Strafrecht

Seitenschneider (Gesamtlänge 11,5 cm; Klingenlänge 1,4 cm) kein gefährliches Werkzeug iSd § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB

Aktenzeichen  1 OLG 8 Ss 183/18

Datum:
15.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28075
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 1a

 

Leitsatz

Zur Frage des Diebstahls mit Waffen, wenn dabei ein nur 11,5 cm langer Seitenschneider verwendet wird. (redaktioneller Leitsatz)
Ein 73 Gramm schwerer Seitenschneider mit einer Gesamtlänge von ca. 11,5 cm, wovon 8,5 cm auf die gummierten Griffe entfallen, und einer Klingenlänge von 1,4 cm, wobei die Klingen aufgrund einer Feder zwischen den Zangenschenkeln grds. mit einer Spannweite von ca. 1 cm teilweise geöffnet sind, bei Auseinanderdrücken der Zangenschenkel eine maximale Spannweite von 2 cm erreichen und in geschlossenem Zustand eine abgerundete Spitze bilden, ist kein gefährliches Werkzeug iSd § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 Ns 419 Js 69302/17 2018-05-09 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 09.05.2018 gegen das Urteil der 10. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09.05.2018 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.
Angewendete Vorschrift: § 242 Abs. 1 StGB.

Gründe

I.
Das Amtsgericht – Strafrichter – Nürnberg hat den Angeklagten am 26.02.2018 wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft, deren Ziel die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB war, hat die 10. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 09.05.2018 als unbegründet verworfen. Der Angeklagte hatte seine Berufung in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft zurückgenommen.
Im Urteil der Strafkammer ist unter Ziffer III. der Gründe festgestellt:
„Am 11.11.2017 gegen 14.30 Uhr entwendete der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma TK MAXX, Äußere B. Straße in 9. N. ein Paar Turnschuhe sowie eine Damenuhr im Gesamtwert von 54,98 €, um die Waren ohne zu bezahlen für sich zu behalten. Mittels eines mitgeführten Seitenschneiders entfernte der Angeklagte die Warensicherung von den Turnschuhen. Der Seitenschneider ist 73 Gramm schwer und hat eine Gesamtlänge von ca. 11,5 cm, wovon 8,5 cm auf die leicht gebogenen mit Gummigriffen überzogenen Griffe entfallen. Das eigentliche Schneidwerkzeug hat eine Klingenlänge von 14 mm. Aufgrund einer zwischen den Zangenschenkeln angebrachten Feder befinden sich diese Klingen stets im teilweise geöffneten Zustand (Spannweite ca. 1 cm). Werden die Zangenschenkel auseinander gedrückt, ergibt sich eine maximale Spannweite von 2 cm, zum Schließen der Klingen müssen die Zangenschenkel zusammen gedrückt werden. Im geöffneten Zustand sind die Klingen an der vorderen Spitze nicht abgerundet, wird der Seitenschneider in der Hand gehalten und dabei die Klingen geschlossen, bilden sie eine abgerundete Spitze.“
Unter Ziffer V. des Urteils ist ausgeführt:
„Der Angeklagte hat sich damit schuldig gemacht des Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB. Ein Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB liegt nicht vor, da der vom Angeklagten mitgeführte und zur Entfernung des Sicherungsetiketts verwendete Seitenschneider seiner objektiven Beschaffenheit nach nicht geeignet ist, im Falle seines Einsatzes gegen Personen erhebliche Verletzungen herbeizuführen.

