Strafrecht

Strafschärfende Berücksichtigung nicht angeklagter Taten

Aktenzeichen  120 Js 11152/20 jug 6 KLs

Datum:
16.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30536
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 21, § 46, § 63, § 177

 

Leitsatz

Es ist grundsätzlich zulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte noch sonstige – bisher nicht abgeurteilte – Straftaten begangen hat (hier: weitere Vergewaltigungen); dies gilt allerdings nur, wenn diese Taten prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann. (Rn. 362) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig der Vergewaltigung in drei Fällen und der besonders schweren Vergewaltigung in zwei tateinheitlichen Fällen und der sexuellen Nötigung in einem besonders schweren Fall und des sexuellen Übergriffs mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen.
2. Der Angeklagte wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren 6 Monaten
verurteilt.
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
4. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.
5. Der Angeklagte hat – soweit er verurteilt wurde – die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu tragen.
Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, fallen die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Angewandte Vorschriften:
§§ 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr.5, Abs. 5 Nr.1, Abs. 6 Nr.1, Abs. 8 Nr.1, 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 52, 53, 63 StGB

Gründe

I. Biografie
A. Persönliche Verhältnisse
Der Angeklagte wurde am 1979 in Aleppo (Syrien) als sechstes von zehn Kindern geboren und wuchs dort zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern auf. Während der Ehe seiner Eltern wurde seine Mutter von seinem Vater regelmäßig geschlagen. Es kam zur Trennung der Eheleute. Seine Mutter starb 2004 nach einer Hirnblutung in Folge eines Autounfalls, sein Vater 2015/2016.
Im Alter von sechs Jahren wurde der Angeklagte in einer Grundschule in Aleppo eingeschult, wechselte dann ab der 2. bis zur 6. Klasse auf ein Internat in Aleppo. Danach kehrte er wieder zu seiner Mutter zurück und besuchte die 7. Klasse in einer regulären Schule. U.a. aufgrund von Konflikten mit der Lehrerin brach er die Schule nach einem halben Jahr, im Alter von 13 Jahren, ohne Abschluss ab. Sodann arbeitete der Angeklagte als Maler und Bauhelfer, bis er 1996/1997 zusammen mit zwei seiner Brüder in den Libanon ging. 1998 kehrte er nach Aleppo zurück. Nachdem er seinen Wehrdienst nicht ableisten wollte, wurde der Angeklagte zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, von welcher er 7 Monate absaß. Danach leistete er 3 Jahre und 8 Monate lang seinen Militärdienst ab. Im Anschluss arbeitete er als Taxifahrer. 2007 war er ca. 14 Monate in Kreta als Maler beschäftigt, nach seiner Rückkehr nach Syrien als Taxi- und Busfahrer.
Seine Ehefrau lernte der Angeklagte im Jahr 2010 in Aleppo kennen und heiratete sie am 11.07.2011. Seine Ehefrau brachte die Kinder A, S und M mit in die Ehe. Im Januar und Dezember 2014 kamen sodann die gemeinsamen Töchter R und N zur Welt.
Im Jahr 2012 verließ er Syrien endgültig und zog in den Libanon. Dorthin holte er seine Familie nach. Sein Stiefsohn A floh 2015 nach Deutschland und 2018 zog die gesamte Familie nach. Dort wurde ihnen alsbald eine 6 – Zimmer-Wohnung in Bidingen zugewiesen, wo die Familie fortan lebte. In Deutschland lebten der Angeklagte und seine Familie von staatlicher Unterstützung.
II. Psychische Gesundheit/ Medienkonsum sexuellen Inhalts
Der Angeklagte konsumiert eine Vielzahl von Pornos mit heterosexuellem und sodomitischem Inhalt. Dies begann er im Alter von 15/16 Jahren, wobei sich die Konsumzeit auf bis zu 10 Stunden/Tag und bis zu 10-maliges Onanieren steigerte. Zwischenzeitlich verzichtete der Angeklagte nahezu vollständig auf Masturbation, setzte sein Verhalten im Alter von ca. 22 Jahren jedoch wieder fort. Seit ca. 9-10 Jahren benutzt er dafür ca. 3-4 x im Monat ein spezielles Spray, welches den Orgasmus verzögern soll. Seit der Ankunft in Deutschland konsumiert der Angeklagte wieder täglich 30-60 Minuten Pornos, teilweise auch mit sadomasochistischen Inhalten. Auch im Zeitraum der Inhaftierung konsumierte der Angeklagte regelmäßig frei zugängliche Sex-Clips.
Der Angeklagte leidet seit mehreren Jahren an einer wahnhaften Störung (ICD 10 F 22.0) mit massiv sexualisierten Inhalten. Er befand sich deshalb noch nie in ambulanter oder stationärpsychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung.
III. Vorstrafen
Im Bundeszentralregister vom 22.06.2020 sind für den Angeklagten keine Voreintragungen vorhanden.
IV. Haftdaten
Der Angeklagte befindet sich seit 20.06.2020 aufgrund der Haftbefehle des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 20.06.2020 sowie des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 26.11.2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft in der JVA Kempten.
B. Sachverhalt
I. Tatvorgeschichte
Der Angeklagte hielt sich mit seiner Familie in den Jahren 2012 bis 2018 im Libanon auf, sein Stiefsohn A nur bis 2015. Bereits während dieses Zeitraums schlug der Angeklagte seine Stiefkinder und seine Ehefrau regelmäßig. Seinen Stiefsohn, A, der in diesem Zeitraum 12 – 15 Jahre alt war, zwang er, arbeiten zu gehen, um Geld für den Familienunterhalt zu verdienen. Geschlagen wurden insbesondere die Stieftöchter M und S auch nach ihrer Ankunft in Deutschland. Dabei schlug der Angeklagte diese insbesondere mit der flachen Hand, auch ins Gesicht, und kratzte diese. Fußtritte erfolgten jedenfalls auch zu Lasten der M . Einmal – noch während des Aufenthalts im Libanon – schlug er S mit einem Stock auf den Hinterkopf.
Spätestens seit dem Aufenthalt im Libanon drohte der Angeklagte seiner Ehefrau und den Geschädigten regelmäßig damit, sie abzustechen, wenn sie seinen Forderungen nicht nachkommen wollten. In einer Vielzahl an Fällen holte der Angeklagte ein Küchenmesser aus einer Küchenschublade oder von seinem Kleiderschrank, hielt es drohend in Richtung seiner Stieftöchter und seiner Ehefrau und sagte zu ihnen, dass er sie schlachten werde. Dieses Verhalten setzte sich nach dem Eintreffen in Deutschland fort.
Spätestens seit dem Aufenthalt im Libanon fasste der Angeklagte nahezu täglich der M über der Kleidung an den Po, in den Schritt oder an die Brust. Die Zeugin entfernte jeweils die Hand des Angeklagten von ihrem Körper und sagte zu diesem, er solle weggehen. Auch S wurde vom Angeklagten in dieser Weise angefasst. Darüber hinaus zog er der Zeugin M des Öfteren die Hose herunter und lief danach weg. Dieses Verhalten setzte sich nach dem Eintreffen in Deutschland fort.
Während des Aufenthaltes in Deutschland begab sich der Angeklagte mehrfach, zu nicht mehr im Einzelnen bestimmbaren Zeitpunkten, in das Zimmer der Zeuginnen M und S, öffnete seine Hose und zeigte ihnen sein nacktes Glied. Dabei äußerte er: „Euch werde ich auch noch vergewaltigen, eure Mutter ist die Alte und verbraucht. Ich habe euch aufgenommen und ihr seid die Jungen, ich habe auch jetzt extra gewartet, bis ihr größer seid, ihr seid mein Ziel und nicht eure Mutter.“ Zudem versandte er Pornofilme per Handy an die Mädchen.
Bereits im Verlauf des Aufenthalts im Libanon kam es zu einer unbestimmten Anzahl – mindestens jedoch jeweils einmal – an analen Vergewaltigungen der Zeuginnen S und M . Diese Übergriffe fanden statt, wenn der Angeklagte mit dem jeweiligen Mädchen allein war. Dieses Verhalten setzte er in Deutschland fort. Hinsichtlich M kam es zudem zu mindestens einem weiteren Fall der vaginalen Vergewaltigung. Die Mädchen weinten oder schrien bei diesen Übergriffen. Die Zeugin S versuchte jeweils, den Angeklagten von sich zu stoßen, was ihr jedoch nie gelang. Auch der Zeugin M gelang es nicht, sich den Übergriffen des Angeklagten zu erwehren.
Bezogen auf sämtliche sexuellen Übergriffe, einschließlich der angeklagten Sachverhalte, teilte der Angeklagte seinen Stieftöchtern mehrfach mit, dass sie nichts sagen sollten, da er sie sonst schlachten oder alle umbringen werde. Er verbot ihnen auch, ihrer Mutter davon zu berichten, da diese sonst tot sei bzw. sterben werde und die Mädchen ihm gehören würden, bzw. er diese heiraten werde. Auf Ankündigungen, von den Vorfällen zu erzählen, schlug der Angeklagte die Geschädigten.
Dem Angeklagten war aufgrund all dessen bewusst, dass sämtliche sexuellen Übergriffe – gleich welcher Art – gegen den Willen der Zeuginnen erfolgten.
II. Tatgeschehen
M ist am 15.07.2005 und S am 04.04.2004 geboren. Der Angeklagte hatte im Tatzeitraum ein Körpergewicht von ca.130 kg. Die Geschädigte M wog im Tatzeitraum bei einer Körpergröße von 161 cm ca. 48 kg, die Geschädigte S bei einer Körpergröße von 165 cm ca. 45 kg.
1. An mindestens zwei nicht näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen Mai 2018 und März 2020 hielt sich der Angeklagte mit der Geschädigten S allein in der Wohnung … auf.
a) Die Geschädigte war krankheitsbedingt zu Hause und befand sich in ihrem Zimmer. Der Angeklagte fuhr an diesem Tag die Mutter der Geschädigten zum Deutschkurs, danach jedoch sogleich wieder zurück und begab sich ins Zimmer der Geschädigten. Gegen den Willen der Geschädigten führte der Angeklagte zunächst sein Glied in den Mund der Geschädigten ein. Anschließend zog er der Geschädigten die Hose und Unterhose herunter, warf die Geschädigte bäuchlings auf deren Bett, hielt ihre Hände fest und führte sein erigiertes Glied anal in die Geschädigte ein. Er penetrierte die Geschädigte, bis es zum Samenerguss kam. Die Geschädigte erlitt hierbei Schmerzen.
b) An einem anderen Tag befand sich die Geschädigte tagsüber ebenfalls allein zu Hause und in ihrem Zimmer. Ihre Mutter war wiederum abwesend. Auch an diesem Tag begab sich der Angeklagte ins Zimmer der Geschädigten. Gegen den Willen der Geschädigten führte der Angeklagte wiederum zunächst sein Glied in den Mund der Geschädigten ein, zog ihr die Hose herunter und drückte sie bäuchlings auf ihr Bett, hielt ihre Hände fest und führte sein erigiertes Glied anal in die Geschädigte ein. Die Geschädigte erlitt hierbei wiederum Schmerzen. Während der Ausübung des Geschlechtsverkehrs kehrte die Mutter der Geschädigten nach Hause zurück und betrat das Zimmer der Geschädigten, als sich der Angeklagte noch darin befand und die Geschädigte noch entkleidet war.
Die Geschädigte weinte in beiden Fällen während der Ausübung des Geschlechtsverkehrs und wehrte sich – für den Angeklagten erkennbar -, indem sie versuchte, den Angeklagten von sich zu schieben, was ihr jedoch nicht gelang.
2. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Juni 2019 und März 2020, nicht ausschließbar nach dem 14. Geburtstag von M am 15.07.2019, hielt sich der Angeklagte allein mit der Geschädigten M in der Wohnung im, 8… B1., auf. Dort packte der Angeklagte die Geschädigte von hinten und drückte sie auf das Bett, indem er mit seinem Unterarm auf den Rücken der Geschädigten drückte. Die Geschädigte versuchte zu schreien, um sich des Übergriffs zu erwehren, was der Angeklagte auch erkannte. Er schlug ihr ins Gesicht und damit sie nicht schreien konnte, drückte er ihr Gesicht auf ein Kissen. Sodann zog er ihr die Leggings herunter und führte sein erigiertes Glied vaginal in die Geschädigte ein. Er penetrierte sie, bis er zum Samenerguss kam. Die Geschädigte erlitt hierbei Schmerzen und blutete im Vaginalbereich.
3. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Mai 2018 und März 2020, nicht ausschließbar nach dem 14. Geburtstag von M am 15.07.2019, hielten sich der Angeklagte und die Geschädigten M und S allein zu Hause auf. Der Angeklagte begab sich ins gemeinsame Zimmer der beiden Mädchen. Hierbei hielt er ein ca. 20 cm langes Küchenmesser in der Hand und richtete es auf die Mädchen. Er sagte zu ihnen: „Wenn ihr etwas erzählt, werde ich euch umbringen.“ Sodann zog er beide aus. Anschließend drang er mit seinem erigierten Glied zunächst anal in die Geschädigte S, danach in die Geschädigte M ein, während die jeweils andere dem Geschehen beiwohnen musste. Bei der Tatausführung drückte der Angeklagte die Mädchen jeweils mit dem Oberkörper bäuchlings auf das Bett, hielt sie in dieser Stellung fest und drang von hinten anal in sie ein. Beide Geschädigte weinten dabei. Bei der Ausführung der Vergewaltigung der Geschädigten S legte er das Messer neben sich ab. Die Geschädigte S wehrte sich auch in diesem Fall – für den Angeklagten erkennbar -, indem sie versuchte, den Angeklagten von sich wegzudrücken, was ihr wiederum nicht gelang. Die Geschädigte M versuchte wiederum zu schreien, um sich des Übergriffs zu erwehren, was der Angeklagte auch erkannte. Er steckte er ihr sodann eine Decke in den Mund, um sie vom Schreien abzuhalten und hielt ihr während des Geschlechtsverkehrs das mitgeführte Messer an den Hals, um sie auch auf diese Weise von einer Gegenwehr abzuhalten.
4. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Mai 2018 und März 2020, nicht ausschließbar nach dem 14. Geburtstag von M am 15.07.2019, drückte der Angeklagte die Geschädigte M in deren Zimmer bäuchlings auf deren Bett und setzte sich in Kenntnis des Unwillens des Geschädigten mit unbekleidetem Unterleib auf sie. Er gab ihr eine Ohrfeige und hielt ihr ein mitgebrachtes Messer vor, um sie auf diese Weise von einer Gegenwehr abzuhalten. Er penetrierte die Geschädigte jedoch nicht, sondern ejakulierte auf deren Hose.
5. Am 19.06.2020 gegen 15:30 Uhr befand sich die Geschädigte S im Badezimmer der Wohnung,, 8… B1.. Der Angeklagte betrat das Badezimmer und fasste der Geschädigten in sexueller Absicht mit seiner flachen Hand oberhalb der Kleidung an den Genitalbereich. Die Geschädigte schrie auf und sagte, dass er von ihr weg gehen solle, sowie, dass sie allen die Wahrheit sage, wenn er das nochmal mache. Daraufhin schlug der Angeklagte mit der flachen Hand gegen den Nacken der Geschädigten, wodurch diese, wie vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen, Schmerzen erlitt. Die Geschädigte begab sich daraufhin zu ihrer Mutter in die Küche und berichtete ihr von dem soeben Vorgefallenen. Daraufhin schlug der Angeklagte, nicht ausschließbar aufgrund desselben Tatentschlusses, der Geschädigten erneut mit der flachen Hand in den Nacken, so dass diese zu Boden fiel und wodurch diese, wie vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen, ebenfalls Schmerzen erlitt.
Die Staatsanwaltschaft hält – soweit erforderlich – aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
6. Die Geschädigten S und M leiden in psychischer Hinsicht bis zum heutigen Tag unter den Nachwirkungen der Taten. Am Hymenalsaum der Geschädigten M befindet sich zwischen „5 und 6 Uhr“ in Steinschnittlage eine tiefe Kerbe, die 70% des Hymenalsaums umfasst. Sowohl die Geschädigte als auch ihre gesamte Familie empfindet die Beschädigung des Hymens als große Schande.
Der Einriss des Hymens wurde durch eine der vaginalen Penetrationen des Angeklagten verursacht.
III. Schuldfähigkeit
Der Angeklagte litt in den Tatzeiträumen unter einer wahnhaften Störung (ICD 10: F 22.0). Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit war die Fähigkeit des Angeklagten, entsprechend dieser Einsicht zu handeln, i.S.d. § 21 StGB sicher erheblich vermindert. Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit war jedoch nicht gegeben. Nach Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten und seiner Taten besteht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Angeklagte auch in Zukunft infolge seiner Erkrankung vergleichbare erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch und/oder körperlich erheblich geschädigt werden, begehen wird.
C. Beweiswürdigung
I. Einlassung des Angeklagten
1. Einlassung in der Hauptverhandlung
Der Angeklagte ließ sich dahingehend ein, dass die Anklagevorwürfe sämtlich nicht stimmen würden. Das seien alles nur „Geschichten“ über ihn. Er werde nur manchmal aggressiv und schlage dann.
Richtig sei einzig und allein, dass er seiner Stieftochter S am 19.06.2020 einen Schlag in den Nacken gegeben habe. Dies seien jedoch keine „Schläge“ gewesen, sondern er habe dies „als Vater“ und „aus Spaß“ gemacht. Sodann sei S zu ihrer Mutter in die Küche gelaufen, habe dort ihre Jacke aufgemacht und ihre Brüste entblößt. Dann habe sie die Jacke wieder zugezogen.
Auf Nachfrage warum er S geschlagen habe, gab er an, er sei auf diese wütend gewesen, weil er mit ihr einmal bei einer Fahrt nach Kaufbeuren im Auto gestritten habe. Auf nochmalige Nachfrage gab er an, dass sie einmal ihren Onkel H getroffen habe, welcher sie gegen den Angeklagten aufgehetzt habe. Dann wiederum gab er an, er habe sie geschlagen, weil sie sich nackt gemacht habe und weil sie ihn damit bedroht habe, dass sie „etwas gegen den Angeklagten mache“.
Der Angeklagte äußerte sich zudem dahingehend, dass er die Geschädigte M im Alter von ca. 11 Jahren, zu der Zeit, als sich die Familie im Libanon aufgehalten habe, mit seinem Penis vaginal penetriert habe. Er habe jedoch keinen Sex mit ihr gehabt oder mit ihr geschlafen. Sein Glied sei rein zufällig und auch nur für ganz kurze Zeit in ihre Vagina gerutscht.
Dabei sei gleich eine Flüssigkeit aus ihrer Vagina gelaufen.
Während des Aufenthalts in Deutschland habe er dagegen nichts gemacht. M habe ihm zwar angeboten, er könne alles mit ihr machen und sie wolle mit ihm schlafen, aber er habe abgelehnt. Der Grund für ihr Angebot sei gewesen, dass sie im Gegenzug ihren Freund habe treffen wollen.
Der Angeklagte äußerte sich auch dazu, dass das Jugendamt die Mädchen einmal in Obhut genommen habe. Bei der gerichtlichen Anhörung, so der Angeklagte, hätten sich jedoch alle versöhnt und seien glücklich wieder nach Hause gegangen. Nur sein Schwager H habe zu seinem Nachteil intervenieren wollen. Die Richterin habe ihn jedoch von der Anhörung weggeschickt.
Im Übrigen habe sein Schwager bereits 2018 angekündigt, dass er die ganze Familie gegen den Angeklagten aufhetzen wolle. Er habe mit diesem bereits seit der Zeit im Libanon Probleme, da Gerüchte aufgekommen seien, dass er eine Affäre mit der Ehefrau des H gehabt hätte. In Deutschland habe er den Angeklagten auch mehrfach bedroht. Er glaube deshalb, dass H hinter den ganzen Vorwürfen stecke. Auch seine Schwiegermutter sei zu ihm aggressiv gewesen und habe ihn bedroht.
Hinsichtlich des Vorwurfs, der Angeklagte habe eine seiner Stieftöchter angerufen und bedroht, während diese bereits bei der Polizei waren gab der Angeklagte zunächst an, nicht er, sondern H habe die Mädchen angerufen. Später räumte er im Widerspruch hierzu ein, doch selbst angerufen zu haben. Hierzu gab er an, dass niemand rangegangen sei, weil sie, so wörtlich: „davon ausgehen, dass ich aggressiv bin“.
In seinem letzten Wort äußerte er schließlich, dass seine Ehefrau im Libanon als Prostituierte gearbeitet und dafür viel Geld erhalten habe.
2. Einlassung im Rahmen der Explorationsgespräche gegenüber dem Sachverständigen Der Sachverständige schildert in der Hauptverhandlung zeugenschaftlich, dass der Angeklagte ihm gegenüber Angaben gemacht habe und gab diese der Kammer gegenüber glaubhaft wider.
a) Angaben zur eigenen psychiatrischen Familiengeschichte So habe sich der Vater des Angeklagten in der Psychiatrie befunden, weil man bei ihm einen jüdischen Reisepass gefunden und anschließend gefoltert habe. Danach sei der Vater „durcheinander“ gewesen. Nachdem sein Vater versucht habe, seine Mutter umzubringen, hätten sich die Eheleute ca. 1989/1990 getrennt. Sein Vater sei sodann zur Großmutter des Angeklagten gezogen, welche er 6 Monate später, in Anwesenheit des Angeklagten, getötet habe, indem er ihr den Kopf abtrennte. Sein Vater habe sodann, während er sich in einer Psychiatrie befunden habe, 2015/2016 Suizid in der Form begangen, dass er sich in die Luft gesprengt habe.
Des Weiteren soll sein Bruder U sich nicht wohl gefühlt haben, weil er seine 16-jährige Tochter und den 18-jährigen Sohn beim inzestuösen Sex beobachtet habe. Daraufhin habe dessen Ehefrau versucht, ihn aufhängen zu lassen und sei mittlerweile mit 5.000 US-Dollar in die Türkei verzogen. Sein Bruder habe danach mehrfach versucht, sich umzubringen. Hierzu habe der Angeklagte auch angegeben, dass seine Ehefrau behaupte, diese Geschichte sei erfunden, der Angeklagte wisse jedoch, dass sie zutreffend sei.
Selbst habe er im Alter von 18 Jahre einmal versucht, sich zu suizidieren, weil er unglücklich verliebt gewesen sei. Er habe sich dabei mit einem Feuerzeug die Hand verbrannt und überlegt, von einem Dach zu springen, es aber dann doch nicht gemacht. In psychiatrischer Behandlung sei er nie gewesen, seine Ehefrau habe ihm im Sommer 2019 jedoch geraten, ins Bezirkskrankenhaus zu gehen. Sie habe ihm allerdings keinen Grund dafür genannt.
b) Angaben zu den ihm vorgeworfenen Taten
Der Sachverständige schilderte, dass der Angeklagte auch ihm gegenüber die angeklagten Taten geleugnet habe. Einzig zutreffend sei, dass er S am 19.06.2020 in den Nacken geschlagen habe.
Der Angeklagte meine, dass H hinter den Anschuldigungen stecke. Dieser habe ihm bereits im Libanon wegen eines Familienstreits gedroht, ihn umzubringen, ihn 2018 auch geschlagen und nach dem Termin mit dem Jugendamt damit gedroht, die Kinder gegen ihn aufzuhetzen. So sei es auch H Y gewesen, der am 19.06.2020 während der Anzeigeerstattung eines der beiden Mädchen angerufen habe.
c) Angaben zum Verhältnis zur Familie
Zur Beziehung zu seiner Frau und den Stieftöchtern habe der Angeklagte – so der Sachverständige – angegeben, dass er die Zeugin Y eigentlich gar nicht habe heiraten wollen. Er habe nur jemanden für den Sex gewollt und, dass jemand für ihn arbeiten geht. Sie habe behauptet, dass ihr Ex-Mann die Kinder habe umbringen wollen, deshalb habe sie Angst gehabt.
Er vermute aber, dass seine Frau stattdessen ihren Bruder beauftragt habe, ihren Ex-Mann umzubringen. Der Bruder habe es auch zugegeben und A habe seiner Mutter auch einmal vorgeworfen, den Vater getötet zu haben.
Seine Stieftöchter habe er nicht geschlagen. 2018 sei es einmal dazu gekommen, dass das Jugendamt eingeschaltet worden sei. Jedoch habe damals nicht er die Kinder geschlagen, sondern sein Schwager H .
Seine Stieftochter M habe bereits zwei Freunde – aus Hannover und Frankfurt – gehabt, mit denen die Eltern nicht einverstanden gewesen seien. S habe ebenfalls einen Freund.
Zu seinen leiblichen Kindern habe der Angeklagte erklärt, dass N seine Lieblingstochter sei.
Seine Ehefrau habe diese jedoch abtreiben lassen wollen und sich dafür bereits für 100 € eine Abtreibungstablette gekauft. Damit sei er nicht einverstanden gewesen.
d) Angaben zur Sexualität und zum eigenen Sexualverhalten
Der Angeklagte habe in Bezug auf Sexualität in seinem Lebenslauf berichtet, dass er während seines Internat-Aufenthaltes sexuelle Handlungen habe beobachten können. So seien zwar Jungen und Mädchen voneinander getrennt gewesen, jedoch hätten größere Jungs mit kleineren Sex gehabt und ihnen dafür Süßigkeiten und Geld gegeben. Auch das Personal habe untereinander Sex gehabt. Einmal habe ein 16-jähriger Junge mit dem Angeklagten Sex haben wollen, als er 12 Jahre alt gewesen sei. Er habe diesem Jungen mit der Faust ins Gesicht geschlagen und sei daraufhin in Ruhe gelassen worden. Er habe noch nie homosexuelle Interessen gehabt.
Im Alter von 16/17 Jahren habe er erstmals eine Freundin gehabt, mit der es aber nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Dennoch sei es bei Umarmungen zu einem Orgasmus seinerseits gekommen. Nach drei Jahren Beziehung habe er sie mit einem anderen Mann erwischt, als sie sich gerade ausgezogen habe. Der Angeklagte habe seine Freundin daraufhin mit dem Handrücken geschlagen und die Beziehung beendet. Sodann habe er eine Beziehung mit der jüngeren Schwester der Ex-Freundin begonnen, welche aufgrund der Einziehung zum Militärdienst beendet worden sei.
Seinen ersten Geschlechtsverkehr, der vaginal ausgeführt worden sei, habe der Angeklagte im Alter von 16 Jahren mit einer Prostituierten erlebt. Während seines Aufenthalts in Griechenland sei er einmal im Monat bei Prostituierten gewesen und habe mit diesen vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt.
Weiter habe er angegeben, dass es nur nach dem Willen seiner Ehefrau Sex mit dieser gegeben habe und zwar einmal pro Woche, sowohl Vaginal- als auch Analverkehr. Dies sei ihm jedoch zu wenig gewesen. Gefilmt habe er den Geschlechtsverkehr auch. Nach der Geburt von N. habe es auf Wunsch der Ehefrau nur noch Anal- oder Oralverkehr gegeben. Seine Ehefrau habe sich dabei auch zweimal die Oberschenkelrückseiten mit Kot eingeschmiert. Im Jahr 2020 habe sie ihm wegen eines Streits auch einmal in den Mund koten wollen.
Zu einem anderen Zeitpunkt der Exploration habe der Angeklagte jedoch erklärt, dass seine Ehefrau keinen Geschlechtsverkehr mehr wolle und er deshalb wieder pornographische Filme konsumiert habe.
Er habe zwar täglich Pornos konsumiert, aber nur ein bis zweimal/Woche dabei onaniert und die gebrauchten Papiertaschentücher dann auf den Schrank geworfen.
e) Angaben zu sexuellen Übergriffen auf die Geschädigten
Weiter habe der Angeklagte berichtet, dass M im Juli 2017 zu ihm gesagt habe, dass er einen riesigen Penis habe und sie ihn beim Sex mit der Mutter beobachtet habe. M sei zu diesem Zeitpunkt 11 Jahre alt gewesen. Er habe M einen Tag danach dann „aus Spaß“ drei Finger in den After geschoben. Das sei ein Test gewesen, weil er gedacht habe, dass ein Nachhilfelehrer M missbrauche.
