Aktenzeichen AN 5 17.02050
Leitsatz
1. Nach dem seit 1.1.2016 geltenden Recht lässt sich ein Ausweisungsinteresse mit generalpräventiven Gründen begründen (BVerwG BeckRS 2018, 18382). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Straftaten, die auch auf der Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. Angesichts der erheblichen Rückfallquoten während einer andauernden Drogentherapie und auch noch in der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie kann allein aus der begonnenen Therapie noch nicht auf ein künftiges straffreies Leben geschlossen werden (VGH München BeckRS 2015, 56386). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK begründen keinen unmittelbaren Anspruch auf Gewährung von Aufenthalt, sondern lediglich eine Verpflichtung, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (BVerfG BeckRS 2013, 53078). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 29. August 2017 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Die in Ziffer I verfügte Ausweisung des Klägers ist ebenso wenig zu beanstanden wie die in Ziffern IV und V verfügten Annexentscheidungen. Ebenso wenig zu beanstanden ist die Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels (Ziffer II) und das auf die Dauer von 7 Jahren befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer III).
Die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids vom 29. August 2017 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 25).
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
Die Beklagte hat die Ausweisung unter anderem auf generalpräventive Gründe gestützt. Dies ist nicht zu beanstanden. Das BVerwG hat zuletzt in den Urteilen vom 12. Juli 2018 und 9. Mai 2019 entschieden, dass sich auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17). Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Zudem gehört der Kläger nicht zu den durch § 53 Abs. 3 AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventive Gründe nicht ausgeschlossen ist.
Die generalpräventiven Erwägungen der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Der Kläger hat sich wegen Handels mit Betäubungsmitteln strafbar gemacht. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der Rechtsvorschriften besteht und anderen Ausländer deutlich vor Augen geführt werden soll, dass ein Verhalten, wie vom Kläger gezeigt, nicht hingenommen wird und zur unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung mit allen rechtlichen Konsequenzen führt. Es besteht ein besonderes Bedürfnis, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art abzuhalten.
Die Beklagte hat die Ausweisung zutreffend aber auch auf spezialpräventive Gründe gestützt. Die Kammer geht mit der Beklagten davon aus, dass von dem Kläger eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris, Rn. 18). Dabei sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris, Rn. 33). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v.4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31). Bei Straftaten, die auch auf der Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr zudem nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. Angesichts der erheblichen Rückfallquoten während einer andauernden Drogentherapie und auch noch in der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie kann allein aus der begonnenen Therapie noch nicht auf ein künftiges straffreies Leben geschlossen werden (BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 10 ZB 14.1800 – juris Rn. 7; B. v. 13.5.2015 – 10 C 14.2795 – juris Rn. 4; B.v. 21.2.2014 – 10 ZB 13.1861 – juris Rn. 6). Selbst eine erfolgreich abgeschlossene Drogentherapie schließt eine Rückfall- und Wiederholungsgefahr nicht per se aus (BayVGH, B.v. 24.5.2012 – 10 ZB 11.2198 – juris Rn. 13).
Gemessen an diesen Grundsätzen geht die Kammer mit der Beklagten davon aus, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Gefahrenprognose wird konkret durch das Verhalten des Klägers im Bundesgebiet getragen. Anlass für die Ausweisung ist die Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht … vom 10. April 2017 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten. Der Kläger hatte im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 25. Oktober 2016 von seiner Wohnung aus gewinnbringenden Handel mit Subutex-Tabletten betrieben. Am 25. Oktober 2016 hatte er in seiner Wohnung insgesamt 581 Tabletten Subutex mit einer Wirkstoffmenge von insgesamt 5008,22 mg Buprenorphin-Hydrochlorid aufbewahrt, die abzüglich einer Eigenkonsummenge von 20 Prozent zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Ausgehend davon, dass gerade bei Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte, wie Betäubungsmitteldelikten an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen sind, geht die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid zutreffend von einer Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Sowohl nach der Höhe der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe als auch der Art und Weise der konkreten Begehung handelt es sich bei den insoweit abgeurteilten Betäubungsmitteldelikten um schwerwiegende Straftaten, die typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft sind. Dies gilt insbesondere für den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln, der regelmäßig mit einer hohen kriminellen Energie verbunden ist und in besonders schwerwiegender Weise Gesundheit und Leben anderer Menschen gefährdet (BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13/12 – juris Rn. 12).
