Strafrecht

Räuberische Erpressung

Aktenzeichen  5 Ks 402 Js 31745/20

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42790
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 253, § 255

 

Leitsatz

Wer einen Rauschgifthändler oder einen Rauschgiftkurier mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich der räuberischen Erpressung schuldig (Bestätigung von BGH BeckRS 2017, 125862). (Rn. 232) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig des versuchten Totschlags in Tateinheit mit jeweils rechtlich zusammentreffender gefährlicher Körperverletzung, schwerer räuberischer Erpressung, Betrugs, unerlaubten Führens einer Schusswaffe, unerlaubten Besitzes von Munition, unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln.
2. Der Angeklagte wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten verurteilt.
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet.
Vor dem Vollzug der Unterbringung sind 15 Monate der Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung erlittener Untersuchungshaft zu vollstrecken.
4. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen.
Angewandte Vorschriften:
§§ 212, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 5, 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 263, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB, 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG, 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum WaffG

Gründe

Der Verurteilung liegt keine Verständigung nach § 257 c StPO zugrunde.
A. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse:
1. Der Angeklagte wurde am …1998 in O. (Ukraine) geboren. Dort wuchs er zunächst in einem Kinderheim auf, seine leiblichen Eltern kennt er nicht. In seinem 5. Lebensjahr wurde er von einem deutschen Ehepaar adoptiert.
In der Folgezeit lebte er bei den Adoptiveltern in G., wo er auch den Kindergarten und ab dem siebten Lebensjahr die Grundschule besuchte.
Der Angeklagte hat einen vier Jahre jüngeren, ebenfalls adoptierten Bruder.
Nach dem Besuch der Grundschule und der ersten Hauptschulklasse wechselte er in der 6. Klasse auf die Realschule in Bad A. Nach einem Jahr musste er aber die Schule wieder verlassen, weil er zu viele Verweise erhalten hatte. Der Angeklagte hatte nicht nur häufig Streit mit seinen Lehrern, sondern auch mit den Eltern. Deshalb kam er in eine Ganztagesschule, wo er seine Schulausbildung fortsetzen konnte. Da er mit 15 Jahren auch begann Alkohol zu trinken, wurde er erneut von dieser Schule verwiesen. Schließlich erzielte er auf der Hauptschule in Kolbermoor im Jahre 2014 den Hauptschulabschluss.
Nach dem Schulabschluss absolvierte er zunächst eine Ausbildung bei der Telekom in T. zum Kaufmann für Dialogmarketing. In dieser Zeit wurde er aus dem Elternhaus „rausgeworfen“, da er – seinen Angaben zu Folge – häufig Probleme mit der Polizei hatte.
Er lebte dann in einer betreuten Wohngemeinschaft des Jugendamtes, musste diese jedoch ebenfalls nach 3 Monaten wieder verlassen und schließlich brach er auch seine Ausbildung ab. Anschließend lebte er ca. ein Jahr mehr oder weniger auf der Straße. Einer geregelten Arbeit ging er nicht nach und verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch kurze Gelegenheitsjobs. In dieser Zeit beging er auch verschiedene Straftaten. Dies ging bis Ende 2015. Nach Verbüßung eines 4-wöchigen Dauerarrests kehrte er schließlich zu seinen Eltern zurück, wo es ihm dann im Jahre 2016 auch gelang, die mittlere Reife nachzuholen. Im Jahre 2017/2018 absolvierte er auf Anordnung des Jugendamtes erfolgreich eine Suchtentwöhnungsbehandlung in der Einrichtung Kompass Impuls in O.
Danach begann er eine Ausbildung zum Automobilkaufmann bei der Firma Audi in Me., die er aufgrund erneuten Alkoholkonsums aber nach eineinhalb Jahren wieder abbrach. Er lebte dann mit seiner damaligen Freundin 2019 in I., wo er als Kellner arbeitete. Im Juni 2019 kam ein gemeinsames Kind zur Welt, in der Folgezeit trennte er sich aber von seiner Freundin. Zu seinem Kind hat er keinen Kontakt.
Er begann dann eine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bei der Firma Vodafone und erreichte dort die Funktion eines Teamleiters. Weil ihn die Arbeit aber zunehmend langweilte, nahm er eine Stelle als Berater bei der Firma E. F. AG in Ro. an, wo er bis zum Jahre 2019 auch tätig war. Dort lebte er wieder in einer Wohngemeinschaft. Bereits im Jahre 2019 begann er wiederum in verstärktem Maße Kokain und auch Ecstasy zu konsumieren, um bei der Arbeit durchzuhalten. Wegen der Corona Epidemie Anfang 2020 konnte er sein Vorhaben eine Niederlassung der Firma E. F. in M. zu eröffnen nicht umsetzen und er gab seine Arbeit auf. In dieser Zeit verstärkte sich sein Drogenkonsum weiter. Da er über keinerlei finanzielle Mittel mehr verfügte, kehrte er schließlich in die elterliche Wohnung zurück, wo er seither lebte. Über Einkommen verfügte er nicht mehr. Im Gegenteil konsumierte er weiterhin Betäubungsmittel. Im Herbst 2020 plante er dann eine erneute Langzeittherapie zu beginnen, dazu fehlte nur noch die Kostenzusage. Bis zum Beginn der Therapie wollte er weiterhin seinen Drogenkonsum fortsetzen.
Der Angeklagte begann im Alter von 15 Jahren Alkohol zu konsumieren und kurz darauf auch Cannabis. Später versuchte er auch Spice, dies aber nur selten. Während der Zeit, als er auf der Straße lebte, kam er zudem in Kontakt mit Ecstasy und Amphetamin, sowie auch Kokain. Gelegentlich versuchte er auch Pilze. Nach der Langzeittherapie im Jahre 2017/2018 gelang es ihm etwa 2 Jahre lang keine Drogen zu nehmen. Schließlich begann er aber wieder regelmäßig Alkohol zu trinken und nahm auch Kokain und Ecstasy ein. Diese beiden Betäubungsmittel konsumierte er bis zu seiner Verhaftung intensiv. Insbesondere Ecstasy nahm er etwa drei bis viermal pro Woche zu je ein bis drei Tabletten ein, je nach Verfügbarkeit.
Während der vorliegenden Untersuchungshaft besuchte er regelmäßig die Suchtberatung der JVA Bemau und er will jetzt eine Therapie im Rahmen des § 64 StGB absolvieren.
Der Angeklagte ist körperlich und psychisch gesund und befand sich noch nie in stationärer oder ambulanter psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung.
2. Das Erziehungsregister weist folgende jugendrichterliche Ahndungen auf:
18.07.2012:
Staatsanwaltschaft Rosenheim,
Diebstahl, von der Verfolgung abgesehen nach § 45 Abs. 2 JGG.
21.05.2014:
Amtsgericht Rosenheim,
unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln in 4 Fällen, Verfahren eingestellt nach § 47 JGG, richterliche Weisung.
22.10.2014:
Amtsgericht Rosenheim,
vorsätzliches unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, 4 Tage Jugendarrest.
03.12.2014:
Amtsgericht Rosenheim,
Diebstahl, richterliche Weisung.
08.06.2015:
Amtsgericht Rosenheim
vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, 4 Wochen Jugendarrest.
18.12.2018:
Amtsgericht Ingolstadt
Erschleichen von Leistungen in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug, Geldauflage.
Eine Verurteilung durch das Amtsgericht Rosenheim vom 14.09.2016 zu einer Einheitsjugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten ist aufgrund zwischenzeitlicher Tilgungsreife nicht mehr im Bundeszentralregister enthalten und wurde deshalb nicht berücksichtigt.
3. Der Angeklagte wurde im vorliegendem Verfahren am 26.09.2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seit 27.09.2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Rosenheim vom gleichen Tag, Gz. II Gs 1676/20, in der Justizvollzugsanstalt Traunstein bzw. Bernau.
B. Festgestellter Sachverhalt:
Über den Tag des 25.09.2020 verteilt hatte der Angeklagte eine nicht genau bekannte Menge an Ecstasy konsumiert. Der Angeklagte hatte die Absicht bis zu einer geplanten Suchttherapie in etwa zwei Wochen, deren Beginn aber noch nicht gesichert war, möglichst viel Betäubungsmittel zu konsumieren.
Im Laufe des Abends am 25.09.2020 nahm er zwei weitere Ecstasytabletten zu sich und rauchte einen Joint. Weil er aber noch mehr Drogen konsumieren wollte, kontaktierte er verschiedene Bekannte und fragte diese, ob sie ihm noch „etwas“ – gemeint waren Betäubungsmittel – zur Verfügung stellen könnten. Da er aber nur ablehnende Antworten erhielt, besann er sich auf eine frühere Bekannte, nämlich die Zeugin V. W. Diese kontaktierte er am 26.09.2020 um 0:45 Uhr und fragte an, ob sie jemanden kenne, der jetzt noch was „stellen“ könnte.
Die Zeugin W. die sich zu diesem Zeitpunkt gerade bei ihrem Freund in München aufhielt, vereinbarte mit dem Angeklagten sich am Bahnhof in G., wo der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt unter der Anschrift … bei seinen Eltern wohnte, zu treffen und ihm für einen Betrag von 260 € fünf Ecstasytabletten und 5 g Marihuana zu überbringen.
Bereits bei Bestellung der Betäubungsmittel war dem Angeklagten bewusst, dass er nicht über den vereinbarten Geldbetrag von 260 € verfügte, um die Betäubungsmittel zu bezahlen. Da er aber unbedingt noch Drogen konsumieren wollte, veranlasste er die Zeugin W. dennoch ihm die Betäubungsmittel zu bringen, wobei der relativ hohe Preis deswegen vereinbart worden war, weil die Zeugin W. extra von München/P. nach G. (eine Strecke von etwa 45 km) fahren musste. Über seine mangelnde Zahlungsfähigkeit ließ der Angeklagte die Zeugin W. im Unklaren.
Die Zeugin W. fuhr sodann zusammen mit ihrem Freund Ma1. M. und dessen Bekannten Ma. J. mit einem Pkw, der dem Mo1. W. gehörte und von ihm gesteuert wurde nach G.. Ferner befand sich auch noch die Freundin des Mo1. W., die Zeugin Ce. P. im Fahrzeug. Die Zeugin W. und ihre Begleiter kamen am 26.09.2020 gegen 3:15 Uhr in G. an. Der Zeuge Mo1. W. parkte sein Fahrzeug etwas abseits vom Bahnhof und die Zeugin W. und ihre beiden Begleiter Manuel M. und Ma. J. begaben sich gemeinsam zum vereinbarten Treffpunkt am Bahnhofsgebäude, B.-str. 22 c in  G., während W. und P. im Fahrzeug warteten.
Der Angeklagte, der wusste, dass die Zeugin W. nicht alleine aus München zu dem vereinbarten Treffpunkt kommen werde, nahm eine voll funktionsfähige halbautomatische Schusswaffe des Herstellers Zoraki/Atak Arms M 906-B, 7.65 mm Browning, Individualnummer 002950, Kennzeichen 0319, welche mit 4 Stück Patronenmunition mit der Aufschrift PPU 32 Auto geladen war, mit sich. Die Waffe hatte er entweder in dem hinteren Hosenbund oder in der Tasche seiner Jacke verborgen.
Diese Waffe hatte der Angeklagte anlässlich eines Urlaubs in Albanien im Juni/Juli 2020 für 400 € zusammen mit 10 passenden Patronen erworben. Bei dieser Waffe handelte es sich, wie der Angeklagte wusste, um eine ursprüngliche Gas-/Schreckschusspistole, welche aber derart umgebaut und abgeändert worden war, dass damit Patronenmunition im Kaliber 7.65 mm Browning geladen und verschossen werden kann. Der Angeklagte hatte die Funktionsfähigkeit der Waffe auch unmittelbar nach deren Erwerb bei Schießübungen auf einem Schießstand in Albanien getestet.
Der Angeklagte führte diese Waffe deswegen mit sich, weil er wusste, dass er das Geld für die von der Zeugin W. gebrachten Betäubungsmittel nicht hatte und er gegebenenfalls die Zeugin W. und deren Begleiter durch Einsatz der Schusswaffe dazu zwingen wollte, ihm die Drogen ohne Bezahlung zu überlassen.
Nachdem sich der Angeklagte und die Zeugin W. zur Begrüßung kurz umarmt hatten, übergab die Zeugin W. dem Angeklagten eine kleine Tüte mit den bestellten 5 Ecstasy Tabletten und 5 g Marihuana. Noch während der Angeklagte die Tüte in der Hand hielt, rief der Freund der Zeugin W. Ma1. M. der sich noch ein paar Schritte hinter ihr befand, ob sie denn auch das Geld schon erhalten habe. Da dem nicht so war, nahm die Zeugin W. die Tüte Drogen, die der Angeklagte noch in der Hand hielt, wieder an sich und bestand auf einer vorherigen Bezahlung.
Der Angeklagte äußerte daraufhin, er habe kein Geld, könne dies aber kurzfristig holen, da er ganz in der Nähe wohne. Der Angeklagte ging dann in Begleitung der Zeugin W., welche die Tüte mit den bestellten Drogen an dem Treffpunkt bei ihrem Freund Ma1. M. zurückließ, durch die Fußgängerunterführung zu einem gegenüber dem Bahnhofsgelände befindlichen Anwesen, wo er die Zeugin W. anwies kurz zu warten. Sodann beugte er sich über einen dort befindlichen Blumentrog und tat so, als würde er dort etwas herausholen und einstecken. Ob der Angeklagte dort tatsächlich etwas deponiert hatte, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls war die Zeugin W. der Auffassung, dass der Angeklagte dort das benötigte Geld an sich genommen habe. Der Angeklagte hatte aber nach wie vor kein Geld und er wollte die Zeugin W… aber Glauben machen, das Geld geholt zu haben, wovon die Zeugin auch ausging. Sodann begab sich der Angeklagte und die Zeugin W. wieder durch die Unterführung zurück auf die Seite des Bahnhofsgebäudes. Dort warteten Ma1. M. und Ma. … und die Zeugin W. übergab dem Angeklagten nun die Tüte mit den Ecstasytabletten und dem Marihuana.
Der Angeklagte steckte die Betäubungsmittel ein ohne aber gleichzeitig das Geld auszuhändigen. Die Zeugin W. sagte daraufhin „gib mir das Geld“ und versuchte dabei in die Tasche des Angeklagten zugreifen, um sich die nicht bezahlten Drogen erneut zurückzuholen. Dieser zog aber sofort die mitgeführte Schusswaffe entweder aus der Jackentasche oder dem hinteren Hosenbund, lud sie durch und hielt diese Waffe vor sich. Er zielte dabei aber nicht direkt auf die Personen, sondern auf den Boden in Richtung der unmittelbar vor ihm stehenden Zeugen W., M. und J.
Der Angeklagte wollte durch die vorgehaltene Pistole erreichen, dass die Zeugin W. auf die Geltendmachung ihrer Zahlungsansprüche verzichtet bzw. die Drogen nicht wieder an sich nimmt, nachdem ihr klar geworden war, dass der Angeklagte nicht bezahlen wird. Zudem beabsichtigte er mit der vorgehaltenen Schusswaffe auch die beiden Begleiter der Zeugin W… davon abzuhalten, dieser zu helfen und ihm die Betäubungsmittel möglicherweise auch gewaltsam wieder abzunehmen.
Der Zeuge M., der dies jedoch nicht hinnehmen wollte und der Meinung war, dass es sich um eine Gaspistole handelte, packte den Angeklagten am Handgelenk der Hand, in der dieser die Waffe hielt und versuchte diesem die Waffe zu entwinden, indem er versuchte, den Arm des Angeklagten nach oben hinten zu drücken.