Einen weiteren Tag später sei er, nach dem Konsum von Whisky, betrunken gewesen. Er habe zunächst alle weiteren anwesenden Kinder aus dem Zimmer geschickt und dann M aufgefordert, sich nackt auf eine Matratze zu legen. Er habe sich die Hose ausgezogen. M habe sodann hinter sich gegriffen und seinen erigierten Penis bei sich in die Vagina, anstatt in den Anus eingeführt. Dabei habe er ein Geräusch gehört, „als ob etwas gerissen sei“ und es sei eine gelb-rote Flüssigkeit aus der Scheide gelaufen. M habe dies freiwillig gemacht und die Initiative sei von ihr ausgegangen, da sie in sexueller Hinsicht schon viel gesehen und gehört habe.
Während der Angaben des Sachverständigen in der Hauptverhandlung hierzu hob der Angeklagte die rechte Hand, führte Daumen, Zeige- und Mittelfinger zusammen und zeigte die entsprechende Handhaltung der analen Penetration.
Der Sachverständige führte weiter aus, dass der Angeklagte ihm gegenüber angegeben habe, dass dieser im Jahr 2019, kurz nach dem Termin beim Jugendamt, seiner Ehefrau berichtet habe, dass er M „entjungfert“ habe. Damals sei für einen kurzen Zeitraum von Trennung die Rede gewesen.
Weiter habe der Angeklagte dem Sachverständigen gegenüber mitgeteilt, dass sich ihm M im Februar 2020 darüber hinaus während einer Spazierfahrt mit dem Auto in einen Wald zum Sex angeboten habe. Sie habe sich die Hosen ausgezogen und sich über ein Brückengeländer gebeugt. Der Angeklagte habe daraufhin onaniert und ihr auf den Oberschenkel ejakuliert. M habe sich damit bei ihm für den positiven Verlauf der vergangenen Tage/Wochen bedanken wollen.
Im Hinblick auf S habe der Angeklagte im März 2020 beobachtet, dass diese ihren Bruder oral befriedigt habe. Als Nachweis dafür habe er angegeben, dass er in A Zimmer einen nassen Brief und ein nasses T-Shirt auf der Heizung gefunden habe, das voll Sperma gewesen sei. Darüber hinaus habe seine Tochter N ihn kurz vor seiner Verhaftung gefragt, ob sie mit ihm das gleiche Spiel spielen solle, wie mit Abdallah, so dass er davon ausgehe, dass A mit N Sex gehabt habe.
Abschließend habe der Angeklagte geäußert, dass er seiner Familie vergebe, auch wenn diese einen großen Fehler gemacht habe.
3. Weitergehende Angaben des Angeklagten in den der Kammer/Staatsanwaltschaft übersandten, Briefen
Der Angeklagte schrieb aus der Untersuchungshaft heraus eine Vielzahl an Briefen, die an das Landgericht bzw. die Staatsanwaltschaft adressiert waren. Diese wurden allesamt übersetzt und im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt.
a) In einem undatierten Brief, der im Dezember bei Gericht einging (Bl.410 d.A.), schlug der Angeklagte vor, Freunde von H zu befragen, da er diese verdächtige, der Organisation „Islamischer Staat“ anzugehören.
Darüber hinaus wiederholte er seine Überzeugung, dass die Geschädigte Y ihren ExMann durch ihre Brüder und weitere Verwandte habe umbringen lassen. Zudem bezichtigte er sie, Milch gestohlen und in diese uriniert zu haben. Er schrieb dazu: „…Es gibt eine andere Geschichte über meine Frau mit der Milch. Sie hat Milch geklaut und in die Milch uriniert, in dem Dorf Bedinfen (Anmerkung der Kammer: gemeint ist Bidingen) auf einem Bauernhof in der Nähe von der Wohnung“.
b) In dem beigefügten Schreiben an die Staatsanwaltschaft (Bl.411 d.A.) gibt er u.a. an, seine Ehefrau würde die kurdische Partei PKK unterstützen und beim Roten Kreuz, zusammen mit ihren Töchtern, Kleidung stehlen. So schreibt er dazu u.a.: „Sie gehen hinein, angeblich um Kleider anzuprobieren, aber jede von ihnen lässt die Kleidung an, mehr als 5 Lagen aufeinander, auch Unterwäsche und BH´s…Sie können den Ladenbesitzer fragen. Sie hat die Preise manipuliert. Wenn ein Kleidungsstück 20 € kostet und darauf steht ein X, mach sie 5 oder 6 € daraus…“
c) Im Schreiben vom 11.01.2021 (Bl.427 d.A.) schildert der Angeklagte u.a. den Vorfall, bei welchem sich die Geschädigte M ihm angeboten haben soll, wie folgt: „Sie sagte zu mir, dass ich herkommen und mir nehmen solle, was ich möchte, so wie sie es mir versprochen hat. Sie überlasse mir ihre Vagina oder ihren Hintern. Ich bin hinterher gegangen, aber ich hatte keinen Verkehr mit ihr. Ich habe lediglich nur auf ihre Vagina gespuckt und mir einen auf ihrem rechten Bein runtergeholt. Sie war 14,5 Jahre alt, eine 14,5-jährige versteht alles. Dankeschön.“
Darüber hinaus erhebt der Angeklagte im selben Schreiben gegenüber H mit dem einleitenden Wortlaut: „Was die Verbrechen des Psychokranken H J und seines Bruders, F J (gemeint sind H und F f), angeht…“ Anschuldigungen. So würden er und ein Freund dessen Ehefrau und anderen Personen das Autofahren beibringen, um Geld für die Fahrschule zu sparen. Die Kammer geht davon aus, dass er damit einen Verdacht der Begehung eines Vergehens nach § 21 Abs. 3 StVG zum Ausdruck bringen wollte. Darüber hinaus bezichtigt er H der Schwarzarbeit und seine anderen Schwager F der Wilderei.
d) In einem weiteren Schreiben vom selben Tag (Bl. 428f d.A.) berichtete er, verschiedene Familienmitglieder hätten ihm gedroht. So schreibt er: „Wir sind zuerst am Flughafen in Rumänien gelandet. Dort am Flughafen hat mich meine Frau R bedroht. Sie hat gesagt, dass sie mich hier in Deutschland ins Gefängnis schickt bis ich alt und kaputt bin. Ihr Bruder, H, hat mir zweimal damit gedroht mich im Wald zu töten. Er wollte mich in den Wald werfen. … Er hat erzählt, dass er auch jemanden anheuern wolle, der meinen Bruder, Mo, im Wald töten wird. Und tatsächlich hat jemand meinen Bruder angerufen und ihn in die Wälder in Nürnberg gelockt mit der Behauptung ein Auto zu kaufen. Mein Bruder war dort, aber er hat keinen gesehen und kam danach nach Hause …“
Weiter schreibt er:
„S hat einen Liebhaber, sprich einen Freund und der heißt S. Sie trägt ein Tattoo mit dem Buchstaben S für S auf ihrer Hand. Sie hat mir gesagt, dass ihr Schatz, S, von ihr verlangt hat, dass sie mich tötet…”
Weiter berichtet er von einer Zusammenkunft der Familie samt den Familien der Brüder seiner Frau und davon, dass der Zeuge A ein Foto eines Verbrechers aus Kaufbeuren herumgezeigt habe und gesagt habe H würde diesen Mann kennen. Zudem sei davon gesprochen worden, dass die Geschädigte Y als Krankenpflegerin zu alten, schwachen Menschen gehen solle, um so zu wissen, „was es in deren Wohnungen gebe“. Weiter berichtet er davon, dass seine Schwiegermutter seiner Ehefrau die Telefonnummer eines Menschenschmugglers gegeben habe. Daran anschließend berichtet er von einem Vorfall, bei welchem F einen Diebstahl begangen habe und er bei diesem im Auto mit anwesend gewesen sei. Abgeschlossen wird der Brief des Angeklagten damit, dass dieser schreibt, F und H seien zwei Monate später nach Stuttgart gefahren, um Schuhe zu kaufen und später nach Köln oder Bochum und dass sie ihn dergestalt angelogen hätten, dass sie gesagt hätten, sie seien mit dem Zug gefahren.
e) In einem weiteren Schreiben vom selben Tag (Bl.430 d.A.) schreibt er beispielsweise: „Ich habe das Handy von S zerstört, weil sie damit Mitgliedern von der libanesischen Hisbollah gesprochen hat. … ich versteckte es hinter dem Schrank“, sowie: „Ich habe mich im Zimmer eingeschlossen, dort habe ich Pornofilme geschaut und habe mich danach mit Taschentüchern abgewischt. … die Tücher habe ich hinter den Schrank geworfen.“ Er schildert dort weiter, dass er ein Messer auf den Deckenschrank gelegt habe, damit seine jüngeren Töchter nicht damit spielen. Dabei habe M ihn gesehen. Zu einem Dildo, der bei einer erfolgten Wohnungsdurchsuchung aufgefunden wurde, schrieb er:
„… Als ich mit meiner Ehefrau und Mu aus Kaufbeuren zurückkam, haben wir es auf der Mülltonne gesehen. Die Eigentümerin I hat es auch gesehen und hat A darauf angesprochen. Sie sagte zu ihm, bewahrt es vorübergehend auf.“ Er schrieb weiter: „Wir haben es auf den Schrank gelegt bis die Einladung zum Grillen stattgefunden hat, und zwar eine Woche bevor ich ins Gefängnis kam. Der erste, der die Verpackung, in der das Glied drin war, gefunden hat, war H . Also ich habe keine Ahnung, wer es geschickt hat und wusste nicht, was überhaupt in der Verpackung war.“
U.a. schildert er auch Anrufe bei seinen Stieftöchtern vom 19.06.2020. Er gibt an: „Erst mal habe ich A angerufen, aber er hat nicht abgenommen. Dann habe ich die Mädchen angerufen, jedoch sind sie ebenso nicht dran gegangen. Das heißt, dass ich keinen bedroht habe, weder meine Töchter noch deren Mutter“.
Darüber hinaus schreibt der Angeklagte u.a. folgendes:
„Was das Entjungfern von M betrifft. Ich habe meine Ehefrau von der Sache erzählt. … Ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Tochter M im Libanon entjungfert habe. …Also im Jahr 2017 … Zu dem Zeitpunkt war ich betrunken, aber ich hatte keinen Geschlechtsverkehr mit ihr. Meine Frau R hat geweint und fragte mich, ob ich von außen an ihr gespielt habe, also ob ich sie gebürstet oder ob ich es mit der Hand gemacht habe. Ich habe ihr gesagt, dass es nicht meine Absicht war sie zu verletzen. Es ist wegen des Trinkens von Whisky und Schnaps passiert.“
Weiter bestreitet er, seien Frau bedroht zu haben, vielmehr ziehe diese bei einem Streit ein Küchenmesser raus. Zudem habe seine Frau von ihm Analverkehr verlangt und damit eine weitere Schwangerschaft verhindert. Er fährt fort mit der Schilderung, dass die Ehefrau von H mit einem seiner Brüder in ein Auto gestiegen sei und in ein Hotel im Libanon eingeladen worden sei. Dies habe er H gesagt. Deswegen sei dieser dem Angeklagten gegenüber hasserfüllt und habe von R verlangt, sich scheiden zu lassen, um sich zu rächen.
Sodann bezieht sich der Angeklagte ausführlich auf den Vorfall vom 19.06.2020 zu Lasten der S, in welchem er den Schlag auf den Nacken, „Nackenklatscher“, einräumt. Weiter schildert er, S sei zu ihrer Mutter in die Küche und habe dort ihren Schlafanzug von ihren Brüsten gezogen, den Reißverschluss jedoch wieder geschlossen, als sie ihn gesehen habe. Seine Ehefrau habe verlangt, dass er sich entschuldige und S habe ihn mit dem Satz „Bald wirst du es sehen!“ Bedroht. Deshalb sei er nervös und wütend gewesen und habe ihr in Anwesenheit seiner Ehefrau eine Ohrfeige verpasst.
f) Im Schreiben vom 22.01.2021 (Bl.439 d.A.) schildert der Angeklagte zunächst die Bekanntschaft mit dem Zeugen Al während der Inhaftierung und schrieb u.a.:
„Mein Herr, in den zwei Monaten oder länger, in denen ich die Zeit mit den beiden verbrachte, erfuhren sie alles über mich, da ich nichts zu verbergen hatte.“
Der Angeklagte schrieb weiter, dass der Zeuge ihm angeboten habe, Geschäfte mit seinem Auto zu machen, was er aber abgelehnt habe. Dazu schreibt er:
„Da habe ich gerafft, dass er ein Betrüger und Schwindler war.“
Weiter schreibt er über den Zeugen: „da hatte er mir angeboten, A zu töten. Dafür sollte ich ihm das Auto geben. …“
Darüber hinaus habe der Zeuge von Racheplänen dahingehend berichtet, einen Memminger Staatsanwalt verletzen bzw. töten zu wollen. Daraufhin bittet der Angeklagte, die Kommunikation des Zeugen sowie dessen Bruder sowie von R und A zu überwachen. Er schreibt: „Mein Herr Richter, ich habe eine Bitte an Sie, ich bitte Sie, ich bitte Sie mir zuzuhören. Von diesem Zeitpunkt an bis zu dem Tag meines Prozesses sollten die Briefe von Majeed und die Bewegungen seines Bruders, oder sein Telefon und das Telefon meiner Ehefrau R und ihr Sohn A abgehört werden. Vielleicht kooperieren sie zusammen oder mit H, da er öfter in diesen Ortschaften war. Vielleicht kennen sie sich … und sie versuchen mir eine verbrecherische Tat oder eine Sache, die ich nicht getan habe, anzuhängen. … Ich war nicht in Memmingen mit meinem Auto, niemals, niemals. Dankeschön, mein Herr. Bitte, beobachten sie ihn im Gefängnis. Er wird sich bestimmt im Gespräch irgendwie vor jemanden ihrerseits verraten.“
g) In einem weiteren Schreiben vom 01.03.2021 (Bl.443 d.A.) behauptet er einen sexuellen Übergriff einer Frau auf A, als dieser 15 Jahre alt gewesen sei. Er schreibt: „Als wir ihn nach Deutschland schickten, war er ein Minderjähriger von 15 Jahren. Er wurde einem Heim für Minderjährige in der Stadt Füssen, an der Grenze zu Österreich zugeteilt. Er schlief in einem alten Haus neben dem „Schloss der 7 Zwerge“ in Füssen. Für ihn und mehrere andere Minderjährige war eine Frau von 50 Jahren oder älter verantwortlich. Sie kam zu ihm ans Bett während er schlief, ergriff seinen Penis und saugte daran mit ihrem Mund bis er einen Samenerguss in ihren Mund hatte.“ Des Weiteren habe ihm A erzählt, dass er drogenabhängig und in einer Klinik untergebracht geworden sei. Diesen Brief schließt der Angeklagte mit folgenden Worten: „Als ich beim Psychiater in Kaufbeuren war. Es war ein Mittwoch. Ich schaute nach dem Zimmer von Al . Der schaute mich an und gab mir Zeichen mit den Händen, (bye,bye), deine Frau hat Wasser getrunken, d.h. er bewegte sein Hand zu seinem Mund und richtete seinen Mittelfinger auf mich.“
h) In einem weiteren Schreiben (Bl.445 d.A.) äußerte er die Befürchtung, der Zeuge Al könne dafür sorgen, dass alles Hab und Gut seiner Familie gestohlen werde, schließlich habe er dem Zeugen seine ganze Lebensgeschichte erzählt.
II. Persönliche Verhältnisse
1. Biografie
Die Feststellungen beruhen auf den insofern zeugenschaftlich erfolgten, glaubhaften Ausführungen des Sachverständigen O . Der Sachverständige hatte, wie er im Rahmen der Erstellung seines Gutachtens gegenüber der Kammer angab, den Angeklagten persönlich exploriert und hierbei auch zu dessen Lebenslauf befragt. Die vom Angeklagten dabei gemachten Angaben führte der Sachverständige gegenüber der Kammer aus.
Die Kammer hatte insoweit keinen Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten – insbesondere zu seinem beruflichen Vorleben und der Übersiedlung in den Libanon und nach Deutschland – in Zweifel zu ziehen. Solche wurden auch durch keinen der Prozessbeteiligten geltend gemacht.
2. Medienkonsum sexuellen Inhalts
Die Feststellungen hierzu beruhen ebenfalls auf den insofern zeugenschaftlich erfolgten, glaubhaften Ausführungen des Sachverständigen O, dem gegenüber sich der Angeklagte hierzu geäußert hat. Die Angaben des Angeklagten hierzu sind auch glaubhaft, da sowohl seine Ehefrau als auch der Zeuge Al ein entsprechendes Verhalten beobachten konnten und dies der Kammer gegenüber bestätigten.
So gab der Zeuge Al an, der Angeklagte habe in Haft oft, wenn auch nicht täglich, nachts Sexfilme über den Kanal Sport1 geschaut und dabei masturbiert, was dazu geführt habe, dass es in der Zelle gestunken und der Angeklagte Spermaflecken auf der Kleidung gehabt habe.
Die Zeugin Y gab dazu an, dass der Angeklagte auch Telefonsex oder Sex über Videochats gehabt habe.
Dies wird weiter gestützt durch die Angaben des Zeugen A, der angab, dass er mehrfach bei Internetnutzung die zuvor vom Angeklagten geöffneten Seiten gesehen habe, und es sich dabei um Pornoseiten gehandelt habe.
3. Voreintragungen
Die Feststellung zu den Voreintragungen beruht auf der Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs vom 22.06.2020.
III. Sachverhalt
1. Tatvorgeschichte
Die Feststellungen zur Tatvorgeschichte beruhen im Wesentlichen auf den Angaben der Geschädigten M und S, welche am 19.06.2020 polizeilich vernommen wurden. Darüber hinaus wurde durch die Ermittlungsrichterin am 11.08.2020 eine audiovisuelle Zeugeneinvernahme durchgeführt. Diese wurde gem. § 255a StPO durch Vorführung in die Hauptverhandlung eingeführt. Die Angaben von S wurden überdies durch eine audiovisuelle Vernehmung in der Hauptverhandlung i.S.v. § 247a StPO ergänzt. Über die Angaben der Geschädigten in ihrer polizeilichen Einvernahme hat die Zeugin KHKin B glaubhaft berichtet. Überdies wurden die Protokolle zur polizeilichen Einvernahme zur Ergänzung der ermittlungsrichterlichen audiovisuellen Zeugenvernehmung und zur Überprüfung der Aussagekonstanz, in der Hauptverhandlung verlesen. Die geschädigten Zeuginnen waren dabei glaubwürdig und ihre Angaben glaubhaft. Zur Begründung hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen in Ziff. C.III.4. verwiesen.
Die Feststellungen über den Zeitraum des Aufenthalts der Familie im Libanon und den Zeitpunkt der Übersiedlung nach Deutschland beruhen vorwiegend auf den Angaben der Zeugin Y, des Zeugen A und des Angeklagten selbst. So schilderte die Zeugin Y, dass sie den Angeklagten im Juli 2011 in Syrien geheiratet habe. 2012 sei die Familie in den Libanon gegangen und 2018 nach Deutschland, mit Ausnahme des Zeugen A, der bereits 2015 nach Deutschland geflohen sei. Die Geschädigten waren in diesem Zeitraum 8- 14/15 Jahre (S) bzw. 7-13 Jahre (M) alt.
a) Dazu, dass der Familienalltag durch Gewalt seitens des Angeklagten geprägt war, schildert S in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung: „Er hat uns immer geschlagen, hat uns gequält und wir hatten niemanden, wo wir uns beschweren konnten. Im Libanon war ich so um die 8, 9 Jahre alt. Mit mir und meiner Schwester hat er Sachen gemacht, Sex mit uns gemacht und dann sind wir hierhergekommen und dann hat er weiterhin das mit uns gemacht und hat uns bedroht, wenn ihr das jemandem erzählt, werde ich euch schlachten, werde ich euch umbringen. Wenn ihr es jemanden sagt, wird eure Mutter sterben und ich heirate dich oder deine Schwester. Im Libanon haben wir niemand erzählt, …“ Weiter schilderte sie dazu: „Einmal hat er mich mit einem Stock am Hinterkopf geschlagen, das war aber nicht hier in Deutschland.“ Darüber hinaus gab sie mit den Worten: „Er hat uns oft geschlagen. Er hat mich zweimal geschlagen, einmal hat er mir eine Ohrfeige gegeben. Er hat mich nur mit der Hand, nicht mit Gegenständen geschlagen.“ ebenfalls an, dass sich das Verhalten auch in Deutschland fortgesetzt habe.
Auch die Geschädigte M gab an: „Er hat mich gekratzt, geohrfeigt, er hat mich mit seinem Fuß getreten. Mal hat er mich in den Bauch geschlagen. Mit Gegenständen hat er mich nicht geschlagen, nur mit der Hand. Er hat uns immer geschlagen. Er mag uns nicht, er liebt uns nicht.“
Diese Angaben werden gestützt durch die Angaben des Zeugen A.
Dieser gab zunächst generell an, dass der Angeklagte die Geschädigten und auch deren Mutter häufig geschlagen und bedroht habe. Er habe zum einen die häufig vorkommenden Streitigkeiten und Schläge mitgehört und vereinzelt auch gesehen, wie der Angeklagte geschlagen habe. Auch ihn selbst habe der Angeklagte geschlagen, als er noch kleiner gewesen sei und vor seiner Flucht nach Deutschland auch dazu gezwungen, arbeiten zu gehen. Die Streitereien zwischen dem Angeklagten und R würden meist daraus resultieren, dass der Angeklagte seiner Frau unbegründete Vorwürfe machen würde. Beispielsweise behaupte er aus Eifersucht, dass sie etwas mit einem anderen Mann hätte. Diese Streitereien würden ebenfalls oft mit Tätlichkeiten enden.
Die Angaben werden weiter gestützt durch die Angaben des Zeugen Al . Dieser schilderte gegenüber der Kammer, dass der Angeklagte ihm in der Haft berichtet habe, dass er die Mädchen M und S im Libanon gezwungen habe, seine Arbeit – Hausmeistertätigkeit – zu verrichten und er die Kinder, wenn sie Fehler gemacht hätten, geschlagen habe.
Hieraus zieht die Kammer den Schluss, dass der Familienalltag, jedenfalls seit der Zeit im Libanon von gewalttätigen Handlungen des Angeklagten geprägt war, welche sich sowohl auf die Geschädigten als auch seine Ehefrau richteten, und in jungem Alter auch gegen seinen Stiefsohn.
b) Dazu, dass der Angeklagte gegenüber den Geschädigten und seiner Ehefrau Drohungen ausgesprochen hat und dabei auch ein Messer benutzte, gab die Geschädigte S an: „Die Mutter hat ihn dann gefragt: warum hast du das gemacht? Dann hat er das Messer herausgezogen und gesagt, wenn du jemandem was sagst, werde ich jemand von euch töten.“ An anderer Stelle berichtete sie: „Als er gesehen hat, dass das meine Mutter gesehen hat, hat er das Messer vom Schrank genommen und gesagt, wenn ich was höre, dass jemand das erfahren hat, dann töte ich dich und deine Mutter.“
Bereits in ihrer polizeilichen Vernehmung gab sie an, dass er sie bedroht habe. Wenn sie was sagen, würde er alle töten. So habe er gesagt: „Pass auf, wenn du was sagst, dann komme ich mit dem Messer und bringe dich und deine Schwester um.“
In ihrer ergänzenden audiovisuellen Zeugenvernehmung gab sie darüber hinaus an, dass der Angeklagte, sofern er ein Messer verwendete, dieses entweder aus der Küchenschublade geholt habe oder es zuvor auf seinem Kleiderschrank deponiert habe, von welchem er es dann herunternahm.
Auch die Geschädigte M berichtete, dass der Angeklagte sie erpresst habe, sie solle nichts sagen, sonst werde er sie schlachten. Er habe sie auch geschlagen, weil sie gesagt habe, sie sage das ihrer Mutter. In ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung gab sie dazu an: „Er hat gedroht, falls ihr etwas eurer Mutter sagt, dann ist die Mutter tot und ihr gehört mir. Er hat auch gedroht, dass wir geschlachtet werden.“ Weiter äußert sie sich: „Ich habe vor meinem Stiefvater Angst und ich nehme die Drohungen ernst. Sein Vater hat seine Mutter vor seinen Augen getötet.“
Auch diese Angaben werden gestützt durch die Angaben des Zeugen A, welcher schilderte, dass er mitgehört habe, wie der Angeklagte sowohl zur Zeugin Y als auch zu M und S öfter gesagt habe, dass er sie absteche, wenn sie nicht machen würden, was er verlange.
Weiter gestützt werden die Angaben durch den Zeugen Al, der schilderte, der Angeklagte habe ihm berichtet, dass alle in der Familie Angst vor ihm gehabt hätten. Er habe in seiner Familie das Messer als Drohmittel benutzt, um „seine Sachen zu bekommen“. Alle hätten gewusst, dass sein Vater seine Großmutter getötet habe und er selbst habe zu M öfter gesagt: „ich werde dich schlachten“. Auch in Haft habe der Angeklagte ein Messer unerlaubt besessen.
Hieraus zieht die Kammer nicht nur den Schluss, dass der Familienalltag auch von einer Vielzahl von Drohungen geprägt war, insbesondere in Bezug auf die sexuellen Übergriffe des Angeklagten, sondern dass dieser seine Drohungen in einer Vielzahl von Fällen durch die Verwendung eines Messers verstärkte und jedenfalls die Geschädigten große Angst vor ihm hatten.
Die Überzeugung der Kammer konnte nicht dadurch erschüttert werden, dass die Zeugin R Y von diesen Drohungen, die nach den Angaben der Geschädigten und der Zeugen A und Al oft auch die Zeugin Y betrafen, nicht berichtete. Die Zeugin machte keinen Hehl daraus und bekundete in der Hauptverhandlung, dass sie es als ihre Aufgabe ansieht, den Angeklagten als ihren Ehemann weiterhin zu schützen. So machte sie im Hinblick auf die Vorwürfe zu ihren Lasten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch. Allerdings gab die Zeugin auf Nachfrage an, dass auch sie den Umstand, dass der Vater des Angeklagten dessen Großmutter umgebracht hat, ständig im Hinterkopf gehabt habe.
c) Weiter gab die Geschädigte M an, dass der Angeklagte sie und S bei jeder Gelegenheit unsittlich angefasst habe. Sie gab dazu in ihrer polizeilichen Vernehmung an, dass der Angeklagte fast jeden Tag seine Hand über der Kleidung auf ihre Brust, auf ihren Po und in ihren Schritt gelegt habe, woraufhin sie seine Hand jeweils wegschlug und zu ihm sagte, er solle von ihr weggehen. Er habe ihr auch jedes Mal die Hose runter gezogen und sei danach weggelaufen. Ebenso habe sie gesehen, dass der Angeklagte auch S am Busen angefasst habe. In ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung bestätigte sie diese Angaben.
Diese Angaben werden, im Hinblick auf S, auch gestützt durch den Zeugen Al, der schilderte, der Angeklagte habe ihm weiter berichtet, dass er seine Stieftochter S hasse, weil sie immer widerspreche. Diese würde er immer wieder „begrapschen“. d)
Die Feststellung, dass der Angeklagte den Geschädigten des Öfteren sein nacktes Glied zeigt, beruht auf den Angaben der Zeugin Y . Die Zeugin gab hierzu an, dass der Angeklagte oft zu seinen Stieftöchtern gegangen sei und ihnen seinen nackten Penis präsentiert habe. Dies habe sie sowohl von ihren Töchtern erzählt bekommen, als auch selbst gesehen. Es sei auch zutreffend, dass er ihnen damit gedroht habe, sie zu vergewaltigen und dass er gesagt habe, „die Alte ist verbraucht, alt und hässlich; ihr seid mein Ziel“
Dass der Angeklagte den Mädchen Sexfilme schickte, beruht auf den Angaben der S. Sie schilderte in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung: „Bei meiner Schwester auf ihrem Handy sind Videos drauf. Ich habe sie immer gelöscht, daher ist bei mir auf meinem Handy nichts drauf. Es sind immer Sexvideos, wie sie es machen. Warum er mir das geschickt hat, weiß ich nicht.“ Zuvor gab sie bereits in ihrer polizeilichen Vernehmung an, dass der Angeklagte ihr nicht nur Pornofilme, sondern auch Bilder von seinem Geschlechtsteil, kommentarlos, bzw. mit einem lachenden Smiley geschickt habe. Er habe dabei gesagt: „Das müsst ihr schauen, das sind sehr schöne Filme.“Es habe sich dabei um Pornofilme mit Frauen und Tieren gehandelt.
