinationen, kognitive Beeinträchtigungen und eine affektive Verflachung gezeigt und er sei bei Aufnahme jeweils denkzerfahren und desorganisiert gewesen. Er habe unter dem wahnhaften Einfluss Dinge getan, wie die Kündigung seines Arbeitsplatzes und seiner Wohnung, die rational nicht nachvollziehbar seien. Zu diesem Zeitpunkt sei nach seiner Einschätzung die paranoide Schizophrenie erstmals voll zum Ausbruch gekommen. Der Beschuldige habe auch während der beiden stationären Aufenthalte im Jahr 2009 nur wenig über eventuelle Wahninhalte gesprochen und stets versucht zu dissimulieren bzw. angegeben, sich nicht zu erinnern. Durch die angesetzte Medikation sei bereits während des Aufenthalts und dann auch in den Folgemonaten eine langsame Besserung des formalen Gedankengangs und seines Gesamtzustands eingetreten. So sei er von der Familie zunächst als lockerer und zugänglicher beschrieben worden. Nach den Angaben des Zeugen Ko. Az. solle es aber bereits einige Monate vor der Tat wieder zu einer Verschlechterung des Zustands des Beschuldigten gekommen sein.
Im September 2010, also in den Wochen nach der Tat, sei durch die verlesenen ärztlichen Unterlagen der Psychiater in Togo das Vorliegen einer neuen psychotischen Phase bestätigt. Der Beschuldigte habe zu diesem Zeitpunkt unter einer chronifizierten systematisierten Wahnbildung gelitten, habe Verantwortung externalisiert und nunmehr auch Hexen und Geister als Erklärung ins Spiel gebracht. Im Rahmen der Exploration durch Dr. A6. sei dessen bisher nach außen gut verborgene Wahnwelt aufgebrochen und er habe in einem logorrhoisch anmutenden Redefluss all das herausgelassen, was er bislang im Rahmen seiner doppelten Buchführung durch wenig Kommunikation geheim gehalten gehabt hätte. Aus der Zusammenfassung der medizinischen Beobachtung von Dr. A6. vom 18.09.2010 lasse sich auch zweifelsfrei entnehmen, dass beim Beschuldigten damals mindestens 3 Symptome der Kategorie 1 zur Einordnung einer paranoiden Schizophrenie erfüllt gewesen seien, nämlich kommentierende Stimmen und akustische Halluzinationen, ein Kontroll- und Beeinflussungswahn sowie Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung und Gedankenentzug. Er gehe von einem anfänglich chronisch progredienten Verlauf der Erkrankung aus. Das schubförmige Erscheinungsbild imponiere durch die Remission unter medikamentöser Behandlung zunächst 2009 im IAK-KMO und dann nach September 2010 in Togo.
Bei seinem persönlichen Erstkontakt mit dem Beschuldigten im August 2019 sei dieser im formalen Denken geordnet, aber sehr kurz angebunden gewesen. Hinweise auf Sinnestäuschungen, Ich-Störungen oder einen Wahn hätten sich nicht ergeben.
Die Stimmung sei moros und dysthym, der Beschuldigte nicht schwingungsfähig gewesen, unterschwellig anklagend, aber nicht gereizt. Bei der Exploration im September 2019 sei der Proband wesentlich freundlicher, zugewandter und schwingungsfähiger gewesen, mimisch lebhaft und aufgeweckt. Der Affekt sei bisweilen inadäquat und durchgehend verflacht gewesen. Er habe berichtet, dass er aktuell schlecht schlafe und immer zu viel nachdenke, weil ihm das bevorstehende Gerichtsverfahren keine Ruhe lasse. Auch bei diesem Kontakt seien Auffassung, Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit klinisch intakt gewesen, das formale Denken geordnet. Er habe sich bemüht sozial erwünscht zu erscheinen. Über die vergangenen Erlebnisse habe er widersprüchliche Angaben gemacht, für manche Dinge Erinnerungslücken angegeben, andere Dinge hingegen nachhaltig vertreten, so insbesondere Fremdbeschuldigungen in Bezug auf den zuständigen Polizeichef Karmu in L.und die Exkulpation seiner Person. Aufgrund der Angaben des Beschuldigten habe weiter der Verdacht auf das Bestehen eines paranoiden Wahnsystems und eine deutliche Dissimulation bestanden.
Aktuell sei ihm im Verlauf der Hauptverhandlung bei der Einlassung des Beschuldigten ein deutliches Danebenreden aufgefallen, was ebenfalls ein typisches Anzeichen dieser Erkrankung sei. Zudem habe sich im Verlauf der mündlichen Verhandlung gezeigt, dass der Beschuldigte weiterhin Verantwortung auf seine Frau abschiebt, also externalisiert. So sei diese jetzt für die Kündigung seiner Arbeit, für die Reise nach Ghana, den Kauf des Messers etc. allein verantwortlich gewesen. Der Beschuldigte sei zwar stets affektiv freundlich, jedoch nicht schwingungsfähig und nicht kommunikabel.
b) Die Annahme einer vorübergehenden krankhaften seelischen Störung zur Tatzeit infolge einer Intoxikation komme nicht in Betracht. Dr. R1. schloss sich insoweit den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P3. an.
c) Laut dem Sachverständigen Dr. R1. sei eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung durch einen hochgradigen Affekt ebenso zu verneinen. Der Beschuldigte habe zielgerichtet gehandelt und die Tatsituation aktiv gestaltet. Anhaltspunkte für eine schwere seelische Erschütterung nach der Tat hätten sich nicht ergeben. Der Beschuldigte habe vielmehr gegenüber der Familie umgehend eine ihn entlastende Erklärung für den Tod der Ehefrau präsentiert und hier drei Männer ins Spiel gebracht, die ihn bedroht, beraubt und die Tat begangen hätten.
d) Eine Wahnerkrankung sei ebenfalls auszuschließen, da solche Betroffenen von ihren Wahninhalten subjektiv überzeugt seien und diese auch nach außen hin vertreten würden, was bei dem Probanden mit seiner sehr ausgeprägten Dissimulierungstendenz gerade nicht der Fall sei. Auch für einen Eifersuchtswahn oder eine Zwangsstörung hätten sich keine Hinweise ergeben.
e) Dem psychiatrischen Sachverständigen zufolge scheide auch das Eingangsmerkmal des Schwachsinns aus. Der Beschuldigte verfüge über eine Intelligenzausstattung im mittleren bis oberen Durchschnittsbereich; kognitive Einbußen infolge seiner psychischen Erkrankung seien nicht zu erkennen.
f) Aus medizinischpsychiatrischer Sicht sei schließlich auch das Eingangskriterium der schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht erfüllt. Bei dem Beschuldigten liege insbesondere keine Persönlichkeitsstörung vor.
g) Die Erkrankung des Beschuldigten an einer paranoiden Schizophrenie, welche dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung unterfalle, habe sicher zu einer Aufhebung seiner Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat geführt. Die Einsichtsfähigkeit sei hingegen nach seiner Einschätzung unbeeinträchtigt gewesen.