Unmittelbar nachdem der Zeuge M. den Angeklagten am Handgelenk gepackt hatte, betätigte der Angeklagte aber den Abzug der Pistole und löste einen Schuss aus, der den Geschädigten M. aus einer Entfernung von 10 cm im Bauchbereich unmittelbar rechts oberhalb des Bauchnabels traf. Der Angeklagte äußerte darauf: „Entschuldigung, sie kriegt schon ihr Geld“. Der Geschädigte M. ließ aber dennoch nicht sogleich vom Angeklagten ab und beide stürzten zu Boden. Hierbei gab der Angeklagte nochmals einen Schuss aus der Waffe ab, der aber den Geschädigten verfehlte. Als die Beiden zu Boden fielen, verlor der Angeklagte die Waffe aus der Hand und diese schlitterte über den Boden. Daraufhin versuchte sich der Angeklagte von dem Zeugen M. zu lösen und zu fliehen. Zwischenzeitlich griff auch der Zeuge J. ein und wollte den Angeklagten an der Flucht hindern, indem er ihm einen Schuh auszog. Dem Angeklagten gelang aber dennoch mit nur einem Schuh die Flucht. Die Waffe ließ er am Tatort zurück, die Betäubungsmittel in seiner Tasche nahm er mit.
Das Mobiltelefon des Angeklagten gelangte während der Auseinandersetzung ebenfalls auf nicht genau geklärte Weise in den Besitz der Zeugin W., die das Mobiltelefon bei Eintreffen der Polizei an diese übergab.
Durch die Schüsse wurde eine Anwohnerin aufmerksam, die um 3.31 Uhr die Polizei verständigte.
Der Angeklagte konnte um 4.45 Uhr durch Kräfte der Polizei festgenommen werden, wobei auch die Tüte mit den 5 Ecstasytabletten und den 5 g Marihuana sichergestellt werden konnte.
Der Geschädigte Ma1. M. trug einen Bauchdurchschuss davon, welcher ca. 5 cm von oberhalb des Bauchnabels bis zum rechten Beckenkamm dorsolateral reichte.
Durch die Durchschussverletzung entstanden multiple Perforationen an verschiedenen Abschnitten des Dünn- und Dickdarms, ein Durchschlag der rechten Beckenschaufel und des Hüftknochens mit Austritt dorsolateral, sowie eine Verletzung der Arteria ileocolica. Darüber hinaus entstanden großflächige Hämatome im Bauchraum.
Diese Verletzungen waren akut lebensgefährlich und wären ohne sofortige ärztliche Versorgung geeignet gewesen, den Tod des Geschädigten M. herbeizuführen.
Er wurde im Klinikum Ro. operiert, wobei eine teilweise Resektion des Darmes erfolgen musste.
Der Geschädigte befand sich vom 26.09.2020 bis 06.10.2020 stationär im Klinikum Ro., wovon er zwei Tage im Koma und drei Tage auf der Intensivstation lag. Er hatte während der ersten Tage starke, später nachlassende Schmerzen.
Derzeit bestehen bei dem Geschädigten noch folgende verletzungsbedingte gesundheitliche Einschränkungen: Er kann sportliche Tätigkeiten, welche die Bauchmuskeln beanspruchen nicht ausführen und er leidet gelegentlich unter Schlafstörungen, hat aber sonst keine psychischen Probleme. Ansonsten hat er keine organischen Beschwerden davongetragen. Da sich der Zeuge M. derzeit in einer Suchttherapie befindet, kann dort auch auf eventuelle psychische Probleme im Zusammenhang mit der Schussverletzung eingegangen werden. Zudem ist bei ihm eine Operationsnarbe im Bauchbereich in der Größe eines Tischtennisschlägers verblieben.
Der Angeklagte wollte durch die Abgabe der beiden Schüsse den Geschädigten M. in Schrecken versetzen und dadurch davon abhalten, weiter auf ihn einzuwirken und ihm die Waffe zu entwinden. Dem Angeklagten kam es darauf an, sich im Besitz der übergebenen Betäubungsmittel zu halten und sich zu entfernen, ohne die Betäubungsmittel bezahlt zu haben. Aufgrund der Tatsache, dass der Geschädigte M. das Handgelenk des Angeklagten festhielt und sich körperlich unmittelbar vor dem Angeklagten befand, da er versuchte dessen Hand bzw. Arm nach oben zu drücken, war dem Angeklagten auch bewusst, dass es bei Abgabe der Schüsse zu einer Verletzung im Oberkörperbereich des Geschädigten kommen kann, bis hin zu einer tödlichen Verletzung. Obwohl der Angeklagte dies erkannt hatte, betätigte er dennoch zweimal den Abzug seiner Waffe, um den Geschädigten zu erschrecken und von sich zu lösen. Dabei nahm er nicht nur eine erhebliche Verletzung, sondern auch möglicherweise eine tödliche Folge in Kauf. Dies war ihm aber gleichgültig, da es ihm allein darauf ankam, den Geschädigten M… von sich abzuhalten und im Besitz der Drogen zu bleiben ohne dafür bezahlen zu müssen, wie es von Anfang an sein Vorhaben war und was er durch die Mitnahme der Waffe so auch geplant hatte.
Das sichergestellte Marihuana verfügte über einen Wirkstoffgehalt von 5 Prozent Tetrahydrocannabinol, bei den Ecstasytabletten ist zumindest von einer Konsumeinheit je Tablette auszugehen.
Der Angeklagte besaß, wie er wusste, weder die für den Besitz und das Führen der Schusswaffe und der Patronenmunition erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis, noch die für den Umgang mit den Betäubungsmitteln notwendige Erlaubnis.
Der Angeklagte stand zum Tatzeitpunkt zwar unter dem Einfluss von Amphetamin, in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit war er aber weder erheblich beeinträchtigt, noch war diese aufgehoben.
Der Geschädigte M. war ebenfalls alkoholisiert und hatte Drogen (Kokain) konsumiert.
C. Beweiswürdigung:
I. Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten:
1. Zu seinen persönlichen Verhältnissen machte der Angeklagte keine näheren Angaben.
Lediglich während der Vernehmung des Zeugen KHK S. äußerte er, dass er mit Beginn der Coronakrise „pleite gemacht“ habe und auch seine Mitarbeiter habe entlassen müssen. Er habe seither kein Geld mehr verdient.
Die Kammer hat deswegen den Sachverständigen Dr. E. über die Angaben des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen anlässlich dessen psychiatrischer Exploration einvernommen. Der Sachverständige Dr. E. gab an, dass der Angeklagte ihm gegenüber sehr ausführlich über seine persönlichen Verhältnisse berichtet habe.
Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der von dem Sachverständigen geschilderten persönlichen Verhältnissen des Angeklagten. Diese wurde daher den Feststellungen zur Person des Angeklagten zugrunde gelegt.
Der Angeklagte gab während der Vernehmung des Sachverständigen klarstellend an, dass er die Langzeittherapie aufgrund einer Anordnung des Jugendamtes absolviert habe und diese nicht nach § 35 BtMG erfolgte. Ansonsten erhob er gegen die Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. keine Einwände.
Dem verlesenen Sozialbericht der Suchtberatungsstelle P. vom 03.12.2020 ist zu entnehmen, dass der Verurteilte stark unter seiner Abhängigkeit leide, da er erkannt habe, dass sein Suchtmittelkonsum seiner gesundheitlichen, sozialen und beruflichen Situation stark schade. Er habe erkannt, dass er ohne therapeutische Hilfe nicht in der Lage sein werde, eine suchtmittelfreie und eigenständige Perspektive aufzubauen. Er sei dazu entschlossen und motiviert, sich einer stationären Entwöhnungsbehandlung zu unterziehen, wobei ihm ein Aufnahmeplatz in der Einrichtung Kompass City in Augsburg angeboten werden könne.
Aus dem gleichfalls verlesenen Bericht der externen Suchtberatung der JVA B. vom 23.03.2021 ergibt sich, dass es aus fachlicher Sicht dringend erforderlich sei, dass der Angeklagte lerne, seine bisher gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten auch außerhalb des Haftalltags in ein realistisches Lebensumfeld zu integrieren. Hierzu benötige er jedoch zunächst noch professionelle Hilfe in einem geschützten therapeutischen Rahmen. Der Angeklagte habe den gefährlichen Grad seines Drogenkonsums erkannt und vermittle glaubhaft, dass er den ernsthaften Wunsch hege, seine Suchtproblematik zu bearbeiten. Er zeige Krankheitseinsicht und Veränderungswillen. Einem Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB stehe er äußerst positiv gegenüber.
2. Die Vorstrafen des Angeklagten wurden durch Verlesung des Auszugs des Bundeszentralregisters festgestellt.
Eine Verurteilung durch das Amtsgericht Rosenheim vom 14.06.2016, Az. 4 Ls 530 Js 45661/16jug ist aufgrund Tilgungsreife nicht mehr im Bundeszentralregister enthalten und wurde von der Kammer nicht berücksichtigt.
II. Angaben des Angeklagten zur Sache:
Zur Sache machte der Angeklagte zunächst gleichfalls keine Angaben.
1. Im Laufe des ersten Verhandlungstags ließ er über eine Erklärung seines Verteidigers, der er zustimmte, einräumen, dass er gewusst habe, dass es sich bei der von ihm mitgeführten Waffe um eine scharfe Waffe handelte. Diese habe er im Juli 2020 anlässlich eines Aufenthalts im Kosovo inklusive passender Munition für 400 € erworben. Er habe mit der Waffe auch Schießübungen auf einem Schießstand im Kosovo gemacht.
Der Angeklagte räumte weiter ein, dass er an dem Tattag dringend Betäubungsmittel haben wollte und deswegen schon bei verschiedenen Leuten nachgefragt hatte. Es treffe zu, dass er kein Geld gehabt habe, um die Betäubungsmittel zu bezahlen. Er habe gehofft, etwa 2 Wochen später noch mal Geld aus einer Gehaltsnachzahlung zu bekommen, er habe auch sein Handy als Pfand übergeben.
2. Nach der Vernehmung des Geschädigten M. entschuldigte sich der Angeklagte bei diesem für seine Tat, der Geschädigte nahm diese Entschuldigung an.
Der Verteidiger des Angeklagten übergab an den Nebenklägervertreter als Teil einer Schadenswiedergutmachung einen Bargeldbetrag in Höhe von 4000 €.
3. Am zweiten Verhandlungstag erklärte der Verteidiger des Angeklagten, der Angeklagte habe der Frau W. auf dem Weg durch die Unterführung sein Handy als Pfand gegeben, dieses hätte er in 14 Tagen, wenn er eine Gehaltsnachzahlung bekommen hätte, wieder ausgelöst. Die Zeugin W. hätte dann das Handy an den Zeugen M. übergeben. Der Verteidiger erklärte, dass weitere Fragen hierzu nicht beantwortet würden.
Der Angeklagte selbst äußerte daraufhin, er habe dem Zeugen M. sein Handy übergeben, bevor er mit der V. W. durch die Unterführung gegangen sei.
Befragt zu dem Widerspruch zwischen seiner Aussage und der Angabe seines Verteidigers erfolgten keine weiteren Erklärungen.
Zudem wurde von der Verteidigung in den Raum gestellt, dass der Angeklagte, bevor er die Waffe zog, befürchtete, die drei anderen würden ihn ausrauben wollen.
III. Beweiswürdigung:
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der Aussage der einvernommenen Zeugen ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie er den Feststellungen zugrunde gelegt wurde.
Andere denkbare Geschehensabläufe hält die Kammer für femliegend.
1. Die Angaben des Angeklagten über den Erwerb der Schusswaffe und der Umstand, dass er an dem Tag kein Geld hatte, er aber dennoch versuchte, Drogen zu bekommen, ist glaubwürdig und wird durch die polizeilichen Ermittlungserkenntnisse gestützt.
a) Wie der polizeiliche Sachbearbeiter, der Zeuge KHK S. berichtete, wurden auf dem Mobiltelefon des Angeklagten Bilder sichergestellt, welche ihn zusammen mit dem Zeugen K. bei Schießübungen auf einem Schießstand zeigten. Auf diesen Bildern sei auch eine Maschinenpistole zu erkennen.
Diese Lichtbilder hat die Kammer auch in Augenschein genommen.
Zudem fanden sich auf seinem PC Suchanfragen im Zusammenhang mit dem Umbau einer Schreckschusswaffe zu einer scharfen Waffe und zu dem Thema, wie man eine Waffe im Darknet bestellt, sowie andere Suchbegriffe bezüglich Schusswaffen.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Angeklagte nicht nur wusste, dass er eine echte Schusswaffe besaß, sondern er auch im Umgang und mit der Funktionsweise der Waffe, insbesondere aufgrund der Schießübungen, vertraut war.
b) Zu dem Umstand, dass er am Abend des 25.09.2020 auf der Suche nach Personen war, die ihm noch Drogen verkaufen konnten, hat die Kammer die entsprechenden sichergestellten Chat-Protokolle aus dem Mobiltelefon des Angeklagten verlesen. Aus diesen Chats wird auch erkenntlich, dass der Angeklagte kein Geld hatte, da er von den Gesprächsteilnehmem auch kleinere Geldbeträge wie 10 oder 20 €, die diese ihm schuldeten, dringend einforderte.
Der Umstand, dass der Angeklagte über kein Geld verfügte, ergibt sich auch aus der Auswertung über die Konten des Angeklagten, worüber der Zeuge KHK S. berichtete. Die Girokonten des Angeklagten befanden sich sämtlich im Minus.
Andere Möglichkeiten, um an Geld zu kommen, bestanden für den Angeklagten ersichtlich nicht. Soweit er über seinen Verteidiger zu erkennen gab, dass ihm sein Bruder etwas hätte leihen können, so ist der Angeklagte tatsächlich nicht bei seinem Bruder gewesen und bei seiner Festnahme wurden bei ihm auch keinerlei Bargeldbeträge gefunden.
Auch hat er in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung eingeräumt, dass er die 260 € nicht hätte bezahlen können.
Gleichfalls hat er in der Hauptverhandlung zugegeben, dass er die 260 € nicht gehabt habe.
Die Kammer schließt daraus, dass der Angeklagte am 26.09.2020 weder über ausreichend Geld verfügte, um die bei der Zeugin W. bestellten Drogen zu bezahlen, noch dass er eine Möglichkeit hatte, den entsprechenden Geldbetrag mitten in der Nacht unmittelbar aufzutreiben.
Vielmehr hatte er von Anfang an die Absicht, sich die Betäubungsmittel von der Zeugin W. ohne Bezahlung übergeben zu lassen. Für den Fall, dass es dabei zu irgendwie gearteten Schwierigkeiten kommen würde, womit er naheliegenderweise rechnete, nahm er seine Waffe mit.
Diese setzte er dann auch ein, um sich im Besitz der bereits übergebenen Betäubungsmittel zu halten.
Die vom Verteidiger des Angeklagten in den Raum gestellte In-Pfand-Gabe seines Mobiltelefons erfolgte zur Überzeugung der Kammer nicht, jedenfalls hat sich die Zeugin W. weder bei Bestellung der Betäubungsmittel, noch im Rahmen der Übergabe damit einverstanden erklärt, sondern die Zeugin W. ging stets davon aus, dass sie dem Angeklagten die bestellten Betäubungsmittel gegen Bezahlung von 260 € überbringt.
2. Die Einlassung des Angeklagten, er habe als Gegenleistung für die gelieferten Drogen sein Mobiltelefon verpfändet ist unglaubhaft.
Eine derartige Einlassung erfolgte bislang weder in seiner polizeilichen Vernehmung, noch gegenüber dem Sachverständigen Dr. …
Da der Angeklagte in der Hauptverhandlung keine näheren Angaben zur Sache machte, hat die Kammer den Zeugen KHK S., der die polizeiliche Beschuldigtenvemehmung durchführte, dazu vernommen, welche Angaben der Angeklagte in seiner Beschuldigtenvernehmung am 26.09.2020 machte.
a) Die Angaben des Zeugen S. über den Inhalt der Beschuldigtenvemehmung des Angeklagten sind auch verwertbar.