Diese Angaben werden gestützt durch die Angaben der Zeugin KHKin B, welche ausführte, dass das Mobiltelefon des Angeklagten überprüft worden sei und darauf pornographisches Material, auch Tierpornographie, habe festgestellt werden können.
Die Angaben werden weiter geschützt durch die Äußerungen des Zeugen Al, dem gegenüber der Angeklagte berichtet habe, dass er M jeweils ein Foto von seinem Penis aufs Handy geschickt habe als Zeichen, dass er Sex von ihr wolle.
e) Die Feststellungen, dass beide Geschädigte bereits im Libanon bzw. vor den angeklagten Taten, zumindest je einmal anal vergewaltigt wurden sowie die Geschädigte M mindestens ein weiteres Mal vaginal, beruhen ebenfalls im Wesentlichen auf den Angaben der Geschädigten.
Wie bereits ausgeführt gab die Geschädigte S in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung an, dass der Angeklagte mit ihr und ihrer Schwester im Libanon Sex gemacht habe. An anderer Stelle erklärte sie auf Nachfrage, dass er sie nie von vorne penetriert habe, „alles von hinten“. Zu sämtlichen sexuellen Übergriffen führte sie weiter aus: „Ich versuche, mich von ihm zu entfernen, er ist groß, ich hab Angst vor ihm. Ja er hat mich immer gehalten, festgehalten.“ Auch in ihrer ergänzenden Vernehmung gab sie an, dass sie zwar nicht geschrien, jedoch stets geweint habe und immer versucht habe, den Angeklagten weg zu schubsen.
M gab hierzu an: „Seit wir klein waren, hat er immer was mit uns gemacht. Als wir hierhergekommen sind hat er es auch mit uns gemacht.“ „Er hat mit seinem Penis wie Mann und Frau zusammen machen, gemacht. Er hat es immer von hinten gemacht, aber zwei-, dreimal von vorne.“ Am Ende der Vernehmung äußert sie noch: „Mit meinen kleinen Geschwistern, die ja seine Kinder sind, hat er es mit mir gemacht, vor ihren Augen. Im Libanon haben die Kleinen das gesehen mit dem Sex.“ Darüber hinaus schilderte sie an anderer Stelle, dass sie bei und nach den Übergriffen geweint habe.
Die Angaben der Geschädigten werden gestützt durch die Ausführungen der Zeugin Y .
Diese teilte mit, dass sie erst in Deutschland von Übergriffen des Angeklagten auf ihre Töchter erfahren habe. So habe ihr M auch erzählt, dass der Angeklagte bereits während der Zeit im Libanon mit S und M Sex gehabt habe. Hinsichtlich des Zeitpunkts, wann sich M offenbart habe, zeigte sich die Zeugin jedoch unsicher. So sprach sie einmal von vielleicht Ende 2018/Anfang 2019, zu einem anderen Zeitpunkt der Vernehmung von vielleicht Oktober 2019. Dieser Zeitpunkt ließ sich im Rahmen der Hauptverhandlung daher nicht sicher feststellen. Allerdings steht für die Kammer hiermit fest, dass die Geschädigten sich bereits lange vor dem Zeitpunkt der Anzeigeerstattung ihrer Mutter offenbart hatten.
Die Zeugin schilderte weiter, dass auch S den Mädchen Sex gehabt habe. Daraufhin ihr davon erzählt habe, dass der Angeklagte mit sei sie sehr traurig gewesen und habe den Angeklagten mehrfach damit und der Strafbarkeit der Taten konfrontiert. Ihr gegenüber habe er die Taten auch zugegeben. Er habe auch gesagt, dass es ihm leid tue und immer versprochen, dass es das letzte Mal sei. Allerdings habe er nie einen Grund für seine Handlungen genannt.
Die Ausführungen der Geschädigten werden weiter gestützt durch die Angaben des Zeugen Al . Diesem gegenüber hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er sich an seinen Stieftöchtern vergangen habe, sondern auch warum. So sei ein Motiv Rache an seiner Frau gewesen. Diese habe viel gearbeitet und habe oft nachts telefoniert, deshalb habe er den Verdacht gehabt, dass sie einen Freund gehabt habe. Darüber hinaus habe er seine Ehefrau geheiratet, obwohl diese schon einmal verheiratet gewesen sei und drei Kinder mit in die Ehe gebracht habe. Für den Angeklagten als Muslim sei das ein großes Problem gewesen, da seine Ehefrau bei Eheschließung keine Jungfrau mehr gewesen sei. Er habe geschildert, dass er unbedingt mit einer Jungfrau sexuelle Erfahrungen habe machen wollen. Des Weiteren habe er seine Schwager F und H, insbesondere H provozieren wollen.
Deshalb habe er bereits im Libanon seine Stieftochter M, als diese 11 Jahre alt gewesen sei, vergewaltigt. Er habe öfter mit M als mit S Sex gehabt. Genaue Angaben zur Häufigkeit habe der Angeklagte jedoch nicht gemacht. Der Zeuge bestätigte auch, dass der Angeklagte auch bei S davon gesprochen habe, dass er mit dieser Oral- und Analverkehr gehabt habe. Zudem habe er den Geschädigten ein Kissen vor den Mund gedrückt, damit diese nicht hätten schreien können. Denn die hätten sich gewehrt.
Insgesamt habe der Angeklagte die ganze Familie seiner Frau als „Sexobjekt“ dargestellt. Angefangen von seiner Schwiegermutter, über die Schwägerinnen, seine Ehefrau und Töchter seien alle leicht zu haben.
Im Übrigen hat der Angeklagte auch selbst von sexuellen Übergriffen, zumindest auf M, berichtet, was die Ausführungen der Geschädigten weiter stützt. So schilderte er sowohl in der Hauptverhandlung, als auch in seinen Briefen sowie gegenüber dem Sachverständigen einen Sachverhalt, bei welchem M vaginal von ihm penetriert worden sei. Dem Sachverständigen gegenüber berichtete er überdies von einer analen Penetration mit den Fingern (s. Ziff.C.I.1., 2.e), 3.e)).
Die Kammer verkennt nicht, dass die Geschädigten das Geschehen im Libanon nur vage umrissen haben. Die Übergriffe aus dieser Zeit standen jedoch auch nicht im Mittelpunkt der polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen. Aus dem Gesamtzusammenhang und in Zusammenschau mit den Angaben der weiteren Zeugen sowie der Einlassung des Angeklagten selbst ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass es in dem Zeitraum, in welchem sich die Familie im Libanon befand, zu einer Vielzahl sexueller Übergriffe auf beide Geschädigte kam, bei welchen diese jedenfalls auch anal penetriert wurden. Darüber hinaus steht aufgrund der Angaben der Geschädigten für die Kammer fest, dass die Geschädigte M in jedenfalls einem weiteren Fall – über die angeklagte Tat hinaus – vaginal vom Angeklagten vergewaltigt wurde. Schließlich ergibt sich aus den Schilderungen der Geschädigten und den Angaben des Zeugen Al, dass die Geschädigten sich gegen die Übergriffe gewehrt, bzw. zumindest ihren Unwillen darüber durch Weinen zum Ausdruck gebracht haben. Nachdem der Angeklagte gegenüber dem Zeugen A1. geschildert hat, dass er Kissen gegen die Gesichter der Mädchen gedrückt habe, da diese sich gewehrt hätten, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte den Unwillen der Mädchen jeweils auch erkannt hat.
2. Tatgeschehen
Die Feststellungen zum Körpergewicht des Angeklagten beruht auf dessen eigener Einlassung in der Hauptverhandlung, diejenigen zum Körpergewicht und -größe der Geschädigten auf den Untersuchungsberichten des Instituts für Rechtsmedizin der LMU München vom 23.07.2020, in welchem auch die Untersuchungsergebnisse zum körperlichen Allgemeinzustand niedergelegt wurden. Die Untersuchungsberichte wurde im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt.
a) Die Feststellungen zu den analen Vergewaltigungen der Geschädigten S. (Ziff.B.II.1.) beruhen auf den Angaben der Geschädigten selbst.
So schilderte diese im Rahmen ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung zunächst, dass sie in Deutschland mehrfach vergewaltigt worden sei. Sie gab an, dass der Angeklagte jeweils seinen Penis in ihren Mund gesteckt habe und auch von hinten in ihren Po. Er sei dabei bis zum Samenerguss gekommen und sie habe dabei Schmerzen gehabt. Zur Tatausführung schilderte die Zeugin weiter, dass er sie auf das Bett geschmissen, ihre Hände gepackt und sie von hinten vergewaltigt habe. Zuvor habe er nur ihre Hose heruntergezogen. Auf Nachfrage schilderte sie weiter, dass sie ins Bad gehe und sich wasche, wenn er in sie ejakuliert habe.
Hinsichtlich der zeitlichen Eingrenzung gab die Geschädigte in ihrer ermittlungsrichterlichen Videovernehmung an, dass sämtliche Vorfälle, welche Penetrationen zum Inhalt haben, vor Corona stattgefunden hätten. Hierzu äußerte sie sich wie folgt: „Vor Corona hat er es mit uns, mit mir und meiner Schwester, wenn niemand zu Hause war, hat er es mit uns gemacht. Es ging normal wenn jemand zu Hause war, aber wenn wir alleine waren, ging es los.“
Hinsichtlich des Tatablaufs schilderte sie: „Er hat es mit mir von hinten gemacht und wenn er fertig war, ist er rausgegangen. Er hat es mit mir nur anal gemacht. Am Anfang hat es mir weh getan und dann ging‘s. Blut habe ich nicht gesehen. Das war nur zu Hause. Es war immer in meinem Zimmer.“
An anderer Stelle gab die Geschädigte auf Nachfrage an, dass der Angeklagte seinen Penis auch in ihren Mund und sodann anal eingeführt habe.
An andere Stelle gab die Geschädigte nochmals an: „Dasselbe hat er immer mit mir gemacht, wenn ich allein war.“
Des Weiteren schilderte sie zu ihrem eigenen Verhalten während der Übergriffe, dass sie geweint habe sowie: „Ich versuche, mich von ihm zu entfernen, er ist groß, ich hab Angst vor ihm. Ja er hat mich immer gehalten, festgehalten.“ Dies bestätigte die Geschädigte auch in ihrer ergänzenden audiovisuellen Vernehmung, in der sie angab, dass sie immer versucht habe, den Angeklagten weg zu schubsen aber ihr dies nicht gelungen sei. Sie äußerte zudem im Hinblick auf die Statur und das Gewicht ihre Stiefvaters: „Wie hätte ich mich verteidigen können.“
Zu den zur Verurteilung gelangten Fällen der Vergewaltigung gab sie zudem an: „Vor Corona war ich krank zu Hause. Normalerweise bringt er meine Mutter mit dem Auto zum Kurs, er hat sie zum Kurs begleitet. Normalerweise wartet er, bis sie fertig ist. Er hat sie da gelassen und ist sofort zu mir nach Hause gekommen. Er hat es mit mir gemacht. Er hat die Tür geöffnet hat es mit mir gemacht.“
Zu dem weiteren Fall gab sie an: „Eine andere Geschichte: Mama war nicht da, hat den Hausschlüssel genommen. Sie ist wiedergekommen, als er noch nicht fertig war. Als er gesehen hat, dass meine Mutter gesehen hat, hat er das Messer vom Schrank genommen und gesagt, wenn ich was höre, dass jemand das erfahren hat, dann töte ich dich und deine Mutter.“
An anderer Stelle antwortete sie auf Nachfrage: „Als ich krank war, hat meine Mutter nichts gesehen, da hat er alles mit mir gemacht. Als meine Mutter nach Hause gekommen ist, hat er gestoppt und hat uns dann mit dem Messer gedroht. Er hat gestoppt, nachdem er in mir drin war.“
Auf Nachfrage stellte die Geschädigte zu einem späteren Zeitpunkt klar, dass der Vorfall, als sie krank gewesen sei und der Vorfall, als ihre Mutter im Kurs gewesen sei, 2 verschiedene Vorfälle gewesen seien.
Ihrer Mutter habe sie zudem von den Vorfällen berichtet. Hierzu gibt sie an: „Einmal hat er es mit mir gemacht im Bett. Ich saß auf dem Bett, habe geweint. Meine Mutter kam zu mir und ich hab gesagt, er hat das und das mit mir gemacht.“
Bereits in ihrer polizeilichen Vernehmung schilderte die Geschädigte, dass ihre Mutter über die Übergriffe Bescheid gewusst habe. Diese sei einmal früher nach Hause gekommen und habe es gesehen. Er sei schon fertig gewesen, als die Mutter heimgekommen sei. Sie habe gesehen, dass der Angeklagte sie ganz nackt gemacht habe. Die Mutter habe sich nicht getraut, irgendetwas zu sagen. Er habe sie auch bedroht, dass er sie alle umbringt.
Die Angaben der Geschädigten werden gestützt durch die Äußerung der Zeugin Y, die berichtete, dass S davon erzählt habe, dass der Angeklagte mit ihr Sex gehabt habe. Dabei habe sie von 2 Vorfällen in Deutschland erzählt.
Hinsichtlich eines Vorfalls bestätigte die Zeugin auf Vorhalt, dass es so gewesen sei, dass sie vom Deutschkurs und somit der Schule in Marktoberdorf nach Hause gekommen sei. S sei ihr weinend entgegengekommen und habe gesagt, dass der Angeklagte sie sexuell belästigt, sie vergewaltigt habe oder so. Sie habe dann nachgefragt und S habe ihr erklärt, dass der Angeklagte sie ausgezogen habe und dann sein „Ding“ in sie rein gesteckt habe. An diesem Tag sei es so gewesen, dass es geregnet habe und der Angeklagte die Zeugin deshalb in die Schule gefahren habe. An diesem Tag sei er danach wieder nach Hause gefahren und S sei an diesem Tag nicht in der Schule gewesen.
Auch hinsichtlich dieser Taten habe sie den Angeklagten mehrfach konfrontiert und ihr gegenüber habe er die Taten auch zugegeben. Er habe gesagt, dass es ihm leid tue und versprochen, dass es das letzte Mal sei.
Im Hinblick auf den Vorfall vom 19.06.2020 gab die Zeugin weiter an, S habe dem Angeklagten mit Anzeige gedroht, worauf er erwidert habe, dass er zwar dann ins Gefängnis gehe, aber ihr Ruf zerstört sei. Als Vergewaltigte würde sie dann zudem von ihrer Familie verstoßen. Diese Äußerung an sich stellt – zur Überzeugung der Kammer – ebenfalls ein Eingeständnis vorangegangener Vergewaltigungen dar.
Die Angaben der Geschädigten werden weiter gestützt durch die Angaben des Zeugen Al . Wie bereits ausgeführt, hatte der Angeklagte ihm gegenüber geschildert, dass er mit S Oral- und Analverkehr gehabt habe. Dagegen habe sich S gewehrt. Auch habe sie ihn dahingehend provoziert, dass sie gefragt habe, ob er keine Angst habe, dass das jemand mit seinen leiblichen Töchtern mache. Deshalb habe er auch öfter mit M als mit S Sex gehabt.
Die Geschädigte sprach sowohl in ihrer ermittlungsrichterlichen als auch in ihrer polizeilichen Vernehmung von einer Vielzahl, jedenfalls 6 Vergewaltigungen. Nachdem die Geschädigte hiervon 2 Vorfälle situativ konkret einordnen konnte, sind diese zur Verurteilung gelangt, im Übrigen erfolgte eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO.
Nachdem die Geschädigte angab, dass der Angeklagte Gelegenheiten abpasste, in welchen sie allein zu Hause war und zudem die Vorfälle zeitlich in den Zeitraum „vor Corona“ einordnete, geht die Kammer davon aus, dass mit Anordnung der corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen die Übergriffe des Angeklagten auf die Geschädigten ab März 2020 nicht mehr erfolgten, da aufgrund der bekannten Schulschließungen etc. die Geschädigten fortan nicht mehr alleine zu Hause waren.
Da die Geschädigte darüber hinaus angab, dass sie sich nach dem Geschlechtsverkehr gewaschen hat, wenn der Angeklagte in sie ejakuliert habe, ist die Kammer auch davon überzeugt, dass der Geschlechtsverkehr jeweils ungeschützt erfolgt ist.
Die Taten erfolgten auch gegen den erkennbaren entgegenstehenden Willen der Geschädigten. Diese hat grundsätzlich bereits durch ihr Weinen während der Tatausführung ihren entgegenstehenden Willen kundgetan. Zudem hat die Geschädigte glaubhaft angegeben, erfolglos versucht zu haben, den Angeklagten von sich wegzuschieben. Aufgrund dieser Handlungen war für einen objektiven Betrachter eindeutig erkennbar, dass die Geschädigte mit den sexuellen Übergriffen des Angeklagten nicht einverstanden war. Der Angeklagte konnte dies erkennen und hat dies auch erkannt. Angesichts des Umstandes, dass er gegenüber dem Zeugen Al ausdrücklich angab, die Geschädigten hätten sich gewehrt, ist die Kammer davon überzeugt, dass dem Angeklagten der Widerwille der S bewusst gewesen ist.
Nachdem der Angeklagte die Geschädigte aufs Bett warf und zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs festhielt, hat er auch i.S.v. § 177 Abs. 5 Nr.1 StGB gegenüber der Geschädigten Gewalt angewendet.
b) Die Feststellungen zur vaginalen Vergewaltigung der Geschädigten M (Ziff.B.II.2.) beruhen auf den Angaben der Geschädigten selbst.
So schilderte diese bereits in ihrer polizeilichen Vernehmung, dass der Angeklagte sie, während ihres Aufenthalts in Deutschland, vergewaltigt habe. Auf Nachfrage erklärt sie, dass dies der Vorgang sei, wenn eine Frau und ein Mann heiraten und dann miteinander schlafen, aber mit Gewalt.
Es sei Mittag gewesen und ihre Mutter bei der Nachbarin. Sie seien allein zu Hause gewesen. Da habe der Angeklagte sie von hinten gepackt. Sie habe schreien wollen, aber der Angeklagte habe ihr Gesicht auf ein Kissen gedrückt, damit sie nicht schreien habe können. Er habe sie geschlagen, sodass ihr Gesicht geblutet habe und sie habe geweint. Zur Ausführung gibt sie weiter an, dass sie eine Leggings angehabt habe, welche er zur Hälfte runter gezogen habe und dass nach dem Geschlechtsverkehr etwas bei ihr „rausgelaufen“ sei. Der Angeklagte habe sie danach auch erpresst und gesagt, dass sie nichts sagen solle, sonst werde er sie „schlachten“.
In ihrer ermittlungsrichterlichen Videovernehmung gab sie hierzu an: „Er hat uns ausgezogen. Er hat uns die Unterhose und die Hose ausgezogen. Er hat das auch bei sich so ausgezogen. Er hat mit seinem Penis wie Frau und Mann zusammen machen, gemacht. Er hat es immer von hinten gemacht, aber zwei-, dreimal von vorne. Der Arzt hat gesagt, dass ich keine Jungfrau mehr bin. Ich hatte Schmerzen. Ich habe auch geblutet. Die Schmerzen waren vorne. Es war oft, immer wenn er die Gelegenheit hatte, hat er es mit uns gemacht. Es war viel, ich weiß es nicht es war öfters. Wie Mann und Frau, hat er es auch mit uns gemacht.“
Weiter führte die Geschädigte aus: „Er hat mich aufs Bett gedrückt, hat seinen Arm auf meinen Rücken gelegt und ist mit seinem Penis eingedrungen vorne bei mir. Das war vor Corona, aber ich weiß nicht wann genau.“
Die Schilderung der Geschädigten wird gestützt durch die Zeugin Y, die angab, dass M ihr erzählt habe, dass der Angeklagte sie in Deutschland zweimal vergewaltigt habe.
Dabei habe er sie aufs Bett geworfen und vaginal penetriert. Weiter habe er ihr ein Kissen vor den Mund gehalten, damit sie nicht habe schreien können. Ihre Tochter habe ihr dies vielleicht im Oktober 2019 erzählt. Wann diese Vorfälle genau gewesen seien, konnte die Zeugin jedoch nicht angeben.
Weiter gestützt werden die Angaben der Geschädigten durch die Äußerungen des Zeugen Al . Diesbezüglich schilderte er, dass der Angeklagte ihm gegenüber angegeben habe, dass er M auch in Deutschland weiter vergewaltigt habe. Darüber hinaus habe er öfter mit M als mit S Sex gehabt. Der Angeklagte habe auch davon berichtet, dass er ein Kissen verwendet habe, damit die Geschädigten nicht hätten schreien können.
Letztendlich stützt auch die Einlassung des Angeklagten selbst die Angaben der Geschädigten, auch wenn er die Schilderungen hinsichtlich der Penetrationen auf den Libanon beschränkt und für den Zeitraum in Deutschland lediglich einen Fall schildert, in welchem M ihm sich zum Sex angeboten habe. Der Angeklagte bringt hiermit jedenfalls zum Ausdruck, dass er vor sexuellen Übergriffen auf seine Stieftochter nicht zurückschreckt.
Auch die Geschädigte selbst gab an, dass es eine Vielzahl von Vorfällen gegeben habe, bei denen sie vom Angeklagten vergewaltigt worden sei, sowohl anal, als auch zwei- bis dreimal vaginal. Jedenfalls einen Vorfall der vaginalen Vergewaltigung konnte sie detailliert schildern und zeitlich in den Zeitraum einordnen, in welchem sich die Familie in Deutschland befunden hat. Eine genauere zeitliche Einordnung konnte die Geschädigte jedoch nicht treffen. Auch die Zeugin Y konnte nicht angeben, zu welchem genauen Zeitpunkt ihre Tochter ihr von den Vorfällen erzählt hat. Somit ist die Kammer zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass der zur Verurteilung gelangte Übergriff nach dem 15.07.2019 und somit nach dem vierzehnten Geburtstag der Geschädigten erfolgte.
Die Taten erfolgten auch gegen den erkennbaren entgegenstehenden Willen der Geschädigten. Diese hat grundsätzlich bereits durch ihr Weinen während der Tatausführung ihren entgegenstehenden Willen kundgetan. Zudem musste der Angeklagte ihr Schreien dadurch ersticken, dass er ihr Gesicht auf ein Kissen gedrückt hat. Aufgrund dieser Handlungen war für einen objektiven Betrachter eindeutig erkennbar, dass die Geschädigte mit dem sexuellen Übergriff des Angeklagten nicht einverstanden war. Der Angeklagte konnte dies auch erkennen und hat dies auch erkannt. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass er gegenüber dem Zeugen Al angab, die Geschädigten hätten sich gewehrt, ist die Kammer davon überzeugt, dass dem Angeklagten auch der Widerwille der M bewusst gewesen ist. Der Angeklagte hat die Geschädigte zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit seinem Arm aufs Bett gedrückt und somit i.S.v. § 177 Abs. 5 Nr.1 StGB gegenüber der Geschädigten Gewalt angewendet.
Nachdem die Geschädigte angab, dass bei ihr nach dem Geschlechtsverkehr etwas „rausgelaufen“ sei, ist die Kammer auch in diesem Fall davon überzeugt, dass der Geschlechtsverkehr ungeschützt erfolgte.
c) Die Feststellungen zur besonders schweren Vergewaltigung beider Geschädigten (Ziff.B.II.3.) beruhen ebenfalls auf den Angaben der Geschädigten selbst.
Die Geschädigte M gab in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung zu diesem Vorfall folgendes an: „Er hat mich geschlagen, dann hat er eine Decke in meinen Mund gesteckt, damit ich nicht schreie und hat mich mit dem Messer bedroht. Das war bei dem Vorfall mit meiner Schwester. Er hat es zur selben Zeit mit uns gemacht. Er hat es anal mit uns gemacht. Er hat mich geschlagen und ich habe eine Narbe davon. Er hat mich auch festgehalten währenddessen. Die Vorfälle waren bei uns daheim. Es war in unserem Zimmer. Ich meine damit das Zimmer von mir und meiner Schwester.“
Im Hinblick auf die Verwendung des Messers schilderte sie: „Dieses Messer hat er immer benutzt, auch während des Beischlafs.“ Und auf Nachfrage: „Das Messer hat er während dem Geschlechtsakt die ganze Zeit in seiner Hand. Ich habe es gemerkt, da er es an meinen Hals gehalten hat.“
Die Geschädigte S gab in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung hierzu an: „Er hat es auch mit uns beiden zur selben Zeit gemacht.“ „Zusammen mit meiner Schwester war es einmal.“ „Der Vorfall wo meine Schwester dabei war, ist so abgelaufen: Wenn niemand zu Hause ist, nur meine Schwester und ich. Die anderen waren alle im Supermarkt. Wir waren auf dem Bett und haben am Handy gespielt. Er hat geschlafen oder nicht. Nachdem wir allein waren, ist er gekommen. Meine Schwester und ich schlafen in einem Zimmer. Er hat die Hose runtergemacht, hat das Zimmer abgesperrt. Er hat uns von hinten zur selben Zeit genommen. Wenn er mit mir fertig ist, macht er mit meiner Schwester weiter. Bei beiden von hinten.“
Während ihrer ergänzenden Vernehmung schilderte S den Ablauf dieses Übergriffs wie folgt. Der Angeklagte habe bereits ein Messer in der Hand gehalten, als er ihr Zimmer betreten habe. Er habe sogleich mit dem Messer hantiert und es drohend auf die Geschädigten gerichtet. Dabei habe er geäußert, dass er sie umbringen werde, sollten Sie etwas erzählen. Sodann habe er zunächst sie selbst anal vergewaltigt und danach ihre Schwester. Sie habe wiederum erfolglos versucht, den Angeklagten weg zu schubsen. Sie habe sonst keine Möglichkeit gesehen, sich zu verteidigen. Während der Ausübung des Geschlechtsverkehrs habe sie ununterbrochen geweint und deshalb nicht mehr auf das Messer geachtet. Möglicherweise habe er es neben sich gelegt. Sie wisse nur, dass sowohl sie als auch ihre Schwester ununterbrochen geweint hätten und dass er das Messer auch an den Hals der Schwester gehalten habe.
Die Feststellungen zur Beschaffenheit des Messers beruhen ebenfalls auf den Angaben der S in ihrer ergänzenden Vernehmung. Dort gab sie an, dass es sich um ein langes Küchenmesser gehandelt habe und sie zeigte mit ihren Händen eine Länge von ca. 20 cm an. Dieses habe er gewöhnlich aus einer Küchenschublade entnommen oder auch zunächst auf seinem Kleiderschrank deponiert. Sie habe jedoch nicht gesehen, wo der Angeklagte das Messer bei diesem Vorfall hergeholt habe.
Die Angaben der Geschädigten werden insoweit durch die Angaben der Zeugin Y gestützt, die berichtet hat, die Geschädigten hätten von den sexuellen Übergriffen erzählt (s.o.). Des Weiteren werden auch die Angaben zu diesem Vorfall gestützt durch die Äußerungen des Angeklagten gegenüber dem Zeugen Al . Insbesondere habe der Angeklagte, ihm erzählt, dass er in seiner Familie das Messer als Drohungsmittel benutzt habe, um „seine Sachen zu bekommen“ (s.o.Ziff.C.III.1).
