Aktenzeichen 5 Ws 14/18 (R)
BayStVollzG Art. 21 Abs. 1 S. 2, § 31, Art. 36
Leitsatz
1. Eine Rechtsbeschwerde ist auch dann statthaft, wenn die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung so unzureichend sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob die besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG vorliegen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zulässigkeit der Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage ist allgemein anerkannt, auch wenn sie in § 109 Abs. 1 StVollzG nicht ausdrücklich genannt wird. Sie setzt voraus, dass Wiederholungsgefahr hinsichtlich einer rechtswidrigen Maßnahme geltend gemacht wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Annahme einer Gefährdung der Sicherheit der JVA erfordert die Feststellung faktischer Anhaltspunkte, aus denen sich eine konkrete Gefährdung von einigem Gewicht ergibt, sofern die Gefährdung nicht bereits durch einen allgemeinen Erfahrungssatz begründet wird. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die JVA darf im Rahmen der Briefkontrolle Kopierpapier nicht generell anhalten, weil es theoretisch als Trägermaterial für Betäubungsmittel verwandt werden könnte. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers A. K. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 30. Dezember 2017 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller verbüßt mehrere Freiheitsstrafen in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim (künftig JVA). Das Ende der Strafzeit ist für den 25.12.2019 vorgemerkt.
Mit Schreiben vom 23.07.2017 begehrte der Antragsteller gerichtliche Entscheidung. Dabei stellte er als Sachanträge,
1.insoweit die JVA in der Vergangenheit mehrfach Briefeinlagen des Antragstellers, namentlich auf Papier ausgedruckte Fotos, gemäß „Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 BayStVollzG“ angehalten habe, die diesen Anhaltungen zugrundeliegenden Verfügungen aufzuheben und die JVA zur Herausgabe der Briefeinlagen an den Antragsteller zu verpflichten, hilfsweise die JVA zur Neubescheidung zu verpflichten und weiter hilfsweise festzustellen, dass die angefochtenen Anhalteverfügungen rechtswidrig waren, sowie
2.die JVA zur Unterlassung gleichgelagerter Anhaltungen für die Zukunft zu verpflichten.
Zur Begründung führte der Antragsteller insb. aus, dass er in regem Briefkontakt mit seiner Verlobten stehe, welche ihm wiederholt diverse ausgedruckte Privatfotos in Briefen beigelegt habe. Die genauen Briefdaten seien beim Antragsteller nicht bekannt. Jedenfalls seien in vier bis sechs Fällen Anhalteverfügungen von unbekanntem Datum erlassen worden. Diese hätten sinngemäß ausgeführt, dass die Anhaltung der Briefeinlagen wegen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich gewesen sei, weil bei ausgedruckten Fotos die Gefahr bestehe, dass der Drucktinte unerlaubte Substanzen beigefügt wurden, welche per Brief in die Anstalt eingebracht werden könnten. Der Antragsteller habe sich gegen diese Maßnahmen mit Dienstaufsichtsbeschwerde vom 24.04.2017 gewandt. Dieser sei jedoch unter Verweis auf die genannten Gründe nicht abgeholfen worden. Auch im Rahmen einer Anstaltskonferenz habe die Anstaltsleitung mitgeteilt, dass man die entsprechende Praxis nicht ändern werde.
Der Antrag zu 1) sei in erster Linie ein Anfechtungsantrag gegen die verfügten Anhaltungen, der Antrag zu 2) solle die Wiederholung rechtswidriger Anhalteverfügungen verhindern. Die angefochtenen Anhalteverfügungen seien unverhältnismäßige Einschränkungen des Rechts des Antragstellers auf Empfang von Lichtbildern nahestehender Personen, welches sich aus Art. 21 Abs. 1 Satz 2 und Art. 31 Abs. 1 BayStVollzG herleiten lasse. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens des Antragstellers vom 23.07.2017 wird Bezug genommen.
Die JVA nahm mit Schreiben vom 16.10.2017 zu den Anträgen Stellung. Bei den Briefeinlagen habe es sich nicht um individuellen Gedankenaustausch und damit rechtlich um Paketsendungen gehandelt, welche nach Art. 36 Abs. 1 BayStVollzG der vorherigen Erlaubnis der JVA bedürften. Um den Schriftverkehr der Gefangenen zu erleichtern, habe der Anstaltsleiter eine Verfügung vom 10.05.2017 erlassen, die festlege, welche Briefeinlagen erlaubt und welche verboten seien. Familienfotos auf Originalfotopapier gemäß Ziff. 2 Spiegelstrich 1 der Verfügung erlaubt. Fotos auf Kopierpapier seien dagegen nicht zugelassen. Hintergrund sei, dass in der Vergangenheit öfter Kopierpapier mit Betäubungsmitteln getränkt und so versucht worden sei, Betäubungsmittel in die Anstalt zu schmuggeln. Soweit entsprechende Einlagen erkennbar Familienfotos darstellten, werde die Einlage kopiert und das Original zur Habe genommen. In mehreren Briefen seien dem Antragsteller durch dessen Verlobte, mittlerweile Ehefrau, auf Kopierpapier ausgedruckte Bilder zugesandt worden. Es sei jeweils die Nichtaushändigung der Fotos verfügt worden und es seien auch keine Kopien gefertigt worden, da offenbar keine Bilder mit familiärem Bezug gegeben gewesen seien. Die Anhaltungen seien jeweils mit der Begründung erfolgt, dass die nach Art. 36 Abs. 1 BayStVollzG erforderliche Erlaubnis nicht erteilt worden sei und zur Verhinderung von Bezugsfällen und im Sinn der Gleichbehandlung aller Gefangenen auch eine nachträgliche Genehmigung nicht erteilt werde. Derartige Zusendungen führten zu einem übermäßigen Kontroll- und Verwaltungsaufwand und gefährdeten damit letztlich die Sicherheit und Ordnung der Anstalt. Bei der JVA Kaisheim handele es sich um eine Anstalt des geschlossenen Regelvollzugs mit dem höchsten Sicherheitsgrad. Auf den weiteren Inhalt der Stellungnahme wird Bezug genommen, insb. auch auf die ihr im Wortlaut beigefügte Verfügung des Anstaltsleiters vom 10.05.2017 zu Beilagen in Briefen.