Die aktuellen Einlassungen des Beschuldigten seien nicht geeignet die Frage nach der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu beantworten, da Gedächtnisstörungen im Sinne einer Teilamnesie oder Paramnesie geltend gemacht würden. Berücksichtige man aber den Zusammenhang mit der bereits lange bestehenden Psychose und deren Aufblühen in der psychiatrischen Klinik in Togo nach der Tat bei der Exploration durch Dr. A6. sei ein normalpsychologisches Motiv für die Tat, wie z.B. Eifersucht äußerst unwahrscheinlich und diese wäre, sofern sie bestanden hätte, als wahnhaft anzusehen. Deutlich naheliegender sei, dass der Beschuldigte seine Psychose immer zu verheimlichen suchte und seine Realität im Sinne einer doppelten Buchführung gestaltete, wobei die psychotischen Denkinhalte, wie Geister, Hexen etc. zunehmend die Kontrolle über ihn gewannen, indem sie ihm auch vermittelten, was er zu sagen habe. Damit würden Wahnwirklichkeit und Realität im Sinne einer doppelten Buchführung nebeneinander bestehen. Im Falle einer Vermischung von Wahn und Realität komme es dann zu einer erheblichen Verunsicherung und Auflösung der Selbstgewissheit, was die Exazerbation der produktiven Symptome nach der Tat erklären könne. Dementsprechend habe er in seinen beiden polizeilichen Folgevernehmungen und auch bei der Exploration durch Dr. A6. von Teilen seiner Wahnwelt berichtet.
Aufgrund dieser Erkenntnisse gehe er davon aus, dass die erhebliche Wahndynamik, welche zur Tatzeit bei dem Beschuldigten vorgelegen habe, einen entsprechenden Kontrollverlust zur Folge gehabt habe. Insbesondere aus den Angaben des Beschuldigten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. A6. im Rahmen der Exploration vom 18.09.2010 lasse sich schließen, dass er dem Antrieb zur Tatbegehung krankheitsbedingt nicht habe widerstehen können.
Allerdings sei aus der Tatsache, dass der Beschuldigte kurz nach der Tat als ihn entlastende Erklärung für den Tod seiner Ehefrau die Geschichte mit den 3 Männern konstruiert habe, der Rückschluss zu ziehen, dass seine Einsichtsfähigkeit unbeeinträchtigt war, er also sehr wohl erkannte, als er seine Frau in ihrem Blut liegen sah, dass er gegenüber seiner Umwelt eine Erklärung hierfür geben und sich dementsprechend etwas einfallen lassen musste, um sich selbst zu entlasten.
10. Das Gericht folgt den sachkundigen und einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. R1., der in seiner mündlichen Gutachtenserstattung auch die Ausführungen von Prof. Dr. P3. und Dip. Psych. Liwon sowie die verlesenen ärztlichen Stellungnahmen und psychiatrischen Gutachten aus Togo berücksichtigte, in vollem Umfang. Der gerichtsbekannt sehr erfahrene Sachverständige Dr. R1. ging von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus und legte seine Einschätzung ausführlich, nachvollziehbar und überzeugend dar. Er hatte während der mehrtätigen Hauptverhandlung auch ausreichend Gelegenheit sich ein Bild von der Person des Beschuldigten zu verschaffen.
Im Anschluss an die Darlegungen der oben genannten Sachverständigen und mit den von ihnen angeführten Argumenten kommt das Schwurgericht nach eigenständiger Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Tat unbeeinträchtigt, seine Steuerungsfähigkeit aber sicher vollständig aufgehoben war (§ 20 StGB). D.
Rechtliche Würdigung
Die Tat des Beschuldigten stellt sich strafrechtlich als eine rechtswidrige Tat des Mordes dar (§§ 211 Abs. 2 Alt. 5 StGB).
Da der Beschuldigte bei Begehung der Tat ohne Schuld handelte (§ 20 StGB), kommt eine Bestrafung nicht in Betracht.
I.
Der Beschuldigte tötete die Geschädigte Ai. Af. Az. rechtswidrig und verwirklichte dabei das Mordmerkmal der Heimtücke (§§ 211 Abs. 2 Alt. 5 StGB).
1. Der Beschuldigte handelte mit Tötungsabsicht. Ihm war bewusst, dass seine Vorgehensweise zum Tod der Geschädigten führen würde. Gerade darauf kam es ihm an.
Der absolute Vernichtungswille des Beschuldigten ergibt sich aus den objektiven Tatumständen. Er stach wiederholt und wuchtig seiner schlafenden Ehefrau ein Messer mit mindestens 10 cm Klingenlänge so in den Hals, dass es in einem Fall mindestens 5 cm tief eindrang und die Halsschlagader durchtrennte.
Es ist allgemein bekannt, dass Stiche in den Halsbereich eines Menschen lebensgefährliche Gefäßverletzungen verursachen können. Das konkrete Tatrisiko war dem jedenfalls durchschnittlich intelligenten Beschuldigten, dessen Einsichtsfähigkeit bei Begehung der Tat unbeeinträchtigt war, auch bewusst.
2. Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Alt. 5 StGB) ist erfüllt.
a) Heimtückisch handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Täter sein keinen Angriff erwartendes, mithin argloses Opfer überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren, wobei für die Beurteilung die Lage der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist (BGH, Urteil vom 14.6.2017 – 2 StR 10/17, Rdn. 10).
Das Opfer kann daher auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, also etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, um dem Angriff noch irgendwie zu begegnen (BGH, Beschluss vom 4.6.2013 – 4 StR 180/13, Rdn. 15).
Arglos ist regelmäßig auch der Schlafende, wenn er einschläft. Er überlässt sich dem Schlaf im Vertrauen darauf, dass ihm nichts geschehen werde; in diesem Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit. Arglos ist er hingegen nicht nur, ehe er einschläft. Wer sich zum Schlafen niederlegt, nimmt die Arglosigkeit mit in den Schlaf; sie begleitet ihn, auch wenn er sich ihrer nicht mehr bewusst ist. Das besonders Gefährliche und Tückische, das den Täter lebenslanger Freiheitsstrafe aussetzt, liegt darin, dass er sein Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 23, 119, 120 f.).
In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des Heimtückemordes nicht nur voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt; erforderlich ist außerdem, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteile vom 22.05.2019 – 2 StR 530/18, vom 09.10.2019 – 5 StR 299/19, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 25, 26; BGH, Urteil vom 14.6.2017 – 2 StR 10/17, Rdn. 10f.; BGH NStZ-RR 2010, 175, 176).
b) Gemessen hieran handelte der Beschuldigte heimtückisch.