Die Kammer ist aufgrund der Schilderungen der Geschädigten auch in diesem Fall davon überzeugt, dass die Geschädigten ihren entgegenstehenden Willen hinreichend kundgetan haben. Zum einen haben die Geschädigten während der Tatausführung ununterbrochen geweint. Zum anderen hat die Geschädigte S wiederum versucht, den Angeklagten von sich zu stoßen. Zudem steckte der Angeklagte der Geschädigten M eine Decke in den Mund, um ihr Schreien zu ersticken. Die Kammer ist daher, auch unter Berücksichtigung der bereits erwähnten Angaben des Zeugen Al, davon überzeugt, dass dem Angeklagten der entgegenstehende Willen der Geschädigten bekannt war. Zudem hat der Angeklagte vorliegend bereits vor Ausführung der Geschlechtsakte die Mädchen unter Vorhaltung des Messers mit dem Tode bedroht. Aufgrund der langen Vorgeschichte an sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten war sämtlichen Beteiligten klar, dass nunmehr eine weitere Vergewaltigung folgen würde. Damit hat der Angeklagte durch Drohung mit dem Messer im Sinne von § 177 Abs. 2 Nr.5 StGB die Geschädigten zur Duldung der sexuellen Handlungen genötigt. Der gleichzeitig verwirklichte Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB tritt dahinter zurück.
Nachdem der Angeklagte die Geschädigten zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs festhielt, die Geschädigte M zusätzlich schlug, hat er auch Gewalt i.S.v. § 177 Abs. 5 Nr.1 StGB gegenüber den Geschädigten angewendet.
Zusätzlich drohte der Angeklagte den Geschädigten bereits vor Ausführung des Geschlechtsverkehrs mit einem Messer, welches er nicht nur drohend auf die Geschädigten richtete, sondern zusätzlich der Geschädigten M während des Geschlechtsaktes an den Hals hielt. Damit hat der Angeklagte auch die Tatbestandsalternative des § 177 Abs. 8 Nr.1 StGB verwirklicht.
Eine exakte zeitliche Einordnung des Übergriffs war den Geschädigten auch bei diesem Vorfall nicht möglich. Somit ist die Kammer auch hier zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass der zur Verurteilung gelangte Übergriff nach dem 15.07.2019 und somit nach dem vierzehnten Geburtstag der Geschädigten M erfolgte.
d) Die Feststellungen zum besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung zulasten von M (Ziff.B.II.4.) beruhen ebenfalls auf den Angaben der Geschädigten selbst.
Hierzu berichtete die Geschädigte in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung direkt nach Schilderung der vaginalen Penetration: „Zu dem bei der Polizei geschilderten Fall, als meine Mutter bei einer Nachbarin war, war eine andere Geschichte. Dasselbe was passiert ist, aber das Messer hat er auch gehabt. Dann ist er auf mich raufgesessen und hat mich bedroht und mich geohrfeigt. Ich bin auf dem Bauch gelegen. Da kam es nicht zum Geschlechtsakt. Da ist gleich weiße Flüssigkeit rausgekommen und auf meine Hose, und die Hose habe ich bei der Polizei abgegeben. Die Flüssigkeit kam raus, ohne dass er in mich eingedrungen ist.“
Auf Nachfrage berichtete die Geschädigte, dass der Angeklagte das mitgebrachte Messer während der Ausführung der Tat in der Hand gehalten habe.
Aufgrund der langen Vorgeschichte sexueller Übergriffe auf die Geschädigte, welche bis in den Zeitraum zurückreicht, als sich die Familie im Libanon befand und aufgrund des Umstandes, dass die Geschädigte bei den Übergriffen jeweils geweint, geschrien oder sich sonst gewehrt hat – wie sich auch aus den Angaben des Angeklagten gegenüber dem Zeugen Al ergeben hat – ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Geschädigten auch hinsichtlich der vorliegenden sexuellen Handlung kannte.
Nachdem der Angeklagte zur Durchführung der sexuellen Handlung sich mit seinem erheblichen Körpergewicht von 130 Kilo auf die Geschädigte setzte und sie zusätzlich ohrfeigte, hat er auch i. S.v. § 177 Abs. 5 Nr.1 StGB gegenüber den Geschädigten Gewalt angewendet.
Zusätzlich hielt der Angeklagte der Geschädigten während der Ausführung der Tathandlung ein Messer, für die Geschädigte sichtbar, in der Hand und nutzte zumindest die dadurch entstandene Drohkulisse aus. Damit hat der Angeklagte auch die Tatbestandsalternative des § 177 Abs. 8 Nr.1 StGB verwirklicht.
Auch hier war eine exakte zeitliche Einordnung des Übergriffs nicht möglich. Somit ist die Kammer, wie bereits zuvor, zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass der zur Verurteilung gelangte Übergriff nach dem 15.07.2019 und somit nach dem vierzehnten Geburtstag der Geschädigten M erfolgte.
e) Die Feststellungen zum sexuellen Übergriff mit vorsätzlicher Körperverletzung zulasten von S (Ziff.B.II.4.) beruhen auf den Angaben der Geschädigten.
In ihrer polizeilichen Vernehmung gab die Geschädigte an, dass sie im Bad gewesen sei und eine Gesichtsmaske aufgelegt habe. Der Angeklagte sei sodann ins Bad gekommen und habe sie mit seiner Hand oberhalb der Kleidung am Po angefasst. Sie haben geschrien und gesagt: „Geh weg von mir“. Er habe gedacht, dass die Mutter sie gehört habe und sie deshalb geschlagen. Danach sei die Geschädigte zu ihrer Mutter in die Küche gelaufen und habe zu ihr gesagt, dass der Angeklagte sie am Po angefasst habe. Die Mutter habe gesagt: „Psst sei leise. Nicht dass er uns tötet, wie sein Vater seine Frau in Syrien geschlachtet hat.“ Sie habe zu ihrer Mutter gesagt, dass sie es ihrem Bruder erzählen werde, woraufhin ihre Mutter gesagt habe, dass sie das nicht machen solle. Sie mache allen damit große Probleme. Sie sei aber trotzdem zu ihrem Bruder und habe ihm alles erzählt. Letztendlich sei der Bruder mit ihr und ihrer Schwester in Begleitung des Onkels, zur Polizei.
Zudem gab sie in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung folgendes an: „Ich erzähle hier, was am Freitag passiert ist, wo ich ihn angeklagt habe. Wir waren im Supermarkt, sind nach Hause gekommen, haben das Essen hergerichtet. Als wir fertig waren mit Essen war ich im Bad, wollte mich waschen, mein Gesicht, meine Hände. Er war fertig mit Essen, ist mir hinterher gekommen ins Bad, hat seine Hand unten bei mir reingetan. Ich hab geschrien, meine Mutter hat mich dann gehört. Als meine Mutter kam, wollte er nicht zeigen, was er mit mir gemacht hat, dann fing er an mich zu schlagen, damit sie denkt, ich schreie, weil er mich schlägt. Ich bin zu meiner Mutter in die Küche und hab gesagt, er hat das mit mir gemacht. Er kam hinter mir in die Küche, hat gelacht, hat gesagt, ich habe ihr nichts getan, sie lügt. Ich habe ihm gesagt, ich lüge nicht und werde meinem Bruder sagen, alles was du mit uns getan hast. Ich saß auf dem Stuhl und er hat mich geschlagen. Meine Mutter hat das gesehen. Er hat mich im Nacken geschlagen. Dann bin ich auf den Boden gefallen. Und dann bin ich zu meinem Bruder ins Zimmer gegangen, um ihm das zu sagen. Meine Mutter hat gewusst, was er mit uns gemacht hat, aber sie hatte Angst, dass er sie mit dem Messer angreift.“
Weiter schilderte sie: „Meine Mutter hat gesagt, sag deinem Bruder nix, sonst tut er uns was an, sonst schlachtet er uns. Sie hat mich dann in mein Zimmer begleitet, sag ihm nichts, er kann dich schlachten, er kann mich schlachten. Er kam zu uns ins Zimmer, meine Mutter saß auch da. Er sagte, ja o.k. wenn du es jemand sagen willst, gehe ich ins Gefängnis. Wenn ich rauskomme, bringe ich jemanden von euch um. Er hat getanzt und gelacht. Ich hab gesagt, ich werd´ es meinem Bruder sagen. Ich bin zu meinem Bruder gegangen, habe ihm alles erzählt was vorgefallen ist. Dann ist er zu meinem Bruder rein, was hat sie dir gesagt; mein Bruder wusste alles, aber der hat gesagt, sie hat mir nichts erzählt. Dann sind wir zur Polizei.“
Die Angaben der Geschädigten werden gestützt durch die Ausführungen des Zeugen A, der zwar beim eigentlichen Geschehen nicht anwesend war, jedoch glaubhaft schilderte, den Vorfall vom 19.06.2020 zumindest teilweise akustisch selbst mitbekommen zu haben.
So habe er aus seinem Zimmer heraus einen Streit zwischen S und dem Angeklagten wahrnehmen können. S habe dabei sinngemäß geäußert: „Wenn du nochmal sowas machst, sag ich allen die Wahrheit“. S und der Angeklagte seien dann zu ihm gekommen und der Angeklagte habe behauptet, dass sie gestritten hätten, weil S einen Freund habe.
Dies, so der Zeuge, sei aber nicht zutreffend. Weder S noch M hätten einen Freund.
Beide hätten dann sein Zimmer verlassen und S sei kurz darauf allein wiedergekommen.
Diese habe ihm dann berichtet, dass der Angeklagte sie bereits mehrfach vergewaltigt habe, auch mit M gemeinsam. Genauere Details, auch zur Häufigkeit, habe sie jedoch nicht genannt.
Weiter gab der Zeuge an, dass sich später, am selben Abend, auch M ihm anvertraut habe.
Sie habe geweint und gesagt, dass auch sie vergewaltigt worden sei, und auch sie und Se gemeinsam. M habe davon gesprochen, dass es seit mehreren Jahren so gehe, aber ebenfalls keine genauen Details genannt. Sie habe auch angegeben, dass er beide Mädchen mit einem Messer bedroht habe, damit sie davon nichts erzählen. Auch mit dem Tod der Mutter hätte er gedroht. Beide Mädchen hätten dabei auch gesagt, dass sie nicht wüssten, ob sie noch Jungfrau seien. Darüber seien sie sehr verunsichert gewesen. Daraufhin habe er seinen Onkel H angerufen und ihm alles mitgeteilt und sich mit ihm beraten. Auf dessen Rat sei er dann mit seinen Schwestern zur Polizei gegangen.
Die Angaben der Geschädigten werden weiter gestützt durch die Äußerungen der Zeugin Y . Zum Vorfall vom 19.06.2020 erklärte sie, dass S auf einmal laut geschrien und angegeben habe, der Angeklagte habe sie im Badezimmer von hinten im Bereich des Pos angefasst. Daraufhin habe der Angeklagte sie geschlagen und gefragt, warum die Geschädigte lüge. S habe dem Angeklagten daraufhin mit Anzeige gedroht, worauf er erwidert habe, dass er zwar dann ins Gefängnis gehe, aber ihr Ruf sowie der Ruf sämtlicher weiterer Familienmitglieder dafür schlecht gemacht werde. Als Vergewaltigte würde sie dann zudem von ihrer Familie verstoßen.
Darüber hinaus räumte der Angeklagte hinsichtlich dieses Vorfalls jedenfalls die Begehung einer Körperverletzung ein, auch wenn er sich dahingehend einließ, dass er die Geschädigte nur aus Spaß geschlagen habe. Darüber hinausgehend konnte die Kammer den Angaben des Angeklagten jedoch nicht folgen, zumal auch die Zeugin Y berichtete, dass die Geschädigte in der Küche entgegen den Behauptungen des Angeklagten ihren Oberkörper nicht entblößt habe.
Im Lauf der Hauptverhandlung hat sich zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass körperliche Züchtigungen/Schläge des Angeklagten gegen seine Ehefrau und die Geschädigten an der Tagesordnung waren. Die Äußerung der Geschädigten, dass sie allen die Wahrheit sage, wenn er noch mal „so etwas“ mache, macht daher nur dann Sinn, wenn es sich gerade nicht um Körperverletzungshandlungen handelte, da diese bereits sämtlichen Familienmitgliedern, insbesondere dem Bruder bekannt waren. Deshalb ist die Kammer auch davon überzeugt, dass der Angeklagte die Geschädigte im Genitalbereich angefasst hat.
Dem Angeklagten war aufgrund der vergangenen Vorfälle und der Gesamtumstände der entgegenstehende Wille der S bekannt. Wie bereits ausgeführt hatte die Geschädigte M geschildert, dass der Angeklagte sie und S bei jeder Gelegenheit unsittlich angefasst habe. Darüber hinaus gab sie an, selbst den Angeklagten bei diesen Gelegenheiten weggestoßen zu haben. Auch der Zeuge Al schilderte, der Angeklagte würde seine Stieftochter S hassen, weil sie immer widerspreche und er würde diese immer wieder „begrapschen“. Aufgrund des Weinens während der Vergewaltigungen, dem Umstand dass sich S stets dagegen gewehrt hat und des vom Angeklagten selbst angesprochenen fortwährenden Widerspruchs, ist die Kammer davon überzeugt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass S – ebenso wie M – auch nicht von ihm unsittlich berührt werden wollte.
Da sich die Tat unmittelbar vom Badezimmer in die Küche verlagerte und sich das Geschehen ohne Zäsur im Handlungsablauf abspielte, geht die Kammer auch davon aus, dass der Angeklagte den sexuellen Übergriff sowie die zwei begangenen Körperverletzungshandlungen tateinheitlich begangen hat.
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass die Geschädigte durch die erhaltenen Schläge jedenfalls leichte Schmerzen erlitt. Die Überzeugung der Kammer beruht zum einen auf der eigenen Einlassung des Angeklagten. Dieser gab zwar an, der Geschädigten nur aus Spaß auf den Nacken geschlagen zu haben, demonstrierte diesen Schlag jedoch mehrfach für die Kammer an sich selbst. Bereits hieraus wurde deutlich, dass der Schlag mit einiger Intensität erfolgte. Das Aufklatschen der Hand auf dem Nacken war deutlich zu hören. Zum anderen beruht die Überzeugung darauf, dass die Geschädigte durch die Intensität des zweiten Schlags sogar zu Boden gefallen ist.
3. Folgen der Taten
Die Feststellungen zu den Verletzungen des Hymenalsaums der beiden Mädchen beruhen auf den gynäkologischen Untersuchungsberichten des Instituts für Rechtsmedizin an der LMU München vom 23.07.2020, welche im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. In den fundierten, schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten, welchen die Kammer folgt, wird ausgeführt, dass sich am Hymenalsaum der Geschädigten M zwischen „5 und 6 Uhr“ in Steinschnittlage eine tiefe Kerbe befinde, die 70% des Hymenalsaums umfasse. Dabei handle es sich um einen Befund, wie er durch eine – gegebenenfalls auch gegen den Willen der Geschädigten – erfolgte penile Penetration in die Scheide entstehen könne. Ein derartiger Befund sei verdächtig auf eine Penetration in die Scheide, könne diese jedoch nicht sicher belegen.
Angesichts dieses Befundes lässt sich zwar nicht sicher feststellen, bei welcher sexuellen Handlung und zu welchem Zeitpunkt die Einkerbung verursacht wurde und ob die zur Verurteilung gelangte Tat ursächlich hierfür war. In Zusammenschau mit den sonstigen Angaben der Geschädigten und auch des Angeklagten selbst ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass die Einkerbung durch eine vaginale Penetration des Angeklagten erfolgt ist. Die Kammer schließt aus, dass die Geschädigte M mit einer weiteren Person vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeführt hat, und der Einriss des Hymens auf andere Art und Weise zustande kam. Der Angeklagte behauptete zwar, M a habe bereits einen Freund. Der Zeuge A S gab hierzu jedoch glaubhaft an, dass weder S noch M einen Freund gehabt hätten. Auch die Zeugin Y gab an, dass ein lediglich schriftlicher Kontakt der M zu einem Mann bestanden habe, welcher allerdings weit weg gewohnt habe und welchen die Familie erst einmal getroffen habe. Sonstige konkrete Anhaltspunkte insoweit bestehen nicht.
Hinsichtlich S wird ausgeführt, dass sich keine Verletzungen bzw. Narben am Genitale oder am After hätten feststellen lassen. Zwar sei am Hymenalsaum auf ca. 8:00 Uhr in Steinschnittlage eine Kerbe feststellbar, diese durchsetze den Hymenalsaum jedoch nicht tiefer, sondern maximal 30% des Hymenalsaums umfassend. Ein derartiger Befund könne mechanisch bedingt sein, könne aber auch als Normvariante gewertet werden.
Auch bei der Geschädigten M hätten keine Verletzungen am After festgestellt werden können. Dies schließe jedoch auch mehrfache anale penile Penetrationen keinesfalls aus, da Verletzungen hierbei nicht zwangsläufig auftreten müssten bzw. sehr schnell wieder abheilen könnten.
Die Feststellungen zu den psychischen Folgen beruhen insbesondere auf den Angaben der Zeugen Y und A sowie den eigenen Angaben der Geschädigten S

Die Zeugin Y gab zwar zunächst an, dass es den Geschädigten gut ginge, schilderte auf Nachfrage dann aber doch, dass die Mädchen über die Vorfälle nicht sprächen und auch über die Hauptverhandlung im Vorfeld nicht gesprochen worden sei. Zudem sei insbesondere M sehr traurig und weine sehr viel. Des Weiteren schilderte die Zeugin, dass ihre Töchter in psychologischer – nicht medikamentöser – Behandlung seien, dass jedoch erst zwei Termine stattgefunden hätten.
Der Zeuge A gab darüber hinaus an, dass es seinen Schwestern sehr schlecht gehe und dass diese sofort anfangen würden zu weinen, wenn die Vorfälle zum Thema würden. Seine Schwestern würden überhaupt nicht mehr darüber reden wollen.
Auch die Geschädigte S, die bereits während ihrer Vernehmungen ihre Tränen nicht zurückhalten konnte, äußerte bereits in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung: „Immer wenn ich erzähle, kommen die Erinnerungen und ich träum davon und das ist nicht gut.“ In ihrer ergänzenden audiovisuellen Vernehmung wurde die Geschädigte nach ihrem Befinden ausdrücklich gefragt. Der Geschädigten gelang es hierbei nicht, zu antworten, sondern sie brach unmittelbar in Tränen aus und konnte sich kaum wieder beruhigen.
Die Zeugin KHKin B berichtete der Kammer zunächst, was die Geschädigten in ihren polizeilichen Zeugenvernehmungen angegeben haben. Darüber hinaus berichtete sie, dass die Geschädigten und deren Familie bereits bei Anzeigeerstattung besorgt darüber gewesen seien, ob die Jungfernhäutchen der Mädchen noch intakt seien. Es sei sodann aufgrund der Angaben der Geschädigten eine gynäkologische Untersuchung veranlasst worden. Nachdem diese Untersuchung zum Ergebnis gehabt habe, dass das Hymen der M S zu 70% eingerissen sei und diese damit keine Jungfrau mehr sei, sei für die Geschädigte und ihre gesamte Familie eine Welt zusammengebrochen. Die Entjungferung sei – aus kulturellen Gründen – das Hauptthema in der Familie gewesen, sowohl für die Geschädigte selbst, deren Mutter und Bruder als auch sonstige Familienmitglieder, welche auf das Ergebnis der Untersuchung gewartet hätten.
Die Jungfräulichkeit eines unverheirateten Mädchens hat in muslimischen Kreisen einen immens hohen Stellenwert. Die Aussichten eines Mädchens, einen Ehemann zu finden, hängen auch davon ab, ob das Mädchen noch Jungfrau ist, d.h. das Hymen intakt. Bei gerissenem Hymen ist das Mädchen mit einem Makel behaftet, der den Grund der fehlenden Jungfräulichkeit – hier den Missbrauch durch den Stiefvater – in den Hintergrund treten lässt. Darüber hinaus stellt dies eine Schande für die gesamte Familie dar.
Dass dies auch in der Familie der Geschädigten der Fall war steht für die Kammer bereits fest aufgrund des Umstandes, dass die Geschädigte S mitten in ihrer polizeilichen Vernehmung, und obwohl sie nicht vaginal vergewaltigt wurde, ausdrücklich eine Untersuchung dahingehend wünschte und die Geschädigte M gleich zu Beginn ihrer Schilderungen ohne Nachfrage und von sich aus angab, dass der Arzt gesagt habe, dass sie keine Jungfrau mehr sei. Der Zeuge A gab dazu an, dass M bereits nach der gynäkologischen Untersuchung, bei der mitgeteilt worden sei, dass das Jungfernhäutchen gerissen sei, sehr geweint und beruhigt habe werden müssen.
Darüber hinaus gab die Zeugin Y an, erleichtert und glücklich darüber zu sein, dass S noch Jungfrau sei, aber dass die ganze Familie traurig und enttäuscht sei über die Tatsache, dass M dies nicht mehr sei.
Dem Angeklagten war die Bedeutung der Jungfräulichkeit auch bekannt. So hat der Zeuge Al wie bereits ausgeführt angegeben, dass es für den Angeklagten als Muslim ein großes Problem gewesen sei, dass seine Ehefrau bei Eheschließung keine Jungfrau mehr gewesen sei. Er habe ihm geschildert, dass er unbedingt mit einer Jungfrau sexuelle Erfahrungen habe machen wollen. (s.o S.24 a.E) Mit der Entjungferung von M habe er seine Schwager F und H, insbesondere H n provozieren und sich rächen wollen. Dies verdeutlicht, dass dem Angeklagten bewusst war, dass dieser Umstand nicht nur für M selbst, sondern für die ganze Großfamilie ein beschämender Umstand ist.
4. Bewertung der Angaben der Geschädigten
Die Angaben der Geschädigten S und M sind zur Überzeugung der Kammer glaubhaft und die Geschädigten glaubwürdig.
a) Aussagetüchtigkeit
Beide Geschädigte waren aussagetüchtig.
Sie waren zum Zeitpunkt der Taten fähig, das, was sich ereignete, zuverlässig wahrzunehmen, das von ihnen Wahrgenommene im Gedächtnis abzuspeichern und zu bewahren. Zum Zeitpunkt ihrer Zeugenvernehmungen war S. 16 – zum Zeitpunkt der ergänzenden Vernehmung 17 – und M 14, bzw. 15 Jahre alt.
Unter Berücksichtigung des Eindrucks, den sich die Kammer in den jeweiligen Videoaufzeichnungen der Vernehmungen bzw. i.R.d. ergänzenden audiovisuellen Vernehmung verschaffen konnte, handelt es sich jeweils um altersgemäß entwickelte, durchschnittlich intelligente Jugendliche. Psychische Auffälligkeiten traten hierbei nicht zu Tage und wurden von keinem Verfahrensbeteiligten geltend gemacht.
b) Die Aussagen sind hinsichtlich der angegebenen Tatsachen zum festgestellten Sachverhaltes glaubhaft.
aa) S Zunächst ist die Kammer davon überzeugt, dass der Aussage keine bewusste Lüge zugrunde liegt. Zur Überprüfung dessen hat die Kammer folgendes berücksichtigt.
Zunächst enthalten die Angaben der Geschädigten zahlreiche inhaltsbezogene Realitätsmerkmale, die den Schluss auf die Erlebnisbasiertheit der Angaben zulassen. Diese waren geprägt von hinreichendem Detailreichtum, Schilderung von Gesprächen und Interaktionen. Zudem schilderte die Geschädigte auch aufgetretene Komplikationen und Nebensächlichkeiten. Darüber hinaus enthielt die Aussage auch ausgefallene Details und die Geschädigte berichtete über, bzw. zeigte ihre Gefühle. Auch war in der Aussage eine hinreichende Strukturgleichheit sowie ein Verzicht auf eine Mehrbelastung des Angeklagten zu erkennen. Das Erzähltempo war gleichbleibend hoch und die Angaben waren an einigen Stellen geprägt von einer ungeordnet sprunghaften Darstellung. Zudem war die Aussagekonstanz hinreichend gegeben.
(1) Detailreichtum
Insbesondere den Vorfall vom 19.06.2020 schilderte die Geschädigte mit auffallendem Detailreichtum. So gab sie an, dass die Familie vorher beim Supermarkt war und sodann zusammen Abend gegessen habe. In ihrer polizeilichen Vernehmung gab die Geschädigte zudem an, dass sie sich im Badezimmer gerade eine Gesichtsmaske aufgelegt hatte, als der Angeklagte das Bad betreten habe. Auch danach berichtete die Geschädigte nicht nur, dass der Angeklagte sie erneut geschlagen habe, sondern auch, dass sie sich zuvor auf einen Stuhl gesetzt habe. Derartige nebensächliche Details im Umfeld des Geschehens stützen die Überzeugung der Kammer vom Wahrheitsgehalt der Angaben. Die Schilderung der Geschädigten enthält zudem ein besonderes, ausgefallenes Detail, welches den Wahrheitsgehalt besonders stützt. So gibt sie an, der Angeklagte habe auf ihre Ankündigung, von seinen Taten zu berichten wie folgt reagiert: „Er sagte, ja o.k. wenn du es jemand sagen willst, gehe ich ins Gefängnis. Wenn ich rauskomme, bringe ich jemanden von euch um. Er hat getanzt und gelacht.“ Einzigartigkeiten zu erfinden ist insbesondere deshalb so schwierig, weil sie gleichzeitig plausibel bleiben müssen. Jemand der bewusst die Unwahrheit sagt, wird daher vor der Erwähnung von Umständen zurückschrecken, die als unwahrscheinlich erscheinen könnten. Der Umstand, dass der Angeklagte angesichts der Ankündigung, von dem Vorgefallenen zu erzählen nicht nur gelacht, sondern auch getanzt habe, erscheint dabei besonders merkwürdig und einzigartig.
Zur Frage der Häufigkeit der Übergriffe gab die Geschädigte an, dass es in Deutschland mehrere Vorfälle gegeben habe. Sie schilderte dazu, dass es immer vorkam, wenn niemand zu Hause war und dass er es mit ihr immer von hinten gemacht habe. In ihrer polizeilichen Vernehmung gab sie an, dass es immer so abgelaufen sei, wie zuvor erwähnt. Er habe sie somit in ihrem Zimmer auf ihr Bett geschmissen, sie gepackt, ihr die Hose heruntergezogen und von hinten vergewaltigt. Zuvor habe sie sein Glied in ihrem Mund stecken müssen.
Weitere konkrete Details konnte sie jedoch lediglich in den zur Verurteilung gelangten Fällen berichten. So konnte sie beispielsweise angeben, dass sie krank gewesen und deshalb allein zu Hause gewesen sei oder dass sich ihre Mutter zum Zeitpunkt der Vergewaltigung im Sprachkurs befunden habe. Hier schildert die Geschädigten auch Nebensächlichkeiten, die mit dem eigentlichen Geschehen nichts zu tun haben. So gibt sie z.B. bei dem Vorfall, bei welchem sie krank zu Hause gewesen sei an, auch beim Arzt gewesen zu sein. Bei dem weiteren Vorfall schildert sie ohne erkennbaren Zusammenhang mit der Tat, dass ihre Mutter den Haustürschlüssel mitgenommen habe.
Hinsichtlich der gemeinsamen Vergewaltigung gab die Geschädigte zudem an, dass sie und ihre Schwester deshalb allein zu Hause gewesen seien, weil alle außer dem Angeklagten im Supermarkt gewesen seien und dass sie und M am Handy gespielt hätten, als der Angeklagte das Zimmer betreten habe. Auch hier handelt es sich um nebensächliche Details.
Bei der Frage des quantitativen Detailreichtums ist vorliegend jedoch zu berücksichtigen, dass bei besonders häufig erfolgten Taten besondere Schwierigkeiten bestehen. Hier werden bei gleichförmigen Geschehensabläufen spezifische Details möglicherweise weniger erinnert. Die Geschädigte gab an, dass es seit der Zeit im Libanon eine Vielzahl an sexuellen Übergriffen gegeben habe, die im Wesentlichen gleich abgelaufen seien. Dass die Geschädigte nunmehr lediglich wenige Vorfälle situativ einordnen konnte, tut der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben daher keinen Abbruch.