Dabei geht es der Kammer nicht um die Verwertung eines im Rahmen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung abgegebenen Geständnisses des Angeklagten, das im übrigen auch nicht vorliegt, sondern darum, ob der Angeklagte in seiner Beschuldigtenvemehmung bereits Umstände vorgetragen hat, die er jetzt durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung in den Raum stellte.
Dies betrifft insbesondere die Tatsache, dass der Angeklagte vortragen ließ, er habe sein Mobiltelefon als Pfand für die erhaltenen Betäubungsmittel zur Verfügung gestellt bzw. dass ihm sein Mobiltelefon von den drei anderen, nämlich den Zeugen W., M. und J. widerrechtlich weggenommen worden sei.
aa) Der Zeuge S. gab zunächst an, dass er vor Beginn der Beschuldigtenvernehmung den Angeklagten darüber belehrt habe, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Er habe ihm auch eröffnet, dass es sich um ein schwerwiegendes Delikt handle, da der Geschädigte M. durch die Schussverletzung lebensgefährlich verletzt worden sei. Er habe den Angeklagten auch gefragt, ob er bereits von seinen Kollegen im Vorfeld belehrt worden sei, was der Angeklagte bejaht habe. Er habe ihn daraufhin nochmals als Beschuldigten belehrt. Der Zeuge S. gab weiter an, dass er den Angeklagten inhaltlich darüber belehrt habe, dass er auch jederzeit einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen oder ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden könne, wenn er dies wolle. Er könne auch beantragen, dass über entlastende Umstände Beweis erhoben werde.
bb) Der Zeuge S. bekundete weiter, dass er keinen Zweifel an einer Vemehmungsfähigkeit des Angeklagten gehabt habe. Die Vernehmung habe zwar am Morgen des 26.09.2020 um 8:20 Uhr begonnen und bis 10:57 Uhr angedauert, der Angeklagte sei zwar müde gewesen, habe aber der Vernehmung immer folgen können und habe auch adäquat auf die gestellten Fragen geantwortet. Dass der Angeklagte unter dem Einfluss von Drogen gestanden habe, sei nicht bemerkbar gewesen. Erst gegen Ende der Vernehmung habe der Angeklagte geäußert, er sei übermüdet, woraufhin er ihm noch drei kurze abschließende Fragen gestellt habe.
Der Angeklagte habe dann das Vernehmungsprotokoll nochmals durchgelesen und darin mehrere handschriftliche Korrekturen und Ergänzungen angebracht. Auch hierbei habe er nicht den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte in seiner Wahrnehmung und Denkfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei.
Aus dem polizeilichen Protokoll der Beschuldigtenvemehmung ergibt sich, dass der Angeklagte die Niederschrift noch ausgebessert hat und hierbei Änderungen, Ergänzungen und auch Verbesserungen kleinerer Schreibfehler vornahm. Dies zeugt von erhaltener Aufmerksamkeit.
Der Angeklagte sei auch, so der Zeuge S. vor Beginn der Vernehmung schon von einem Arzt untersucht worden, dieser habe hierbei aber keine gesundheitlichen Einschränkungen festgestellt.
Die Vernehmungssituation sei jederzeit ruhig und entspannt gewesen, es habe kein Zeitdruck bestanden und der Angeklagte habe bei allen Fragen ausreichend Zeit gehabt, über seine Antworten nachzudenken.
cc) Zu der Frage einer etwaigen Übermüdung, weil der Angeklagte die gesamte Nacht über nicht geschlafen haben dürfte, erklärte der Sachverständige Dr. E. dass aufgrund des hohen MDMA Spiegels im Blut, welcher auf zuvor eingenommene Ecstasytabletten zurückgeführt werden könne, eine Übermüdung gerade nicht angenommen werden könne. Es stelle nämlich gerade die typische und von den Konsumenten gewünschte Wirkung von Ecstasytabletten dar, dass diese lange Zeit wach halten.
dd) Die Kammer hat zudem die Videoaufzeichnung über die Vernehmung des Angeklagten bei der Kriminalpolizeiinspektion Rosenheim vom 26.09.2020 auszugsweise in Augenschein genommen. Zu Beginn der Vernehmung ist zu erkennen, dass der Angeklagte ruhig auf dem Stuhl im Vemehmungszimmer sitzt. Es sind weder Ermüdungszeichen, noch Anzeichen für Drogenkonsum, wie Zittern oder Nervosität und dergleichen zu erkennen. Der Angeklagte kann ersichtlich aufmerksam den Worten des Vemehmungsbeamten S. folgen. Dieser erklärt dem Angeklagten, dass er trotzdem noch mal als Beschuldigter belehrt werde, damit es ordnungsgemäß sei. Es wird ihm der Tatverdacht, nämlich dass durch die Schussabgabe eine schwere Verletzung entstand, erläutert und der Angeklagte auf seine Aussagefreiheit hingewiesen ebenso, dass er einen Verteidiger befragen könne und dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers beantragt werden könne.
In Kenntnis seiner strafprozessualen Rechte hat der Angeklagten dann Angaben als Beschuldigter gemacht.
Sofern der Angeklagte auch seinen jetzigen Wahlverteidiger hätte anrufen wollen, so hätte er hierzu die Gelegenheit gehabt. Wenn sein jetziger Wahlverteidiger nicht erreichbar gewesen wäre, so hätte der Angeklagte auch jederzeit die Möglichkeit gehabt, einen Pflichtverteidiger oder einen anderen Anwalt anzurufen, worüber er auch belehrt wurde.
Entgegen der Auffassung des Verteidigers geht das Recht auf einen Verteidiger nicht so weit, dass mit einer Beschuldigtenvemehmung so lange zugewartet werden muss, bis ein bestimmter Wahlverteidiger erreicht werden kann. Dafür existiert bei jedem Amtsgericht ein Verteidigernotdienst. Der Angeklagte hat aber weder verlangt, seinen jetzigen Verteidiger anzurufen, noch irgendeinen anderen Verteidiger.
Diese Belehrung des Vemehmungsbeamten erfolgte ruhig und langsam und ließ dem Angeklagten ausreichend Zeit zum Überlegen. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Vernehmungsbeamte nach jeder Frage und Antwort des Angeklagten einen gewissen Zeitraum wartet, bis durch die ebenfalls im Vernehmungszimmer anwesende Schreibkraft die Angaben niedergeschrieben wurden.
Zu Beginn der Vernehmung ist zu hören, wie der Angeklagte sagt, er wollte Drogen kaufen.
Am Ende der Vernehmung ist ebenfalls zu erkennen, dass der Angeklagte noch ruhig auf seinem Stuhl sitzt, allerdings ist teilweise auch zu sehen, dass er gähnt und seinen Kopf mit den Armen auf dem Tisch abstützt. Auf die Frage des Vemehmungsbeamten geht es Ihnen noch gut, antwortet er mit „Ja Ja“. Der Angeklagte äußerte zudem, dass in zwei Wochen seine Therapie anfange. Die Antworten des Angeklagten sind weiterhin ruhig und verständlich, inhaltlich logisch und nachvollziehbar. Etwa 20 Minuten vor Ende der Vernehmung verlangt der Angeklagte auch ein Glas Wasser, das ihm gereicht wird.
Etwa 30 Minuten vor dem Ende der Vernehmung fragt der Angeklagte nach, wie es dem anderen gehe und bittet darum, dass ihm mitgeteilt wird, wenn aus dem Krankenhaus Informationen dazu eingehen.
Anhaltspunkte für verbotene Vemehmungsmethoden i.S.v. § 136 a StPO sind nicht ersichtlich. Eine schwere Übermüdung oder Drogenbeeinflussung des Angeklagten ist nicht gegeben. Auch die Dauer der Vernehmung von 08.22 Uhr bis 10.57 Uhr lässt nicht befürchten, dass der Beschuldigte hier einem unzulässigen psychischen Stress ausgesetzt worden wäre.
b) Aufgrund der Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte bei seiner Beschuldigtenvemehmung sowohl ordnungsgemäß belehrt wurde, als auch dass er von seinem psychischen Zustand her in der Lage war, die Vernehmung durchzuführen und Fragen zu verstehen und zu antworten.
Die Angaben, die der Angeklagte in der Beschuldigtenvemehmung machte, können daher berücksichtigt und verwertet werden.
c) Zum Inhalt der Beschuldigtenvernehmung gab der Zeuge S. an, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt angegeben habe, dass sein Mobiltelefon als Pfand gedacht gewesen sei. Er habe von Viola W. Ecstasytabletten und Marihuana kaufen wollen, er habe mit ihr einen Preis von ca. 260 € ausgemacht, was ihm allerdings sehr hoch vorgekommen sei. Zu dem Treffen habe er kein Geld mitgenommen, weil er irgendwie gedacht habe, dass die anderen ihn „abziehen“ wollten, er habe dann vorgehabt, das Geld bei der Bank abzuheben, wenn die anderen wirklich etwas dabei hätten.
Er sei dann mit der Zeugin W. zu dem Blumenkübel gegangen und habe so getan, als würde er dort das Geld holen, er habe die 260 € aber nicht bezahlen können.
Auf die Frage, wie sein Mobiltelefon abhandengekommen sei, habe der Angeklagte angegeben, dass er dies die ganze Zeit in der Hand links gehalten habe und er glaube, dass ihm irgendwer im Gerangel das Mobiltelefon aus der Hand gezogen habe.
Er habe auch nie davon gesprochen, geglaubt zu haben, dass er ausgeraubt werde, er habe nur angegeben, er habe befürchtet, er könnte „abgezogen“ oder „abgezockt“ werden, was soviel bedeutet, wie dass ihm Scheindrogen übergeben würden oder aber das Geld ohne Drogen abgenommen würde.
Zum Tatablauf habe er angegeben, dass er geglaubt habe, bei der Waffe, die er mitgeführt habe, habe sich um eine Schreckschusspistole gehandelt. Diese besitze er erst seit einem Tag. Die anderen hätten angefangen, ihn zu schubsen. Dabei habe er die Pistole gezogen und es sei ein Schuss gefallen.
Auf Frage, woher die Waffe stamme, habe der Angeklagte geantwortet, die habe er vor einem Tag gefunden. Nachdem er sich dann vereinbarungsgemäß mit der W. am Bahnhof getroffen habe, seien auch zwei Typen mit dabei gewesen. Die W. meinte, das eine sei ihr Freund. Der eine habe dann angefangen ihn zu schubsen, er habe sich dann gewundert und die Waffe gezogen, er sei in eine Ecke gedrängt worden und an einer Mauer gestanden. Er habe Angst gehabt, dass sie ihn zusammenschlagen würden. Er habe befürchtet, er solle „abgezogen“ werden. Er habe dann die Waffe gezogen und erst mal auf den Boden gehalten und geladen. Dann sei der erste auf ihn losgegangen. Dabei sei dann ein Schuss gefallen. Er sei dann umgestoßen worden, wobei die Waffe zu Boden fiel und sich dann noch mal ein Schuss gelöst habe. Er habe dann fliehen können.
d) Die Angaben zum Tathergang, die der Angeklagte gegenüber dem Sachverständigen Dr. … machte, worüber dieser als Zeuge berichtete, sind unter Ziffer XIII. 1. aufgeführt. Darin wird eine Pfandübergabe des Handys gleichfalls nicht erwähnt.
3. Die Kammer zieht aufgrund der Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung, welche unmittelbar nach dem Vorfall stattfand, den Schluss, dass der Angeklagte der Zeugin W. nicht sein Handy als Pfand überließ oder dass die anderen sein Mobiltelefon wegnahmen, um ihn zu berauben. Sollte dies der tatsächliche Grund für die Auseinandersetzung und die in der Folge abgegebenen Schüsse gewesen sein, so ist die Kammer der Überzeugung, dass dies der Angeklagte auch schon in seiner Beschuldigtenvernehmung erwähnt hätte, da dies die Schussabgabe ohne weiteres erklären würde und ihn das zudem auch entlasten würde.
Der Angeklagte machte in seiner Beschuldigtenvemehmung gegenüber der Polizei auch andere Angaben, als jetzt in der Hauptverhandlung, was die Herkunft der Waffe betrifft.
Die Kammer hält daher die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung für insgesamt nicht glaubhaft. Sie sind zudem nicht lebensnah.
Gegen die Richtigkeit der Annahme, der Angeklagte habe das Mobiltelefon als Pfand übergeben bzw. sei ihm sein Telefon weggenommen worden, spricht entscheidend auch der Umstand, dass die Zeugin W. das Mobiltelefon des Angeklagten bei Eintreffen der Polizei dieser aushändigte. Hätte sie das Telefon mit ihrem Einverständnis als Pfand erhalten für die nicht bezahlten Betäubungsmittel oder wäre es dem Angeklagten gewaltsam weggenommen worden (Berauben oder Abziehen), so wäre nicht zu erwarten, dass die Zeugin dieses Telefon freiwillig und ungefragt der Polizei aushändigt und damit auf ihre Gegenleistung bzw. Tatbeute verzichtet.
Gegen die Übergabe des Mobiltelefons als Pfand spricht nach Auffassung der Kammer auch der Umstand, dass ein Mobiltelefon ein sehr wichtiger Gebrauchsgegenstand ist, mit dem heutzutage sämtliche Sozialkontakte und Geschäfte des täglichen Bedarfs abgewickelt werden. Der Angeklagte gab selbst an, er habe die Zeit bis zum Antritt seiner Therapie noch damit verbringen wollen, möglichst viel Drogen zu konsumieren. Wie auch im vorliegenden Fall erkennbar wird, benutzte der Angeklagte sein Mobiltelefon, um hier seine Kontakte mit potentiellen Drogenlieferanten zu nutzen, um entsprechende Geschäfte anzubahnen und zu vereinbaren. Von daher wäre es für ihn völlig widersinnig, sein Mobiltelefon als Pfand aus der Hand zu geben, da es ihm damit in den nächsten Tagen nicht mehr möglich gewesen wäre, ohne weiteres an Betäubungsmittel zu kommen, was aber seine Intention war.
Durch die Mitnahme der Schusswaffe stand ihm auch eine andere geeignete Möglichkeit zur Verfügung, die Betäubungsmittel ohne Bezahlung von Geld zu erlangen.
Wenn er mit der Zeugin W. im Vorfeld vereinbart gehabt hätte, dass diese sein Handy als Pfand erhalten soll, so hätte für ihn keine Notwendigkeit bestanden, die Schusswaffe mitzunehmen, zumal da er die Zeugin von früher kannte und er nicht befürchten musste, dass diese ihn überfällt.
Der Angeklagte hat weder in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung, noch gegenüber dem Sachverständigen behauptet, es sei vereinbart worden, das Handy als Pfand zu übergeben. Auch von den Zeugen hat dies keiner ausgesagt.
Die Kammer hält dies deshalb für eine Schutzbehauptung, die nur den Zweck hat, den Schusswaffengebrauch in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.
IV. Aussage des Geschädigten M.
Der Geschädigte M. M. gab als Zeuge vor Gericht an, dass er zusammen mit seiner Freundin V. W. nach G. gefahren sei, wo seine Freundin den Angeklagten getroffen habe, den er bis dato nicht gekannt habe. Nachdem sie das Auto verlassen hätten, seien sie dann zum Treffpunkt gegangen. Seine Freundin und der Angeklagte seien zunächst in die Unterführung gegangen und er habe zunächst eine Zigarette geraucht. Als die beiden zurückgekommen seien, habe seine Freundin zu dem Angeklagten gesagt, gib mir das Geld, dabei habe sie in dessen rechte Jackentasche gegriffen. Der Angeklagte sei daraufhin nach hinten zurückgewichen und habe eine Waffe gezogen und diese durchgeladen. Dann habe er damit leicht nach unten in ihre Richtung gezielt. Da er der Meinung gewesen sei, es handelte sich um eine Schreckschusswaffe, sei er auf den Angeklagten zugegangen und habe ihn gegen den Zigarettenautomaten gedrückt und versucht, ihn zu entwaffnen. Dabei sei dann der Schuss gefallen. Der Angeklagte habe dabei gesagt: „Entschuldigung, sie kriegt schon ihr Geld“.