Als Schlagwerkzeug ist der vorliegende Seitenschneider, der in einer Männerhand nahezu vollständig verschwindet, aufgrund seiner geringen Größe und des geringen Gewichtes völlig ungeeignet. Auch als Stichwerkzeug ist er nicht ernsthaft verwendbar. Um einen gezielten Stich durchzuführen, muss der Seitenschneider fest in der Hand liegen, was nur dann der Fall ist, wenn die Klingen geschlossen sind, dann vorne eine abgerundete Spitze bilden und nur in einem geringen Umfang aus der Hand ragen. Ernsthafte Verletzungen lassen sich hierdurch nicht verursachen.
Mit den Klingen lassen sich zwar Gegenstände durchtrennen – dies entspricht der Funktion des Seitenschneiders – es erscheint aber nicht möglich einem Menschen ernsthafte Schnittverletzungen zuzufügen, weil hierfür die geringe Klingenlänge des zierlichen Werkzeugs nicht ausreicht.“
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit Schreiben vom 09.05.2018, per Telefax eingegangen bei Gericht am selben Tage, Revision eingelegt und begründet.
Mit ihrer von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts.
II.
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO), aber unbegründet. Das angefochtene Berufungsurteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
Dem Angeklagten kann ein Diebstahl mit Waffen nicht zur Last gelegt werden.
1. Ein Diebstahl mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB setzt voraus, dass der Angeklagte ein gefährliches Werkzeug bei sich führt. Darunter versteht die h.M. ein Werkzeug, das generell geeignet ist, erhebliche Verletzungen des Opfers herbeizuführen, wobei die Gefährlichkeit abstrakt-objektiv – also unabhängig von einer konkreten Verwendungsabsicht des Täters – zu bestimmen ist (BGHSt 52, 257; vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. § 244 Rn. 15 und Rn. 22).
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in seinem Beschluss vom 11.12.2017 (Az.: 16 KLs 412 Js 64048/17) die Eigenschaft eines 13 cm langen und ca. 180 Gramm schweren Seitenschneiders mit einer Spannweite von maximal 2 cm und ca. 1,7 cm langen Schneidkanten als gefährliches Werkzeug verneint. Es führt zur Begründung an:
„Dass dieser Seitenschneider dadurch objektiv geeignet wäre erhebliche Verletzungen eines Menschen herbeizuführen, kann nicht festgestellt werden. Eine solche Eignung des Seitenschneiders bei einem Einsatz als Schlagwerkzeug, etwa durch Beeinträchtigung auch innerer Organe durch die Einwirkung stumpfer Gewalt, kann schon aufgrund seiner Größe und seines Gewichts sowie seiner Unhandlichkeit ausgeschlossen werden. Auch ist er bei Verwendung als Schneidwerkzeug aufgrund der kleinen, stumpfen Schneidkanten hierzu nicht geeignet. Ebenso wenig kann objektiv eine entsprechende Eignung des Seitenschneiders als Stichwerkzeug angenommen werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Zangenenden durchaus spitz sind, allerdings nur soweit sich die Zange in geöffnetem Zustand befindet. In diesem Zustand erscheint jedoch aufgrund der lockeren Verbindung der beiden Zangenschenkel und dem damit verbundenen Schlingern ein Zustechen nur schwer möglich.“
2. Die Strafkammer hat sich diesen überzeugenden Ausführungen angeschlossen und ebenfalls die Eigenschaft des Seitenschneiders als gefährliches Werkzeug verneint.
Auch der Senat schließt sich dieser Beurteilung an; unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten ist sie nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat die objektive Gefährlichkeit des Seitenschneiders unter allen relevanten Gesichtspunkten beleuchtet. Sie hatte sowohl die konkrete Beschaffenheit des Seitenschneiders (Gesamtgröße und Gesamtgewicht, Länge und Beschaffenheit der Schneidkanten und maximale Spannweite der Zangenschenkel) als auch dessen unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten als Schlag-, Schneid- und Stichwerkzeug im Blick. Die Strafkammer hat nachvollziehbar dargelegt, dass in keiner Alternative erhebliche Verletzungen herbeigeführt werden können.
3. Die Argumente der Staatsanwaltschaft führen zu keiner anderen Beurteilung. Taschenmesser mit einer feststehenden Klinge oder Schraubenzieher verfügen nämlich über eine über eine Schneidkante von lediglich 14 mm weit hinausgehende Stichlänge und liegen immer so gut in der Hand, dass der Täter mit ihnen sofort gezielt und mit Wucht auf sein Opfer einstechen kann, während beim Seitenschneider die Zangenschenkel zugleich vollständig geöffnet werden müssten – was unhandlich und zudem durch die maximale Spannweite der Zangenschenkel von nur 2 cm ohnehin stark eingeschränkt ist -, damit die Schneidkanten überhaupt wirkungsvoll zum Einsatz kommen können. Angesichts der konkreten Beschaffenheit des Seitenschneiders mit einer Gesamtgröße von lediglich 11,5 cm und mit einem Gesamtgewicht von gerade einmal 73 Gramm liegt es schließlich fern, von einer „robusten Ausführung“ bzw. von einer „Beschaffenheit aus schwerem Metall“ zu sprechen, mit der bei Schlägen auf den Kopf oder auf Knochen erhebliche Verletzungen herbeigeführt werden könnten.
III.
Die Revision ist daher als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO.

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