Dass die Geschädigte beispielsweise über die Vorfälle im Libanon, auch wenn sie strafbare Handlungen betrafen, nur oberflächlich berichtete und das Verhalten des Angeklagten z.B. mit „quälen“ bezeichnete oder allgemein davon sprach, dass der Angeklagte sie immer geschlagen habe oder dass er mit ihr und ihrer Schwester Sex gemacht habe, spricht nicht gegen den Realitätsbezug. Aus dem Gesamtkontext der Zeugeneinvernahme ergibt sich, dass der Hauptaugenmerk der Vernehmungspersonen eindeutig auf dem angeklagten Sachverhalt lag. Hierzu erfolgten im weiteren Verlauf eine Vielzahl an Nachfragen, während die Ausführungen der Zeugin zu der Zeit im Libanon ausschließlich auf der spontanen Erzählung derselben beruht. Dennoch berichtete die Zeugin auch hier nebensächliche Details, deren eigentliche Bedeutung für die Zuhörer und auch die Kammer nicht klar erkennbar wurde. So schilderte sie z.B.: „Jemand hat ein Gebäude gehabt und da war ein Vermieter, also wir waren die Mieter.“ ohne zu erklären, ob dies für die zuvor geschilderten Schläge seitens des Angeklagten eine besondere Relevanz hatte.
Auch bereits die Angaben in ihrer polizeilichen Vernehmung enthalten einen hinreichenden Detailreichtum, so zum generellen Ablauf der analen Vergewaltigungen und zum Vorfall vom 19.06.2020, bei welchem sie insbesondere auch einzelne Äußerungen ihrer Mutter und des Angeklagten wörtlich schildert. So gibt sie an, die Mutter habe gesagt: “Psst, sei leise. Nicht dass er uns tötet, wie sein Vater seine Frau in Syrien geschlachtet hat.“ Zudem habe der Angeklagte ihr zu dem Zeitpunkt, als sie sich bereits anzog, um mit ihrem Bruder zur Polizei zu gehen gesagt: „Pass auf, wenn du was sagst, dann komme ich mit Messer und bringe dich und deine Schwester um.“
(2) Komplikationen
Des Weiteren schilderte die Geschädigte den Handlungsablauf störende Komplikationen. Auch dies spricht für die Schilderung von erlebnisbasierten Geschehensabläufen. So gab sie an, dass ihre Mutter in einem Fall der Vergewaltigung nach Hause und in ihr Zimmer gekommen sei, während der Angeklagte jedenfalls noch in ihrem Zimmer und sie entkleidet gewesen sei.
(3) Schilderung von Gefühlen und inneren Vorgängen
Bezogen auf den Vorfall vom 19.06.2020 schilderte sie, dass der Angeklagte sie nur geschlagen habe, damit ihrer Mutter denke, sie schreie deswegen. Dabei handelt es sich um mehr, als die bloße Erwähnung einfacher oder naheliegender Emotionen. Die Geschädigte gibt vielmehr ihre Gedanken und die damals gezogene eigene Schlussfolgerung wider.
Auch im Übrigen schilderte die Geschädigte, dass sie panische Angst vor dem Angeklagten gehabt habe. Dies nennt sie als Grund dafür, dass sie und ihre Schwester der Zeugin H. nicht den vollen Sachverhalt geschildert hätten, sondern lediglich, dass der Angeklagte sie geschlagen hätte.
(4) Verzicht auf Mehrbelastung
Letztlich liegen auch motivationsbezogene Kennzeichen, insbesondere in Form eines Verzichts auf eine naheliegende Mehrbelastung, vor, obwohl diese niemand widerlegen könnte (Bender, RZiff. 475), was für die subjektive Richtigkeit der Angaben spricht.
Bei den Angaben der Geschädigten war kein übermäßiger Belastungseifer zu erkennen. So gab die Geschädigte zum Beispiel an: „Es ging normal, wenn jemand zu Hause war, …“. An einer weiteren Stelle der Vernehmung gibt sie an, dass die Familie anfangs in einem Flüchtlingscamp gewohnt hätte, er dort jedoch nicht übergriffig geworden sei. Obwohl die Zeugin immer wieder die Verwendung eines Messers bei Ausspruch von Drohungen erwähnte, und sie in ihrer ergänzenden audiovisuellen Vernehmung angegeben hat, dass der Angeklagte ein Messer auch bei der gemeinsamen Vergewaltigung von ihr und ihrer Schwester dabei gehabt habe, verzichtete sie doch darauf, dem Angeklagten ein ähnliches Verhalten in den Fällen vorzuwerfen, in welchen sie allein von diesem vergewaltigt wurde. Die Behauptung der Verwendung eines Messers wäre angesichts der offensichtlich bestehenden Messeraffinität des Angeklagten ein leichtes gewesen. Auch hinsichtlich der empfundenen Schmerzen zeigt die Geschädigte keine Belastungstendenz. Sie gab lediglich an, bei den analen Penetrationen anfangs Schmerzen empfunden zu haben. Eine irgendwie geartete Dramatisierung erfolgte nicht.
Gleiches gilt, als die Geschädigte zu den, zum Alltag gehörenden, Schlägen befragt wird. Dort gibt sie an, bis auf einen einzigen Fall, lediglich mit der Hand und nie mit Gegenständen geschlagen worden zu sein.
(5) unvorteilhafte Behauptung
Ein weiteres Indiz für den Wahrheitsgehalt der Angaben stellt die Schilderung der Geschädigten dar, sie und ihre Schwester hätten eine Lehrerin ins Vertrauen gezogen. So gab sie an: „Hier habe ich es meiner Lehrerin in der Schule erzählt. Wir hatten Angst vor ihm. Die Lehrerin hat gesagt, hier ist das Recht auf eurer Seite, ihr müsst das erzählen.“ Die Geschädigte ergänzte jedoch sogleich ungefragt: „Wir hatten panische Angst, wir haben nur erzählt, dass er uns geschlagen hat.“
Zwar belastet sich die Geschädigte hier nicht selbst, allerdings gibt sie unumwunden zu, dass sie bei den Begegnungen mit ihrer Lehrerin dieser nicht die volle Wahrheit gesagt hat und stellt damit selbst eine Widersprüchlichkeit in ihren Angaben dar. Angesichts der spontanen Angaben hierzu und des gleichzeitig vorliegenden hohen Erzähltempos ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass die Erzählung samt Angabe der Begründung der Wahrheit entspricht.
(6) ungeordnete sprunghafte Darstellung
Die Geschädigte begann ihre ermittlungsrichterliche Vernehmung bereits in ungewöhnlicher Weise. Auf die Aufforderung, mit der Erzählung zu beginnen, stellte die Geschädigte der Ermittlungsrichterin mit den Worten „Soll ich erzählen, vom Tag an, wo ich ihn angeklagt habe, oder von der Vergangenheit, was er da mit mir gemacht hat.“ quasi zur Wahl, ob sie ihre Erzählung von vorne oder von hinten beginnen solle.
Sodann berichtet sie zunächst von den in der Vergangenheit liegenden Vorfällen im Libanon, um dann mit dem zeitlich letzten Fall, der zur Anklage gelangt ist, zu beginnen. Auf die weiteren Vorfälle geht sie – zeitlich ungeordnet – entsprechend der Fragen der Ermittlungsrichterin ein, welche ebenfalls in ihren Fragen zwischen den einzelnen Taten ungeordnet „hin und her springt“. So stellt diese zunächst Fragen zur Art der Penetration, dann stellt sie eine Frage zum Vorfall der gemeinsamen Vergewaltigung, um schließlich mit der nächsten Frage wieder zum Vorfall vom 19.06.2020 zurückzukehren. Der Geschädigten gelingt es dabei mühelos, die Fragen zuzuordnen und entsprechend zu antworten. Gleichzeitig flocht sie in die Schilderung der Schläge vom 19.06. die Schilderung weiter zurückliegender Verletzungshandlungen ein.
Insbesondere diese ungeordnete, zeitlich sprunghafte Darstellung der Ereignisse stützen die Überzeugung der Kammer von der Erlebnisbasiertheit der Angaben. Demgegenüber konzipieren Lügner ihre zielgerichtete und auf die Hauptsache konzentrierte Darstellung von Anfang an chronologisch. Sich spontan seinen Einfällen zu überlassen, ohne erkennbare Ordnung einmal hier ein Bruchstück und dann dort ein Detail zu bieten, entspricht dem nicht. Das Lügen erfordert an sich bereits eine beachtliche Gedächtnisleistung hinsichtlich der eigenen Darstellung und der kreativen Fantasie. Diesen Anforderungen wird kaum eine Aussageperson genügen können, wenn sie auch noch ungesteuert und durcheinander aussagt (Bender/Häcker/Schwarz, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Rn. 484).
(7) Erzähltempo
Darüber hinaus war das Erzähltempo während der Zeugeneinvernahme gleichbleibend hoch. Zunächst berichtete die Geschädigte über die Dauer von ca.15 Minuten – nur unterbrochen durch die Übersetzung der Dolmetscherin – frei und spontan und in einem außergewöhnlich hohen Sprechtempo. Dieses behielt die Geschädigte über den Verlauf der gesamten Vernehmung, jeweils auch bei der Beantwortung der ihr gestellten Fragen, bei.
(8) Konstanz
Ein weiteres Indiz für den Wahrheitsgehalt der Angaben stellt der Umstand dar, dass die Schilderungen der Geschädigten im Kerngeschehen gleichgeblieben sind, auch wenn der Kammer bewusst ist, dass dieses Kriterium nicht überbewertet werden darf.
So schildert die Geschädigte insbesondere den Vorfall vom 19.06.2020 sowie die analen Penetrationen in gleicher Weise. Auch in der ergänzenden audiovisuellen Vernehmung schildert die Geschädigte den Vorgang der besonders schweren Vergewaltigung in gleicher Weise wie in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung. Darüber hinaus ist sie in der Lage, auf die Nachfragen der Kammer die Schilderung entsprechend zu ergänzen und die Lücken zu füllen, aufgrund welcher die ergänzende Vernehmung überhaupt notwendig war, ohne sich hierbei in Widerspruch zum bisher geschilderten Geschehen zu setzen. Lediglich im Randgeschehen lassen sich kleinere Widersprüche feststellen. So gibt die Geschädigte in ihrer polizeilichen Vernehmung an, sie sei ins Bad gegangen und habe eine Gesichtsmaske aufgelegt, während sie in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung lediglich noch von Hände- und Gesicht-Waschen spricht. Die konstante Erinnerung des Kerngeschehens sowie kleinere Abweichungen bei Nebensächlichkeiten sind bei einer wahrheitsgemäßen Aussage jedoch grundsätzlich zu erwarten. Darüber hinaus sind Präzisierungen und Erweiterungen in wiederholten erlebnisbasierten Aussagen erwartbar, da die Geschehnisse aus der Erinnerung heraus berichtet werden und nicht aufgrund eines auswendig gelernten Geschehensablaufs.
(9) Einräumen von Erinnerungslücken
Die Geschädigte räumte auch ein, wenn sie sich an bestimmte Umstände nicht mehr erinnern konnte. So blieb insbesondere die Gesamtanzahl der sexuellen Übergriffe auf die Geschädigte letztendlich unklar. Zwar hatte diese sowohl in ihrer polizeilichen Vernehmung als auch während der ermittlungsrichterlichen Vernehmung von 6 Fällen gesprochen, die Geschädigte gab jedoch auch an, dass sie sich nicht erinnern könne, wie oft das gewesen sei. Sie wissen nur, dass der letzte Vorfall vor Corona gewesen sei. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass sich die Geschädigte diesbzgl. auch in Widersprüche verstrickt, nachdem sie in der polizeilichen Vernehmung davon sprach, dass die Vorfälle fast jede Woche stattfanden, um dann die Zahl auf 6 zu begrenzen. Letztlich hat sich aber deutlich aus den Vernehmungen ergeben, dass es mehrere Übergriffe gegeben hat, die sämtlich gleich abgelaufen seien, und die Geschädigte die genaue Anzahl daher nicht mehr sagen könne.
(10) wechselseitige Ergänzung
Als besonderes Qualitätsmerkmal erweist sich zudem, wenn die Angaben der Zeugin den Binnenbereich der eigenen Aussage dadurch überschreiten, dass verschiedene Aussagepersonen zum selben Beweisthema Ergänzungen bringen, bzw. bringen könnten, da sich der Zeuge dann auch der Gefahr aussetzt, dass diese Zeugen vernommen werden und eine eventuelle Lüge enttarnen könnten.
Die Angaben der Geschädigten ergänzen sich jedoch zwanglos mit den Angaben ihrer Schwester. Zudem bezieht die Geschädigte auch ihre Mutter immer wieder in ihre Erzählungen ein, die die Angaben der Geschädigten, beispielsweise zum Vorfall vom 19.06.2020, soweit sie diese wahrnehmen konnte, auch bestätigt. Ebenso der Bruder der Geschädigten. Angesprochen auf die Übersendung von Sexvideos verweist die Geschädigte zudem auf das Mobiltelefon ihrer Schwester, dass jederzeit überprüft werden könnte.
Die Angaben der Geschädigten werden auch durch die durchgeführten polizeilichen Ermittlungen ergänzt, von welchen die Zeugin KHKin B berichtete. Angesichts der Angaben der Zeuginnen – sie seien beide allein/krank zu Hause gewesen – habe sie Abwesenheitslisten der Schule eingeholt. Die Zeugin B gab dazu an, dass die Zeuginnen zwar eine zeitliche Zuordnung nicht hätten treffen können und damit eine Festlegung auf Fehltage nicht habe erfolgen können. Allerdings sei es auffällig gewesen, dass die Zeuginnen z.B. am 05./06.03.2020 beide als krank gemeldet worden seien, so dass es durchaus Gelegenheit für den Angeklagten gegeben habe, sich an beiden gleichzeitig zu vergehen. Auch ansonsten habe es Fehltage der Zeuginnen gegeben.
Allerdings ist hier anzumerken, dass S geschildert hat, die anderen Familienmitglieder seien im Supermarkt gewesen, so dass es sich hierbei nicht um einen gemeinsamen Krankheitsstag gehandelt haben muss.
Ein weiteres Indiz für den Wahrheitsgehalt der Angaben, wenn auch im Fall der S ein schwaches, stellt das Ergebnis der gynäkologischen Untersuchung dar. So hatte dieses zum Ergebnis, dass das Hymen der Geschädigten sich noch im Normbereich befand, was zwanglos mit den Darstellungen der Geschädigten zum lediglich oralen und analen Geschlechtsverkehr in Übereinstimmung zu bringen ist.
(11) lückenhafte erste Vernehmung
Unschädlich ist vorliegend, dass sich die polizeiliche Zeugenvernehmung nicht auf sämtliche dem Angeklagten zur Last gelegte Vorfälle bezieht. So gab die Zeugin KHKin B an, dass die Geschädigten zusammen mit deren Bruder und zwei ihrer Onkel bei der PI Marktoberdorf erschienen seien. Nach einer kurzen Abklärung, um was es gehe, sei sie als Kripobeamtin hinzugezogen worden. Es sei sodann geplant gewesen, die zur Anzeige anstehenden Sachverhalte in groben Zügen herauszuarbeiten, um dann später eine Videovernehmung durchzuführen. Angesichts der Nachtzeit, des jungen Alters der Zeuginnen und des verstörten Zustandes, in welchem diese sich befunden hätten, sei es von vornherein nicht beabsichtigt gewesen, eine vollständige Abklärung des Sachverhalts vorzunehmen.
(12) Gesamtwürdigung
Nach Gesamtwürdigung sämtlicher aufgeführter Umstände ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Geschädigte die geschilderten Geschehnisse nicht erfunden hat. Unter Berücksichtigung des Eindrucks von der Geschädigten, den sich die Kammer durch die Videovernehmung und die ergänzende Vernehmung verschaffen konnte, ist die Kammer davon überzeugt, dass diese zwar durchschnittlich intelligent, aber nach ihren individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, eine Aussage der festgestellten Qualität zu tätigen, wenn diese nicht erlebnisbasiert gewesen wäre. Die aufgezeigte Konstanz der Aussagen und die Dichte der Realkennzeichen, würden eine derart hohe Lügenkompetenz erfordern, welche die Kammer der Geschädigten nicht zutraut. Die gesamte Vernehmung hindurch liegt eine besonders spontane, impulsive, detailreiche und assoziative Art der Erzählung in hohem Tempo vor. Das Antworttempo, insbesondere auch auf Nachfragen, war derart hoch, dass letztlich keine Zeit für die Steuerung der Aussage blieb und diese für den Zuhörer spontan und teils ungeordnet wirkt.
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die einzelnen Merkmale der Glaubhaftigkeit nur Anzeichen oder Hinweise dafür geben können, dass die Aussage glaubhaft sein kann. Auch unwahre Aussagen können Glaubhaftigkeitsmerkmale enthalten. Die einzelnen Kriterien sind daher nicht im Sinne einer Aufzählung als Quantifizierungsinstrument mit der Festlegung von klaren Grenzwerten für die Bestimmung der Glaubhaftigkeit zu werten. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass eine bewusst lügende Person über mehrere Vernehmungen hinweg konstant zu zahlreichen Vorfällen berichtet und die Angaben hierzu von zahlreichen Realkennzeichen – wie hier – geprägt sind, ist zur Überzeugung der Kammer vorliegend zu vernachlässigen. Eine erfundene Aussage wäre mit derart hohen Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit der Geschädigten und – aufgrund der Einbeziehung weiterer Personen – mit einem derart hohen Risiko verbunden, dass die Kammer dies vorliegend ausschließt.
Ein Motiv der Geschädigten, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, kam weder in den Vernehmungen zum Vorschein, noch sind sonstige Anhaltspunkte hierfür vorhanden. Für die vom Angeklagten in den Raum gestellten Vermutungen einer Intrige des H Y, gibt es keinerlei Hinweise. Insbesondere äußerte sich der Zeuge A dahingehend, dass das Verhältnis des Angeklagten zu seinem Schwager, entgegen der Behauptungen des Angeklagten, ganz normal gewesen sei. Für einen irgendwie gearteten Irrtum bestehen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte.
bb) M
Zunächst ist die Kammer auch bei M davon überzeugt, dass der Aussage keine bewusste Lüge zugrunde liegt.
Auch die Angaben der Geschädigten M enthalten zahlreiche inhaltsbezogene Realitätsmerkmale, die den Schluss auf die Erlebnisbasiertheit der Angaben zulassen.
Diese waren geprägt von hinreichendem Detailreichtum. Zudem schilderte die Geschädigte auch von aufgetretenen Komplikationen, ausgefallenen Details und Nebensächlichkeiten.
Darüber hinaus berichtete sie über ihre Gefühle.
Auch war in der Aussage eine hinreichende Strukturgleichheit sowie ein Verzicht auf eine Mehrbelastung des Angeklagten zu erkennen. Das Erzähltempo war gleichmäßig und die Angaben der Geschädigten waren an einigen Stellen geprägt von einer ungeordnet sprunghaften Darstellung. Zudem war eine hinreichende Aussagekonstanz gegeben.
(1) Detailreichtum
Es zeigte sich, bereits in der polizeilichen Zeugenvernehmung und auch in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung zum Themenbereich des Begrapschens ein besonderer Detailreichtum. Diese Vorwürfe sind nicht Gegenstand der Anklage und im Hinblick auf die weiteren Vorfälle eher nebensächlich. Dennoch schildert die Geschädigten, dass der Angeklagte ihr u.a. die Hose runter zieht und danach wegläuft. Zudem ordnet sie einzelne Vorfälle räumlich ein, wenn sie schildert: „Wenn ich mit ihm im Wohnzimmer saß, hat er mich angefasst und dann ist er weggelaufen.“
Jedoch auch die Schilderung der vaginalen Vergewaltigung enthält eine hinreichende Anzahl an Details. So gibt die Geschädigte bereits in ihrer polizeilichen Vernehmung an, dass sich der Vorfall mittags ereignet habe, als die Mutter bei einer Nachbarin gewesen sei. Sie schilderte weiter, dass sie der Angeklagte von hinten packte und dass er ihr Gesicht auf ein Kissen gedrückt habe, damit sie nicht schreie. Darüber hinaus berichtet sie davon, dass sie geblutet habe, da er sie geschlagen habe. Die Geschädigte berichtete, dass die am fraglichen Tag eine Leggings getragen habe und zudem, dass nach dem Verkehr etwas bei ihr „rausgelaufen“ sei.
Von einer weißen Flüssigkeit berichtete die Geschädigte ebenso beim besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung.
Im Hinblick auf den besonders schweren Fall der Vergewaltigung berichtet die Geschädigte darüber hinaus, dass er sie geschlagen habe und dann eine Decke in ihren Mund gesteckt habe, damit sie nicht schreie. Später ergänzte sie ihre Schilderung damit, dass der Angeklagte ihr während des Geschlechtsakt auch ein Messer an den Hals gehalten habe. Dies stellt zudem ein besonders ausgefallenes Detail dar. Es ist zwar generell leicht vorstellbar, dass ein Täter ein Messer bei der Tatausführung bei sich führt, dieses neben sich liegt, oder gar während der Tatausführung in der Hand hält. Dass er dies jedoch während der Vergewaltigung dem Opfer an den Hals hält, stellt Überzeugung der Kammer ein außergewöhnliches Einzeldetail dar, welches für die Erlebnisbasiertheit der Angaben spricht.
Bei der Frage des quantitativen Detailreichtums ist vorliegend auch bei M zu berücksichtigen, dass bei häufig erfolgten Taten besondere Schwierigkeiten bestehen. Hier werden bei gleichförmigen Geschehensabläufen spezifische Details möglicherweise weniger erinnert. Auch M gab an, dass der Angeklagte bereits im Libanon und dann in Deutschland eine Vielzahl sexueller Übergriffe verübt habe. Dass die Geschädigte nunmehr lediglich wenige Vorfälle detailliert schilderte, tut auch ihrer Glaubhaftigkeit keinen Abbruch.
(2) Komplikationen
Auch die Geschädigte M berichtet von Komplikationen im Handlungsablauf. So stellt im Grunde der Vorfall des besonders schweren Falls der sexuellen Nötigung bereits in sich eine Komplikation dar. Insoweit berichtete die Geschädigte: „Dann ist der auf mich raufgesessen und hat mich bedroht und mich geohrfeigt … Ich bin auf dem Bauch gelegen. Da kann es nicht zum Geschlechtsakt. Da ist gleich weiße Flüssigkeit rausgekommen und auf meine Hose, … Die Flüssigkeit kam raus, ohne dass er in mich eingedrungen ist.“ Die, vom üblichen Handlungsablauf abweichende, frühe Ejakulation auf die Hose der Geschädigten ohne ein vorhergehendes Eindringen, stellt angesichts der im Übrigen geschilderten Vorfälle eine sehr spezielle Abweichung dar. Die Schilderung dieser Besonderheit stützt den Wahrheitsgehalt der Angaben.
(3) Schilderung von Gefühlen
Die Geschädigte gibt mehrfach an, Angst vor dem Angeklagten zu haben. Grundsätzlich handelt es sich dabei um die bloße Erwähnung naheliegender Emotionen. In ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung begründet sie ihre Ängste jedoch spontan damit: „Ich habe vor meinem Stiefvater Angst und nehme die Drohungen ernst. Sein Vater hat seine Mutter vor seinen Augen getötet“. Damit schildert sie nicht nur ihre Emotion an sich, sondern auch ein außerhalb des Tatgeschehens liegendes Wissen, welches der Emotion zugrunde liegt und somit ein weiteres Indiz für den Wahrheitsgehalt der Angabe darstellt.
(4) Verzicht auf Mehrbelastung
Letztlich liegen auch motivationsbezogene Kennzeichen, insbesondere in Form eines Verzichts auf eine naheliegende Mehrbelastung, vor, obwohl diese niemand widerlegen könnte (Bender, RZiff. 475), was für die subjektive Richtigkeit der Angaben spricht.
Während der ermittlungsrichterlichen Vernehmung bejaht die Geschädigte zwar die Frage nach Schmerzen während der Vergewaltigungen, auf die weitere Nachfrage, ob die Schmerzen vorne oder hinten waren, gab die Geschädigte aber an, nur vorne Schmerzen verspürt zu haben. Nachdem eine falsche Behauptung nicht überprüfbar gewesen wäre, wäre es ein leichtes gewesen, Schmerzen bei jeder Art der Vergewaltigung – auch anal – anzugeben oder diese zu aggravieren, was die Geschädigte nicht tat. Ebenso verneinte sie die ausdrückliche Frage nach einem oralen Eindringen. Nachdem die Geschädigten beide übereinstimmend angaben, von den Übergriffen auf die jeweils andere gewusst zu haben, wäre es auch hier ein leichtes gewesen, die Angaben zum Ablauf der analen Vergewaltigungen – mit Oralverkehr zuvor – ebenso zu schildern, wie ihre Schwester.
(5) ungeordnete sprunghafte Darstellung
Auch die Angaben der Geschädigten M waren während keiner ihrer Vernehmungen zeitlich geordnet. Bereits bei ihrer polizeilichen Vernehmung schilderte sie sprunghaft zunächst ihre vaginale Vergewaltigung, sodann Drohungen durch den Angeklagten und weiter das unsittliche Anfassen durch denselben. Auch in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung springt sie zwischen der vaginalen Vergewaltigung, dem besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung und dem besonders schweren Fall der Vergewaltigung hin und her. Sie schildert wiederum in unmittelbarer zeitlicher Abfolge das unsittliche Anfassen, vom Tag der Anzeige und von den Bedrohungen. Die Geschädigte ist dabei jederzeit in der Lage, den wechselnden Fragen der Ermittlungsrichterin und der weiteren Beteiligten zu folgen und diese adäquat zu beantworten. Auch die Schilderung der Verwendung des Messers erfolgte zunächst ungeordnet und sprunghaft. So gab sie auf Nachfrage an: „Dieses Messer hat er immer benutzt, auch während des Beischlafs. Wenn wir oder mein Bruder gesagt haben, wir gehen hin und sagen es meiner Mutter, kam er immer mit dem Messer.“ Zum weiteren Verständnis waren daher weitere Nachfragen erforderlich, welche die Geschädigte jedoch ohne weiteres beantworten konnte.
Auch ansonsten erfolgten spontane Angaben der Geschädigten. So schilderte sie gleich zu Beginn ihrer Vernehmung, dass der Arzt festgestellt habe, dass sie keine Jungfrau mehr sei. Am Ende ihrer Vernehmung gab sie ungefragt an, dass es bereits im Libanon „Sex“ gegeben habe und dass ihre kleinen Geschwister bei den sexuellen Handlungen dort sogar zugegen gewesen seien.
(6) Erzähltempo
Das Tempo der Erzählung der Geschädigten war zwar langsamer als das ihrer Schwester, jedoch ebenfalls gleichbleibend. Die Antwortgeschwindigkeit blieb ebenfalls gleich. Insgesamt fügte sich die Erzählweise der Geschädigten zwanglos in das von den Zeuginnen KHKin B2. und Hirmer geschilderte Persönlichkeitsbild ein.
So gab die Zeugin KHKin B an, dass M viel verschlossener gewesen sei, als S. Sie habe während der polizeilichen Vernehmung einen sehr eingeschüchterten und verängstigten Eindruck gemacht.
Die Zeugin Hi, die die Geschädigte in der Schule oft beobachten konnte, gab an, dass M generell viel allein gewesen sei und einen schüchternen, introvertierten und unscheinbaren Eindruck gemacht habe. Im Gegensatz zu ihr, sei S offener gewesen.
Dieser Eindruck bestätigte sich auch beim Vorspielen der ermittlungsrichterlichen Zeugenvernehmungen. Nicht nur das Erzähltempo war im Vergleich zu S langsamer, sondern die Erzählungen gestenärmer und auch die Gesprächslautstärke leiser. Die Geschädigte kauerte sich während der Vernehmung auf dem Stuhl zusammen, was den Eindruck der Schüchternheit ebenfalls verstärkte.
(7) Konstanz
Ein weiteres Indiz für den Wahrheitsgehalt der Angaben stellt der Umstand dar, dass die Schilderungen der Geschädigten im Kerngeschehen gleichgeblieben sind, auch wenn der Kammer bewusst ist, dass dieses Kriterium nicht überbewertet werden darf, zumal die Geschädigte in ihrer polizeilichen Vernehmung nicht umfassend befragt wurde. So schilderte die Zeugin KHKin B, dass die Vernehmung aufgrund der Nachtzeit und des verstörten Eindrucks, den die Geschädigten auf sie gemacht hätten, ganz bewusst nicht auf eine vollständige Vernehmung ausgerichtet gewesen sei. Die Schilderungen der Geschädigten zur vaginalen Vergewaltigung entsprechen jedoch denjenigen, welche die Geschädigte in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung machte. Dabei war die Geschädigte in der Lage, ihre Schilderung um Details zu ergänzen, so z.B., dass der Angeklagte seinen Arm auf sie gelegt und sie so auf das Bett gedrückt habe.