Als er die Waffe gesehen habe, habe es bei ihm „Klick“ gemacht und Viola W… habe gesagt, „bist du verrückt“. Er sei dann gleich zu dem Angeklagten hingegangen und habe ihm versucht, die Waffe aus der Hand zu nehmen. Er habe versucht, seine Schusshand zu fixieren. Dabei habe der Angeklagte aber die Hand nach innen eingedreht und geschossen. Kurze Zeit darauf, etwa drei Sekunden später, sei dann ein zweiter Schuss gefallen. Er habe den Arm des Angeklagten fixieren und ihm die Waffe aus der Hand entwinden wollen. Der zweite Schuss sei lauter gewesen, deswegen schließe er daraus, dass dies weiter oben, näher seinem Kopf, gewesen sein müsse. Er sei sich sicher, dass er nicht an den Finger oder den Abzug der Waffe gefasst habe, da er darauf geachtet habe, die Waffe nicht anzufassen. Er habe nur die Hand bzw. das Handgelenk des Angeklagten gepackt. Nachdem sie dann zu Boden gefallen seien, habe der Jäger die Waffe weggekickt und dem Angeklagten einen Schuh ausgezogen, der Angeklagte sei daraufhin weggerannt.
Der Zeuge akzeptierte auch die Entschuldigung durch den Angeklagten, was zeigt, dass er keinen übermäßig starken Groll gegen den Angeklagten hegt. Die Kammer hat vielmehr den Eindruck, dass der Zeuge, der sich derzeit auf einer Therapie aufgrund seiner eigenen Drogensucht befindet, ein gewisses Verständnis für die Situation des Angeklagten aufbringt.
Zu den Folgen der Verletzungen gab der Zeuge M. an, er habe sich 11 Tage im Krankenhaus befunden, wovon er 2 Tage im Koma und 3 Tage auf Intensivstation gelegen sei. Er habe starke Schmerzen gehabt und einen Bauchdurchschuss erlitten. Dabei sei sein Dünndarm zerfetzt worden. Er habe jetzt noch eine große Narbe am Bauchbereich und sei in sportlichen Tätigkeiten eingeschränkt, wenn Bauchmuskeln benötigt werden, ab und zu habe er noch Schlafstörungen, sonst jedoch keine psychischen oder physischen Probleme mehr. Er befinde sich derzeit in einer Suchttherapie und im Rahmen dieser Therapie würden auch die Folgen dieser Verletzungen behandelt werden.
Aufgrund der Aussage des Zeugen M. in Verbindung mit den Feststellungen des Waffensachverständigen Z. der bekundete, dass sich die Waffe, etwa 10 cm von der Kleidung entfernt befand, als der Bauchdurchschuss verursacht wurde, schließt die Kammer, dass der Manuel M. bereits beim ersten Schuss die Verletzung davontrug. Dies deckt sich mit seiner Beschreibung, dass der Angeklagte die Waffe zunächst leicht nach unten hielt und er ihm die Waffe entwinden wollte, indem er den Arm des Angeklagten nach seitlich oben wegdrücken wollte. Dabei habe der Angeklagte aber seine Hand eingedreht und gleich das erste Mal geschossen, sodass es zu dem Bauchdurchschuss kam, der von oberhalb des Bauchnabels bis zum Beckenkamm im Rückenbereich reichte.
V.
Aus dem Umstand, dass zwei Schüsse abgegeben wurden, ist die Kammer der Überzeugung, dass es sich hier um bewusst abgegebene Schüsse durch den Angeklagten handelt. Zwar gab der Waffensachverständige Z… an, dass sich ein Schuss auch bei einem Kampfgeschehen um eine Waffe lösen kann, wenn durch eine Verkrampfung oder Verdrehung des Armes der Abzug betätigt wird. Allerdings gab der Sachverständige auch an, dass der Abzug mit einem Gewicht von 2 kg betätigt werden muss, um auszulösen. Dies sei ein üblicher Wert, der nicht nur ganz leicht ist, wie etwa bei Sportwaffen, aber nicht so schwer, wie bei Polizeiwaffen.
Aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte aber unmittelbar nach dem ersten Schuss auch noch einen zweiten Schuss abgab, folgert die Kammer, dass es sich hierbei um bewusst gesetzte Schüsse handelt und nicht nur etwa um zufällig und ungewollt abgegebene Schüsse. Wenn der erste Schuss sich unabsichtlich gelöst haben sollte, so wäre zu erwarten, dass hier der Angeklagte darüber erschrickt und dann entweder die Waffe loslässt oder den Finger vom Abzug nimmt. Da aber kurz darauf ein zweiter Schuss fiel, geht die Kammer davon aus, dass hier der Angeklagte bewusst zwei Schüsse absetzte, um dadurch den Angriff durch den M. von sich abzuwehren.
Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen M. Dieser schilderte ruhig und sachlich über seine Erlebnisse und ließ keine Belastungstendenzen zulasten des Angeklagten erkennen. Der Zeuge und der Angeklagte kannten sich bis dato auch nicht, sodass auch keine Animositäten aus früheren Zeiten zu befürchten sind.
VI. Angaben der Zeugen W. und J.
Die Zeugen V. W. und Ma. J. haben in der Hauptverhandlung gemäß § 55 StPO von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Dieses Aussageverweigerungsrecht besteht, da die beiden Zeugen im Verdacht stehen, an dem Betäubungsmittelgeschäft beteiligt gewesen zu sein bzw. hierzu Beihilfe geleistet zu haben (betreffend den Zeugen J…). Das Aussageverweigerungsrecht der beiden Zeugen ist auch umfassend, da auch bereits Angaben über die Anwesenheit am Tatort Rückschlüsse auf ihre Beteiligung zulassen würden.
Die Kammer hat deshalb die Vemehmungspersonen zum Inhalt der polizeilichen Aussagen der Zeugen W. und J. vernommen.
1. Der Zeuge Kriminalhauptkommissar D… berichtete über die Angaben der Zeugin W. in ihrer Zeugenvernehmung vom 26.09.2020.
Zunächst habe die Zeugin, so der Zeuge D., keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht und angegeben, sie seien am Bahnhof in G. gestanden und hätten dort gewartet, als plötzlich der Angeklagte erschienen sei. Nach einem kurzen Wortwechsel habe dieser plötzlich geschrien, dass sie ihm ihre Geldbeutel und Uhren und sonstigen Sachen geben sollten und habe dabei auch die Waffe gezeigt. Auf weitere Vorhalte und der Ermahnung die Wahrheit zu sagen, habe die Zeugin W. dann geäußert, dass sie dem Angeklagten Drogen bringen sollte. Daraufhin sei die Zeugin dahingehend belehrt worden, dass sie als Beschuldigte wegen eines Verstoßes nach dem Betäubungsmittelgesetz in Betracht komme und sie deswegen keinerlei Angaben zu diesem Verstoß machen müsse und es ihr freistehe, jederzeit einen Anwalt zu konsultieren.
Daraufhin habe die Zeugin angegeben, sie hätte anfangs deswegen nicht die Wahrheit gesagt, weil sie ihre beiden Begleiter, den Ma1.l M. und den Ma. J. nicht habe mit den Drogengeschäften belasten wollen.
Es sei aber so gewesen, dass der Angeklagte sie angeschrieben habe, ob sie ihm weiterhelfen könne, wobei klar gewesen sei, dass es um Drogen ging. Das Drogengeschäft selbst habe sie mit ihm über eine App namens „Wickr“ vereinbart, welche Nachrichten automatisch lösche. Sie habe Ecstasy und Gras gehabt, sodass sie vereinbart hätten, sich am Bahnhof in G. zu treffen. Man habe sich auf einen Preis von 260 € geeinigt, dieser Preis sei deswegen so hoch gewesen, weil sie deswegen extra nach G. fahren musste. Sowohl der Ma1. M. als auch der Ma. J. hätten gewusst, dass sie mit dem Angeklagten ein Drogengeschäft abwickeln wollte. Nachdem sie den Angeklagten dann am vereinbarten Treffpunkt getroffen habe, habe sie ihm die bestellten Drogen in einer kleinen Tüte übergeben und er habe bereits die Ecstasytabletten und das Gras in der Hand gehabt, aber noch kein Geld bezahlt.
Nachdem der Angeklagte das Tütchen mit den Drogen bereits in der Hand gehalten habe, habe Manuel von hinten gerufen und gefragt, ob sie das Geld schon bekommen hätte. Da dies aber nicht der Fall gewesen sei, habe sie die Tüte dem Angeklagten wieder aus der Hand und an sich genommen. Der Angeklagte habe dann gesagt, dass er das Geld nicht dabei habe, weil er sich nicht sicher gewesen sei, ob er ihr und ihrem Freund vertrauen könne. Der Johannes habe dann gesagt, er wolle Geld holen. Er habe gesagt er wohne in der Bahnhof straße und er werde das Geld von zu Hause holen. Sie sei dann mit ihm durch die Unterführung gegangen und vor einem Haus, welches genau gegenüber der Unterführung liege, habe der Angeklagte aus einem Blumentopf etwas herausgeholt und eingesteckt. Sie habe sich gedacht, dass er jetzt das Geld herausgeholt habe, im Nachhinein sei sie aber der Meinung, dass er hier die Waffe herausgeholt hätte. Sie seien dann wieder durch die Unterführung zurückgegangen, Manuel und Ma. hätten auf der anderen Seite beim Zigarettenautomaten gewartet. Die Drogentüte habe sie zuvor dem Manuel zur Aufbewahrung gegeben, während sie mit dem Angeklagten zum Geld holen ging. Nachdem sie zurückgekommen waren habe der Manuel ihr die Tüte wiedergegeben und sie habe die Tüte an den Angeklagten weitergereicht. Dann sei alles ganz schnell gegangen. Gleich nachdem sie dem Johannes die Tüte gegeben hatte, habe dieser auch schon die Pistole gezogen. Er habe die Waffe im gleichen Moment gezogen, wie er auch die Tüte genommen habe. Er habe die Waffe vor sich gehalten aber nicht unmittelbar auf sie gezielt, sondern leicht nach unten. Darauf habe sich dann der Manuel M. gleich auf den Angeklagten gestürzt und versucht, diesem die Waffe zu entwinden. In dem Gerangel habe sich dann ein Schuss gelöst und beide seien zu Boden gestürzt. Sie selbst habe dann auch in das Kampfgeschehen eingegriffen, dabei sei dann noch mal ein Schuss gefallen. Als der Angeklagte auf sie mit der Waffe gezielt habe, habe er nichts gesagt. Der Manuel M. sei dann mit dem Rücken auf dem Boden und der Angeklagte auf ihm drauf gelegen. Sie sei der Meinung gewesen, dass der zweite Schuss den Manuel getroffen hätte. Durch das Gerangel sei dem Angeklagten die Waffe irgendwie aus der Hand geschlagen oder geschubst worden. Die Waffe sei dann jedenfalls am Boden entlang in Richtung des Zeugen J. geschlittert. Dieser habe sie dann aufgehoben. Sie glaube, dass dies ein Reflex von Ma. J. gewesen sei. Der Zeuge J. habe die Waffe dann auf den Tisch am Bahnhof gelegt. Währenddessen sei der Angeklagte mit der Tüte davon gerannt und sie habe noch versucht, ihm nachzulaufen, habe ihn aber nicht erreichen können.
Die Zeugin habe – so der Zeuge D. – auch betont, dass sie niemals früher Streit mit dem Angeklagten gehabt hätte, sie hätten sich auch nie gegenseitig Geld geschuldet. Sie seien auch nie wirklich eng befreundet gewesen, es sei schon einige Jahre her, da sie sich gelegentlich getroffen und sich auch gegenseitig mit Drogen versorgt hätten.
Sie habe sich schon gedacht, dass der Angeklagte richtig „auf Drogen“ sei, da er den hohen Preis in Höhe von 260 € akzeptiert habe. Er habe irgendwie davon gesprochen, dass er nicht mehr viele Wochenenden habe und sich noch einmal richtig was gönnen wolle.
Bevor der Angeklagte die Flucht ergreifen konnte, habe ihm sie noch sein Handy abgenommen. Davon, dass das Handy als Pfand für die Drogen vereinbart worden sei, habe die Zeugin W. in ihrer polizeilichen Vernehmung nie etwas erwähnt.
Der Zeuge KHK D. gab an, dass die Zeugin W. ihre anfänglichen falschen Angaben plausibel und nachvollziehbar damit erklärt habe, dass sie ihre Begleiter nicht mit den Drogengeschäften belasten wollte, sie habe aber danach ausführlich und zusammenhängend von den Vorfällen berichtet.
2. Der Zeuge Kriminalkommissar H., der den Zeugen Ma. J. einvernahm, wurde über dessen Angaben gegenüber der Polizei einvernommen.
Der Zeuge H. gab an, dass der Ma. J. nicht sehr auskunftsfreudig gewesen sei. Zu dem Thema, wann die Schüsse genau gefallen seien, habe er keine konkreten Angaben machen können, er habe immer nur davon gesprochen, dass diese „während des Gerangels“ gefallen seien.
Er habe mit dem Manuel bei dem Zigarettenautomaten gewartet, bis die W… und der Angeklagte aus der Unterführung zurückgekommen seien. Der Angeklagte habe dann die Waffe gezogen und gesagt, gebt mir eure Sachen.
Davon, dass der Angeklagte sein Handy als Pfand zur Verfügung stellen wollte, habe der Zeuge J. nichts berichtet.
Der Zeuge H. gab weiter an, dass der Zeuge J. bei der Vernehmung leicht alkoholisiert gewesen sei, sonst aber augenscheinlich vernehmungsfähig. Er habe auch die Belehrung dahingehend verstanden, dass er die Aussage verweigern könne, wenn er sich durch die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen selbst oder einen Angehörigen belasten würde. Der Zeuge J. habe angegeben, es sei ihm nicht bekannt gewesen, weshalb man sich am Bahnhof mit dem Angeklagten getroffen habe. Er sei einfach so mitgefahren. Nach der Ankunft sei er erst mal zum „Pinkeln“ und danach habe er zusammen mit M. bei dem Zigarettenautomaten gewartet, dort wo die Fahrräder seien. Irgendwann sei dann die W. zusammen mit dem Angeklagten aus der Unterführung hochgekommen. Dann sei es auch gleich losgegangen, der Angeklagte habe ihre Sachen gefordert und der Manuel sei direkt auf ihn losgegangen und habe versucht, ihm die Waffe wegzuschlagen. Die Viola sei auch mit drauf gegangen und er habe gehört, wie zweimal geschossen worden sei. Dann sei der Angeklagte weggerannt und er habe ihm zuvor noch einen Schuh abgenommen, damit er nicht wegrennen könne. Die Viola sei ihm noch kurz hinterhergerannt.
Er habe aus den Augenwinkeln gesehen, wie der Angeklagte aus seiner Beuteltasche eine Pistole rausgenommen habe, daraufhin habe er schon gesagt Geldbeutel raus oder so etwas ähnliches, auf jeden Fall habe er sie bedroht und der Manuel wollte ihm dann sofort die Waffe aus der Hand schlagen. Auf Frage, ob der Zeuge J. gewusst habe, dass es um ein Betäubungsmittelgeschäft gehe, habe dieser angegeben, das sei ihm nicht klar gewesen. Er habe allerdings zumeist seine Kopfhörer im Ohr gehabt und deswegen nicht gehört, was die anderen gesprochen hätten. Nach dem zweiten Schuss sei die Pistole irgendwie zu Boden gefallen und er habe dann schnell reagiert und die Waffe an sich genommen. Diese habe er dann danach auf den Tisch bei dem Bahnhof abgelegt.