Die Geschädigte Az. war bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs des Beschuldigten arglos. Sie wusste zwar von der Erkrankung des Beschuldigten, rechnete aber nicht ansatzweise mit einem erheblichen oder gar lebensbedrohlichen Angriff, als sie sich zu Bett begeben hatte. Ihre Arglosigkeit nahm die Geschädigte daher mit in den Schlaf.
Aufgrund ihrer Arglosigkeit war die Geschädigte auch wehrlos, mithin in ihren Verteidigungsmöglichkeiten wesentlich eingeschränkt. Dementsprechend wies sie auch keinerlei Abwehrverletzungen auf.
Die Strafkammer ist auch davon überzeugt, dass der psychisch kranke Beschuldigte mit dem erforderlichen Ausnutzungsbewusstsein handelte.
Seinen Einlassungen ist zwar nichts zu seinem Vorstellungsbild bei Angriffsbeginn zu entnehmen. Zwar kann dieses – wie im vorliegenden konkreten Einzelfall – auf der Hand liegen, etwa weil die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers offen zutage liegt und es sich gleichsam von selbst versteht, dass der Täter diese Situation ausnutzt, wenn er das Opfer in lebensbedrohlicher Weise angreift. Entscheidend ist insoweit aber stets, ob die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfers realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, beeinträchtigt ist (BGH, Urteil vom 14.6.2017 – 2 StR 10/17, Rdn. 11). Vorliegend litt der Beschuldigte im Tatzeitraum an einer ausgeprägten psychotischen Symptomatik mit Wahnvorstellungen sowie auditiven und visuellen Halluzinationen. Er fühlte sich ferngesteuert und von außen beeinflusst. Derartige psychische Beeinträchtigungen können einer sachgerechten gedanklichen Verarbeitung der Opferlage entgegenstehen (MünchKommStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rdn. 188 m.w.N.).
Die Tatsituation war im konkreten Fall aber besonders einfach strukturiert und leicht zu erfassen – die Geschädigte lag schlafend in Bauchlage auf dem Bett – und die daraus resultierende hilflose Lage der Geschädigten für den Beschuldigten einfach zu erkennen. Diesen Umstand nutzte der Beschuldigte für seine Tatausführung aus. Es sind keine Gründe ersichtlich, dass der Beschuldigte diese für ihn günstige Situation nicht erkannt hätte.
Auch eine affektive Erregung des Beschuldigten im Vorfeld der Tat, für die es vorliegend keinen Anhalt gibt, steht der Annahme des Ausnutzungsbewusstseins nicht entgegen.
Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.2009 – 1 StR 520/09; Urteile vom 31.07.2014 – 4 StR 147/14; und vom 13.11.2019 – 5 StR 466/19). Maßgeblich sind die in der Tatsituation bestehenden tatsächlichen Auswirkungen des psychischen Zustands des Täters auf seine Erkenntnisfähigkeit (BGH, Urteil vom 13.11.2019 – 5 StR 466/19).
Vorliegend war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten unbeeinträchtigt (s. o.) und er war insbesondere in der Lage, nur wenige Minuten nach der Tat eine Alternativversion der Tat zu präsentieren, die ihn entlastete. Seine Steuerungsfähigkeit war zwar aufgehoben, dies hinderte den Beschuldigten aber nicht, die von ihm äußerlich wahrgenommenen Umstände gedanklich zu verarbeiten und umzusetzen. Der Beschuldigte war mithin in der Lage, die einfach gelagerte Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen.
Gemessen hieran war zur Überzeugung der Schwurgerichtskammer auch subjektiv das erforderliche Ausnutzungsbewusstsein beim Beschuldigten vorhanden.
3. Rechtfertigungsgründe sind nicht gegeben.
II.
Der Beschuldigte kann für sein Verhalten nicht bestraft werden, weil seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat wegen einer paranoiden Schizophrenie, welche dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung unterfällt, aufgehoben war (§ 20 StGB). E.
Maßregel
Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB war anzuordnen.
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur unter engen Voraussetzungen angeordnet werden.
Diese sind vorliegend erfüllt.
I.
Zunächst muss zweifelsfrei feststehen, dass die unterzubringende Person bei Begehung der Anlasstat aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Begehung der Tat auf diesem Zustand beruht, das heißt mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht. Nötig ist, dass die Tatbegehung durch den nicht nur vorübergehenden Zustand ausgelöst oder doch mitausgelöst worden ist und dass auch die für die Zukunft zu erwartenden Taten sich als Folgewirkung dieses Zustandes darstellen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGHSt 34, 22, 27; BGH, Beschluss vom 18.11.2013 – 1 StR 594/13, Rdn. 5; Beschluss vom 24.6.2004 – 4 StR 210/04, S. 3f.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 63 Rdn. 5ff. m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen vor.
1. Der Beschuldigte beging im Zustand sicher aufgehobener Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) eine rechtswidrige Tat des Mordes (§§ 211 Abs. 2 Alt. 5 StGB).
2. Der psychiatrische Sachverständige Dr. R1. legte dar, dass bei dem Beschuldigten spätestens seit Mitte 2009 eine paranoide Schizophrenie gemäß ICD-10 F20.0 vorliege, welche zur Tatzeit vorgelegen und in der Hauptverhandlung noch fortbestanden habe und mittlerweile als paranoide Schizophrenie episodisch mit stabilem Residuum nach ICD-10 F20.02 zu klassifizieren sei. Es handele sich mithin um eine länger andauernde psychische Störung. Die geistige Erkrankung des Beschuldigten erfülle das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB und habe sicher eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Tat zur Folge gehabt.
Der psychiatrische Sachverständige hat dabei seine Überzeugung, dass der Beschuldigte an einer paranoiden Schizophrenie, mittlerweile episodisch mit stabilem Residuum leide, überzeugend dargelegt und insoweit auch ausgeführt, dass die Meinung des Beschuldigten, wonach er diese Erkrankung gerade nicht habe, da er bislang allenfalls einen Schub im Jahre 2010 gehabt habe, unzutreffend sei. Es sei insoweit allgemein anerkannt, dass auch bereits das Auftretens eines Schubes die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie begründen könne. Im Übrigen seien beim Beschuldigten jedenfalls bereits 3 akute Schübe dieser Erkrankung aufgetreten.
Der von ihm aufgezeigte bisherige Gesamtverlauf der Erkrankung belege die von ihm gestellte Diagnose als sicher und werde auch von den anderen psychiatrischen Kollegen, wie Dr. O. und Dr. A6. geteilt. Infolge der nach der Tat erfolgten medikamentösen Behandlung sei nach einiger Zeit eine Remission der akuten Phase eingetreten, die bei seiner Entlassung im Jahr 2015 sicher belegt sei. Der Gesamtverlauf zeige aber, dass beim Beschuldigten wohl seit 2005/2006 durchgängig ein Wahngebilde bestanden habe, welches sich bis zur Tat weiterentwickelt habe und auch bis heute noch fortbestehe. Durch seine doppelte Buchführung und die Weigerung mit den jeweils behandelnden Ärzten offen zu kommunizieren, bestehe unverändert die Gefahr eines erneuten akuten Ausbruchs der psychotischen Symptome, zumal sich beim Beschuldigten zwischenzeitlich ein Residuum entwickelt habe und er auch aktuell nicht symptomfrei sei.