(8) Einräumen von Erinnerungslücken
Die Zeugin räumte auch ein, wenn sie sich an bestimmte Umstände nicht mehr erinnern konnte. So blieb nicht nur die Gesamtanzahl der sexuellen Übergriffe auf die Geschädigte letztendlich unklar, sondern auch zu welchen Zeitpunkten die Übergriffe stattfanden. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass sich die Geschädigte diesbzgl. auch in Widersprüche verstrickt, nachdem sie in der polizeilichen Vernehmung zunächst davon sprach, dass die vaginale Vergewaltigung vor „einem Jahr“ erfolgte, dies aber nicht in Beziehung, etwa zu ihrem in diesen Zeitraum fallenden Geburtstag setzen konnte. Letztlich hat sich aber deutlich aus beiden Vernehmungen ergeben, dass es mehrere Übergriffe gegeben hat, die Geschädigte diese jedoch nicht mehr zeitlich einordnen könne. So ordnete sie die Übergriffe in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung nur “vor Corona“ ein.
(9) wechselseitige Ergänzung
Die Angaben der Geschädigten ergänzen sich zwanglos mit den Angaben ihrer Schwester und werden auch durch die durchgeführten polizeilichen Ermittlungen (s.o. Ziff.(10)) bestätigt.
Besonders hervorzuheben ist jedoch, dass auch der Angeklagte, jedenfalls grundsätzlich, sexuelle Übergriffe auf M berichtet und ihre Angaben auch eine Bestätigung durch die vom Zeugen A1. wiedergegebenen Erzählungen des Angeklagten erfahren.
Ein weiteres gewichtiges Indiz für den Wahrheitsgehalt der Angaben stellt das Ergebnis des zu 70% eingerissenen Hymens bei der gynäkologischen Untersuchung dar, da dies auf eine Penetration in die Scheide hinweist.
(10) Gesamtwürdigung
Nach Gesamtwürdigung sämtlicher aufgeführter Umstände ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass auch die Geschädigte M die geschilderten Geschehnisse nicht erfunden hat. Unter Berücksichtigung des Eindrucks von der Geschädigten, den sich die Kammer durch die Videovernehmung verschaffen konnte, ist die Kammer davon überzeugt, dass diese zwar durchschnittlich intelligent, aber nach ihren individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, eine Aussage der festgestellten Qualität zu tätigen, wenn diese nicht erlebnisbasiert gewesen wäre.
Die aufgezeigte Konstanz der Aussagen und die Dichte der Realkennzeichen würden eine derart hohe Lügenkompetenz erfordern, welche die Kammer der Geschädigten nicht zutraut.
Ein Motiv der Geschädigten, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, kam weder in den Vernehmungen zum Vorschein, noch sind sonstige Anhaltspunkte hierfür vorhanden. Gleiches gilt für einen irgendwie gearteten Irrtum.
c) fehlende Suggestion
Hiervon unabhängig ist die Möglichkeit der Fremdsuggestion zu überprüfen. Die Kammer schließt jedoch die Möglichkeit eines induzierten Erlebnisses unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Aussagen aus.
Für eine gegenseitige Suggestion fehlen jegliche Anhaltspunkte. Insbesondere wäre in einem solchen Fall zu erwarten, dass sich die Schilderung der Vorwürfe der Geschädigten decken würden. Sowohl hinsichtlich der Art der Vergewaltigung – oral-anal-vaginal – als auch der Art und Weise der Durchführung – Ersticken der Schreie; Verwendung des Messers – unterscheiden sich die Angaben der Geschädigten jedoch in wesentlichen Gesichtspunkten.
Eine Suggestion durch die Zeugin R scheidet zur Überzeugung der Kammer ebenso aus. Im Rahmen der Hauptverhandlung hat sich der Gesamteindruck ergeben, dass es ein großes Anliegen für die Zeugin ist, ihren Ehemann zu schützen. Dies zeigt sich auch darin, dass eine Anzeigeerstattung nicht erfolgte, obwohl die Zeugin, entsprechend ihrer eigenen Angaben, bereits zu einem früheren Zeitpunkt von den sexuellen Handlungen zu Lasten ihrer Töchter erfuhr und sogar den Angeklagten zur Rede stellte. Darüber hinaus hatte die Kammer bei der Vernehmung der Zeugin und der Geschädigten den Eindruck, dass es allen sehr schwer fiel, über die Vorfälle zu sprechen, sexuelle Handlungen konkret zu bezeichnen und generell über das Thema ‚Sexualität‘ zu reden. So versuchte die Geschädigte M zunächst, die Handlungen mit Worten wie „Er hat es mit uns gemacht“ zu umschreiben und sagte, sie könne es nicht erklären. Erst nach dem Hinweis, keine falsche Scham zu zeigen, berichtete sie: „Wie Mann und Frau hat er es mit uns gemacht. Er hat es immer von hinten gemacht, aber zwei-, dreimal von vorne.“ Auch der Geschädigten S fiel eine genaue Bezeichnung schwer. Sie gab zunächst an, der Angeklagten habe „Sachen mit uns gemacht“, um sodann auf Nachfrage mit einem verschämten Lachen zu sagen: „Sex mit uns gemacht“. Die Peinlichkeit, bezogen auf das Thema Sexualität war insbesondere bei der Zeugin Y zu merken, die auf Fragen, die ihr besonders unangenehm waren, wie die vom Angeklagten behaupteten Sexualpraktiken, zunächst nur mit einem Schnalzen antwortete.
Darüber hinaus hat sich aus den Angaben der Geschädigten ergeben, dass sie ihre Mutter zunächst auch nicht überzeugen konnten. So schilderte die Geschädigte S in ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung: „Meine Mutter ist mit dem Taxi nach Hause gekommen, also währenddessen er es mit mir gemacht hat. Er hat gehört, dass jemand an der Tür geklopft hat. Er ist sofort zu sich im Zimmer, hat sich hingelegt, ich war auf dem Bett und hab geheult. Ich hab ihr erzählt, was er mit mir gemacht hat. Sie hat mir geglaubt oder nicht geglaubt. Sie hatte gefragt, hast du was gemacht, er hat gesagt nein ich hab das nie gemacht. Meine Mutter hat gesagt, ja ich werde ihn fragen aber er liegt in seinem Zimmer, wie soll er was gemacht haben.“
Diese Angabe wird auch gestützt durch die Ausführungen der Zeugin Hi, die schilderte, dass die Zeugin Y die Vorwürfe, welche M Ende 2019 erhoben habe – und die allerdings nur „sexuelles Anfassen“ und „unsittliches Anreden“ umfasst hätten – ihrem Eindruck nach, nicht so ganz geglaubt habe, bzw. sie nicht habe hören wollen. Sodann sei ein Gespräch am 04.12.2019 mit einer professionellen Dolmetscherin geführt worden. Dabei hätten sich M und ihre Mutter auf arabisch unterhalten. Dieses Gespräch sei jedoch nicht übertragen worden. Am Ende habe die Dolmetscherin lediglich gesagt, dass M gesagt habe, dass die Vorwürfe nicht zutreffend gewesen seien. Dies und der Umstand, dass die Geschädigten sich nicht trauten, die Vorfälle in vollem Umfang zu berichten, legt den Schluss nahe, welchen die Kammer auch gezogen hat (s.u. Ziff.5.e)), nämlich, dass die Zeugin Y zum Schutz des Angeklagten und zur Verhinderung einer öffentlichen Bloßstellung desselben ihre Tochter M zur Rücknahme der Vorwürfe veranlasst hat.
Nachdem die Zeugin Y somit darauf bedacht war, die Geschehnisse unter Verschluss zu halten, und die Geschädigten keine aktive Unterstützung durch ihre Mutter erhielten, scheidet eine Suggestion durch diese aus.
Ebenso stützen die Angaben der Zeugin Hi die Überzeugung der Kammer davon, dass es den Geschädigten insgesamt schwerfiel, über die Geschehnisse zu reden. So berichtete die Zeugin davon, dass erst M Ende 2019 auch von sexuellen Vorwürfen berichtete, die Geschädigten gemeinsam im Februar 2019 jedoch lediglich von körperlicher Gewalt. Damit kann auch eine Suggestion durch die Zeugin Hi ausgeschlossen werden.
Ebenso hat sich kein Anhaltspunkt für eine eventuelle suggestive Befragung/Unterhaltung mit dem Zeugen A ergeben. Vielmehr hat dieser glaubhaft angegeben, von seinen Schwestern keine Details berichtet bekommen zu haben. Zudem hat er, wie auch die Geschädigten bestätigten, erst am Tag der Anzeigeerstattung von der Begehung der Taten erfahren.
Für eine Suggestion durch H ließen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte finden. Bereits für die vom Angeklagten erhobenen Vorwürfe gegen diesen, haben sich im Rahmen der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte finden lassen und der Zeuge A hat ebenfalls glaubhaft angegeben, dass auch sein Onkel erstmals am Tag der Anzeige, und zwar durch ihn, von den Geschehnissen erfahren habe.
Auch eine suggestive Befragung durch die Vernehmungsbeamtin KHKin B kann ausgeschlossen werden. Die Vernehmungsniederschriften wurden in der Hauptverhandlung zur Überprüfung der Aussagekonstanz, ergänzend zu den ermittlungsrichterlichen Videovernehmungen mitsamt den Fragestellungen verlesen. Aus diesen ergibt sich eine offene Befragung durch die Zeugin. So finden sich vorwiegend Fragestellungen wie: „Fang einfach mit einer Tat an und beschreibe sie“, „Was verstehst du unter Vergewaltigung?“ „Was hast du danach gemacht?“, etc. Konkrete Frage wie: „Hatte er an diesem Tag auch sein Glied in deinen Mund gesteckt?“ erfolgten erst, nachdem die Geschädigte bereits zuvor berichtet hat: „Er hat seinen Penis auch in meinen Mund gesteckt.“
Eine Suggestion durch die ermittlungsrichterliche Videovernehmung kann ebenfalls ausgeschlossen werden.
Zwar war die Vernehmung der M von einer Vielzahl an Nachfragen und Vorhalten geprägt, jedoch lag dies in der Zurückhaltung der Geschädigten selbst begründet, von der auch bereits die Zeuginnen KHKin B und Hi übereinstimmend berichtet hatten. Im Übrigen berichteten die Zeuginnen im Kerngeschehen konstant von den Vorfällen und auch M zeigte sich in der Lage, direkte Fragen, wie beispielsweise die Frage nach Oralverkehr zu verneinen und damit auch, dass sie suggestiven Einflüssen nicht ohne weiteres unterliegt.
d) Fazit
Zusammenfassend kann ausgeführt werden, dass den Angaben der Zeuginnen hinreichende Glaubhaftigkeitskriterien innewohnen und die Kammer daher davon ausgeht, dass das geschilderte Geschehen der Wahrheit entspricht und auch keine Suggestion vorliegt. Darüber hinaus wurden die Angaben der Geschädigten nicht nur wechselseitig ergänzt, sondern auch durch die Angaben der weiteren Zeugen gestützt, insbesondere durch die Angaben des Zeugen Al, welcher die Schilderungen des Angeklagten wiedergab. Die Kammer hatte damit an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten sowie ihrer Glaubwürdigkeit im Übrigen keinerlei Zweifel. Mit Ausnahme des Angeklagten, der die Tatvorwürfe leugnete, hat ausdrücklich kein sonstiger Prozessbeteiligter Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben oder der Glaubwürdigkeit der Geschädigten geltend gemacht.
5. Bewertung der Angaben der Zeugen
a) Die Angaben des Zeugen A waren zur Überzeugung der Kammer glaubhaft und der Zeuge selbst glaubwürdig. Dabei hat die Kammer nicht außer Acht gelassen, dass es sich bei dem Zeugen um den Bruder der Geschädigten handelt. Dieser schilderte die von ihm gemachten Wahrnehmungen jedoch ohne Belastungseifer. Auch während der Schilderung der Vorfälle im Libanon sowie der Schläge und Bedrohungen blieb er sachlich und zeigte keine Übertreibungstendenzen.
Zu den Tatvorwürfen gab er ohne Umschweife an, über die Häufigkeit des Missbrauchs und die genaue Ausgestaltung nichts mitbekommen zu haben. Insbesondere habe er erst am 19.06.2020 von den sexuellen Handlungen des Angeklagten erfahren.
Der Angeklagte warf dem Zeugen nach dessen Aussage in der Hauptverhandlung vor, er würde alles kaputt machen wollen. Darüber hinaus würde mit seiner Schwester S eine Affäre haben und die Halbschwester N missbrauchen.
Auch hier blieb der Zeuge sachlich, zeigt sich jedoch ehrlich erstaunt und verneinte die Vorwürfe glaubhaft. Darüber hinaus hat die Kammer im Rahmen der Hauptverhandlung den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge sich sehr um das Wohlergehen seiner Schwestern sorgt. Sonstige Umstände, die Anlass zu Zweifeln gegeben hätten, sind nicht hervorgetreten und wurden auch durch keinen weiteren Prozessbeteiligten geltend gemacht.
b) Der Zeugin war von Beginn an deutlich anzumerken, dass sie sich in ihrer Rolle im Verfahren ausgesprochen unwohl fühlt. Bereits zu Beginn benötigte sie Bedenkzeit dafür, ob sie als Ehefrau überhaupt Angaben als Zeugin macht. Schließlich gab sie an, als Zeugin aussagen zu wollen. Dabei machte die Zeugin keinen Hehl daraus, dass sie es als ihre Aufgabe ansehe, den Angeklagten weiterhin zu schützen. Was ihre Gefühle für den Angeklagten angeht, zeigte sie sich zwar ambivalent, da sie einerseits angab, ihn zu lieben, andererseits jedoch die Frage, ob eine Scheidung beabsichtigt sei, bejahte. Angesprochen insbesondere auf die Vorwürfe zu ihren Lasten äußerte sich die Zeugin zunächst ausweichend, dann wörtlich: “Ich will nicht darüber reden, weil das kann passieren zwischen Ehefrau und Ehemann“ sowie: „Ich will meinen Mann beschützen“. Nach langem Überlegen und nochmaliger eingehender Belehrung im Hinblick auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO berief sich die Zeugin bzgl. der Vorwürfe zu ihren Lasten darauf und machte hinfort insoweit keine Angaben mehr.
Hinsichtlich der Vorwürfe zu Lasten ihrer Töchter äußerte sich die Zeugin jedoch. Zwar war ihr zu jedem Zeitpunkt anzumerken, dass sie sich auch insoweit mit ihrer Rolle als Zeugin schwer tat und es trat auch während der Angaben im Übrigen immer wieder ein gewisser Entlastungseifer in Bezug auf den Angeklagten zu Tage. So gab die Zeugin beispielsweise an, dass ihr Ehemann impulsiv und aggressiv sei, milderte dies aber sofort mit der Begründung ab, dass dies seinem Persönlichkeitsbild entspreche und er eigentlich ein lieber Mann sei. Allerdings berichtete sie ansonsten sachlich und nachvollziehbar, was sie selbst am 19.06.2020 wahrgenommen hat und was sie von ihren Töchtern und auch von ihrem Ehemann im Hinblick auf die weiteren Taten erfahren hatte und gab dabei insbesondere auch an, dass der Angeklagte ihr gegenüber die Vorwürfe der Vergewaltigung eingeräumt habe.
Die Kammer hat dabei den Eindruck gewonnen, dass die Zeugin trotz ihres emotionalen Konflikts in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau zwischen diesen Ebenen unterscheiden konnte und eine solche Unterscheidung auch getroffen hat. Bereits in der Aufspaltung der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts hat die Zeugin eine eindeutige Entscheidung dahingehend getroffen, lediglich über die Vorfälle, die zu ihren eigenen Lasten gehen, nicht zu berichten. Aufgrund des Gesamteindrucks, den die Kammer von der Zeugin gewonnen hat, ist die Kammer davon überzeugt, dass die Zeugin das Geschehen iwahrheitsgemäß geschildert hat.
Auch der Zeuge A1. war glaubwürdig und dessen Angaben glaubhaft.
Dieser gab an, für einen Zeitraum von ca. 3 Monaten Zellengenosse des Angeklagten in der JVA Kempten gewesen zu sein. Da dieser – insbesondere wegen der Sprachbarriere – sehr isoliert gewesen sei, habe sich der Zeuge dem Angeklagten angenommen und darum gebeten, in dieselbe Zelle verlegt zu werden. Der Angeklagte habe sehr bald schon Vertrauen zu ihm gefasst und sehr offen von sich erzählt.
Der Zeuge gab zu den nunmehr bestehenden Konflikten mit dem Angeklagten innerhalb der JVA weiter an, dass der Angeklagte nach einiger Zeit verlangt habe, der Zeuge solle ihn bedienen. Zudem habe er das Durchlüften verboten, obwohl es wegen der ständigen nächtlichen Selbstbefriedigungen gestunken habe. Dadurch habe sich die Stimmung verschlechtert. Darüber hinaus habe der Angeklagte sich eingebildet, dass der Zeuge Kontakt zur Ehefrau des Angeklagten unterhalte und sei deshalb eifersüchtig gewesen. Im Rahmen dieser Streitigkeiten habe der Zeuge irgendwann zum Angeklagten gesagt, er werde alles Gesagte aufschreiben und der Polizei mitteilen. Kurz darauf habe der Angeklagte ihm, während er gerade beim Beten gewesen sei, mit der Faust gegen die Nase geschlagen.
Der Zeuge war glaubwürdig und seine Angaben glaubhaft. Er gab offen an, den Inhalt der Anklageschrift gekannt zu haben, da der Angeklagte ihm diese, wie auch anderen Mithäftlingen gezeigt habe.
Der Zeuge machte auch keinen Hehl daraus, dass er insbesondere aufgrund der vorgefallenen Körperverletzung zu seinen Lasten nicht mehr gut auf den Angeklagten zu sprechen ist. Dennoch trat kein übermäßiger Belastungseifer zu Tage. Angesprochen auf die Verwendung eines Messers zur Tatbegehung gab der Zeuge lediglich an, dass der Angeklagte auch in Haft ein Messer unerlaubt besessen habe und dass er ihm gegenüber geäußert habe, in seiner Familie das Messer als Drohungsmittel benutzt zu haben, um „seine Sachen zu bekommen“. Konkretere Angaben – etwa die Verwendung eines Messers während der Durchführung des Sex mit M oder Angaben zur Häufigkeit – tätigte der Zeuge nicht, obwohl ihm dies aufgrund Kenntnis der Anklageschrift, die ihm der Angeklagte überlassen hat, ein leichtes gewesen wäre.
Darüber hinaus war der Großteil der Schilderung über die Äußerungen des Angeklagten nicht von Inhalt der Anklage umfasst. Kenntnisse über die Zeit im Libanon oder das Verhältnis des Angeklagten zu weiteren Familienmitgliedern kann der Zeuge somit nur aus Schilderungen des Angeklagten erlangt haben. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass der Zeuge die Angaben des Angeklagten und die Vorkommnisse während der Haftzeit aus eigenem Erleben wahrheitsgetreu wiedergegeben hat. Dass der Angeklagte dem Zeugen alles, was er der Kammer gegenüber berichtete, selbst erzählt hat, wird auch gestützt durch die Angaben des Angeklagten selbst in seinem Schreiben vom 22.11.2021. Dort schrieb der Angeklagte zur Bekanntschaft mit dem Zeugen u.a.: „Mein Herr, in den zwei Monaten oder länger, in denen ich die Zeit mit den beiden verbrachte, erfuhren sie alles über mich, da ich nichts zu verbergen hatte.“
Der Zeuge gab weiter an, dass der Angeklagte ihn nunmehr beim Hofgang beleidige, wenn er ihn sehe, seitdem er erfahren habe, dass der Zeuge gegen ihn ausgesagt hat. Dies lenke ihn insbesondere vom Tischtennisspielen ab, wenn die Beleidigungen währenddessen ausgesprochen würden. Auch die Schilderung derartiger Nebensächlichkeiten stützen die Überzeugung der Kammer zur Glaubhaftigkeit der Angaben.
Dass sich zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen tatsächlich eine äußerst schlechte Stimmung entwickelt hat und dieser dem Zeugen nicht wohlgesonnen ist, zeigte sich auch in der Stellungnahme des Angeklagten zur Zeugenaussage. Der Angeklagte äußerte sich dahingehend, dass der Zeuge ein Gesicht habe wie der Teufel, die Gesichter der Mitglieder der Kammer und der sonstigen Verfahrensbeteiligten dagegen leuchten würden wie ein Heiligenschein.
d) Hinsichtlich der vernommenen polizeilichen Sachbearbeiterin hatte die Kammer ebenfalls keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin oder der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Umstände, die die Glaubwürdigkeit der Zeugin oder die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage in Zweifel ziehen könnten, haben sich aus der gesamten Hauptverhandlung nicht ergeben und sind auch von den sonstigen Prozessbeteiligten nicht vorgebracht worden.
e) Die Angaben der Geschädigten werden auch nicht widerlegt durch die Angaben der Zeugin Hi.. Diese schilderte, dass sich die Geschädigten, einmal beide am 12.02.2019 und einmal nur M am 29.11.2019 an sie als Sozialarbeiterin der Mittelschule Biessenhofen gewandt hätten.
Das erste Mal hätten die Mädchen von körperlichen Gewalterfahrungen berichtet und hätten nicht mehr nach Hause gehen wollen. Hier hätten sie zwei konkrete Vorfälle und von Todesdrohungen berichtet. Nach einer Gefährdungsmeldung sei sodann eine vorübergehende Inobhutnahme erfolgt. Nach einem vom Jugendamt durchgeführten Clearingverfahren hätten sich die Beteiligten jedoch wieder ausgesprochen und die Geschädigten seien nach Hause zurückgekehrt. Beim Clearingverfahren sei die Zeugin jedoch nicht mit anwesend gewesen.
Am 29.11.2019 hätte M sodann auch von „sexuellem Anfassen“ und „unsittlichem Anreden“ erzählt, welches sie jedoch nicht weiter beschrieben habe. Daraufhin sei ein Gespräch mit der Mutter geführt worden, welche diese Vorwürfe nicht so ganz geglaubt habe, bzw. sie nicht habe hören wollen. Ein Gespräch am 04.12.2019 sei dann mit einer professionellen Dolmetscherin geführt worden. Dabei hätten sich M und ihre Mutter auf arabisch unterhalten. Dieses Gespräch sei jedoch nicht übertragen worden. Am Ende habe die Dolmetscherin lediglich gesagt, dass M gesagt habe, dass die Vorwürfe nicht zutreffend gewesen seien. Die Zeugin gab weiter an, dass es ihr, vor allem aufgrund der Sprachbarriere und Übertragung mittels Dolmetscher, schwerfalle, einen belastbaren Eindruck von den Beteiligten und deren Verhalten, insbesondere die Rücknahme der Vorwürfe betreffend, zu berichten. Insgesamt habe sie jedoch schon den Eindruck gewonnen, dass es M nicht gut gehe und für sie eine belastende Situation innerhalb der Familie bestehe.
Die Kammer hatte keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Sie schilderte die Zusammentreffen nachvollziehbar und sachlich. Ein Schluss dahingehend, dass die Geschädigte M die Vorwürfe gegen den Angeklagten erfunden hat, ist danach zwar theoretisch möglich, ebenso, dass lediglich ein Verhalten vorlag, wie der Zeugin Hi berichtet wurde. Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend und die Kammer zieht diesen Schluss auch nicht. Angesichts der eigenen Angaben der Geschädigten sowie des Verhaltens, welches die Zeugin R auch in der Hauptverhandlung an den Tag gelegt hat, kommt die Kammer vielmehr zu der Überzeugung, dass die Geschädigten sich nicht trauten, die Vorfälle in vollem Umfang zu berichten und dass deren Mutter zum Schutz des Angeklagten und zur Verhinderung einer öffentlichen Bloßstellung desselben ihre Tochter M zur Rücknahme veranlasst hat.
6. Bewertung der Angaben des Angeklagten
Der Angeklagte leugnete, mit Ausnahme der Körperverletzung vom 19.06.2020, die Begehung der Taten, räumte jedoch sexuelle Übergriffe ein, die nicht Gegenstand der Anklage waren. Angesichts der überzeugenden Ausführungen der Geschädigten, welche von den übrigen Zeugen gestützt wurden (s.Ziff. C.II. und III.) sowie aufgrund des Umstandes, dass eine Vielzahl weiterer Behauptungen von den Zeugen glaubhaft verneint wurden, schenkt die Kammer den teils abstrusen Ausführungen des Angeklagten keinen Glauben.
Angesichts der Erkrankung des Angeklagten (s.u. Ziff. C.IV.) ist lediglich keine sichere Unterscheidung dahingehend möglich, bei welcher Behauptung des Angeklagten es sich um eine Schutzbehauptung handelt oder seine Einlassung krankheitsbedingt ist.
IV. Psychische Gesundheit
Die Feststellungen hierzu ergeben sich aus dem in sich schlüssigen, nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und fundierten Gutachten des Sachverständigen O, dem sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den sie vom Angeklagten während der Hauptverhandlung gewonnen hat, anschließt.
1. Anknüpfungstatsachen
Der Sachverständige führte zunächst aus, dass ihm für die Erstellung seines Gutachtens, in dem er sich zu den medizinischen Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB und §§ 63, 66 StGB äußern sollte, diverse Unterlagen vorgelegen hätten. Hierbei handelte es sich um:
– Die Akte der Staatsanwaltschaft Kempten(Allgäu), Az: 120 Js 11152/20
– Die Gesundheitsakten der JVA Kempten
– Die vom Angeklagten an das Gericht gesandten Briefe Schließlich habe der Sachverständige den Angeklagten am 25.01.2021, 26.01.2021 und 27.01.2021 unter Hinzuziehung eines Dolmetschers im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren aufgesucht und exploriert. Hierbei habe der Angeklagte nach entsprechender Belehrung umfangreiche Angaben zu seiner Biographie, zur sonstigen Anamnese sowie zu den Anlasstaten gemacht.
2. Ergebnis des Gutachtens
Der Sachverständige erläuterte, dass der Angeklagte an einer wahnhaften Störung (ICD-10 F22.0) leide.
Eine solche Störung sei charakterisiert durch die Entwicklung eines einzelnen Wahns oder mehrerer aufeinander bezogener Wahninhalte, die im Allgemeinen lange, manchmal lebenslang, andauern. Der Inhalt des Wahns oder des Wahnsystems könne dabei sehr unterschiedlich sein. Kennzeichnend für die diagnostizierte Störung sei zum einen, dass psychotische Symptome wie formale Denkstörungen, Halluzinationen, affektive Verstimmungen, Antriebsstörungen und psychomotorische Auffälligkeiten nicht auftreten würden. Zum anderen seien Menschen mit dieser Störung in ihrer psychosozialen Leistungsfähigkeit oft nicht wesentlich beeinträchtigt.
Der Sachverständige führte zunächst aus, dass sich nach internistisch-neurologischer Untersuchung für eine neuropsychologische Störung keinerlei Anhaltspunkte gefunden hätten. Nach Durchführung einer testpsychologischen Untersuchung habe lediglich eine unterdurchschnittliche Intelligenz mit einem IQ-Wert von 78 beim Angeklagten festgestellt werden können. Darüber hinaus habe der Angeklagte Defizite bei der Planungsfähigkeit in der Form gezeigt, dass sein schlussfolgerndes Denken beeinträchtigt sei.
Das formale Denken sei zwar grundsätzlich geordnet, jedoch sehr weitschweifig gewesen und es sei dem Angeklagten im Sinne eines Vorbeiredens immer wieder schwergefallen, Fragen adäquat zu beantworten. Der Angeklagte habe stets „Geschichten“ um die Frage herum erzählt, diese jedoch nie konkret beantwortet. Dieser Eindruck sei im Rahmen der Hauptverhandlung verstärkt und bestätigt worden. Halluzinationen, Stimmenhören und Ich-Störungen seien verneint worden.