3. Bei der Würdigung der Angaben der Zeugen W. und J. hat die Kammer berücksichtigt, dass sich das Gericht keinen persönlichen Eindruck über die Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugen machen konnte. Bei dem Inhalt der von den Zeugen D. und H. angegebenen Aussagen der Zeugen W. und J. handelt es sich lediglich um Zeugen vom Hörensagen.
Die Kammer ist aber davon überzeugt, dass die von den Polizeibeamten geschilderten Angaben der Zeugen richtig sind.
Die von den Zeugen geschilderten Aussagen, bei denen es sich um die unmittelbaren Tatzeugen handelt, stehen im Einklang mit den Angaben des Angeklagten selbst, insbesondere wie er sie auch gegenüber dem Sachverständigen Dr. E. gemacht hat und mit der Aussage des Geschädigten M. M., sowie den erhobenen objektiven Befunden.
Irgendwelche Detailfragen oder spezielle Angaben, die nur von den Tatzeugen W. und J. gemacht wurden, haben die Polizeibeamten als Vernehmungsbeamten nicht geschildert und wurden von der Kammer insoweit auch nicht bei ihrer Beweiswürdigung zugrunde gelegt.
Der Umstand, dass der Angeklagte von der Zeugin W. Drogen kaufen wollte und sich zu diesem Zweck mit ihr am Bahnhof G. traf, ergibt sich schon aus den Angaben des Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen Dr. E. selbst.
Dass die Zeugin W… sodann zunächst mit dem Angeklagten durch die Unterführung ging steht auch zur Überzeugung der Kammer deswegen fest, weil dies auch der Zeuge M. bestätigte. Der Umstand dass die Tüte mit den Drogen nicht von der Zeugin W. mitgenommen wurde, sondern bei dem Manuel M… verblieb, ergibt sich für die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte ansonsten die Zeugin W… während des Weges in der Unterführung oder auf der anderen Bahnhofsseite ohne weiteres hätte mit der von ihm mitgeführten oder möglicherweise erst aus dem Blumenkübel entnommenen Schusswaffe hätte bedrohen und so die Betäubungsmittel an sich bringen können. Dies wäre für ihn wesentlich gefahrloser und einfacher möglich gewesen, da die Zeugin zu diesem Zeitpunkt mit dem Angeklagten alleine war. Weil der Angeklagte wusste, dass die Betäubungsmittel bei Manuel M. verblieben waren, musste er mit der Zeugin W. wieder zurückgehen, um an die Drogen zu gelangen. Dabei machte er es sich zunutze, dass die Zeugin jetzt glaubte, er habe sich das Geld, wie er zuvor behauptet hatte, geholt. Deswegen übergab sie ihm dann, nachdem sie wieder auf der anderen Seite der Unterführung angekommen waren, das Tütchen mit den Ecstasytabletten und dem Marihuana. Daraufhin zog der Angeklagte sofort die mitgeführte Schusswaffe, um sich im Besitz der Betäubungsmittel zu halten und die Zeugin W. und ihre Begleiter von der Geltendmachung des Zahlungsanspruches oder der Rücknahme der Betäubungsmittel abzuhalten. Dem Angeklagten war von Anfang an klar, dass er nicht über ausreichend Geld verfügte, um die vereinbarten 260 € zu bezahlen. Dies wird vom Angeklagten auch selbst so eingeräumt. Der Angeklagte ließ sich mutmaßlich auch nur deswegen auf den hohen Preis ein, weil er ohnehin nicht vorhatte, diesen zu bezahlen. Ferner ging es im in erster Linie darum, noch weitere Drogen zu bekommen. Deswegen nahm er auch die Waffe mit zum vereinbarten Treffpunkt, um damit die Drogen, welche er unbedingt noch haben wollte, sich ohne Bezahlung zu verschaffen.
Dass dann in dem darauf folgenden Gerangel zwei Schüsse fielen wird auch vom Geschädigten M. bestätigt und auch eine Zeugin, die in der Nähe wohnt und die Schüsse hörte, gab an, dass sie zwei Schüsse gehört habe, worüber der polizeiliche Sachbearbeiter Schellmoser berichtete.
Zudem wurden am unmittelbaren Tatort auch zwei leere Patronenhülsen aufgefunden.
Diese passen ohne weiteres zu der Schusswaffe des Angeklagten, wie der Sachverständige Z. ausführte.
Von dem Umstand, dass der Angeklagte sein Mobiltelefon als Pfand anstelle der Bezahlung der Drogen zur Verfügung stellen wollte, ist die Kammer zum einen deswegen nicht überzeugt, abgesehen davon dass die Zeugin W. darin hätte einwilligen müssen, dass dies weder vom Angeklagten, noch von der Zeugin W. oder dem Zeugen J. oder einer anderen Person bislang behauptet bzw. gesagt wurde. Dagegen spricht schon der Umstand, dass es lebensfern erscheint, dass der Angeklagte sein Handy als Pfand zur Verfügung stellt, mit dem er mutmaßlich auch in den kommenden Tagen noch Drogengeschäfte hätte vereinbaren wollen, auf welche andere Möglichkeit er dies hätte tun wollen, erschließt sich dem Gericht nicht.
Zudem hat die Zeugin W. das Mobiltelefon freiwillig der Polizei ausgehändigt ohne darauf hinzuweisen, dass das Handy ihr gehöre, da sie es als Pfand besitze. Wäre eine Vereinbarung des Angeklagten mit der Zeugin W. dahingehend erfolgt, dass die Zeugin W. sein Mobiltelefon als Pfand behalten dürfte, so wäre nicht zu erwarten gewesen, dass die Zeugin dies der Polizei freiwillig aushändigt. Vielmehr musste die Zeugin davon ausgehen, dass der Angeklagte festgenommen wird oder untertaucht und sie daher in absehbarer Zeit ohnehin nicht ihr Geld erhalten wird.
Das Gleiche gilt für den Fall, dass das Handy die Beute eines Raubes oder ähnlichem gewesen wäre. Auch in diesem Fall wäre keine freiwillige Herausgabe des Mobiltelefons an die Polizei erfolgt.
VII. Waffengutachten:
Der Sachverständige Z. vom Bayerischen Landeskriminalamt erläuterte dem Gericht, dass es sich bei der fraglichen Schusswaffe ursprünglich um eine Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffe handelte mit Kaliber 9 mm, welche allerdings kein PTB Prüfzeichen aufweise, was darauf hindeute, dass diese Waffe nicht aus dem Geltungsbereich des deutschen Waffengesetzes stamme. Der Lauf der Waffe sei allerdings so verändert worden, dass damit Patronenmunition im Kaliber 7,65 mm Browning verschossen werden könne. Die Waffe funktioniere damit als halbautomatische Schusswaffe einwandfrei, wie Schussversuche ergeben hätten. Die Waffe unterfalle in diesem Zustand der Erlaubnispflicht nach dem Waffengesetz.
Aufgrund der Schmauchspuren an dem von dem Zeugen M. getragenen Kapuzenpulli könne festgestellt werden, dass der Schuss aus einer Entfernung von etwa höchstens 10 cm abgegeben worden sei. Bei einer größeren Entfernung wären keine Schmauchspuren an dem Bekleidungsstück mehr feststellbar gewesen.
Die Beschädigungen an dem Kleidungsstück deckten sich auch mit den Schussverletzungen des Geschädigten M.
Der Abzugswiderstand bei der Waffe betrage 2 kg, was einen üblichen Widerstand bei derartigen Waffen darstelle. Der Abzugsweg betrage 3,5 mm. Zur Frage einer versehentlichen Schussabgabe könne gesagt werden, dass es bei einer Rangelei oder einer Verkrampfung der Hände durchaus zu einer versehentlichen Schussabgabe kommen könne, ebenso bei dem Versuch die Waffe zu entwenden.
Die Kammer zieht aber hieraus nicht den Schluss, dass eine versehentliche Schussabgabe vorliegt bzw. eine solche nicht ausgeschlossen werden kann. Denn die zweimalige Abgabe eines Schusses spricht für ein bewusstes und gewolltes Verhalten des Angeklagten.
Zudem ist der Abzugswiderstand nicht so gering, dass eine zweifache versehentliche Betätigung ohne weiteres anzunehmen wäre.
Der Angeklagte wollte sich unbedingt im Besitz der übergebenen Betäubungsmittel halten. Deswegen hat er versucht, den Angriff des Geschädigten M. durch die Abgabe der Schüsse abzuwehren.
VIII. Aussagen der Erstzugriffsbeamten:
1. Der Zeuge PHM S., der als erster Streifenbeamter vor Ort war, bekundete, dass bei seinem Eintreffen Frau W. und Herr J. rechts neben dem Abgang zur Unterführung gestanden hätten, eine Passantin habe ihm die Lage des Geschädigten gezeigt, der auf einer Bank vor dem Bahnhofsgebäude gelegen habe. Auf dem dort befindlichen Tisch sei die Waffe und eine Patrone gelegen. Die Zeugin W… habe ihm das Mobiltelefon des Angeklagten übergeben.
2. Die Zeugin PM’in W., welche bei der unmittelbaren Festnahme des Angeklagten mitwirkte, gab an, dass sie mit Frau W. gesprochen habe, diese habe gesagt, den Täter zu kennen und habe auf ihrem Handy das Facebookprofil des Angeklagten gezeigt. Von daher habe sie einen Eindruck vom Aussehen des Angeklagten gehabt. Frau W… habe ihr gegenüber angegeben, es habe eine Rangelei zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten gegeben. In dieser Rangelei sei dem Angeklagten sein Mobiltelefon aus der Tasche gefallen. Sie habe dieses dann an sich genommen. Die Zeugin W. habe das Mobiltelefon des Angeklagten an ihren Kollegen St. übergeben. Im Rahmen dieser Rangelei seien dann auch Schüsse gefallen. Den genauen Tathergang habe sie aber nicht erfragt, da es zunächst um die Fahndung nach dem mutmaßlichen Täter gegangen sei. Es habe dann eine Nahbereichsfahndung stattgefunden und gegen 4:45 Uhr sei der Angeklagte auf einer Straße gehend in der Nähe seiner Wohnung angetroffen worden. Er sei festgenommen worden, es sei festgestellt worden, dass der rechte Schuh fehle. Bei der Durchsuchung des Angeklagten seien 5 Ecstasytabletten und 5 g Marihuana aufgefunden worden.
Auf den Einwand des Angeklagten in der Hauptverhandlung, dass er nicht geflüchtet sei, sondern nur schneller gegangen und sich dann aber widerstandslos habe festnahmen lassen, gab die Zeugin an, dass dies zutreffend sei. Der Angeklagte habe bei der Festnahme keinen Widerstand geleistet, er sei durchnässt gewesen, da es geregnet habe.
IX. Rechtsmedizinische Beurteilung:
Der Sachverständige Dr. A. vom Institut für Rechtsmedizin, der die medizinischen Unterlagen über die Krankenhausbehandlung des Geschädigten und den Operationsbericht auswertete, erläuterte, dass durch den Bauchschuss mehrere (12) Perforationen des Darms erfolgt seien. Wäre die Bauchschlagader verletzt worden, wäre es unmittelbar zum Tod gekommen. Ohne eine sofortige Operation wäre der Geschädigte verstorben, schon wegen der Gefahr einer aufgrund der Darmverletzungen bedingten Bauchfellentzündung.
Aufgrund des Schusskanals sei es durchaus vereinbar, wenn die Schussverletzung im Rahmen einer gegenseitigen Rangelei entstanden sei.
X. Weitere Begleiter der Zeugin W.
Die Zeugin C. P., die ihren Freund Mo1. W., der das Fahrzeug von M. nach G. fuhr, begleitete, konnte keine sachdienlichen Angaben zum Tathergang machen, da sie zusammen mit ihrem Freund in dem Fahrzeug in einiger Entfernung zum Bahnhof wartete. Sie konnte nur angeben, dass sie irgendwann einen Knall gehört habe und der Ma. J. zurückgekommen sei und gesagt habe, der Mann sei angeschossen worden. Da sie eine Ausbildung zur Krankenschwester mache, habe sie dem Verletzten erste Hilfe geleistet. Der Zeitraum zwischen dem Verlassen des Fahrzeugs durch die anderen Drei bis zum Knallgeräusch würde sie auf 10 Minuten einschätzen. Was genau passiert sei, habe ihr keiner erzählt.
XI. Ergebnis der verlesenen Gutachten:
1. Betreffend den Angeklagten:
Die Untersuchung der Haarprobe des Angeklagten auf Drogen und Medikamente erbrachte laut dem Gutachten des forensisch toxikologischen Zentrums München vom 23.11.2020 die Aufnahme von Amphetamin im überdurchschnittlichen Bereich und THC im niedrigeren Bereich. Dies deckt sich mit der Einlassung des Angeklagten, wonach er in den letzten Monaten häufig Amphetamin und Ecstasy zu sich genommen habe, aber auch Kokain. Kokain fand sich im unterdurchschnittlichen Bereich. Dies entspricht einer gelegentlichen Aufnahme.
Die Verlesung des ärztlichen Berichtes vom 26.09.2020 um 6:50 Uhr anlässlich der Blutprobe beim Angeklagten ergab eine sichere Finger-Nasen-Prüfung, eine deutliche Sprache, klares Bewusstsein und geordneten Denkablauf. Das Verhalten sei beherrscht und die Stimmung unauffällig gewesen. Der äußerliche Anschein des Einflusses von Drogen sei nicht bemerkbar gewesen. Dieses Ergebnis bestärkt auch die Annahme, dass der Angeklagte bei seiner anschließenden polizeilichen Beschuldigtenvernehmung nicht unter dem nennenswerten Einfluss von Betäubungsmitteln stand.
Die Blutalkoholbestimmung durch das Institut für Rechtsmedizin ergab einen Wert von 0,0 Promille.
Die Untersuchung der Blutprobe auf Betäubungsmittel durch das Institut für Rechtsmedizin ergab das Vorliegen von Cannabinoiden und Metamphetaminen. Nach dem Gutachten liegt die festgestellte Konzentration von MDMA im Blutplasma in einem vergleichsweise sehr hohen Bereich, die Konzentration an MDA in einem mittleren bis hohen Bereich und THC in einem eher niedrigeren Bereich.
Diese festgestellten Blutwerte und Untersuchungsergebnisse wurden vom psychiatrischen Sachverständigen Dr. E. bei der Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt mit berücksichtigt und bewertet.
2. Aus dem Gutachten des forensisch toxikologischen Zentrums M. vom 27.10.2020 ergibt sich dass die Untersuchung der Haarprobe beim Geschädigten M. eine erhöhte Ethylglucuronid-Konzentration ergab, was für einen regelmäßigen Alkoholkonsum spricht.
Die Haaruntersuchung des Geschädigten M. erbrachte die regelmäßige Aufnahme von Kokain und auch Amphetamin, sowie Cannabis.
Auch dies deckt sich mit der Aussage des Geschädigten M., der sich derzeit aufgrund seiner Drogenabhängigkeit in einer Suchttherapie befindet.
Der Zeuge KHK Sch. bekundete, dass sich im Rahmen der Ermittlungen keine Anhaltspunkte für eine nennenswerte Beeinträchtigung durch Alkohol oder Drogen bei den übrigen Beteiligten ergeben hätten.
Einen Einfluss eines etwaigen Alkohol- oder Drogenkonsums der übrigen Beteiligten auf die Beurteilung der Tat des Angeklagten und das Tatgeschehen sieht die Kammer nicht, allenfalls mit Ausnahme dessen, dass der Geschädigte M… aufgrund Drogenkonsums die Situation mit der Waffe nicht richtig einschätzte. Dies kann aber den Angeklagten nicht entlasten.