Zwischen der Erkrankung des Beschuldigten und der von ihm begangenen Tat bestehe ein symptomatischer Zusammenhang. Der Beschuldigte habe seine Ehefrau aufgrund wahnhafter Vorstellungen angegriffen und getötet. Damit sei der bei ihm bestehende Wahn direkt motivationsbildend für die Tatbegehung gewesen.
3. Das Schwurgericht geht im Anschluss an die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. R1. und nach Würdigung sämtlicher maßgeblicher Umstände davon aus, dass die festgestellte Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Tat auf einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung – nämlich einer paranoiden Schizophrenie – beruhte. Zwischen der Begehung der Tat und diesem Dauerzustand besteht ein symptomatischer Zusammenhang. Hinweise auf ein normalpsychologisch nachvollziehbares Tatmotiv haben sich nicht ergeben.
II.
Eine Gesamtwürdigung von Täter und Tat ergibt ferner, dass der Beschuldigte aufgrund seiner Erkrankung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
1. Die Unterbringung gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begeht, durch die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden. Die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (BGH, Beschluss vom 18.11.2013 – 1 StR 594/13, Rdn. 13; Beschluss vom 6.3.2013 – 1 StR 654/12, Rdn. 17; Fischer, a.a.O., § 63 Rdn. 24ff. m.w.N.).
Die Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln, hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BGH, Beschlüsse vom 27.06.2019 – 1 StR 112/19 und vom 17.07.2018 – 1 StR 287/18 m.w.N.).
Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Anlassdelikt selbst ergeben, etwa bei einem Verbrechen; zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte sind – soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt – regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 05.06.2019 – 2 StR 42/19).
2. Hieran gemessen ist der Beschuldigte für die Allgemeinheit gefährlich.
a) Der psychiatrische Sachverständige Dr. R1. legte sachkundig und überzeugend dar, dass er bei dem Beschuldigten eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung gleichartiger oder ähnlich schwerer impulshafter Gewaltdelikte sehe.
Der Sachverständige Dr. R1. stütze sich hierbei auch auf die Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. O., welcher bekundet hatte, dass er eine verlässliche Einschätzung, ob der Beschuldigte weiterhin gefährlich sei, letztlich aufgrund der Tatsache, dass der Beschuldigte sich nicht mitteile und man keinen Einblick in seine Gedanken habe, nicht abgeben könne. So habe dieser ihm gegenüber seine stationären Voraufenthalte in 2009 verschwiegen, bestreite weiterhin krank zu sein und bestreite den Tatvorwurf. Dies lasse besorgen, dass er eine etwaig vorhandene produktivpsychotische Symptomatik aktuell verschweige oder im Fall eines zukünftigen Auftretens verschweigen werde. All das mache für ihn im vorliegenden Fall eine derartige Beurteilung sehr schwer. Im Falle des eigenmächtigen Absetzens der Medikation sei nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. O. bei der konkreten Krankheitsgeschichte des Beschuldigten ein Wiederauftreten der produktivpsychotischen Symptomatik hochwahrscheinlich und könne bereits innerhalb weniger Tage eintreten. Gefährdet seien in diesem Fall dann primär nahe Angehörige, Arbeitskollegen oder Mitbewohner und erst sekundär andere Zufallsopfer.
Dr. R1. führte weiter aus, dass er die Dissimulationsneigung des Beschuldigten als äußerst problematisch ansehe. Auch unter medikamentöser Behandlung habe bislang eine wirkliche Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung nicht stattgefunden. Aktuell habe sich vielmehr ein gewisses paranoides Verhaltensmuster gezeigt, indem er die Polizei in Togo beschuldige, ihm suggeriert zu haben, dass eine Stimme ihm befohlen habe seine Frau zu töten und alle ihn entlastenden Indizien vom Polizeichef Karmu bewusst nicht zu den Akten gegeben oder vom Richter in Togo nicht mitübersandt worden seien.
Ein Leugnen der eigenen Schuld könne für den Betroffenen zwar psychisch entlastend und bei fester Überzeugung auch als psychischer Abwehrmechanismus präventiv gegen Suizidalität wirksam sein. Ein solches konfabuliertes Konstrukt habe jedoch wahnhaften Charakter und sei im sozialen Zusammenhang zwar noch mitteilbar, jedoch als gemeinsame Realitätserfahrung nicht teilbar. Dies dürfte auch ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass der Beschuldigte bislang ein Zusammentreffen mit seinem Sohn und seinem Bruder verweigert habe. Ein solches könnte nämlich bei ihm zu erheblichen Irritationen führen. Hier sei auch bereits ein Keim für eine erneute Wahnentwicklung angelegt, was sich bereits an den Schuldzuweisungen des Beschuldigten gegenüber der Polizei in Togo gezeigt habe.
Der Sachverständige Dr. R1. kam zu dem Ergebnis, dass beim Beschuldigten von einer symptomfreien Restitution trotz aktuell bestehender Medikation nicht auszugehen sei. Bei diesem bestünden unverändert negative, residuale Symptome sowie auch bereits Ansätze für eine erneute Wahnentwicklung bzw. ein Fortschreiten des unverändert vorliegenden Wahngebildes.
Prognostisch günstig sei zwar, dass der Beschuldigte nicht vorbestraft sei, keine persönlichen Auffälligkeiten aufweise und keinen Substanzmissbrauch betreibe. Auch habe die im Verlauf der einstweiligen Unterbringung im IAK-KMO eingeleitete Medikamentenbehandlung gut angeschlagen. Aktuell sei die Erkrankung zwar teilweise remittiert, man habe aber an seinen Angaben in der Hauptverhandlung sicher erkennen können, dass ein florides Wahngebilde weiterhin vorhanden und der Beschuldigte noch immer nicht symptomfrei ist. Glaube man dem Beschuldigten, so sei bei ihm derzeit die Bereitschaft vorhanden längerfristig eine antipsychotische Medikation einzunehmen. Inwieweit dies ein vordergründiges Lippenbekenntnis sei oder von einer tatsächlichen Einsicht in die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung getragen werde, sei schwer einschätzbar, da der Beschuldigte seine doppelte Buchführung weiter betreibe und kaum bis gar keine Einblicke in seine Gedanken gebe. Der Beschuldigte schiebe Dinge, die emotional wichtig seien, von sich weg und habe eine eigene subjektive Überzeugung und Sicht auf den Vorfall und seine Erkrankung entwickelt, die er beliebig verändern, anpassen und nach außen kommunizieren könne. Seine Angaben in der Hauptverhandlung hätten jedoch nachdrücklich gezeigt, dass er eine geteilte Realität habe.