Dafür, dass sich beim Angeklagten in den Tatzeiträumen eine Entzugssymptomatik oder eine Intoxikation vorgelegen habe, hätten sich, unter Berücksichtigung der vier maßgeblichen Symptomebenen (neurologisch-körperliche Auffälligkeiten, kognitive Beeinträchtigungen, affektive Änderungen, Verhaltensänderungen) keinerlei Hinweise ergeben. Daneben hätten sich auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer massiven Persönlichkeitsstörung, eines spezifischen Prozesses oder eines Schwachsinns ergeben.
Im Verlauf der drei Explorationstermine sei jedoch zunehmend deutlich hervorgetreten, dass der Angeklagte unter einer wahnhaften Störung leide. Zentrales Thema seien hierbei vorrangig sexualisierte Inhalte gewesen, jedoch auch Beeinträchtigungen, denen er durch die Familie seiner Ehefrau und v.a. seinen Schwager H ausgesetzt sei. So hätten die Angaben des Angeklagten stets kritisch hinterfragt werden müssen und der Sachverständige habe sich nie sicher sein können, ob, bzw. welche Angaben des Angeklagten der objektiven Wahrheit entsprächen oder dem Wahngebilde entsprungen seien. So könne er auch hinsichtlich der vom Angeklagten geschilderten eigenen Familiengeschichte, insbesondere der Tötungsdelikte seines Vaters, mangels objektiver Anhaltspunkte nicht sicher sagen, ob diese der Wahrheit entsprechen.
a) sexualisierte Inhalte
Der Sachverständige führte weiter aus, dass insbesondere die vielfältigen sexualisierten Inhalte im Vordergrund des Wahnsystems stünden. In diesem Zusammenhang seien z.B. auch seine Angaben zur Geschichte seines Bruders Usama zu sehen. Hier habe der Angeklagte bereits selbst geäußert, dass seine Frau immer behauptet habe, er hätte diese Geschichte erfunden. In diesen Zusammenhang falle ebenso die Behauptung, der Zeuge A habe mit seiner Schwester S Oralsex gehabt und auch sexuelle Handlungen mit der 5-jährigen Halbschwester N ausgeführt.
Darüber hinaus hätten sich sexuelle Inhalte wie ein roter Faden durch die Biografie des Angeklagten gezogen, angefangen bei dem Verhalten der Mitschüler und Erzieher während des Internat-Aufenthaltes, der ausführlichen Erläuterung seines Masturbationsverhaltens über die Liebesbeziehungen als Jugendlicher, die Besuche von Prostituierten, bis hin zu den behaupteten, teils bizarren – Einschmieren mit Kot – Sexualpraktiken, die er mit seiner Ehefrau ausgeübt haben will. Auch der übermäßige Konsum von Pornografie mit heterosexuellen, sadomasochistischen und sodomitischen Inhalten, welche der Angeklagte angegeben habe, würden die Diagnose stützen. Hinweise für eine heterosexuelle Pädosexualität hätten allerdings nicht festgestellt werden können.
Des Weiteren habe ein inadäquater Affekt bestanden. Die von ihm geschilderten Übergriffe auf seine Stieftochter M habe der Angeklagte ohne jede affektive Beteiligung geschildert, vielmehr die Übergriffe als „normal“ gerechtfertigt. Auch im Hinblick auf die ihm vorgeworfenen sexuellen Übergriffe sei der Angeklagte nicht zu Empathie und Selbstkritik fähig gewesen, während er demgegenüber immer wieder in Tränen ausgebrochen sei und – unter Ausblendung des Scheidungsbegehrens seiner Frau – seinen Wunsch bekundet habe, zu seiner Familie zurückkehren zu wollen. Darüber hinaus habe der Angeklagte die von ihm geschilderte Übergriffe auf M erklärt, ohne dass hierbei ein logischer Zusammenhang erkennbar gewesen wäre. So mache für den Sachverständigen die Erklärung, er habe M drei Finger als Test in den After eingeführt, da er den Verdacht gehabt habe, dass ein Nachhilfelehrer sie missbraucht habe, keinerlei Sinn. Auch die Erklärung für die sexuellen Handlungen im Wald – das Angebot zu Sex von M, als Dank, dass die letzte Woche so positiv verlaufen sei – würden aus Sicht des Sachverständigen keinen nachvollziehbaren Grund für seine Handlungen darstellen. Vielmehr würden diese Erklärungen bizarr anmuten und die Diagnose bestätigen.
Die weiteren, beispielsweise vom Zeugen Al geschilderten Sachverhalte würden sich zwanglos in das diagnostizierte Krankheitsbild einfügen. Dieser hat z.B. berichtet, dass der Angeklagte auch von weiteren Animositäten mit einer damaligen Nachbarin berichtet und angegeben habe, dass er dieser aufgrund ihrer Vorwürfe 2 Jahre lang regelmäßig in das Trinkwasser gepinkelt habe. Zudem habe er angegeben, im Libanon auch Kindermädchen und Putzfrauen – meist anal – vergewaltigt zu haben. Diese seien Gastarbeiter von den Philippinen oder aus Thailand gewesen und hätten aus Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsstelle nie etwas gesagt. Hierauf sei der Angeklagte stolz gewesen und er habe beim Erzählen immer laut gelacht.
Somit sei im inhaltlichen Denken des Angeklagten ein massiver sexueller Wahn feststellbar gewesen.
b) Beeinträchtigungen durch die Familie der Ehefrau
Der Sachverständige führte weiter aus, dass der Angeklagte, bezogen auf die Familie seiner Ehefrau, ebenfalls wahnhaften Vorstellungen unterliege, wobei meist sein Schwager H in diese Wahnvorstellungen integriert sei. So sei der Angeklagte – entgegen der Angaben des Zeugen Ab – der Überzeugung, dass seine Frau und H deren Ex-Mann umgebracht hätten.
Auch sei dieser für die Intervention des Jugendamtes im Jahr 2019 verantwortlich oder zumindest daran beteiligt gewesen. Und er sei es auch gewesen, der am 19.06.2020 während der Anzeigeerstattung eines der beiden Mädchen angerufen habe. Er vermute Racheakte seines Schwagers. So seien die Tatvorwürfe von diesem erfunden.
Auch die Inhalte der dem Gericht übersandten Briefe, welche der Sachverständige für die Erstattung seines Gutachtens vorliegen hatte, würden sich zwanglos in das diagnostizierte Krankheitsbild einfügen. Seien es die Vorwürfe strafbaren Handelns, die er gegen seine Ehefrau und H erhebe oder auch Vermutungen darüber, diese würden verbotene Organisationen wir die PKK oder den IS unterstützen oder hätten zu Personen aus diesen Kreisen Kontakt.
Auch hier sei deutlich zu Tage getreten, dass für den Angeklagten logische Ungereimtheiten nicht bestünden und er der festen Überzeugung sei, dass seine Behauptungen zuträfen.
c) Fazit
Im Sexualverhalten des Angeklagten sowie seinen eigenen Äußerungen sei ein Beeinträchtigungswahn mit massiv sexualisierten Inhalten zu sehen. In typischer Art und Weise sei dabei über die letzten Jahre hinweg eine dynamische Entwicklung zu sehen, an deren Ende der Angeklagte der festen Überzeugung gewesen sei, dass seine Familie und insbesondere H für seine Inhaftierung verantwortlich seien. Von diesen Denkinhalten sei der Angeklagte nach wie vor fest überzeugt.
In der Regel dauerten die wahnhaften Entwicklungen über Jahre hinweg an, manchmal lebenslang. Auch beim Angeklagten sei, insbesondere aufgrund der weit in die Vergangenheit hineinreichenden Schilderungen, davon auszugehen, dass beim Angeklagten bereits seit mehreren Jahren eine wahnhafte Störung bestehe.
3. Würdigung des Gutachtens durch die Kammer
Die Kammer hatte keinen Anlass, die Ausführungen des Sachverständigen zum beim Angeklagten vorliegenden Krankheitsbild in Zweifel zu ziehen. Die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte unter wahnhaften Vorstellungen leidet, wird auch gestützt durch den Inhalt der Briefe, welche dieser aus der Haft heraus der Kammer sowie der Staatsanwaltschaft übersandt hat und welche in Übersetzung im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
Das vom Sachverständigen geschilderte Merkmal des Vorbeiredens ist auch während der Hauptverhandlung deutlich zu Tage getreten. Dem Angeklagten wurde stets während der Zeugeneinvernahmen das Fragerecht gewährt. Dieses konnte er jedoch zu keinem Zeitpunkt adäquat ausüben. Er stellte – trotz fortwährender Erklärungen hierzu – keine Fragen an die Zeugen, sondern machte ihnen Vorwürfe oder gab Stellungnahmen zu den Aussagen ab.
Die fehlende Empathie und Selbstkritik trat besonders deutlich zu Tage, als der Angeklagte während der Schilderung des Sachverständigen zur analen Penetration von M von sich aus drei seiner Finger zusammenführte und damit die Penetration veranschaulichte und zudem, als er erklärte, er habe mit M keinen Geschlechtsverkehr gehabt, sondern sein Glied sei nur aus Versehen in ihre Vagina gelangt. Im Übrigen gab er als Entschuldigung dafür in der Hauptverhandlung eine Alkoholisierung seinerseits an. Bedauern oder Mitgefühl tat er zu keinem Zeitpunkt kund.
Im Brief an die Kammer vom 11.01.2021 gab er zum Vorfall im Wald zunächst an, dieser habe auf Initiative von M stattgefunden und abschließend: „eine 14,5-jährige versteht alles“ und machte damit die Geschädigte für diesen Vorfall allein verantwortlich. Auch während der Vorführung der Videovernehmungen der Geschädigten war keine Gefühlsregung zu erkennen. Im Rahmen der Hauptverhandlung zeigte der Angeklagte nur dann Emotionen – Weinen und Selbstmitleid – wenn er auf die, von ihm subjektiv empfundene Ungerechtigkeit zu sprechen kam, dass sein Leben jetzt zerstört sei.
a) sexualisierte Inhalte
Dass deutliche Umstände gegeben sind, welche auf einen sexualisierten Wahn hindeuten, hat sich auch im Rahmen der Hauptverhandlung bestätigt. So gab die Zeugin Y an, dass sich der Angeklagte täglich im Wohnzimmer eingesperrt und Telefonsex gehabt habe und seine Kleidung danach voll Sperma gewesen sei. Zudem habe er mehrfach zu den Mädchen gesagt, dass ihre Mutter alt und hässlich sei und die Mädchen sein eigentliches Ziel und dass er sie vergewaltigen wolle.
Ebenso gab der Zeuge Al an, dass der Angeklagte während der Zeit der gemeinsamen Inhaftierung sich die ganze Nacht Sexfilme angesehen habe. Zudem habe der Angeklagte davon berichtet, dass H ein Zuhälter sei und seine Frau eine Hure. Darüber hinaus habe er dem Zeugen angeboten, er könne nach dessen Inhaftierung zu seiner Ehefrau, der Geschädigten Y, gehen und Sex mit ihr haben.
Die Geschädigten gaben an, dass er ihnen fortwährend Sexvideos und Bilder seines Penis geschickt habe. Im letzten Wort schließlich behauptete der Angeklagte, seine Ehefrau habe im Libanon als Prostituierte gearbeitet.
Darüber hinaus hat er auch in der Hauptverhandlung behauptet, der Zeuge A als Jugendlicher in Deutschland sexuell missbraucht worden. Sowohl der Zeuge A sei als auch R gaben glaubhaft an, dass es einen sexuellen Missbrauch das Abdallah nicht gegeben habe. Auch die Behauptung er würde seine 5-jährige Schwester N sexuell missbrauchen oder habe Sex mit S, wies er von sich. Der Zeuge wirkte angesichts dieser Vorwürfe ehrlich erstaunt und entrüstet.
Die Zeugin Y gab zudem an, dass auch das Sexleben zwischen ihr und dem Angeklagten „normal“ gewesen. Gefilmt habe der Angeklagte den Sex nie und Kot sei auch nicht Bestandteil der Sex-Praktiken gewesen. Insbesondere habe sie nie von ihrem Mann verlangt, dass sie ihm in den Mund koten dürfe. Die Zeugin zeigte sich angesichts dieses Vorhaltes derart entrüstet, dass sie auf die Frage, ob dies der Wahrheit entspräche, diese zunächst nicht mit Worten verneinen konnte. Stattdessen schnalzte sie mehrmals mit der Zunge, was laut Dolmetscher Ablehnung signalisiere. Erst dann konnte sie die Frage verneinen.
Auch die Behauptung, die bereits an sich für die Kammer bizarr anmutete, die Geschädigte S habe sich am 19.06.2020, nachdem sie in die Küche gegangen war, am Oberkörper kurzzeitig entblößt, stützt die Diagnose des Sachverständigen. Zum einen hat der Angeklagte keinen nachvollziehbaren Grund für die Handlung der S angegeben, zum anderen hat auch die Zeugin Y ein solches Verhalten ihrer Tochter glaubhaft verneint.
Die Zeugin gab in Übereinstimmung mit den Angaben ihres Sohnes zudem an, dass sowohl S als auch M bislang keinen festen Freund hätten. M habe lediglich Kontakt zu einem Mann gehabt, der 6 Stunden entfernt gewohnt habe. Da sei es jedoch bei einem einmaligen Besuch verblieben. Dass ihre beiden Töchter, wie der Angeklagte vehement behauptet hat, und insbesondere S, einen Freund habe, sei nicht zutreffend.
b) Beeinträchtigungen durch die Familie der Ehefrau
Zum Beeinträchtigungswahn im Übrigen folgt die Kammer dem Sachverständigen ebenfalls.
Auch im Rahmen der Hauptverhandlung behauptete der Angeklagte mehrfach, dass H hinter den Vorwürfen stecke und ihm immer wieder drohen würde. Der Zeuge A gab demgegenüber an, dass das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Onkel ganz normal sei. Darüber hinaus gab er glaubhaft an, dass sein leiblicher Vater keines gewaltsamen Todes gestorben sei, sondern vielmehr weil er eine „Krankheit im Kopf“ gehabt habe.
In einem seiner Briefe schildert der Angeklagte, dass die Ehefrau von H mit einem seiner Brüder in ein Auto gestiegen sei und in ein Hotel im Libanon eingeladen worden sei. Die Kammer geht davon aus, dass dies auf einen sexuellen Kontakt hinweisen soll. Dies habe der Angeklagte H n gesagt. Deswegen sei dieser dem Angeklagten gegenüber hasserfüllt und habe von R verlangt, sich scheiden zu lassen, um sich zu rächen. Angesprochen auf den, ursprünglich im Anklagevorwurf enthaltenen, Anruf bei einer der Geschädigten während der Anzeigeerstattung behauptete der Angeklagte weiter, H habe angerufen. Nach Vorhalt seines eigenen Briefes, räumte er ein, dass er angerufen habe, blieb aber auf Nachfrage auch bei seiner ursprünglichen Behauptung. Den Widerspruch – auch aufgrund der Tatsache, dass H bei der Anzeigeerstattung anwesend war – konnte er auf Nachfrage nicht auflösen.
In den Briefen, welche der Angeklagte aus der Haft heraus der Kammer übersandte, schildert der Angeklagte eine Vielzahl von Vorgängen und erhebt vielfältige Anschuldigungen, die ebenfalls die Diagnose des Sachverständigen vom Beeinträchtigungswahn stützen.
Beispielsweise sind die Äußerungen zum Milch- und Kleiderdiebstahl bereits in sich widersprüchlich, bzw. nicht nachvollziehbar. So erschließt sich nicht, warum die Zeugin Y die Milch gestohlen und danach – mit dem Ergebnis der Ungenießbarkeit – in diese uriniert haben soll. Ebenso erschließt sich der Kammer die Art der Preismanipulation – „und darauf steht ein X“- beim behaupteten Kleiderdiebstahl nicht.
Im Verlauf seiner Schreiben reiht der Angeklagte einen Vorfall, der weitestgehend unverständlich bleibt, ohne erkennbaren inhaltlichen Zusammenhang an den anderen. Hierbei beschuldigte er verschiedenste Personen aus der Familie seiner Ehefrau, auch seine Schwiegermutter oder seine weiteren Schwager F diverser Straftaten. Diese unzusammenhängenden Schilderungen haben auch weitgehend nichts mit den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwürfen zu tun. Was eine Fahrt seiner Schwager zum Schuhe kaufen mit den zuvor erhobenen Vorwürfen zu tun haben soll, erschließt sich der Kammer beispielsweise nicht.
Auch die Behauptungen, H habe gedroht, ihn zu töten, und auch S Freund habe dies verlangt, lassen sich zwanglos der Diagnose unterordnen, ebenso die Behauptung, S habe Kontakt zur libanesischen Hisbollah.
Zum Auffinden des Dildos äußert sich der Angeklagte ebenfalls widersprüchlich. Dem Anfang der Schilderung ist zu entnehmen, dass alle Beteiligten den Gegenstand erkannt haben und auf einer Mülltonne gefunden haben. Später spricht der Angeklagte davon, der Dildo sei in einem Paket versandt worden und er habe nicht gewusst, was es sei. Dem gegenüber gab die Zeugin KHKin B an, dass die Zeugin Y ihr gegenüber angegeben habe, dass der Angeklagte das Paket seinen Stieftöchtern gegeben habe, damit sie damit üben können, bzw. zum Spaß haben. Ob das Paket mit der Post gekommen sei oder der Angeklagte es mitgebracht habe, habe die Zeugin jedoch auch nicht mehr sagen können. Von dem Auffinden auf einer Mülltonne ist jedoch nicht die Rede.
Aus den der Kammer übersandten Briefen ergibt sich zudem, dass der Angeklagte nach H nunmehr auch den Zeugen Al diverser Straftaten verdächtigt, so dass die Kammer die Überzeugung gewonnen hat, dass sich die Wahnidee auch auf diesen übertragen hat, nachdem zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen in der JVA Streit ausgebrochen ist und der Zeuge gegen den Angeklagten ausgesagt hat. Auffällig ist hierbei insbesondere, dass er zum einen davon berichtet, der Zeuge habe ihm angeboten, A zu töten, um ihn dann kurz darauf zu bezichtigen, mit A gemeinsame Sache zu machen.
c) Fazit
Die Überzeugung der Kammer vom vorliegenden Krankheitsbild kann nicht dadurch erschüttert werden, dass einzelne Schilderungen des Angeklagten der Wahrheit entsprechen, wie beispielsweise sein Verhalten hinsichtlich des Konsums von Pornos. Vereinzelt lagen seine Behauptungen auch nahe an den tatsächlichen Gegebenheiten. So gab es, nach Angaben der Zeugin Y tatsächlich aus Platzgründen – die Familie lebte damals mit 6 Personen in einem Zimmer – die Überlegung, das zuletzt gezeugte Kind abzutreiben. Jedoch habe die Zeugin eine Abtreibungspille nie tatsächlich erworben. Dies stützt jedoch, zur Überzeugung der Kammer, lediglich die Auffassung des Sachverständigen, dass das formale Denken des Angeklagten grundsätzlich durchaus geordnet sei, sich jedoch vereinzelt, und vorliegend massiv sexualisiert, Wahninhalte ausbildeten.
Die Geschädigten berichteten sowohl in ihren polizeilichen Vernehmungen als auch in der Videovernehmung davon, dass der Angeklagte sie bereits während ihres Aufenthaltes im Libanon und somit vor mehreren Jahren sexuell missbraucht habe. Der Angeklagte selbst berichtet von Vorfällen in diesem Zeitraum. Auch vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass die wahnhafte Störung bereits seit mehreren Jahren vorliegt und in Deutschland im Verhalten des Angeklagten nur eine Fortsetzung erfahren hat.
Die Kammer hat nach alldem sowie unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den sie vom Angeklagten während der Hauptverhandlung gewonnen hat keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte bereits seit mehreren Jahren an einer wahnhaften Störung leidet.
V. Schuldfähigkeit
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhen auf dem auch diesbezüglich überzeugenden Gutachten des Sachverständigen O, dem sich die Kammer auch in dieser Hinsicht nach eigener kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den die Kammer während der Hauptverhandlung vom Angeklagten gewonnen hat, anschließt.
Der Sachverständige führte dazu zunächst aus, dass die diagnostizierte wahnhafte Störung (ICD 10: F 22.0) das Eingangskriterium der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.d. § 20 StGB erfülle.
Bei Zusammenschau sämtlicher Untersuchungsergebnisse sei davon auszugehen, dass sich beim Angeklagten im Tatzeitraum ein hoch auffälliges Verhalten aktualisiert habe. Die Tatvorwürfe habe der Angeklagte einerseits geleugnet, andererseits jedoch selbst massive sexuelle Übergriffe auf die Geschädigte M geschildert. Es bestünden allerdings keine Hinweise dafür, dass die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der Taten in den Tatzeiträumen aufgehoben gewesen sei, zumal der Angeklagte bei den Taten planvoll vorgegangen sei und die Fähigkeit gezeigt habe, warten und sich beherrschen zu können, solange es die jeweilige Situation erforderte. Darüber hinaus habe der Angeklagte selbst angegeben, dass er zu M gesagt habe, dass sie das Geschehen niemandem erzählen und es unter ihnen bleiben solle.
Dem schließt sich die Kammer an. Der Angeklagte hat bei sämtlichen schwerwiegenden Übergriffen auf die Geschädigten einen Zeitpunkt abgepasst, in welchem diese allein mit ihm zu Hause waren. Daraus folgert auch die Kammer, dass der Angeklagte zu einem planvollen Vorgehen in der Lage war und darauf bedacht war, bei Begehung der Taten nicht gestört und nicht entdeckt zu werden. Hinsichtlich der Tat vom 19.06.2020 hat der Angeklagte zudem versucht, den sexuellen Übergriff auf S durch die, sogleich nach dem Schreien der Geschädigten erfolgte, Körperverletzungshandlung zu vertuschen. So haben sowohl S als auch die Zeugin Y angegeben, dass der Angeklagte behauptet habe, die Geschädigte schreie, weil er sie geschlagen habe. Nachdem der Angeklagte zudem angegeben hat, M habe bei den sexuellen Handlungen die Initiative ergriffen und alles sei auf freiwilliger Basis geschehen, ist auch die Kammer davon überzeugt, dass die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten in das grundsätzliche Tatunrecht erhalten geblieben ist.
Bezogen auf die Steuerungsfähigkeit schilderte der Sachverständige, dass der Angeklagte zwar grundsätzlich über eine angemessene intime und sexuelle Beziehungskompetenz verfüge, jedoch aufgrund der wahnhaft bedingten mangelhaften emotionalen Selbstregulation in den Tatzeiträumen nicht in der Lage gewesen sei, angemessen die eigenen und die Gefühle des jeweiligen Opfers wahrzunehmen und zu beurteilen. Die fehlende Fähigkeit zur Empathie sei auch während der Explorationsgespräche deutlich zu Tage getreten. Bei der Diagnosestellung habe sich der Sachverständige zudem am Pfad Analyse-Modell von Ward orientiert. Dementsprechend bestünden beim Angeklagten Defizite im intimen Beziehungsverhalten und eine unzureichende Kompetenz sowie Fehlregulation im emotionalen Erleben und Handeln, wobei das delinquente Verhalten durch die bestehenden Wahnsymptomatik ausgelöst worden sei.
Infolge der wahnhaften Störung sei das Persönlichkeitsgefüge des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten in einem solchen Ausmaß gestört gewesen, dass die Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB erheblich gemindert gewesen sei. Die Fähigkeit, alternativ zu handeln, sei aufgrund dessen erheblich beeinträchtigt gewesen. Die Kritikfähigkeit, Übersicht, adäquate Selbsteinschätzung und das verinnerlichte Wertegefühl sowie die Impulskontrolle und das seelische Gefüge des Angeklagten sei jedoch nicht so tiefgreifend verändert, dass die Sinngesetzlichkeit seelischer Vorgänge und Handlungsabläufe zerrissen und die Wirksamkeit normaler rationaler Kontrollmechanismen vollständig i.S.d. § 20 StGB aufgehoben gewesen wäre.
Die Kammer schließt sich auch diesen Ausführungen des Sachverständigen, die in ihrer Gänze überzeugend waren, in vollem Umfang an.
Auch in der Hauptverhandlung schilderte der Angeklagte die Übergriffe auf M ohne jegliches Mitgefühl für diese und so, als wären diese Übergriffe durch das behauptete „Einverständnis“ von M normal und nicht ihm zur Last zu legen. Zudem war der Angeklagte in der Lage, mit den Taten bis zu einer günstigen Gelegenheit zuzuwarten. Schließlich hat der Angeklagte, nachdem die Geschädigten corona-bedingt nicht mehr für längere Zeit allein zu Hause waren, sich wenige Monate auch auf Übergriffe i.S.e. unsittlichen Berührens beschränken können. Allerdings konnte er von einem delinquenten Verhalten nicht konsequent Abstand nehmen. Die Geschädigten haben glaubhaft angegeben, dass sie nahezu täglich unsittlich berührt worden seien. Die Kammer ist daher auch der Überzeugung, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zwar erheblich eingeschränkt, jedoch nicht vollständig aufgehoben war.
D. Rechtliche Würdigung
Der Angeklagte hat sich daher der besonders schweren Vergewaltigung in zwei tateinheitlichen Fällen und der Vergewaltigung in drei Fällen und der besonders schweren sexuellen Nötigung (insoweit wurde versehentlich in besonders schweren Fall tenoriert) und des sexuellen Übergriffs mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr.5, Abs. 5 Nr.1, Abs. 6 Nr.1, Abs. 8 Nr.1, 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 52, 53 StGB schuldig gemacht.
E. Strafzumessung
I. Besonders schwere Vergewaltigung (II.3.)
1. Strafrahmen
Der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Nr.5, Abs. 5 Nr.1, Abs. 6 Nr.1, Abs. 8 Nr.1 StGB sieht Freiheitsstrafe von 5 Jahren bis zu 15 Jahren vor, in minder schweren Fällen im Sinne des Abs. 9 Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren.
2. Minder schwerer Fall
Nach Abwägung sämtlicher zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände war nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Aspekte auszugehen, dass die Bestrafung der Tat unter Heranziehung des Regelstrafrahmens als unangemessen erschienen wäre. Ein minder schwerer Fall lag nicht vor.
Dabei war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen,
– dass im Bundeszentralregister keine Vorstrafen für diesen enthalten sind. Zu Gunsten kann dabei aber nur gewertet werden, dass bislang noch keine Verurteilung eine Warnwirkung für den Angeklagten entfalten konnte. Nachdem die Kammer aufgrund der Angaben der Geschädigten zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte diese bereits im Libanon sexuell missbraucht hat – was er zudem auch selbst angegeben hat -, kann dagegen ein gesetzestreues Vorleben nicht zugrunde gelegt werden.
– dass gegen den Angeklagten die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet wurde und sich dadurch die Gesamtbelastung für den Angeklagten, bezogen auf die verhängten Rechtsfolgen erhöht hat.
– dass die Tat nicht ausschließbar schon ca. 2 Jahre zurückliegt.
– dass sich der Angeklagte bis zur Urteilsverkündung nahezu 9 Monate in Untersuchungshaft befunden hat. Zwar rechtfertigt dies grundsätzlich keine Strafmilderung, weil die Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Allerdings dürfen besonders beschwerende Umstände des Haftvollzugs strafmildernd in Ansatz gebracht werden. Angesichts der mangelnden Deutschkenntnisse des Angeklagten und der damit verbundenen sozialen Isolation, stellt die Untersuchungshaft vorliegend eine über die übliche Beschwer hinausgehende besondere Belastung dar.
Zulasten des Angeklagten war jedoch zu berücksichtigen, dass
– der Angeklagte quasi zeitgleich zwei Opfer vergewaltigt hat und die Geschädigten der Vergewaltigung der jeweils anderen beiwohnen mussten.
– der Angeklagte mit den Geschädigten den ungeschützten Analverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt hat. Diese Art des Eindringens birgt dabei eine erhöhte Gefahr von Verletzungen mit der weiteren Gefahr von Infektionen, die sich vorliegend aber nicht realisiert hat, was sich wiederum zugunsten des Angeklagten auswirkt.