XII. Ergebnisse des DNA Gutachtens:
Die Sachverständige S.… vom Institut für Rechtsmedizin untersuchte Abriebe von Teilen der Waffe auf molekulargenetische Spuren und Blut. Sie bekundete, dass sich an keinen der übersandten Spuren Hinweise auf Blutantragungen gefunden hätten.
Die Untersuchung der DNA-Proben hätten in allen Fällen mehrere Verursacher ergeben, teilweise seien die Spuren nicht zuordenbar gewesen. Die Spuren von der Griffschale der Waffe und dem Abzugshebel hätte das DNA-Muster des Angeklagten vollständig ergeben, allerdings betrage die biostatistische Auswertung höchstens 1 zu 109 Millionen.
Das DNA Muster des Geschädigten M… sei sowohl an der Griffschale, als auch am Abzug nicht vollständig auszuschließen gewesen. Eine biostatistische Beurteilung sei aber aufgrund der Komplexität der Merkmalsmischungen nicht sinnvoll durchführbar.
Die Kammer hat aus den Feststellungen der Sachverständigen Sch keine Schlüsse zum Tathergang gezogen. Soweit diese Untersuchungen nahelegen, dass der Angeklagte die Waffe in der Hand hielt, so ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass der Angeklagte einräumte, dass es seine Waffe gewesen sei und er diese auch mit zum Tatort genommen habe. Aus dem Umstand, dass die DNA Spuren des Geschädigten an der Griffschale und dem Abzugshebel der Waffe nicht vollständig auszuschließen sind, zieht die Kammer nicht den Schluss, dass der Geschädigte seinerseits den Abzug betätigte und die Schussabgabe durch den Angeklagten nicht willentlich erfolgt wäre. Denn im Rahmen des äußerst dynamischen Kampfgeschehens zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten M. können dessen DNA Spuren auch ohne weiteres dorthin übertragen worden sein, ohne dass der Geschädigte die Waffe direkt berührte.
XIII. Psychiatrische Begutachtung:
1. Der Sachverständige Dr. E. der den Angeklagten psychiatrisch untersuchte, gab an, dass der Angeklagte ihm gegenüber angegeben habe, dass er zuletzt viel Ecstasy und Alkohol konsumiert habe, Kokain habe er sich kaum noch leisten können, da er kaum noch Geld zur Verfügung gehabt habe. In letzter Zeit habe er auf eine erneute Langzeittherapie seiner Suchterkrankung gewartet. Bis dahin habe er noch ausgiebig Drogen konsumieren wollen.
Am Abend des 25.09.2020 habe er schon 2 Ecstasytabletten eingenommen, er habe aber noch mehr konsumieren wollen. Auch habe er bereits einen Joint geraucht. Er habe dann versucht, verschiedene Leute zu kontaktieren, um noch an Drogen zu gelangen, er sei dann aber nur bei der Zeugin W., einer „alten Freundin“, erfolgreich gewesen. Sie hätten als Treffpunkt den Bahnhof in G. vereinbart. Er sei dort hingegangen und habe seine Pistole mitgenommen, weil er von der Zeugin W. verfahren habe, dass 4 weitere Leute mit kämen und diese ihm sagte, er solle ja keinen Stress machen, weil es sich um harte Typen handeln würde. Als er sich mit Viola W. getroffen habe und diese ihm die Drogen gezeigt habe, seien 3-5 junge Männer auf ihn zugekommen und er habe plötzlich realisiert, dass er mit dem Rücken zur Wand stehe und die Drei sich um ihn geschart hätten. Er habe dann zunehmend Angst bekommen. Als dann seine Bekannte in seine Jackentasche habe greifen wollen, habe er seine Pistole gezogen und durchgeladen. Er habe die Drei nur auf Abstand halten wollen, alles sei dann ganz schnell gegangen, Zwei der Drei seien sofort auf ihn losgegangen und bei dem Gerangel habe sich dann unbeabsichtigt ein Schuss gelöst. Das Gerangel sei daraufhin aber weitergegangen, die Drei hätten auf ihn eingeschlagen und nach ihm getreten. Dabei habe sich dann wieder ein Schuss gelöst. Einer habe dann noch gerufen, dass sie sein Handy suchen sollten, woraufhin diese dann begonnen hätten, ihn zu durchsuchen. Sie hätten ihm dann seine Pistole und sein Handy abgenommen, er selber habe sich aber losreißen und fliehen können. Einer von ihnen habe noch auf ihn schießen wollen, es sei aber wohl zu einer Ladehemmung gekommen. Er sei dann in einen Park in der Nähe geflüchtet und habe sich dort versteckt, er habe sich dann erbrechen müssen und sei kurzzeitig ohnmächtig geworden. 20 Minuten später sei er dann völlig durchnässt wieder zu sich gekommen, auf dem Weg nach Hause sei er dann verhaftet worden. Er habe die 5 Ecstasytabletten dabei gehabt, welche er allerdings noch nicht bezahlt hatte. Die Tabletten habe er erst zu Hause einnehmen wollen. Erst später habe er erfahren, dass bei dem ganzen jemand angeschossen worden sei. Dieses habe er beim Gerangel nicht bemerkt.
2. Soweit er gegenüber dem Sachverständigen Dr. E. angab, er sei geschlagen und getreten worden, so hält die Kammer diese Behauptung für falsch. Der Angeklagte hat nach seiner Festnahme zu keinen Zeitpunkt über diesbezügliche Beschwerden geklagt oder dies angegeben, es wurde auch nichts Derartiges ärztlicherseits festgestellt.
3. Der Sachverständige Dr. E. diagnostizierte bei dem Angeklagten eine seit mehreren Jahren bestehende Politoxikomanie nach ICD 10 F 19.2. Zuletzt habe vor allem ein Alkohol- und Ecstasykonsum vorgelegen.
Andere psychiatrisch relevante Erkrankungen seien bei dem Angeklagten nicht zu diagnostizieren. Seine Abhängigkeit habe noch keinen Schweregrad erreicht, der das Merkmal einer anderen seelischen Abartigkeit begründen würde, insbesondere läge noch keine chronische Suchtdepravation vor.
Die Blutalkoholkonzentration habe bei 0,0 Promille gelegen, Cannabis habe er nur in niedriger Dosis eingenommen, dies sei aber in der Wirkung zu vernachlässigen. Bei der Blutprobe seien allerdings relativ hohe MDMA-Werte festgestellt worden, wobei die angegebenen 2 Ecstasytabletten diesen Wert nicht erklären könnten, der Angeklagte müsse hier auch schon den Tag über am 25. September Ecstasy eingenommen haben. In der Haarprobenanalyse seien gleichfalls sehr hohe Werte von MDMA festgestellt worden. Daraus ergebe sich, dass der Angeklagte schon etwa 5 Monate vor der Tat in hohem Maße Ecstasy konsumiert habe, sodass er sehr stark an MDMA gewöhnt gewesen sei.
Der Arztbericht anlässlich der Blutentnahme weise keine Intoxikationserscheinungen auf, auch bei der polizeilichen Vernehmung hätten sich keine Auffälligkeiten oder Intoxikationsanzeichen ergeben. Eine Beeinträchtigung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit könne hieraus nicht geschlussfolgert werden. Der Angeklagte hat das polizeiliche Vemehmungsprotokoll detailliert verbessert und sei hierzu noch ausreichend konzentriert gewesen. Dies spreche gegen eine erhebliche Beeinträchtigung. Die Droge Ecstasy mache wach und aktiv und unterdrücke das Schlafbedürfnis, eine Eintrübung der Sinneswahrnehmungen sei bei Ecstasykonsum nicht zu erwarten. Insgesamt liege hier eine leichtgradige Intoxikation vor, Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei nicht gegeben.
4. Allerdings lägen bei dem Angeklagten die Voraussetzungen des § 64 StGB vor. Aufgrund seiner langjährigen Alkohol- und Drogenabhängigkeit liege bei ihm ein Hang vor. Bei der vorliegenden Tat, bei der es um den Erwerb von Betäubungsmittel ging, handelt es sich auch um eine Hangtat. Ohne eine adäquate Behandlung besteht auch die Gefahr, dass sich der Angeklagte erneut im Zusammenhang mit dem Erwerb oder dem Konsum von Betäubungsmitteln strafbar machen werde.
Die Erfolgsaussichten für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt seien auch gegeben, der Angeklagte weise eine Abstinenzmotivation auf und sei mit einer Maßregel nach § 64 StGB einverstanden.
Die Dauer der Maßregel sei hier mit 18-24 Monaten zu veranschlagen.
5. Eine Beeinträchtigung seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgrund von Entzugsängsten könne nicht festgestellt werden. Der Angeklagte habe vorgehabt, eine Langzeittherapie anzutreten, habe also gerade keine Angst davor gehabt, keine Drogen mehr einzunehmen. Er habe vielmehr bis dahin noch mal ordentlich konsumieren wollen. Zudem sei aufgrund des festgestellten hohen MDMA-Spiegels im Blut keine Entzugssymptomatik zu erwarten gewesen. Die Halbwertszeit bei Ecstasy liege bei etwa 6 Stunden. Zum Tatzeitpunkt sei der Blutspiegel aber noch so hoch gewesen, dass keine Entzugssymptomatik zu erwarten gewesen wäre. Auch habe der Angeklagte nie darüber berichtet, dass er Angst vor einem Entzug gehabt hätte, auch in der Gesundheitsakte der JVA gäbe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte unter Entzugserscheinungen gelitten habe.
Auf der anderen Seite sei der festgestellte Blutspiegel von Ecstasy nicht so hoch, dass davon Vergiftungserscheinungen oder geistige Beeinträchtigungen zu erwarten wären.
Entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei aber nicht allein ein bestimmter Wert einer eingenommenen Substanz, sondern immer der gesamte psychopathologische Zustand, der aus der Gesamtschau aller maßgeblichen Gesichtspunkte zu bewerten sei.
Die Motivation für seine Tat sei nicht die Angst vor einem Entzug gewesen, sondern weil er noch einmal die Suchtwirkung intensiv habe spüren wollen, bevor er die Therapie antrete.
6. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände sieht die Kammer auch keine erhebliche Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten gegeben.
Sowohl sein Verhalten vor dem eigentlichen Tatgeschehen, als auch während des Tatablaufes und im Nachtatverhalten zeugen von erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit.
Der Angeklagte hatte zunächst über einen längeren Zeitraum von mehreren Stunden am Abend des 25. September auf den 26. September versucht, von verschiedenen Leuten Betäubungsmittel zu bekommen und diese gefragt, ob sie noch was „Chilliges“ hätten. Nachdem er aber nichts Entsprechendes auftreiben konnte, erinnerte er sich an seine frühere Bekannte Viola W… und vereinbarte mit dieser ein Betäubungsmittelgeschäft. Da die Zeugin W. sich aber gerade in München befand, musste sie erst nach G. kommen. Diese Zeit konnte der Angeklagte abwarten. Sodann begab er sich zu dem vereinbarten Treffpunkt, wobei ihm bewusst war, dass er die Zeugin aufgrund seiner mangelnden Zahlungsfähigkeit nicht wird bezahlen können. Er nahm dann seine geladene Schusswaffe mit, um die W. von der Geltendmachung ihres Zahlungsanspruchs abzuhalten und sich ohne Bezahlung in den Besitz der Betäubungsmittel zu bringen. Er rechnete also schon im Vorfeld damit, dass die Betäubungsmittelübergabe nicht reibungslos verlaufen würde, was für erhaltene Planungskompetenz und vorausschauendes Verhalten spricht.
Nachdem die Übergabe der Drogen aber offensichtlich nicht sogleich gelang, weil die Zeugin W. ihm die Drogen wieder aus der Hand nahm, ging er unter dem Vorwand Geld zu holen mit der Zeugin durch die Unterführung auf die andere Seite der Gleise und tat so, als würde er aus einem Blumenkübel etwas holen. Dies veranlasste die Zeugin dazu zu glauben, es sei das Geld. Sodann ging der Angeklagte wieder mit ihr zurück und ließ sich die Drogen aushändigen und erst auf die Forderung jetzt zu bezahlen und einem erneuten Versuch durch die Zeugin W. sich die Drogen wieder zurückzuholen, zog er die Waffe und richtete diese gegen seine Gegenüber. Er hat sie ohne Schwierigkeiten und Zeitverzug durchgeladen und entsichert. Auch dies zeigt seine erhaltene Koordinationsfähigkeit und spricht gegen eine Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit.
Als ihm der Zeuge M. versuchte, die Waffe zu entwinden, war er in der Lage deutlichen Widerstand entgegenzusetzen und zwei Schüsse abzugeben.
Auch die Worte „Entschuldigung sie kriegt ihr Geld schon“ gegenüber dem Zeugen M. belegt, dass dem Angeklagten genau bewusst war, um was es ging.
Er realisierte, dass ihm die Waffe aus der Hand gefallen war und er jetzt in der schwächeren Position war. Nachdem er dies erkannt hatte, gelang es dem Angeklagten auch zu flüchten, wobei er noch von der Zeugin W… verfolgt wurde, die ihn aber nicht mehr erreichen konnte. Anschließend hielt er sich geraume Zeit in einem Park verborgen, bis er glaubte, dass er gefahrlos nach Hause zurückkehren könnte. Er fand den Weg zu dem Wohnhaus seiner Eltern, auf dem Weg dorthin konnte er schließlich von der Polizei festgenommen werden. Auch die festnehmenden Polizeibeamten konnten keine Ausfallerscheinungen beim Angeklagten feststellen.
Das gesamte Verhalten während der Vorlauf der Tat, des eigentlichen Tatgeschehens und dem Nachtatverhalten ist geprägt von einem planvollen und logisch handelnden Vorgehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte hier in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war finden sich deshalb für das Gericht nicht.
D. Rechtliche Wertung:
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat der Angeklagte folgende Straftatbestände verwirklicht:
1. Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz:
Indem der Angeklagte sich von der Zeugin W… 5 Ecstasytabletten und 5 g Marihuana übergeben ließ, die er zuvor bei ihr für einen Geldbetrag von 260 Euro bestellt hatte, hat er sich des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG strafbar gemacht, auch wenn die Betäubungsmittel nicht bezahlt wurden. Die Drogen behielt er auch bei sich, da diese anlässlich seiner Festnahme etwa eine Stunde später sichergestellt wurden.
Der Angeklagte wusste dabei, dass er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln notwendige Erlaubnis besaß.
2. Betrug zu Lasten der Geschädigten W.:
Durch den Erwerb der Betäubungsmittel von der Zeugin W. hat sich der Angeklagte des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Dem Angeklagten war schon bei Bestellung der Betäubungsmittel und vor dem Treffen mit der Zeugin W. bewusst, dass er die Drogen nicht bezahlen kann, da er kein Geld hatte.
Um sich aber dennoch in den Besitz der Betäubungsmittel zu bringen, die er benötigte, da er noch soviel wie möglich konsumieren wollte, bevor er seine Therapie beginnen würde, ließ er die Zeugin W. über seine mangelnde Zahlungsfähigkeit im Unklaren. Die Zeugin W. hätte dem Angeklagten, wovon dieser ausging, die Betäubungsmittel nicht ohne Bezahlung überlassen. Diese hätte die Fahrt von München nach G. nicht auf sich genommen, wenn sie den Umstand gekannt hätte, dass der Angeklagte kein Geld zur Verfügung hat.
Auch als die Zeugin W. dem Angeklagten zunächst die Drogen überreicht hatte, diese dann aber dem Angeklagten wieder abnahm, weil ihr Begleiter gefragt hatte, ob sie denn das Geld schon erhalten hätte, setzte der Angeklagte seine Täuschungshandlung fort, indem er vorgab, er werde das Geld jetzt holen.
Als die Zeugin dann der Auffassung gewesen war, der Angeklagte habe aus dem Blumentrog auf der anderen Bahnhofsseite das Geld geholt, übergab sie ihm schließlich die Drogen und der Angeklagte steckte diese ein. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er ohne Bezahlung keinen Anspruch auf die Übergabe der Betäubungsmittel hatte. Darauf kam es ihm aber an, da er an diesem Abend auf jeden Fall noch weitere Drogen konsumieren wollte.