Weiter fielen nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. R1. insbesondere Art und Bedeutung der Anlasstat, das Gewicht der zu erwartenden Gewaltdelikte sowie die unsicheren Berufs- und Wohnungsperspektiven des Beschuldigten negativ ins Gewicht. Diese unsicheren Zukunftsaussichten in Bezug auf die Primärbedürfnisse – Essen, Wohnen, Schlafen – führten bei diesem, wie die Vergangenheit gezeigt habe, zu erhöhtem Stress und Frustrationen und seien damit als gravierender Risikofaktor für das Auftreten weiterer psychotischer Episoden zu bewerten. Hier könne es sehr rasch zu einer Dekompensation seines psychischen Zustandes und zu einer schnellen Entwicklung eines systematisierten Wahns in Bezug auf neue Arbeitskollegen, Mitbewohner und insbesondere auch seine nahen Verwandten und damit zur Begehung einer neuen erheblichen Gewaltstraftat kommen.
b) Die Strafkammer bejaht mit dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. R1. und dessen Argumenten nach eingehender Prüfung auch aus eigener Überzeugung eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Beschuldigte in Folge seiner fortdauernden psychiatrischen Erkrankung bei einer fortbestehenden systematisierten Wahnsymptomatik und einer ausgefeilten doppelten Buchführung sehr rasch wieder in eine akut psychotische Phase kommen kann, dies weder erkennen noch nach außen hilfesuchend kommunizieren kann und dann erneut erhebliche Gewaltdelikte begehen wird. Er ist deshalb weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich.
Die Kammer hat bei dieser Einschätzung auch berücksichtigt, dass es sich vorliegend um ein Beziehungsdelikt handelte, weshalb die Annahme, er sei für die Allgemeinheit gefährlich, näherer Prüfung bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2018 – 2 StR 525/16, NStZ-RR 2018, 139, 140). Die verfahrensgegenständliche Tat richtete sich gegen die Ehefrau des Beschuldigten, also die Person, die am meisten über seine Gedanken und Beschwerden wusste und ihm am engsten verbunden war. Sie war jedoch offensichtlich spätestens seit dem zweiten stationären Aufenthalt des Beschuldigten im September 2009 in sein bestehendes Wahngebilde, welches zunächst nur seinen Arbeitsgeber und seine Arbeitskollegen erfasst hatte, eingebunden.
Weiter steht im Raum, dass der Beschuldigte wahnbedingt gedacht haben könnte, dass seine Ehefrau ihm untreu gewesen sei und damit in gewisser Weise auch Eifersucht als Motiv zu diskutieren wäre. Diesbezüglich führte der Sachverständige Dr. R1. jedoch nachvollziehbar aus, dass es dann keine Eifersuchtstat im klassischen Sinne wäre, sondern weiterhin ein direkter Kausalzusammenhang zwischen Erkrankung und der Tat bestehe, da die Eifersucht ebenfalls wahnhaft und damit krankheitsbedingt wäre.
Allein durch den Tod der Ehefrau ist damit die Gefahr weiterer Straftaten und demzufolge auch die Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht beseitigt. Das Gericht schließt sich auch insoweit der Bewertung des Sachverständigen Dr. R1. an, der hier zukünftig Personen aus dem engeren Umfeld des Beschuldigten, also vornehmlich seine Geschwister, Arbeitskollegen und Mitbewohner für vorrangig gefährdet erachtet. Bereits früher hatte er den Verdacht seiner Überwachung erst auf den Arbeitgeber und die Arbeitskollegen und dann auch die Ehefrau erstreckt.
Die Kammer hat bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit künftiger Taten auch in den Blick genommen, dass der Beschuldigte trotz langen Bestehens des psychischen Defektzustandes weder vor noch nach der – zwischenzeitlich sehr lange zurückliegenden – Tat durch andere Straftaten auffällig geworden ist (vgl. zur indiziellen Bedeutung etwa BGH, Beschlüsse vom 07.07.2020 – 2 StR 121/20; vom 26.05.2020 – 2 StR 54/20; und vom 10.03.2020 – 4 StR 570/19). Die Kammer hat in ihre Erwägungen ebenfalls eingestellt, dass es auch im Rahmen der aktuellen Unterbringung im IAKKMO zu keinen bedenklichen Vorfällen oder Übergriffen auf Mitpatienten oder das medizinische Personal kam. Letzteres ist im Wesentlichen auf die konsequente, wenngleich noch nicht optimale medikamentöse Behandlung des Beschuldigten zurückzuführen, die durch entsprechende Spiegelkontrollen auch überwacht wird. Desweiteren ist in diesem Zusammenhang zu sehen, dass der Beschuldigte in einem beschützten Rahmen in einem geschlossenen Setting untergebracht ist, in dem er sich bei auftretenden Problemen oder einer Verschlechterung seines Zustands schweigend in sein Bett zurückziehen kann und dort in Ruhe gelassen wird, wobei er sich um seine Primärbedürfnisse nicht kümmern muss, da seine Versorgung gesichert ist.
Das Schwurgericht hat in diesem Zusammenhang auch bedacht, dass negative Entwicklungen, die nur in einem zeitlichen Abstand von mehreren Jahren oder in ungewisser Zukunft zu erwarten sind, die Annahme der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit regelmäßig nicht zu tragen vermögen (BGH, Beschluss vom 13.08.2019 – 4 StR 342/19).
Vorliegend war jedoch zu sehen, dass nach psychiatrischem Erfahrungswissen gerade diejenigen Schizophrenen, die – wie der Beschuldigte – mit in direktem Zusammenhang mit krankheitsbedingtem Wahnerleben von hoher Dynamik und Bedrohungsempfinden begangenen schweren Gewalttaten auffällig werden, im Lebenslängsschnitt nicht selten nur wenige, dann aber gewichtige (Gewalt) Taten begehen. Beim Beschuldigten ist es in der Vergangenheit zudem trotz des langen Bestehens seiner Erkrankung nur zu sehr vereinzelten Phasen akuter Verschlechterung gekommen. Diese traten vornehmlich dann auf, wenn der Beschuldigte – wie im Vorfeld des 04.09.2009 – stabilisierendem familiärem Einfluss entzogen oder – wie im Vorfeld der Anlasstat – außeralltäglichen, mit erhöhtem psychosozialem Stress verbundenen Situationen über längere Dauer ausgesetzt war. Solche Situationen waren in der Vergangenheit selten, insbesondere da der Beschuldigte in Togo zunächst 5 Jahre stationär untergebracht war und im Anschluss gut versorgt und ohne für seinen Lebensunterhalt Sorge tragen zu müssen im Haushalt seiner Mutter, die von seinen Geschwistern finanziell unterhalten wird, lebte. Zudem war er bis zum Januar 2019 unter ambulanter psychiatrischer Behandlung durch den ihm bereits aus der stationären Unterbringung bekannten Psychiater Dr. G. D1. In der unmittelbaren Zukunft werden stressbedingte Situationen dagegen mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit auftreten, da der Beschuldigte über keinen sozialen Empfangsraum in Deutschland verfügt und er allein schon durch das Bedürfnis zur Absicherung seines Lebensunterhalts erheblichen Stressfaktoren ausgesetzt sein wird. Vor diesem Hintergrund verliert der Gesichtspunkt der fehlenden weiteren Straftaten in erheblichem Umfang seine prognostische Relevanz und tritt gegenüber den vom Sachverständigen Dr. R1. herausgearbeiteten prognostisch negativen Faktoren in den Hintergrund.