Das Strafgericht hat im Rahmen der Strafzumessung zwar berücksichtigt, dass der Kläger aufgrund seiner Abhängigkeit gehandelt hat und ein vollumfängliches Geständnis abgelegt hat. Zu Lasten des Klägers hat das Strafgericht jedoch gewertet, dass es sich um Handeltreiben und um eine erhebliche Menge illegaler Substanzen gehandelt hat. Zudem wurde in dem Strafurteil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, nachdem der im Strafverfahren eingeschaltete Sachverständige Dr. … dargelegt hatte, dass beim Kläger eine Abhängigkeit von Opiaten und Cannabinoiden besteht. Laut Gutachter ist bei dem Kläger von einer erheblichen Wiederholungsgefahr auszugehen, sofern es ihm nicht gelingt, seine Abhängigkeitserkrankung erfolgreich zu bekämpfen. Die beim Kläger offensichtlich vorliegende Drogenabhängigkeit ist bisher auch noch nicht erfolgreich therapiert. Laut Führungsbericht der JVA … vom 27. Mai 2019 mussten gegen den Kläger drei Disziplinarmaßnahmen verhängt werden, weil er unerlaubt Medikamente konsumiert hat bzw. die Urinproben einen positiven Befund aufgewiesen haben. Der Kläger befindet sich erst seit dem 19. August 2019 im BKH …, ein erfolgreiches Therapieende ist (noch) nicht in Sicht. Laut Therapiebericht des BKH … vom 11. November 2019 ist der Kläger aufgrund seiner mangelhaften Deutschkenntnisse kaum in der Lage von der Psychotherapie während seines stationären Aufenthaltes im Maßregelvollzug zu profitieren, weshalb derzeit keine günstige Sucht- und Sozialprognose gestellt werden kann und weiterhin die Notwendigkeit der Unterbringung besteht. Um die Wiederholungsgefahr ernsthaft in Zweifel ziehen zu können, wäre jedenfalls erforderlich, dass der Kläger die Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hat (BayVGH, B.v. 3.2.2015 – 10 b 14.1613 – juris Rn. 32). Dies ist bislang nicht geschehen. Nach dem persönlichen Verhalten des Klägers muss daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, auch unter Berücksichtigung des Art. 6 GG, des Art. 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung überwiegt. Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG – allerdings nicht abschließend – aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.
Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, denn er wurde mit Urteil des Amtsgerichts … vom 10. April 2017 wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt.
Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht im vorliegenden Fall ein schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG gegenüber, da der Kläger mit seiner minderjährigen aserbaidschanischen Tochter in Kontakt steht.
Nach der erforderlichen Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) ist das Ausweisungsinteresse gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers als vorrangig anzusehen. Die Beklagte hat im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger eine minderjährige Tochter im Bundesgebiet hat. Sie hat aber auch gesehen, dass er zur Sicherung seines Lebensunterhaltes seit Jahren auf die Gewährung von öffentlichen Mitteln angewiesen ist und es ihm nicht gelungen ist, einen rechtschaffenden Lebenswandel zu führen, weshalb von einer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht ausgegangen werden kann. Zutreffend geht die Beklagte insofern davon aus, dass der Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Recht der Ehe und Familie aus Gründen der Gefahrenabwehr und aus den dargestellten überragenden öffentlichen Interessen notwendig und erforderlich ist. Gerade der Handel mit Betäubungsmitteln beeinträchtigt die Grundinteressen der Gesellschaft und stellt eine besonders schwere Straftat dar, weshalb der Kläger auch zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Zu berücksichtigen ist, dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewähren, sondern lediglich eine Verpflichtung begründen, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12). Die Trennung von seinem Kind und seiner Ehefrau ist dem Kläger jedenfalls zuzumuten, da sie ausschließlich Konsequenz seines kriminellen Verhaltens ist. Zudem hat ihn auch seine Familie nicht von der Begehung von Straftaten abgehalten. Im Übrigen besteht seit der Inhaftierung des Klägers im Jahr 2016 und des nachfolgenden Maßregelvollzugs nur ein eingeschränkter Kontakt zu seiner Familie. Auch wenn der Kläger nach seinem Vortrag bis auf seinen Vater keine sozialen Verbindungen in Aserbaidschan hat, so ist die Kammer der Überzeugung, dass es dem Kläger möglich und zumutbar ist, sich sprachlich und kulturell in Aserbaidschan zu integrieren. Nachdem der Kläger in seinem Herkunftsland aufgewachsen ist, dort einen Großteil seines Lebens verbracht hat und die Einreise in das Bundesgebiet erst im Jahr 2003 erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass der Kläger mit der dortigen Sprache, Kultur und Tradition vertraut ist. Er wird sich, wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten, in Aserbaidschan zurechtfinden. Die Schwere seiner Straftat und die daraus resultierende Gefahr für die höchsten Güter der Gesellschaft – die Unversehrtheit von Leib und Leben – rechtfertigt vorliegend den Eingriff in sein Privatleben. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt die Kammer damit unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Ist somit die Ausweisung voraussichtlich nicht zu beanstanden, so sind auch die in Ziffern IV und V des streitgegenständlichen Bescheids gemäß §§ 58, 59 AufenthG verfügten ausländerrechtlichen Annexentscheidungen rechtlich nicht zu beanstanden.
Keinen Bedenken begegnet auch die von der Beklagten in Ziffer III getroffene Entscheidung, die Wirkung der Ausweisung und Abschiebung des Klägers auf sieben Jahre zu befristen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019 ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm darf selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist dabei fallbezogen ohne Bedeutung, da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Gemessen an diesen Vorgaben kann der Kläger auch nicht hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, über die Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die persönlichen und familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet berücksichtigt und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von sieben Jahren angemessen ist. Dass nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert angeordnet werden muss, macht den Bescheid vom 29. August 2017 nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in der behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer enthalten (BVerwG, U.v. 25.7.2017 – 1 C 13.17 – juris Rn. 23).
Auch die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels (Ziffer II) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht mit der streitgegenständlichen Ausweisung jedenfalls schon die Titelerteilungssperre des § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG entgegen.
Der zunächst in der Klageschrift hilfsweise gestellte Antrag auf Erteilung einer Duldung wurde vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt, weshalb hierüber nicht mehr zu entscheiden ist.
Im Übrigen folgt das Gericht den ausführlichen und zutreffenden Gründen des Bescheides der Beklagten vom 29. August 2017 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.