Der Besitz von Betäubungsmitteln stellt auch eine von § 263 StGB geschützte Vermögensposition dar. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Auch an Sachen wie Rauschgift kann ein Betrug begangen werden (BGH, Urteil vom 04.09.2001 – 1 StR 167/01 -, juris).
Da der Angeklagte die übergebenen Betäubungsmittel auch bereits in seine Tasche eingesteckt hatte, also dem Zugriff der Zeugin nicht mehr ohne weiteres ausgesetzt waren, ist der Betrug auch vollendet.
3. Verstoß gegen das Waffengesetz:
Der Angeklagte wusste, dass es sich bei der von ihm mitgeführten Waffe um eine erlaubnispflichtige Schusswaffe handelte, für die er keine entsprechende Erlaubnis besaß. Gleiches gilt für die Patronenmunition, die sich in der Schusswaffe befand.
Er hat sich daher wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition strafbar gemacht, gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 a und b Waffengesetz in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum Waffengesetz.
4. Schwere räuberische Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1 und 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB:
Dem Angeklagten war bewusst, dass er nicht über ausreichende Geldmittel verfügte, um die von der Zeugin W… gelieferten bzw. nach G. gebrachten Betäubungsmittel zu bezahlen. Über diesen Umstand ließ er die Zeugin W… von Anfang an im Unklaren. Die Zeugin W… hätte dem Angeklagten die Betäubungsmittel nicht ohne Bezahlung überlassen. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Zeugin W… nach der ersten Übergabe der Betäubungsmittel diese dem Angeklagten wieder aus der Hand nahm, nachdem ihr Freund M… gefragt hatte, ob sie ihr Geld schon erhalten habe.
Der Angeklagte musste sich deshalb eine Möglichkeit überlegen, um auch ohne Bezahlung an die Drogen zu gelangen. Dabei war ihm auch klar, dass die Zeugin W… nicht alleine nach G. kommen würde, sondern mindestens eine weitere Person mitkam.
Da der Angeklagte auch davon ausging, dass die Zeugin W… die Drogen nicht ohne weiteres ohne Gegenleistung an ihn übergeben wird, diese vielmehr – wie es bei der Abwicklung von Drogengeschäften üblich ist, was auch der Angeklagte wusste – auf gleichzeitige Barzahlung bestand, insbesondere da dies im Vorfeld auch schon so mit der Zeugin vereinbart worden war, fasste er den Entschluss, die Betäubungsmittel der Zeugin W… nötigenfalls auch mit Gewalt abzunehmen. Zu diesem Zweck nahm er die Schusswaffe mit und plante diese, falls erforderlich als Drohmittel einzusetzen, wie dann auch tatsächlich geschehen.
Der Angeklagte begab sich also schon in dem Bewusstsein, dass es möglicherweise zu einem Gebrauch der Schusswaffe kommen kann, zu dem Treffen mit der Zeugin W….
Nachdem der Angeklagte die Drogen von der Zeugin W… übergeben bekommen und eingesteckt hatte, gleichwohl aber kein Geld an die Zeugin übergab, erkannte diese, dass sie betrogen worden ist bzw. der Angeklagte nicht bereit war zu bezahlen.
Da der Angeklagte damit rechnete, dass die Zeugin W… wie schon kurz zuvor, ihm auch jetzt die Betäubungsmittel wieder wegnehmen wird und ihr dabei auch ihre beiden Begleiter behilflich sein werden, er sich aber weiterhin im Besitz der bereits übergebenen und nicht bezahlten Betäubungsmittel halten wollte, zog der Angeklagte unmittelbar nach der Übergabe die von ihm mitgeführte Schusswaffe aus der Jackentasche und richtet diese auf die drei unmittelbar vor ihm stehenden Personen.
Auch war ihm bewusst, dass der oder die Begleiter der Zeugin W… dieser helfen würden, ihre Zahlungs- bzw. Rückforderungsansprüche geltend zu machen, wobei hierbei auch ein milieubedingtes gewaltsames Vorgehen durch die Zeugen zu erwarten war. Um den zu erwartenden Widerstand erst gar nicht aufkommen zu lassen bzw. zu überwinden nahm er die Waffe mit zu der Übergabe und setzte diese unmittelbar, nachdem ihm die Drogen übergeben worden waren ein.
Er wollte dadurch die drei Personen davon abhalten, die bereits übergebenen Drogen wieder zurückzuholen oder ihm gegebenenfalls andere Wertgegenstände als Ersatz für die unterbliebene Bezahlung abzunehmen.
Der Angeklagte musste hierbei auch davon ausgehen, dass die beiden Begleiter der Zeugin W… dieser bei der Durchsetzung ihres Zahlungsanspruchs oder der Rücknahme der übergebenen Betäubungsmittel helfen würden. Dies ergibt sich schon daraus, dass kurz nach der ersten Übergabe der Geschädigte M… die Zeugin W… fragte, ob sie schon das Geld erhalten hätte, woraufhin die Zeugin dem Angeklagten die Betäubungsmittel, die er bereits in Händen hielt, wieder abnahm. Um hier ein Eingreifen der beiden Begleiter zugunsten der Zeugin W… zu verhindern, richtete er die gezogene Schusswaffe auch gegen diese.
Dies erfüllt den Tatbestand der schweren räuberischen Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
Auch derjenige, der eine Geldleistung im Rahmen eines verbotenen oder sittenwidrigen Geschäfts erbringt, ohne die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten, kann einen Vermögensschaden erleiden. Gleiches gilt für den Fall, dass jemand Betäubungsmittel an einen anderen übergibt, ohne dafür das vereinbarte Geld zu erhalten.
Wer einen Rauschgifthändler mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich nicht der Nötigung, sondern der räuberischen Erpressung schuldig. Ein Betrug ist deshalb auch beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln möglich, der Tatbestand einer räuberischen Erpressung wird dadurch erfüllt, dass der Täter Gewalt anwendet, um das Opfer eines Betruges davon abzuhalten, sein Rückgabeverlangen durchzusetzen, nachdem es die Täuschung bemerkt hatte (BGH, Urteil vom 04.09.2001 – 1 StR 167/01, -, juris).
Der Angeklagte hat einen Menschen, hier die Zeugin W… und ihre beiden Begleiter rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel, wobei durch das Vorhalten der Schusswaffe die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen wurde (§ 255 StGB) zu einer Unterlassung genötigt, nämlich die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs bzw. Rückgabeanspruchs auf die Betäubungsmittel. Dadurch wollte er dem Vermögen des Genötigten (Zeugin W…) einen Nachteil zufügen, um sich zu Unrecht zu bereichern, nämlich die übergebenen Betäubungsmittel zu behalten, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erbringen.
Durch die gleichzeitige Drohung gegenüber den Begleitern der W… (die Zeugen J… und M…) wollte er diese zu einer Unterlassung nötigen, um dem Vermögen eines anderen Nachteil zuzufügen.
Es handelt sich vorliegend auch deswegen um eine räuberische Erpressung, da der Angeklagte die von vorneherein beabsichtigte Gewalthandlung unmittelbar nach der Täuschung eingesetzt wurde, um das Opfer zu nötigen, die Schädigung des Vermögens endgültig hinzunehmen (vergleiche BGH, Beschluss vom 26.05.2011 – 3 StR 318/10 -, juris).
Wer einen Rauschgifthändler oder einen Rauschgiftkurier mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern macht sich der räuberischen Erpressung schuldig (BGH, Urteil vom 16.08.2017 – 2 StR 344/15 -, juris).
Die räuberische Erpressung ist im vorliegenden Fall auch vollendet, da es dem Angeklagten gelang, unter Mitnahme der übergebenen Betäubungsmittel zu flüchten. Der Ablauf war zwar anders, als ursprünglich vom Angeklagten geplant, aber letztlich hat der Einsatz der Waffe doch dazu geführt, dass er die übergebenen Betäubungsmittel ohne Bezahlung behalten konnte.
5. Versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung:
Indem der Angeklagte 2 Schüsse abgab, wovon einer den Geschädigten im Bauchbereich verletzte hat er sich des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 212, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, 22, 23 StGB strafbar gemacht.
Die Schussverletzung stellt sich als eine Körperverletzung mittels einer Waffe (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) dar, außerdem handelt es sich um eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, was sich aus den Feststellungen des Sachverständigen Dr. A… zwanglos ergibt.
Bei der Schussabgabe handelte der Angeklagte zudem mit bedingtem Tötungsvorsatz.
Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung zwar weder anstrebt, noch für sicher hält, sie aber für möglich hält und dennoch handelt, weil er sich mit dem als möglich erkannten Taterfolg abfindet, ihm also der Erfolgseintritt gleichgültig ist.
Bei der Beurteilung dieser Frage ist stets eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen.
Für die Kammer waren in diesem Zusammenhang folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
Bei der vom Angeklagte mitgeführten scharfen Schusswaffe handelt es sich auch um einen äußerst gefährlichen Gegenstand, bei deren Verwendung die Gefahr von schweren bis hin zu tödlichen Verletzungen sehr naheliegt.
Der Angeklagte betätigte den Abzug der Schusswaffe zweimal, obwohl der Geschädigte versuchte, ihm die Hand, in der er die Waffe hielt, wegzudrücken und ihn von weiteren Bedrohungen abzuhalten. Dabei stand der Geschädigte dem Angeklagten unmittelbar gegenüber. Aufgrund der Dynamik des Geschehens war es für den Angeklagten naheliegend, dass es bei Abgabe eines Schusses aufgrund der unmittelbaren Nähe auch zu einer Verletzung durch die Schussabgabe im Oberkörperbereich des Geschädigten kommen kann. Auch wenn der Angeklagte in erster Linie durch die Schussabgaben den Geschädigten so in Schrecken versetzen wollte, dass er von weiteren Angriffen auf ihn ablässt, da es dem Angeklagten vor allem darum ging sich im Besitz der übergebenen Drogen zu halten, so erkannte er dennoch, dass eine Schussabgabe unter diesen Bedingungen auch den Geschädigten treffen und tödlich verletzen kann. Dies war dem Angeklagten nach Sachlage aber gleichgültig, da er den Geschädigten von sich abhalten wollte und seinerseits die Drogen behalten wollte.
Zwar handelte es sich bei der Abgabe des Schusses um eine spontane Entscheidung des Angeklagten, da dieser wohl nicht damit rechnete, dass die Waffe den Geschädigten M… unbeeindruckt lässt. Aufgrund der unmittelbaren körperlichen Nähe, der dynamischen Kampfsituation, die sich daraufhin entwickelte, konnte er aber nicht darauf vertrauen, dass der abgegebene Schuss den Geschädigten nicht trifft. Wer in einer derartigen unkontrollierbaren Situation einen Schuss abgibt, rechnet mit einer möglichen tödlichen Verletzung seines Gegenübers.
Der Angeklagte hatte die Schusswaffe zu dem Treffen auch in dem Bewusstsein mitgenommen, dass die Abwicklung des Drogengeschäftes nicht reibungslos erfolgen wird, da ihm klar war, dass er die von der Zeugin W… überbrachten Betäubungsmittel nicht bezahlen kann. Dass dies von der Zeugin W… und ihren Begleitern auch nicht ohne weiteres hingenommen werden wird, war ihm ebenfalls klar. Dies war auch der Grund, weshalb er die Schusswaffe mitnahm, weil er davon ausging, dass ihn diese in die Lage versetzt, auch mehrere Personen zu beeindrucken und er die Drogen behalten kann.
Er hat die Waffe durchgeladen und damit schussbereit gemacht. Dies belegt eine tatsächliche Verwendungsabsicht.
Der Angeklagte hat zweimal den Abzug der Schusswaffe betätigt. Der Geschädigte wurde zwar bereits durch den ersten Schuss verletzt, dies hatte aber nicht zur Folge, dass er dadurch kampfunfähig geworden wäre und vom Angeklagten abließ. Vielmehr versuchte der Geschädigte weiterhin dem Angeklagten die Waffe zu entwinden bzw. seine Hand wegzudrücken. Um aber den Geschädigten zu veranlassen, ihn loszulassen, gab er einen erneuten Schuss ab. Es ging dem Angeklagten darum den Geschädigten auf jeden Fall von sich abzuhalten, damit er dann mit den bereits übergebenen Drogen sich entfernen könnte, um dann seine Vorhaben weitere Drogen zu konsumieren umsetzen zu können.
Andererseits war der Angeklagte aber auch nicht durch die zuvor konsumierten Drogen so stark in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt, dass er die Geschehensabläufe nicht mehr realitätsgenau wahrnehmen konnte. Wie der Sachverständige Dr. B… bekundete, war bei dem Angeklagten zwar von einem hohen Konsum von Ecstasy auszugehen, der allerdings nicht so hoch gewesen sei, dass der Angeklagte dadurch in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt gewesen wäre. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Konsum von Ecstasy bzw. Amphetamin nicht zu Sinneseintrübungen oder Wahmehmungsstörungen führt, sondern im Gegenteil, wie der Sachverständige Dr. E… angab, es unter dem Einfluss von Amphetamin zu einer erhöhten Aufmerksamkeit, Agilität und Leistungsfähigkeit kommt. Im vorliegenden Fall ist zu sehen, dass der Angeklagte auch sein Ziel, ohne Bezahlung an die Drogen zu gelangen von Beginn an konsequent und logisch vorgehend verfolgte. Dies beginnt mit der Vereinbarung der Lieferung von München nach G., was einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Der Angeklagte war in der Lage pünktlich am vereinbarten Treffpunkt zu erscheinen und er hat dann, nachdem ihm die Zeugin W… die Drogen zunächst wieder abgenommen hatte, weil er noch nicht bezahlte, vorgegeben Geld zu holen, ist dann mit der Zeugin durch die Unterführung auf die andere Bahnhofsseite gegangen und gab vor aus einem Blumentrog etwas herauszuholen. Anschließend ging er wieder zurück und schließlich wurde dadurch die Zeugin veranlasst ihm die Drogen zu übergeben. Sodann steckte er die Drogen gleich ein und zog die Waffe entsprechend seinem ursprünglich gefassten Plan, um sich ohne Bezahlung in den Besitz der Drogen zu bringen.
Dass er die Situation auch noch zutreffend einschätzen konnte zeigt die vom Geschädigten M… geschilderte Antwort des Angeklagten, dass die Zeugin W… ihr Geld schon noch bekommen würde.
6. Konkurrenzen:
Da es sich insgesamt um ein einheitliches Tatgeschehen handelte, dass sich in engem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang abspielte, stehen die verwirklichten Straftatbestände zueinander in Tateinheit gemäß § 52 StGB.
7. Keine Notwehr:
Die Schussabgabe des Angeklagten gegen den Geschädigten M… ist nicht durch Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt.
Die Handlung des Angeklagten war nicht durch Notwehr geboten, da dieser unmittelbar zuvor den Geschädigten M… und die beiden anderen Begleiter durch das Vorhalten der Schusswaffe bedrohte und der unmittelbar darauf erfolgende Angriff des Geschädigten M… auf den Angeklagten sich seinerseits als Notwehr darstellt.
8. Kein Rücktritt:
Ein Rücktritt vom Versuch des Totschlags gemäß § 24 StGB liegt nicht vor, da nach den getroffenen Feststellungen der Angeklagte im Rahmen des Gerangels um die Waffe nach der Schussabgabe zu Boden gerissen wurde und dabei die Waffe aus der Hand verlor. Sodann griffen auch die beiden anderen (die Zeugen W… und J…) in das Geschehen ein und versuchten den Angeklagten von weiterem Vorgehen abzuhalten. Dem Angeklagten gelang es daraufhin die Flucht zu ergreifen. Damit konnte er sein Vorhaben, den Geschädigten M… zu töten nicht mehr fortführen, sodass ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt.