III.
Die Unterbringungsanordnung ist auch verhältnismäßig (§ 62 StGB).
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH NStZ-RR 2007, 300, 301). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Betroffenen und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, gegebenenfalls durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken (BGH, Urteil vom 31.7.2013, NStZ-RR 2013, 339, 340).
2. Die Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände ergibt, dass die Verhältnismäßigkeit hier gewahrt ist.
Die Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB ist im Hinblick auf die Bedeutung des von ihm begangenen Kapitaldelikts und der bei ausbleibender Behandlung auch zukünftig zu erwartenden Gewalttaten erforderlich und angemessen.
Die Schwurgerichtskammer hat im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßregelanordnung berücksichtigt, dass die Tat nunmehr bereits 10 Jahre zurückliegt, der Beschuldigte nach der Tat ca. 5 Jahre in einer psychiatrischen Klinik in Togo stationär untergebracht war und sich im Anschluss daran noch rund 4 Jahre in ambulanter psychiatrischer Behandlung befand, bevor das dortige Verfahren endgültig eingestellt wurde. Angesichts der Tatsache, dass er nach erneuter fast einjähriger medikamentöser Behandlung in der einstweiligen Unterbringung immer noch ein florides Wahngebilde zeigt, in das er jedoch den behandelnden Ärzten keinen Einblick gewährt und welches dementsprechend auch bislang nicht adäquat behandelt werden konnte, erscheint seine weitere Unterbringung zwingend erforderlich. Obwohl der Beschuldigte bereits in Togo über einen langen Zeitraum in (auch stationärer) psychotherapeutischer Behandlung war, ohne dass eine seine Gefährlichkeit dauerhaft beseitigende Zustandsverbesserung eingetreten ist, wird mit seiner Unterbringung auch nicht etwa ausschließlich noch der Schutz der Allgemeinheit durch Freiheitsentziehung angestrebt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19.08.2014 – 3 StR 243/14). Vielmehr erscheint, nachdem der Beschuldigte auch dem Schwurgericht teilweise Wahninhalte schilderte, nicht fernliegend, dass er sich zukünftig den Therapeuten in dieser Hinsicht offener zeigt. Daneben können auch etwa bereits – derzeit fehlende, aber in näherer Zukunft denkbare – Maßnahmen zur Vorbereitung eines geeigneten sozialen Empfangsraums und der weiteren Anpassung der Medikation zu einer hinreichenden Herabminderung der Gefährlichkeit des Beschuldigten beitragen.
IV.
Die Aussetzung des Vollzugs der Maßregelanordnung zur Bewährung kommt derzeit (noch) nicht in Betracht.
1. Nach § 67b Abs. 1 S. 1 StGB wird die Vollstreckung einer Unterbringungsanordnung nur dann zugleich zur Bewährung ausgesetzt, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Diese besonderen Umstände müssen eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass weitere rechtswidrige Taten mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades vermieden werden. Das Gericht muss fest damit rechnen, dass die vom Täter ausgehende Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen auch bei ausgesetzter Vollstreckung der Maßregel gebannt ist. Hat das Gericht Zweifel, so fehlt es an einer tätergünstigen Prognose (Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 67b Rdn. 7f. m.w.N.).
2. Es liegen im vorliegenden Verfahren keine besonderen Umstände vor, welche die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch ohne den weiteren Vollzug der Unterbringung bereits jetzt erreicht werden könnte.
a) Der sachverständige Zeuge Dr. O., gab an, dass der Beschuldigte ihm berichtet habe, dass er in Togo 5 Jahre wegen Depressionen psychiatrisch behandelt worden sei. Er habe bereits von 1996 bis 2000 unter Depressionen gelitten und sei auch früher schon mal in stationärer Behandlung gewesen. Von den beiden stationären Aufenthalten im Jahre 2009 und der dabei gestellten Diagnose einer paranoiden Schizophrenie habe der Beschuldigte demgegenüber nichts berichtet.
Der Beschuldigte sei bei Aufnahme klinisch nicht auffällig gewesen. Sein Gedankengang sei geordnet, der Affekt dezent verflacht, im Übrigen aber adäquat gewesen. Ihm sei zunächst Taxilan 50 mg tgl. verordnet worden, ein antipsychotisches Medikament gegen Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, welches zusätzlich entspannend wirke. In der Folge habe sich der Beschuldigte auf Station stark zurückgezogen und kaum Kontakt zu den Mitpatienten gesucht. Man habe die Verdachtsdiagnose einer paranoiden Schizophrenie gestellt und weiterhin Taxilan nunmehr in einer Dosierung von 100 mg zur Nacht verordnet. Der Beschuldigte sei anfänglich nicht zur Arbeitstherapie gegangen, habe sich viel in seinem Zimmer aufgehalten und zuverlässig seine Medikamente genommen. Am 13.09.2019 habe er aus organisatorischen Gründen in ein anderes Zimmer verlegt werden müssen. Am 16.09.2019 habe der Beschuldigte ihm gegenüber dann auf schnelle Rückverlegung gedrängt, weil er mit den neuen Zimmerkollegen nicht mehr zusammenleben wolle. Eine weitergehende Begründung habe der Beschuldigte nicht gegeben. Die Stationsärztin habe berichtet, dass der Beschuldigte zu dieser Zeit dysphorisch, gereizt und misstrauisch gewesen sei. Es sei dann seine Rückverlegung organisiert und die Dosis Taxilan auf 150 mg erhöht worden. Daraufhin sei der Beschuldigte wieder etwas weniger angespannt gewesen.
Auffallend für ihn sei im Gesamtverlauf das parathyme Lächeln des Beschuldigten und eine durchgängig vorhandene diskrete Anspannung gewesen. Ein durchgeführtes EEG habe einen Normalbefund ergeben. In einem am 10.10.2019 durchgeführten MRT des Schädels hätten sich unspezifische Marklagergliosen gezeigt, was gut zu seinem Bluthochdruck passe, der mittlerweile aber medikamentös gut eingestellt sei.