– der Angeklagte bereits im Zeitraum vor der abgeurteilten Tat gleichartige Taten im Form von analen Penetrationen der Geschädigten begangen hat (s. Ziff. B.I., C.III.1.e)). Die strafschärfende Verwertung dieser bislang nicht abgeurteilten Straftaten ist zulässig. Die Taten stehen angesichts der Angaben der Geschädigten zur Überzeugung der Kammer fest und sind somit in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen und keine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten darstellen (s. auch BGH 3 StR 438/13).
Nach Abwägung und Gewichtung sämtlicher vorgenannter Umstände war mangels Überwiegen der zu seinen Gunsten sprechenden Aspekte nicht davon auszugehen, dass die Heranziehung des Regelstrafrahmens unangemessen ist.
Zusätzlich war bei der Überprüfung, ob ein minder schwerer Fall gegeben ist, zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat krankheitsbedingt nur eingeschränkt schuldfähig war. Jedoch auch unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes der eingeschränkten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB war nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten sprechenden Aspekte dahingehend auszugehen, dass die Tat so weit von dem unter Heranziehung des Regelstrafrahmens zu bestrafenden Normalfall der besonders schweren Vergewaltigung abweicht, dass dessen Anwendung als unangemessen erschienen wäre.
3. Strafrahmenverschiebung gem. §§ 21, 49 StGB
Der Angeklagte war zur Überzeugung der Kammer, bei erhaltener Einsichtsfähigkeit, in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Eine verminderte Schuldfähigkeit i.S.d § 21 StGB lag vor, wozu auf die Ausführungen zur Schuldfähigkeit verwiesen wird.
Bei Vorliegen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit kann die Kammer – nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens – den Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB mildern. Hierbei können schulderhöhende Umstände zur Versagung der Strafrahmenverschiebung führen, was anhand einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanter Umstände zu beurteilen ist.
Besondere schulderhöhende Umstände, die zur Versagung der Strafrahmenverschiebung führen würden, liegen jedoch zur Überzeugung der Kammer nicht vor, so dass eine Strafrahmenverschiebung zu erfolgen hatte. Die Strafe war aus dem insoweit gemilderten Strafrahmen zu bemessen.
4. Strafzumessung i.e.S.
Nach Abwägung sämtlicher zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände, wozu auf die obigen Ausführungen zur Verneinung eines minder schweren Falles verwiesen wird, war als Einsatzstrafe (Einzelstrafe) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von
7 Jahren 6 Monaten
tat- und schuldangemessen.
II. Vergewaltigung (II.1., 2.)
1. Strafrahmen
Der Strafrahmen des § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr.1, Abs. 6 Nr.1 StGB sieht in der Regel Freiheitsstrafe von 2 Jahren bis zu 15 Jahren vor.
Dabei war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
– im Bundeszentralregister keine Vorstrafen für diesen enthalten sind (s.I.2.).
– der Angeklagte aufgrund der zusätzlich verhängten Maßregel einer erhöhten Gesamtbelastung ausgesetzt ist und sich ca. 9 Monate in Untersuchungshaft befand.
– die Taten schon 2-3 (S) Jahre zurückliegen Zulasten des Angeklagten war jedoch zu berücksichtigen, dass
– der Angeklagte mit der Geschädigten S Analverkehr durchgeführt hat und somit mehrfach verwirklicht hat.
jeweils sowohl Oral- als auch das Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 StGB
– der Angeklagte mit den Geschädigten den ungeschützten Verkehr, auch bis zum Samenerguss, ausgeführt hat.
– der Angeklagte bereits im Zeitraum vor den abgeurteilten Taten gleichartige Taten im Form von analen Penetrationen und bezüglich M auch in Form zumindest einer weiteren vaginalen Penetration begangen hat (s. Ziff. B.I., C.III.1.e)).
2. Kein Absehen vom Regelstrafrahmen des § 177 Abs. 6 StGB.
Ein erhebliches Übergewicht an Milderungsgründen, die dazu führen würden, dass die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 StGB ausnahmsweise entfällt, liegt nicht vor, wie eine Abwägung der vorgenannten Strafzumessungserwägungen ergibt. Hierbei ist schon nicht feststellbar, dass die positiven Umstände überwiegen.
Die Anwendung des erhöhten Strafrahmens des § 177 Abs. 6 StGB erscheint nach einer Gesamtwürdigung der Taten und der Person des Angeklagten auch bei zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes der eingeschränkten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nicht als unangemessen.
3. Strafrahmenverschiebung gem. §§ 21, 49 StGB
Der Angeklagte war auch bei Begehung dieser Taten, bei erhaltener Einsichtsfähigkeit, in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Eine verminderte Schuldfähigkeit i.S.d § 21 StGB lag auch hier vor, wozu ebenfalls auf die Ausführungen zur Schuldfähigkeit verwiesen wird.
Nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist die Kammer auch hier zu der Überzeugung gelangt, dass keine besonderen schulderhöhenden Umstände festzustellen sind, die zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung führen könnten. Die Strafe war somit aus dem insoweit gemilderten Strafrahmen zu bemessen.
4. Strafzumessung i.e.S.
Nach Abwägung sämtlicher zu Gunsten und zulasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände, wozu auf die obigen Ausführungen zur Verneinung eines minder schweren Falles verwiesen wird, erschien die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den drei Fällen von jeweils
4 Jahren 6 Monaten
tat- und schuldangemessen.
III. Besonders schwere sexuelle Nötigung zum Nachteil von M
1. Strafrahmen
Der Strafrahmen des § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr.1, Abs. 8 Nr.1 StGB sieht Freiheitsstrafe von 5 Jahren bis zu 15 Jahren vor, in minder schweren Fällen im Sinne des Abs. 9 Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren.
2. Minder schwerer Fall
Nach Abwägung sämtlicher zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände war auch hier nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Aspekte auszugehen, dass die Bestrafung der Tat unter Heranziehung des Regelstrafrahmens als unangemessen erschienen wäre. Ein minder schwerer Fall lag nicht vor.
Dabei war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
– im Bundeszentralregister keine Vorstrafen für diesen enthalten sind (s.I.2.).
– der Angeklagte aufgrund der zusätzlich verhängten Maßregel einer erhöhten Gesamtbelastung ausgesetzt ist und sich ca. 9 Monate in Untersuchungshaft befand.
– die Tat ca. 2 Jahre zurückliegt.
Zulasten des Angeklagten war zu berücksichtigen
– das Vorleben des Angeklagten. Der Angeklagte hat bereits vor den angeklagten Taten weitere gleichartige Taten begangen, bei welchen er M zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs missbrauchte (s. Ziff. B.I., C.III.1.e)).
Nach Abwägung sämtlicher genannter Umstände war nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten sprechenden Aspekte auszugehen, dass die Heranziehung des Regelstrafrahmens als unangemessen erschienen wäre.
Zusätzlich war bei der Überprüfung, ob ein minder schwerer Fall gegeben ist, zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat nur eingeschränkt schuldfähig war. Jedoch auch unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes der eingeschränkten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB war nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten sprechenden Aspekte dahingehend auszugehen, dass die Tat so weit von dem unter Heranziehung des Regelstrafrahmens zu bestrafenden Normalfall der sexuellen Nötigung in einem besonders schweren Fall abweicht, dass dessen Anwendung als unangemessen erschienen wäre.
3. Strafrahmenverschiebung gem. §§ 21, 49 StGB
Der Angeklagte war auch hinsichtlich dieser Tat bei erhaltener Einsichtsfähigkeit in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB lag auch hier vor.
Nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist die Kammer auch hier zu der Überzeugung gelangt, dass keine besonderen schulderhöhenden Umstände festzustellen sind, die zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung führen könnten. Die Strafe war somit aus dem insoweit gemilderten Strafrahmen zu bemessen.
4. Strafzumessung i.e.S.
Nach Abwägung sämtlicher zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände, wozu auf die obigen Ausführungen zur Verneinung eines minder schweren Falles verwiesen wird, war auch hier die Verhängung einer Freiheitsstrafe von
4 Jahren 6 Monaten
tat- und schuldangemessen. Der Schuldgehalt stellt sich für die Kammer im Vergleich zu den Vergewaltigungen insgesamt gleichwertig dar, da der Übergriff zwar geringer war, jedoch durch die Verwendung eines Messers der maßgebliche Strafrahmen erhöht ist.
IV. Sexueller Übergriff mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen
1. Strafrahmen und minder schwerer Fall
Der Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB sieht Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vor.
Der Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB sieht Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vor, in minder schweren Fällen im Sinne des Abs. 9 Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 3 Jahren.
Nach Abwägung sämtlicher zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände war nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Aspekte auszugehen, dass die Bestrafung der Tat nach § 177 Abs. 1 StGB unter Heranziehung des Regelstrafrahmens als unangemessen erschienen wäre. Ein minder schwerer Fall lag nicht vor.
Dabei war zu Gunsten des Angeklagten erneut zu berücksichtigen, dass
– im Bundeszentralregister keine Vorstrafen für diesen enthalten sind. (s.I.2.).
– der Angeklagte aufgrund der zusätzlich verhängten Maßregel einer erhöhten Gesamtbelastung ausgesetzt ist und sich ca. 9 Monate in Untersuchungshaft befand.
Zulasten des Angeklagten war jedoch zu berücksichtigen, dass
– der Angeklagte tateinheitlich eine Körperverletzung und damit zwei Tatbestände verwirlicht hat.
– der Angeklagte bereits im Zeitraum vor den abgeurteilten Taten, gleichartige Taten begangen hat, bei welchen er die Geschädigte schlug oder unsittlich berührte (s. Ziff. B.I., C.III.1.a) und c)).
Nach Abwägung sämtlicher genannter Umstände war daher auch hier nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten sprechenden Aspekte auszugehen, dass die Heranziehung des Regelstrafrahmens als unangemessen erschienen wäre.
Zusätzlich war bei der Überprüfung, ob ein minder schwerer Fall gegeben ist, zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat nur eingeschränkt schuldfähig war. Jedoch auch unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes der eingeschränkten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB war nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten sprechenden Aspekte dahingehend auszugehen, dass die Tat so weit von dem unter Heranziehung des Regelstrafrahmens zu bestrafenden Normalfall des sexuellen Übergriffs abweicht, dass dessen Anwendung als unangemessen erschienen wäre.
2. Strafrahmenverschiebung gem. §§ 21, 49 StGB
Der Angeklagte war auch hinsichtlich dieser Tat zur Überzeugung der Kammer bei erhaltener Einsichtsfähigkeit in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB lag auch hier vor.
Nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist die Kammer auch hier zu der Überzeugung gelangt, dass keine besonderen schulderhöhenden Umstände festzustellen sind, die zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung führen könnten. Die insoweit gemilderten Strafrahmen – der § 223 Abs. 1 sowie § 177 Abs. 1 StGB – waren somit zugrunde zu legen.
3. Anzuwendender Strafrahmen
Nachdem der i.S.d. § 49 StGB gemilderte Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB, jedenfalls im Mindestmaß, eine mildere Strafe vorsieht als der gemilderte Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB, war die Strafe gem. § 52 Abs. 2 StGB aus dem gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zu bemessen.
4. Strafzumessung i.e.S.
Nach Abwägung sämtlicher zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände, wozu auf die obigen Ausführungen zur Verneinung eines minder schweren Falles verwiesen wird, war die Verhängung einer Freiheitsstrafe von
1 Jahr 6 Monaten
tat- und schuldangemessen.
V. Gesamtstrafe
Unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 7 Jahren 6 Monaten war unter zusammenfassender Würdigung der einzelnen Taten sowie seiner Persönlichkeit eine Gesamtfreiheitsstrafe festzusetzen.
Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass er als Stiefvater ständig in Kontakt mit den Geschädigten lebte und die Gelegenheiten zur Begehung von Sexualstraftaten für ihn leicht erkennbar waren und somit die Versuchung – der er wiederum aufgrund seiner Erkrankung nur schwer widerstehen konnte, entsprechend hoch war. Zu berücksichtigen war aber auch, dass sich die Taten über einen längeren Zeitraum erstreckten und die beiden Mädchen, die bei den Taten mit ca. 14-15 Jahren und noch sehr jung waren, infolge der zur Verurteilung gelangten Taten nach wie vor erheblich psychisch belastet sind; hier ist auch insbesondere der Kulturkreis, aus welchem die Geschädigten stammen, relevant. Der Makel, missbraucht worden zu sein, haftet den Geschädigten ein Leben lang an. Darüber hinaus hat der Angeklagte entweder im Rahmen des Vortatverhaltens oder im Rahmen der Begehung der Vergewaltigung zu Lasten der Geschädigten M den Verlust der Jungfräulichkeit herbeigeführt. Vaginalverkehr führt – aufgrund des dabei i.d.R. reißenden Hymens – zum Verlust der Jungfräulichkeit. Die Jungfräulichkeit aber hat in muslimischen Kreisen und insbesondere auch in der Familie der Geschädigten einen immens hohen Stellenwert, was die psychischen Folgen für M a deutlich erhöht. Diese psychischen Folgeerscheinungen können zwar nicht als unmittelbare Folge einzelnen Taten zugeordnet werden. Sie waren aber als Folge sämtlicher Taten im Rahmen der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen. Den Angaben und Reaktionen der Geschädigten war klar zu entnehmen, dass jeder einzelne Übergriff des Angeklagten eine erneute Erniedrigung und Verstärkung der psychischen Belastung darstellte.
Insgesamt erschien daher eine Gesamtfreiheitsstrafe von
9 Jahren 6 Monaten
tat- und schuldangemessen.
F. Maßregel der Besserung und Sicherung
I. § 63 StGB
Der Angeklagte war in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, § 63 StGB. 1. Anlasstaten Der Angeklagte hat zum Nachteil der Geschädigten M und S jeweils den Tatbestand:der besonders schweren Vergewaltigung und der Vergewaltigung verwirklicht, zum Nachteil der M zusätzlich den Tatbestand der sexuellen Nötigung in einem besonders schweren Fall und zum Nachteil der S des sexuellen Übergriffs mit vorsätzlicher Körperverletzung. Es liegen daher erhebliche Anlasstaten i.S.d. § 63 StGB vor.
Dieses delinquente Verhalten des Angeklagten ist wie bereits dargestellt determiniert durch die bei ihm vorliegende wahnhafte Störung mit sexualisierten Inhalten. Mit den Delikten hat er die bei ihm bestehenden sexuellen Wahninhalte in die Realität umgesetzt.
2. Eingeschränkte Schuldfähigkeit
Beim Angeklagten lag zu den Tatzeitpunkten eine wahnhafte Störung (ICD 10: F 22.0) vor. Deswegen befand sich der Angeklagte bei Begehung der Taten in einem Zustand der sicher verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Über den Verlauf der letzten Jahre hinweg ist dabei eine dynamische Entwicklung zu sehen, an deren Ende der Angeklagte von seinen Denkinhalten – bezogen auf sein Sexualverhalten und die Beeinträchtigungen durch die Familie seiner Ehefrau – fest überzeugt ist. Die wahnhafte Störung besteht zur Überzeugung der Kammer, insbesondere aufgrund der weit in die Vergangenheit hineinreichenden Schilderungen des Angeklagten selbst, bereits seit mehreren Jahren.
Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zur psychischen Gesundheit des Angeklagten und zur Schuldfähigkeit im Zeitpunkt der Taten (vgl. Ziffer C.IV., V.) verwiesen.
3. Gefährlichkeitsprognose
Aufgrund einer Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten besteht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Angeklagte infolge seiner wahnhaften Störung auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten, insbesondere Körperverletzungsdelikte und vergleichbare erhebliche Sexualdelikte begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
a) Positive Prognosefaktoren
Hier ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte im Bundeszentralregister keine Eintragungen vorzuweisen hat.
Allerdings ist hierbei zu beachten, dass sich der positive Faktor weitgehend darauf beschränkt, dass es dem Angeklagten außerhalb des familiären Umfelds bislang gelungen ist, sich sozial konform zu verhalten. Nachdem sich jedoch bereits die angeklagten Taten über einen längeren Zeitraum erstreckten und die Geschädigten glaubhaft davon berichtet haben, dass es bereits vor mehreren Jahren im Libanon zu sexuellen Übergriffen und Körperverletzungen – was der Zeuge A2. S5. bzgl. der Körperverletzungen bestätigte – gekommen sei, kann vorliegend lediglich berücksichtigt werden dass es noch zu keinem Zeitpunkt zu einer Verurteilung des Angeklagten gekommen ist.
b) Negative Prognosefaktoren
aa) fehlende Krankheits-/Behandlungseinsicht
Der Sachverständige führte hierzu aus, dass sich der Angeklagte bislang zu keinem Zeitpunkt in psychiatrischer Behandlung befunden habe und dementsprechend auch keine medikamentöse Behandlung erfahren habe. Die Geschädigte Y habe den Angeklagten nach dessen eigenen Angaben im Sommer 2019 zwar einmal aufgefordert, sich ins BKH Kaufbeuren zur Behandlung zu begeben. Dafür habe der Angeklagte jedoch keine Veranlassung gesehen. Auch im Rahmen der Exploration habe der Angeklagte weder eine Störungs- noch eine Behandlungseinsicht gezeigt. Der Angeklagte sei vielmehr von seiner eigenen Wahrnehmung der Ereignisse durchweg überzeugt gewesen.
Dies hat sich zur Überzeugung der Kammer durch das Verhalten und die Aussagen des Angeklagten in der Hauptverhandlung bestätigt.
bb) fehlende Remission
Zudem könne – so der Sachverständige weiter – nicht von einem Rückgang der wahnhaften Symptomatik ausgegangen werden. Aus den Angaben des Zeugen Al habe sich ergeben, dass der Angeklagte an seinen Theorien im Hinblick auf seine Inhaftierung – H sei dafür verantwortlich – weiter festgehalten habe und weiterhin ein auffälliges Sexualverhalten gezeigt habe. Auch in der Hauptverhandlung hätte sich gezeigt, dass die wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten weiterhin bestünden. Nachdem der Angeklagte nicht in Behandlung stehe, sei eine spontane Remission auch nicht zeitnah zu erwarten. Vielmehr leide eine Vielzahl von Patienten bei entsprechender Diagnose lebenslang unter der wahnhaften Störung. Ohne eine psychiatrisch-psychologische Behandlung sei eine Besserung der Symptomatik nicht zu erwarten.
Nachdem der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung seine wahnhaften Vorstellungen geäußert hat, ist auch die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte zur Besserung der Symptome einer medizinischen Behandlung bedarf.
cc) Fehlende Empathie/ Konsum von Pornofilmen
Wie bereits festgestellt, ist die Kammer davon überzeugt, dass im Rahmen des langen Krankheitsverlaufs ein Empathieverlust eingetreten ist und der Angeklagte nicht dazu fähig ist, das Leid anderer entsprechend wahrzunehmen. Selbst hinsichtlich der von ihm eingeräumten sexuellen Übergriffe war dies festzustellen.
Bereits aus dem Bedürfnis des Angeklagten, mehrmals wöchentlich Pornofilme anzusehen, und dazu zu masturbieren, ergibt sich ein gesteigertes sexuelles Bedürfnis des Angeklagten. In Zusammenschau mit den von den Geschädigten geschilderten Vorfällen im Libanon sowie den vorliegend begangenen Taten besteht daher die hohe Gefahr, dass der Angeklagte bei einer Entlassung sein Verhalten, wie gehabt, fortsetzen würde.
Im Rahmen der Hauptverhandlung blieb zwar im Unklaren, in welcher Intensität und Anzahl die Übergriffe im Libanon erfolgten. Auch hinsichtlich der zur Verurteilung gelangten Taten, konnte nicht mehr eindeutig festgestellt werden, in welcher Reihenfolge sie sich abgespielt haben. Trotz des Umstandes, dass somit nicht sicher festgestellt werden kann, dass sich die Intensität der begangenen Delikte im Verlauf der Krankheit des Angeklagten gesteigert hat, spricht die Art und Weise der Ausführung der begangenen Taten sowie die im Vorfeld im Libanon begangenen Übergriffe für eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Angeklagte zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Der Angeklagte hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er gewillt ist, seine Bedürfnisse mit Drohungen, Körperverletzungshandlungen und sonstiger Gewaltanwendung durchzusetzen. Da er auch vor der Verwendung eines Messers während Aussprache der Drohungen und während der Tatausführung als solcher nicht zurückgeschreckt ist, ist die Kammer auch davon überzeugt, dass weiterhin mit der Verwendung eines Messers zu rechnen ist.
Bis auf die Tat vom 19.06.2020 handelte es sich jeweils um Verbrechen. Allerdings ist auch diese Tat im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von 5 Jahren bedroht und reicht daher in den Bereich der mittleren Kriminalität. Nachdem es sich auch hier um eine Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung handelt, bei der die Gefahr der Zufügung erheblicher seelischer Schäden besonders hoch ist, liegen in allen Fällen erhebliche Anlasstaten i.S.d. § 63 StGB vor und es ist auch in Zukunft mit entsprechenden Taten zu rechnen.
dd) Fehlender Sozialer Empfangsraum
Im Falle einer Entlassung stünde für den Angeklagten derzeit kein sozialer Empfangsraum zur Verfügung. Im Gegensatz zu dem gegenüber dem Sachverständigen geäußerten Willen, wird der Angeklagte nicht zu seiner Familie zurückkehren können. Die Ehefrau des Angeklagten hat zwar in der Hauptverhandlung gesagt, dass sie ihn liebe und ihn schützen wolle. Auf ausdrückliche Nachfrage hat sie jedoch glaubhaft angegeben, sich dennoch vom Angeklagten scheiden lassen zu wollen. Darüber hinaus handelt es sich hierbei um die Örtlichkeit, in welche sämtliche zur Verurteilung gelangten Taten begangen wurden und stellt damit keinen Empfangsraum i.e.S., sondern wiederum einen zukünftigen möglichen Tatort dar. Ein anderer sozialer Empfangsraum ist dagegen nicht ersichtlich. Der Zeuge Al gab zwar an, dass der Angeklagte erzählt habe, dass er auf junge Mädchen „stehe“ und nach Haftentlassung nach Thailand wolle, um dort entsprechende Kontakte zu knüpfen, allerdings stellen diese vagen Vorstellungen des Angeklagten keine Grundlage dar, einen adäquaten Empfangsraum bejahen zu können. Darüber hinaus spricht insbesondere die Bezugnahme auf Thailand und dass er auf junge Mädchen „stehe“für eine hohe Gefahr der Begehung weiterer Sexualstraftaten, die der Angeklagte nur in einem anderen Land begehen will.
ee) Wirkung der Strafe
Weiter hat die Kammer berücksichtigt, dass gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren 6 Monaten verhängt wurde. In die Gesamtabwägung war somit auch die Überlegung einzubeziehen, ob sich der Angeklagte gegebenenfalls durch die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe derart beeindrucken lässt, dass er in Zukunft auch ohne eine Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus keine Straftaten mehr begeht.
Der Sachverständige führte hierzu aus, dass beim Angeklagten weder ein Krankheitsgefühl, eine Krankheits- und Behandlungseinsicht, noch eine anhaltende stabile Remission vorhanden sei und es zunächst der Abnahme der nach wie vor bestehenden psychopathologischen Auffälligkeiten sowie eventuell einer psychopharmakologischen Therapie bedürfe. Dabei müsse eine ausreichende Störungseinsicht erarbeitet werden.
Dieser Bewertung schließt sich die Kammer an. Ohne vorherige Therapie kann somit aufgrund des Krankheitsbildes des Angeklagten und der fehlenden Krankheitseinsicht nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Angeklagte durch eine Strafe nachhaltig beeindrucken lässt. Der Angeklagte selbst hat im Übrigen gegenüber der Geschädigten S zum Ausdruck gebracht, dass ihn eine Freiheitsstrafe nicht von weiteren Straftaten abhalten werde. Die Zeugin gab an, dass er ihr gegenüber geäußert habe, dass er ins Gefängnis gehe, wenn sie von den Vorfällen berichte. Der Angeklagte habe jedoch direkt anschließend gesagt, dass er jemanden umbringe, wenn er dann wieder rauskomme. Angesichts der Ankündigung sogar eines Tötungsdeliktes ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der Angeklagte viel weniger noch von der Begehung gleichgelagerter Sexualdelikte abhalten lassen würde.
Die Kammer folgt daher der Einschätzung des Sachverständigen zur Behandlungsbedürftigkeit und auch dazu, dass im weiteren Verlauf der Behandlung die Stabilität und Belastbarkeit im geschützten Rahmen einer Station des Maßregelvollzugs unter Konfrontation mit Mitpatienten und entsprechenden Frustrationen zu überprüfen sei. Zuletzt müsse für den Angeklagten ein adäquater, tragfähiger Empfangsraum vorbereitet und erprobt werden.
c) Fazit
Zusammenfassend ist die Kammer, nach nochmaliger umfassender Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und unter Berücksichtigung der Entwicklung des Angeklagten bis zum heutigen Tag, der Überzeugung, dass vom Angeklagten infolge seines Zustandes weitere erhebliche, vergleichbare Taten zu erwarten sind. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB war nach all dem anzuordnen.
II. § 66 StGB
Die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB liegen nicht vor.
Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 66 StGB führte der Sachverständige aus, dass beim Angeklagten eine wahnhafte Störung vorliege, sich jedoch keine gesicherte Paraphilie diagnostizieren lasse.
Auch wenn der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, hätten sich im Zusammenhang mit der wahnhaften Störung Hinweise für eine progrediente Dynamik gefunden. Die vorhandenen Schwierigkeiten in der Selbstregulation, Beziehungsprobleme sowie die manifeste Beeinträchtigung der Sexualität i.S.e. Dranghaftigkeit stellten dynamischindividuelle Risikofaktoren dar. Nachdem das Verhalten des Angeklagten jedoch durch die bestehende wahnhafte Störung determiniert werde, liege aus medizinischer Sicht keine Hangtäterschaft i.S.d. § 66 StGB vor.
G. Freispruch im Übrigen
Dem Angeklagten lag zudem folgendes zur Last.
Aufgrund der sexuellen Übergriffe auf ihre Töchter habe die Zeugin R dem Angeklagten in der Folgezeit den Geschlechtsverkehr verweigert. In mindestens zehn Fällen habe der Angeklagte seine Ehefrau zur Nachtzeit im gemeinsamen Schlafzimmer eingesperrt, sie an den Haaren gepackt und auf das Ehebett gestoßen. Dort habe er ihr gewaltsam die Hose heruntergezogen und sei mit seinem erigierten Glied gegen deren erkennbaren Willen anal in die Zeugin R eingedrungen. Er habe die Geschädigte dabei bis zum Samenerguss penetriert.
Der Zeuge Al gab an, dass der Angeklagte ihm gegenüber erzählt habe, dass er zu Hause nach dem Ansehen der Sexfilme sehr erregt gewesen sei und deshalb zu seiner Ehefrau ins Schlafzimmer gegangen sei, und auch wenn diese schon geschlafen habe, und dann mit ihr Sex gehabt habe. Seine Frau habe dabei gesagt, dass er sie vergewaltige.
Die Zeugin Y machte zu diesem Tatkomplex, im Unterschied zu den Tatkomplexen zum Nachteil ihrer Töchter, zunächst sehr ausweichende Angaben. Sie gab zunächst an, eigentlich nicht darüber reden zu wollen, weil das zwischen Eheleuten schon passieren könne. Sodann gab sie an, dass sie ihren Ehemann befriedigen wolle, weil sie ihn liebe. Daran anschließend beschrieb die Zeugin ihren Ehemann als sehr impulsiv und aggressiv, um sogleich nachzuschieben, dass er eigentlich ein sehr lieber Mensch sei. Auf die sodann erneute Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO verweigerte die Zeugin insoweit die Aussage, als dies die Taten zu ihren Lasten betraf.
Somit konnten keine hinreichenden Feststellungen zur Ausführung des Geschlechtsverkehrs, zum Ausdruck des entgegenstehenden Willens der Zeugin sowie der Häufigkeit getroffen werden. Nachdem eine richterliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren nicht erfolgte, konnte auch keine Verhörsperson stattdessen einvernommen werden. Die Angaben des Zeugen Al allein reichen für die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung der Kammer nicht aus.
Der Angeklagte war diesbezüglich somit aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
H. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 467, 472 StPO.

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