Der Angeklagte hatte aus seiner Sicht trotz der zweimaligen Schussabgabe noch nicht alles erforderliche getan, um den Geschädigten M… von weiteren Angriffen auf sich abzuhalten und mit den Betäubungsmitteln entkommen zu können. Weitere Schussabgaben waren ihm aber nicht mehr möglich, nachdem er die Waffe aus der Hand verloren hatte.
E. Strafzumessung:
I. Allgemeine Strafrahmenbestimmung:
Der anzuwendende Strafrahmen ist im vorliegenden Fall aus dem Straftatbestand zu entnehmen, der die höchste Strafe androht.
Der Tatbestand des Totschlags nach § 212 StGB ist ebenso, wie die schwere räuberische Erpressung nach §§ 253, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bedroht. Das Höchstmaß der Freiheitsstrafe liegt bei 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB).
Der Strafrahmen des § 212 StGB ist wegen Versuchs nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Umstände, um von dieser Milderungsmöglichkeit abzusehen, bestehen vorliegend nicht. Der Strafrahmen des versuchten Totschlags reicht daher von Freiheitsstrafe von 2 Jahren bis zu 11 Jahren 3 Monaten.
Eine weitere Milderung, etwa über § 213 StGB, ist nicht vorzunehmen. Es liegt keine Provokation oder sonstige zurechenbare Mitverursachung des Opfers der Schussabgabe durch den Angeklagten vor. Auch sonst erscheint die Tat aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte als Erstes die Waffe auf sein Gegenüber gerichtet hat, nicht in einem milderen Licht.
Es verbleibt daher bei dem Strafrahmen der §§ 253, 250 Abs. 2 StGB, der sowohl die höchste Mindeststrafe, als auch die höchste Höchststrafe androht.
Allenfalls wenn ein minder schwerer Fall des § 250 Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren) vorliegen würde, käme der geminderte Strafrahmen des versuchten Totschlags zum Tragen.
Wie nachfolgend dargelegt wird, liegt nach Auffassung der Kammer aber weder ein minder schwerer Fall der schweren räuberischen Erpressung vor, noch ist der Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB aufgrund sonstiger vertypter Milderungsgründe zu mindern.
Es verbleibt daher bei dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB, da dieser im Vergleich zu den anderen tateinheitlich verwirklichten Tatbeständen sowohl die höchste, als auch die niedrigste Strafe androht.
1. Kein minder schwerer Fall:
Eine Verschiebung des Strafrahmens wegen Vorliegen eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB ist nicht gegeben.
Hierbei ist zunächst eine Würdigung aller Gesamtumstände vorzunehmen und zu prüfen, ob die Tat in einem milderen Licht erscheint, sodass die Anwendung des Regelstrafrahmens als nicht angemessen erscheint.
In diesem Zusammenhang hat die Kammer berücksichtigt, dass der Verurteilte zum Tatzeitpunkt zwar unter dem Einfluss von Ecstasy stand, allerdings hatte dieser Einfluss kein Ausmaß erreicht, dass deswegen seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit tangiert gewesen wäre oder er aber unter einem so hohen Suchtdruck stand, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah. Wie der psychiatrische Sachverständige Dr. E… ausführte, lag die Konzentration im Blut auf einem relativ hohen Niveau, sodass eine unmittelbare Angst vor einem Suchtdruck/Entzug nicht gegeben war. Die Wirkungen der bereits eingenommenen Betäubungsmittel hätten noch längere Zeit angehalten. Dem Angeklagten kam es aber darauf an, noch mehr zu konsumieren, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt kein Geld mehr zur Verfügung stand.
Der Angeklagte hat sich auch teilweise zum Sachverhalt eingelassen und ist strafrechtlich bislang auch noch nicht erheblich in Erscheinung getreten.
Auf der anderen Seite wusste der Angeklagte, dass er die gelieferten Drogen nicht bezahlen kann und er nahm eine voll funktionsfähige mit mehreren Patronen geladene Schusswaffe mit, wobei ihm klar war, dass er diese einsetzen wird, da er nicht davon ausgehen konnte, dass die Zeugin W… ohne weiteres auf ihren Zahlungsanspruch verzichten wird, zumal da diese den weiten Weg von München bis nach G. auf sich genommen hatte. Es kam also nicht spontan und unvorhergesehen zum Einsatz der Schusswaffe durch den Angeklagten.
Auch dass es in Folge des Vorhaltens der Waffe zu einer Gegenreaktion der Bedrohten kam, lag nicht außerhalb jeglicher Vorstellung.
Des weiteren hat er den Geschädigten sehr schwer verletzt und dieser befand sich aufgrund der Schussverletzung längere Zeit im Krankenhaus und musste sich einer komplizierten Operation unterziehen. Auch der Wert der Drogen war zwar nicht besonders hoch, allerdings auch nicht nur geringfügig, es handelte sich nicht lediglich um Kleinstmengen.
Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 4000 € bezahlte hält die Kammer einen minder schweren Fall nicht für gegeben.
Auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 213 StGB bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Eine Provokation durch einen der Beteiligten ist nicht ersichtlich. Auch sonst ergibt sich keine im Rahmen des § 213 StGB zu berücksichtigende Mitverursachung der anderen für die Tat.
Vertypte Strafmilderungsgründe, die im Zusammentreffen mit allgemeinen Strafmilderungsgründen einen minder schweren Fall begründen könnten, liegen nicht vor.
2. Kein Täter-Opfer-Ausgleich:
Eine Strafmilderung nach § 46 a StGB (Täter Opfer Ausgleich) hat die Kammer weder in der Variante Nr. 1, noch nach Nr. 2 vorgenommen.
Hier hat sich der Angeklagte zwar in der Hauptverhandlung bei dem Opfer entschuldigt, dieses hat die Entschuldigung auch angenommen und der Verteidiger hat an den Nebenklägervertreter einen Geldbetrag in Höhe von 4000 € zu Schadenswiedergutmachung übergeben.
Allerdings erscheint der Kammer aufgrund der Schwere der Verletzungen ein Schmerzensgeld von 10.000 € angemessen.
Der bezahlte Geldbetrag ist zwar nicht nur geringfügig, gleicht aber die aufgrund der schweren Verletzungen erlittenen Nachteile nur zu einem geringeren Teil aus.
Außerdem vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass der Angeklagte hierzu erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht geübt hat, denn wie der Verteidiger in der Hauptverhandlung erklärte, sei das Geld eigentlich sein Honorar, das er von den Eltern des Angeklagten schon erhalten hatte und nun kurzfristig zur teilweisen Schadenswiedergutmachung zur Verfügung stelle und das sich der Angeklagte von seinen Eltern geliehen habe. Er werde es zurückzahlen, wenn ihm dies möglich sei.
3. Keine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit:
Der Angeklagte war bei Tatbegehung weder in seiner Einsichts-, noch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt (§ 21 StGB) oder waren diese vollständig aufgehoben (§ 20 StGB).
Wie der Sachverständige Dr. E… erläuterte dazu habe der Angeklagte eine Erinnerung an die Geschehnisse gehabt, wie sich aus den Angaben zum Tathergang im Rahmen der psychiatrischen Exploration ergebe.
Auch seine Vernehmung bei der Polizei zeigt ein detailliertes Erinnerungsvermögen an die Geschehnisse. Wie der Sachverständige Dr. E… weiter ausführte, seien weder im Rahmen der ärztlichen Untersuchung anlässlich der Blutentnahme am 26.09.2020 noch sonst Anhaltspunkte für eine starke Intoxikation festzustellen gewesen. Die im Blut vorhandenen MDMA-Konzentrationen seien zwar sehr hoch gewesen, im Zusammenhang mit der Haarprobenanalyse, in der sich ebenfalls in sehr hoher MDMA-Wert ergebe, sei festzustellen, dass der Angeklagte auch schon früher sehr viel Ecstasy konsumiert habe und von daher auch eine starke Gewöhnung eingetreten sei. Eine zusätzliche denkbare – aufgrund der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 0,0 Promille – aber allenfalls geringfügige Alkoholisierung und der Konsum von Cannabis in niedriger Dosis hätten lediglich einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Gesamtsituation. Hierbei sei auch die grundsätzliche Wirkung von Ecstasy zu berücksichtigen, das eher wach und aktiv mache und ein vorhandenes Schlafbedürfnis unterdrücke, aber keine Eintrübung der Sinneswahrnehmungen verursache. Es sei allenfalls von einem leichtgradigen Intoxikationszustand ohne Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit auszugehen.
Auch sonst hätten sich keine Hinweise auf andere psychiatrische Erkrankungen gefunden, die die Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB erfüllten.
Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt unter starken Entzugsängsten gelitten hätte. Hierbei sei zum einen zu berücksichtigen, dass er gerade vorhatte einen Entzug und eine Therapie zu machen, also gerade keine Angst davor hatte, aber auch aufgrund des hohen MDMA-Spiegels im Blut ohnehin keine Entzugssymptomatik vorgelegen haben könne. Der Angeklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt über derartige Ängste berichtet, auch in der Gesundheitsakte der JVA seien keine Hinweise auf Entzugssymptomatik gegeben. Die Motivation für die Handlungen sei nicht Angst vor einem Entzug gewesen, sondern dass er noch mal möglichst intensiv die Wirkung der Betäubungsmittel spüren wollte, bevor er sich dann in die freiwillige stationäre Therapie begeben würde.
Der Sachverständige Dr. E… erläuterte der Kammer, dass ihm im Rahmen der mündlichen Gutachtenserstattung in der Hauptverhandlung sämtliche vorliegenden Befunde über die Urin- und Blutuntersuchungen, sowie die Haarprobenuntersuchung des Angeklagten vorgelegen habe. Er habe diese Befunde in seine Begutachtung einbezogen und bei seiner Einschätzung berücksichtigt.
Zur Wirkung von Ecstasy sei auch zu bemerken, dass dieses, wenn es häufig eingenommen werde seine aufputschende Wirkung verliere, weshalb die meisten Konsumenten diese Droge nur zeitweilig einnehmen würden. Die Halbwertszeit bei Ecstasy läge bei etwa 6 Stunden. Zum Tatzeitpunkt sei der Blutspiegel aber so hoch gewesen, dass eine Entzugssymptomatik noch lange nicht zu erwarten gewesen sei.
Letztlich sei aber immer der gesamte psychopathologische Zustand für die Beurteilung der Schuldfähigkeit im Vordergrund zu betrachten und hierbei könnten im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gefunden werden. Hierzu wird auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung zur Frage der Schuldfähigkeit Bezug genommen (Ziffer C. XIII. 6.)
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ist die Kammer deswegen der Überzeugung, dass die vom Sachverständiger Dr. B… gefundene Einschätzung zutrifft.
II. Strafzumessung im engeren Sinn:
Bei der konkreten Strafzumessung waren folgende Gesichtspunkte aus Sicht der Kammer maßgeblich:
1. Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass dieser zum Teil geständig war. Dies betrifft die Tatsache der Mitnahme der Schusswaffe und der Kenntnis, dass es sich um eine voll funktionsfähige Waffe handelt.
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung auch bei dem Geschädigten M… entschuldigt und an diesen wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 4000 € übergeben.
Dadurch kommt Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck und der geleistete Schadensersatzbetrag ist auch gewichtig, wenngleich er nur einen Teil des gesamten Schadens abdeckt.
Er stand bei Tatbegehung auch nicht unerheblich unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln. Er zeigte sich in der Hauptverhandlung einsichtig in die Behandlungsbedürftigkeit seiner Betäubungsmittelabhängigkeit und bekundete seine Bereitschaft an einer Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mitzuwirken.
Des Weiteren war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass sich auch die Geschädigten nicht gesetzestreu verhalten haben, sondern es vorliegend um die Abwicklung eines illegalen Betäubungsmittelgeschäftes ging. Eine gewisse Mitverursachung durch den Geschädigten M., der in Verkennung der wahren Verhältnisse meinte, die Waffe dem Angeklagten entwenden zu können, ist ebenfalls zugunsten des Angeklagten anzuführen.
Er handelte zudem nur mit bedingtem Vorsatz, was den versuchten Totschlag angeht. Die gesundheitlichen Spätfolgen für den Geschädigten sind eher von geringerer Natur.
Schließlich ist auch das junge Alter von knapp 23 Jahren zu werten, der Angeklagte ist noch nicht allzu lange dem Heranwachsendenalter entsprungen. Allerdings konnten irgendwelche Reifeverzögerungen beim Angeklagten nicht festgestellt werden. Dieser lebte zuletzt zwar wieder bei seinen Eltern, dies hatte aber finanzielle Gründe, da er seine selbstständige Tätigkeit als Finanzberater, die er zuvor ausgeübt hatte, aufgeben musste.
2. Zulasten des Angeklagten waren die Schwere der Verletzung des geschädigten M… zu werten, der sich deswegen einer komplizierten und langwierigen Operation unterziehen musste und sich mehrere Tage auf der Intensivstation und in der Folge im Krankenhaus befand. Allerdings sind die Verletzungen bis auf geringfügige Einschränkungen und eine deutlich sichtbare Narbe im Bauchbereich folgenlos verheilt.
Der Angeklagte ist strafrechtlich zwar bislang bereits mehrfach in Erscheinung getreten, allerdings handelt es sich ausschließlich um jugendrichterliche Ahndungen, die auch nicht besonders schwerwiegend sind.
Zulasten musste sich auch die Vielzahl der verwirklichten Delikte auswirken.
Im Rahmen des § 224 StGB wurden zudem zwei Tatbestandsalternativen verwirklicht.
Unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
III. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt:
Gemäß § 64 StGB war darüber hinaus die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
In Übereinstimmung mit der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. E… ist auch die Kammer der Auffassung, dass bei dem Angeklagten ein Hang besteht, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Der Angeklagte ist schon zweimal jugendrichterlich wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz geahndet worden. Er hat auch im Jahre 2017 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung bei Kompass Impuls absolviert und wollte jetzt erneut eine Therapie beginnen. Auch die Ergebnisse des Haargutachtens belegen einen starken Drogenkonsum des Angeklagten, ebenso wie seine Angaben betreffend seine Konsumgewohnheiten gegenüber dem Sachverständigen.
Die vorliegende Straftat steht auch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Drogenabhängigkeit des Angeklagten, da er sich noch weitere Drogen verschaffen wollte, obwohl er kein Geld mehr dafür zur Verfügung hatte. Er wollte vor dem Beginn der geplanten Therapiemaßnahme noch mal ausgiebig zu konsumieren. Insofern liegt auch eine Hangtat vor.
In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E… ist auch das Gericht der Auffassung, dass bei Weiterbestehen der süchtigen Fehlhaltung auch mit ähnlichen Verhaltensmustern und Straftaten im Zusammenhang mit dem Konsum und dem Erwerb von Betäubungsmitteln zu rechnen ist. Er erklärte auch gegenüber dem Sachverständigen, dass er gegenüber einer Maßnahme nach § 64 StGB positiv eingestellt sei.
Es besteht deshalb eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg, Gesichtspunkte die einer konkreten Erfolgsaussicht entgegenstehen sind nicht erkennbar.
Schließlich hat er sich auch während der zurückliegenden Untersuchungshaft an die Suchtberatung gewandt und sich über Therapiemöglichkeiten informiert, was ebenfalls seine Therapiemotivation belegt.
Der Sachverständige Dr. E. hat die Dauer einer Unterbringung auf 18-24 Monate veranschlagt angesichts der langjährigen, verfestigten und erheblichen Abhängigkeitssymptomatik.
Aufgrund dessen war ausgehend von einer angenommenen voraussichtlichen Therapiedauer von 24 Monaten gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StGB ein Vorwegvollzug von 15 Monaten anzuordnen, wobei die erlittene Untersuchungshaft auf diese Zeit angerechnet wird.
F. Kosten:
Als Verurteilter hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens, einschließlich der notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen, §§ 464, 465, 472 StPO.

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