Nach einem Gespräch über die Tat im November 2019 habe sich der Beschuldigte sehr erschöpft gefühlt und über Schlafstörungen sowie ein Brennen am ganzen Körper geklagt. Deswegen sei zunächst das Taxilan auf 200 mg und dann auf 250 mg erhöht und letztlich die Medikation auf Quetiapin retard 400 mg abends und 300 mg Quetiapin tagsüber, und damit in einen antipsychotischen Wirkbereich, umgestellt worden. Die durchgeführten Spiegelkontrollen hätten realistische Werte ergeben, was zeige, dass der Beschuldigte die Medikamente zuverlässig einnehme. Nebenwirkungen, wie extrapyramidale Störungen, seien darunter nicht aufgetreten. Der Beschuldigte sei psychopathologisch unauffällig, nicht sediert und im personellen Kontakt seither wacher. Der nächtliche Schlaf sei ebenfalls wieder besser geworden, so dass der Beschuldigte auch morgens gut aufstehen könne.
Der Beschuldigte habe durchgängig Suizidgedanken bestritten. Nach einer Grippeerkrankung Ende des Jahres 2019 habe er seither zuverlässig wie ein Uhrwerk an der Arbeitstherapie teilgenommen. Er sei weiter kooperativ, habe aber unverändert kein Krankheitsgefühl und keine Krankheitseinsicht. Zudem sehe er keinen Bedarf für eine weitere Behandlung seiner „Depressionen“ mehr. Diese seien nach Einschätzung des Beschuldigten nunmehr ausreichend behandelt.
Der sachverständige Zeuge Dr. O. gab weiter an, dass er aus seiner langjährigen Erfahrung berichten könne, dass es durchaus nicht ungewöhnlich sei, dass schizophrene Patienten im Sinne einer doppelten Buchführung ihre Erkrankung als „Depression“ einstufen. Syndromal würde die beim Beschuldigten vorhandene Negativsymptomatik, nämlich Antrieblosigkeit, verflachter Affekt, fehlendes Kontaktverhalten, Schlafstörungen und Interessenslosigkeit, auch ähnlich wie bei einer Depression imponieren.
Weiter sei der Beschuldigte davon überzeugt, dass er nach der Hauptverhandlung entlassen werde. Der Beschuldigte habe geäußert, dass er dann nach Hamburg gehen und sich dort auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle als Kommunikationselektroniker suchen werde. Nach seiner Kenntnis habe der Beschuldigte jedoch keinen Bezug nach Hamburg und dort auch keine Freunde, Verwandten oder Bekannten. Ihm, dem sachverständigen Zeugen, habe sich weder erschlossen, warum der Beschuldigte überhaupt auf eine Rückkehr nach Deutschland bestanden habe, noch sei ihm bekannt gewesen, dass dieser in München Familie habe bzw. im Februar 2020 einen Besuch seines Sohnes und seines Bruders verweigert habe. Dass der Beschuldigte in der Pfingstkirche engagiert gewesen sei, sei ihm bekannt. Dieser habe jedoch niemals versucht Mitpatienten zu bekehren oder offen gebetet.
Der Beschuldigte sei während der Unterbringung durchgängig in einem 3-MannZimmer mit 2 ruhigen Patienten untergebracht gewesen. Disziplinarische Auffälligkeiten oder Beschwerden seitens der Pflege oder der Mitpatienten habe es nie gegeben.
Bis auf das Brennen im Körper über das der Beschuldigte im November 2019 berichtet hatte, welches man als Leibhalluzination einordnen könne, habe er nie über Vergiftungsideen oder andere typische Anzeichen einer paranoiden Schizophrenie geklagt. Allerdings sei insoweit zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte mit den Ärzten und Therapeuten, aber auch mit dem Pflegepersonal, kaum kommuniziere und insbesondere nicht über sein Befinden gesprochen habe. Auffallend sei sein deutlicher Rückzug gewesen und dass er eine geraume Zeit vornehmlich im Bett mit der Decke über dem Kopf verbracht habe. Dies habe sich nach der Medikamentenumstellung zwar gebessert, wenngleich man weiterhin nicht sagen, geschweige denn einschätzen könne, was in seinem Kopf so vor sich gehe. Auch bei den regelmäßigen Visiten habe der Beschuldigte nach der Begrüßung und dem Verneinen der Frage, ob er Beschwerden habe, nur noch gefragt, ob er jetzt wieder gehen könne, was ihm jeweils gestattet worden sei. Der Beschuldigte sei insoweit abwehrend, aber in einer freundlichen Art und Weise.
Nach seiner fachlichen Einschätzung sei dem Beschuldigten wegen der vorhandenen Negativsymptomatik weiterhin die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie zu stellen. Diese Diagnose sei allein aufgrund der Tatsache, dass der Beschuldigte Quetiapin in einer für schizophrene Patienten üblichen Dosierung erhalte gesichert, da Nichtschizophrene bei derartigen Mengen dauerhaft schlafen würden, was beim Beschuldigten gerade nicht der Fall sei. Vielmehr sei dieser ja unter der aktuellen Medikation wacher geworden und seither erst in der Lage durchgängig an der Arbeitstherapie teilzunehmen. Der parathyme Affekt, der sich durch das stets nette und freundliche, meist aber unpassende Lächeln des Beschuldigten durchgängig gezeigt habe, sei ebenfalls ein typisches Symptom für eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Auch Temperaturmissempfindungen, also v.a. übermäßiges Kälteempfinden können ein unspezifischer Hinweis auf eine schizophrene Erkrankung sein.
Positiv sei insoweit nur, dass der Beschuldigte selbst wisse, dass er wegen seiner „Depressionen“ ein Medikament brauche und bei der Einnahme derzeit zuverlässig sei. Dies könnte ggf. dafür sprechen, dass er auch im Falle einer Entlassung weiterhin die verordnete und dringend notwendige Medikation einnehmen würde. So wie sich der Beschuldigte derzeit präsentiere, habe es für ihn keinen Anhalt gegeben die Einrichtung einer Betreuung anzuregen, zumal der Beschuldigte sich klar dagegen ausgesprochen habe.
Problematisch sei jedoch, dass man nicht wisse, wie schnell nach einem Absetzen der Medikation die Psychose wieder aufflammen werde und ob der Beschuldigte beim Auftreten erster Symptome willens und in der Lage sei, sich entsprechende Hilfe zu holen. Der Beschuldigte sei der Überzeugung, dass es ihm derzeit gut gehe und er keine „Depressionen“ mehr habe. Hervorzuheben sei insoweit, dass sich der Beschuldigte wegen seiner teilweise erheblichen Schlafstörungen, die als Frühwarnsymptome einer paranoiden Schizophrenie zu interpretieren seien, an ihn gewandt habe, was zu einer schnellen Änderung der Medikation und damit einer Verbesserung seines Zustandes geführt habe. Bekannt sei auch, dass sich Patienten mit produktivpsychotischen Symptomen oft sehr zurückzögen, um hierdurch die Umwelteinflüsse zu reduzieren, wie es ja der Beschuldigte auch zeitweilig getan habe, als er sich fast durchgängig mit der Decke über dem Kopf im Bett aufgehalten habe Für eine spätere Entlassungsprognose sei es zwar wichtig, dass mit dem Probanden das Delikt bearbeitet werde. Wenn dies jedoch nicht möglich sei, weil der Proband auch nach einem Urteil die Tat weiter bestreite oder schweige, würde man sich darauf konzentrieren herauszuarbeiten, wie man die vorhandenen Risikofaktoren beeinflussen könne, so dass auch diese Patienten dann zu gegebener Zeit entlassungsreif gemacht werden können. Hierbei sei vor allem die Schaffung eines geeigneten sozialen Empfangsraums wichtig und dass die weitere Medikamenteneinnahme gesichert sei. Beides sei beim Beschuldigten jedoch derzeit völlig ungeklärt.
b) Nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. R1. habe sich unter den beschützenden Bedingungen der einstweiligen Unterbringung zwar eine gewisse Stabilisierung bei dem Beschuldigten ergeben. Allerdings müsse sich seine Krankheits- und Behandlungseinsicht erst noch ausreichend festigen. Darüber hinaus erhalte der Beschuldigte orale Medikamente, was immer einen hohen Risikofaktor im Hinblick auf die weitere zuverlässige Einnahme darstelle. Schließlich verfüge der arbeitslose Beschuldigte nicht über einen geeigneten sozialen Empfangsraum. Auch bestehe bei ihm noch keine ausreichende Sensibilität für seine psychiatrische Erkrankung und deren Auswirkungen auf sein weiteres Leben.
c) Das Schwurgericht schließt sich dieser Einschätzung an.
Es besteht derzeit zur Überzeugung der Kammer (noch) nicht die begründete Erwartung, dass der Schutz der Allgemeinheit allein durch die Anordnung der Unterbringung gewährleistet werden könnte. Notwendig ist vielmehr das Erarbeiten von Zukunftsperspektiven für den Beschuldigten und das Trainieren von Methoden, um mit frustrierenden Situationen wie Problemen bei der Suche eines geeigneten Arbeitsund Schlafplatzes o.ä. angemessen umgehen zu können. Schließlich wäre eine Aufarbeitung der Tat durch den Beschuldigten zwar wünschenswert, jedoch nicht zwingend erforderlich. Auch ist seine Bereitschaft zu einer dauerhaften Medikamentenbehandlung, bevorzugt durch die Gabe von Depotspritzen, weiter zu erarbeiten. Ebenfalls bedarf es noch der Schaffung eines geeigneten sozialen Empfangsraums, da der Beschuldigte einen Kontakt zu seinen im Raum München lebenden Verwandten verweigert und stattdessen einen Umzug in eine ihm völlig fremde Stadt plant, wo er keinerlei Kontakte oder Anlaufstellen hat.
Auch bei dieser Entscheidung hat die Kammer berücksichtigt, dass die Tat nunmehr bereits 10 Jahre zurückliegt und der Beschuldigte nach der Tat ca. 5 Jahre in einer psychiatrischen Klinik in Togo untergebracht war sowie im Anschluss daran sich noch rund 4 Jahre in ambulanter psychiatrischer Behandlung befand, bevor das dortige Verfahren endgültig eingestellt wurde. Weiterhin hat das Gericht gesehen, dass der Beschuldigte weder vor noch nach der Tat strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und es auch während der einstweiligen Unterbringung im IAK-KMO zu keinen Übergriffen oder gravierenden Problemen mit dem medizinischen Personal oder Mitpatienten kam.
Dies liegt jedoch zur Überzeugung des Schwurgerichts im Wesentlichen an dem beschützen Rahmen in der stationären Unterbringung, in dem der Beschuldigte nicht mit massiven Stressoren wie der Suche nach einem Schlaf- und Arbeitsplatz belastet ist. Allein die Tatsache, dass der Beschuldigten in zwei kritischen Situationen im Rahmen der derzeitigen Unterbringung sich an die behandelnden Ärzte gewandt, auftretende Beschwerden, nämlich Schlafstörungen und ein Brennen im Körper offenbart und insoweit um Hilfe nachgesucht hat, ist für die Bildung einer Überzeugung dahingehend, dass er sich auch zukünftig bei Schwierigkeiten und dem Auftreten von Prodromi an geeigneter Stelle mitteilen und die erforderliche Unterstützung holen wird, nicht ausreichend.
Angesichts der Tatsache, dass sich im Verlauf der Hauptverhandlung nachdrücklich gezeigt hat, dass beim Beschuldigten sehr wohl noch ein florides Wahngebilde vorhanden ist, was er bislang gegenüber den behandelnden Ärzten vollständig verschwiegen hat, muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass er seine doppelte Buchführung weiter perfektionieren und nach außen den Anschein, es sei alles in Ordnung aufrechterhalten oder allenfalls unvollständige oder falsche Informationen über seinen Zustand offenbaren wird, wie dies in der Vergangenheit auch gegenüber seinen behandelnden Psychiatern Dr. R2. und Dr. P2. erfolgt ist.
Infolge der Tatsache, dass den derzeit behandelnden Ärzten im IAK-KMO bislang von seiner unverändert bestehenden floriden Wahnsymptomatik nichts bekannt geworden ist, ist davon auszugehen, dass man auch an der aktuellen Medikation noch Veränderungen vornehmen muss, um letztlich einen Zustand zu erreichen, in dem der Beschuldigte so weit remittiert ist, dass eine Entlassung unter entsprechenden engen Auflagen verantwortet werden kann. Wie schnell dies erreicht werden kann, wird im Wesentlichen vom Verhalten und der Mitarbeit des Beschuldigten abhängen, der vom Intelligenz- und Sprachniveau her, die notwendigen Voraussetzungen für eine gewinnbringende Kommunikation mit den behandelnden Ärzten und Therapeuten mitbringt. Dieser muss jedoch noch erkennen, dass er weiterer Hilfestellungen insbesondere in Bezug auf die Schaffung eines geeigneten sozialen Empfangsraums und der Ausbildung der dringend erforderlichen Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft bedarf.
F.
Sonstiges
1. Ein Ausspruch über die Anrechnung der erlittenen Auslieferungshaft in der Zeit vom 23.07. bis 31.07.2019 war entbehrlich, da bei einer Anordnung der zeitlich unbefristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine solche naturgemäß nicht stattfinden kann.
Aus dem gleichen Grund konnte auch die in Togo bereits verbrachte Zeit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht berücksichtigt werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.

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