Der Antragsteller erwiderte auf die Stellungnahme der JVA mit Schreiben vom 30.10.2017, beim Amtsgericht eingegangen am 16.11.2017. Darin führte er u.a. aus, dass von auf Kopierpapier ausgedruckten Fotos keine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt ausgehe; eine solche sei rein spekulativ. Briefe kämen generell auf Papier daher, auch auf Kopierpapier unabhängig davon, ob dieses mit Fotos bedruckt sei oder nicht. Es bleibe daher die Frage, wieso auf Kopierpapier mittels Computer ausgedruckte Briefe ungefährlich sein sollten. Der mit der Briefkontrolle verbundene Verwaltungsaufwand sei wegen der Wichtigkeit des Briefverkehrs (Art. 10 GG) und der Bindung an die Familie durch Austausch von Fotos (Art. 6 Abs. 1 GG) hinzunehmen. Eine Aushändigung von Kopien zugesandter Fotos führe nicht zur Verhältnismäßigkeit der Anhaltung, da es sich um Kopien in „schändlicher Qualität“ in schwarzweiß handele.
Mit Beschluss vom 30.12.2017 wies die Strafvollstreckungskammer (künftig StVK) die Anträge zurück. Soweit diese sich auf eine Unterlassung für die Zukunft richteten, seien sie unzulässig, weil es sich insoweit um einen vorbeugenden Unterlassungsantrag handele, welcher im Rechtsschutzsystem der §§ 109 ff. StVollzG nicht vorgesehen sei. Unzulässigkeit liege zudem vor, soweit sich der Antrag gegen die Allgemeinverfügung der JVA Kaisheim vom 10.05.2017 richte, da es sich insoweit nicht um eine Maßnahme i.S.d. § 109 StVollzG handele. Im Übrigen sei der Antrag zulässig, aber unbegründet. Zur Begründung verwies die Strafvollstreckungskammer auf die sachlich und rechtlich zutreffenden Ausführungen der Strafvollzugsbehörde. Es sei ferner auch völlig irrelevant, ob in der Vergangenheit besagte Druckerzeugnisse zugelassen worden seien, da es sich bei den konkreten Sicherheitsmaßnahmen erkennbar und rechtlich unbedenklich um Reaktionen auf neue sicherheitsrelevante Erkenntnisse gehandelt habe.
Der Beschluss vom 30.12.2017 wurde dem Antragsteller am 09.01.2018 zugestellt.
Am 24. Januar 2018 legte der Antragsteller zu Protokoll des Amtsgerichts Nördlingen Rechtsbeschwerde ein mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und entsprechend dem ursprünglichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu entscheiden, hilfsweise die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer sei rechts- und ermessensfehlerhaft; ihre tatsächlichen Feststellungen seien unzutreffend. Es sei unklar, wie das Anhalten von Briefbeilagen aus Kopierpapier die Sicherheit und Ordnung der Anstalt schützen könne, wenn auf Kopierpapier gedruckte Briefe ohne Probleme ausgehändigt würden.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte mit Vorlageschreiben vom 08.02.2018, die Rechtsbeschwerde kostenfällig als unbegründet zu verwerfen und den Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde auf 500 € festzusetzen. Anhand der Antragsbegründung ist dieser dahingehend auszulegen, dass eine Verwerfung als unzulässig intendiert ist.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung an die StVK.
1. Die form- und fristgerecht (§ 118 StVollzG) eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Rechtsbeschwerde auch dann statthaft, wenn die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung so unzureichend sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob die besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG vorliegen. Denn in solchen Fällen lässt sich nicht ausschließen, dass eine bedeutsame Rechtsfrage vorliegt oder dass aus anderen Gründen eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geboten ist (Arloth/Krä, 4. Aufl. 2017, § 116 StVollzG Rn. 4 m.w.N.). Dies gilt namentlich für Tatsachenfeststellungen, welche Beurteilungs oder Ermessensentscheidungen tragen sollen, wie sie hier vorliegen. Ob ein Sachverhalt tragfähig ist und die rechtlichen Erwägungen zureichen, prüft das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung aufgrund der hier erhobenen Sachrüge von Amts wegen. Diese Überprüfung führt zu dem Ergebnis, dass der der angegriffenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt nicht tragfähig ist, weil nämlich derselbe Sachverhalt schon die Ermessensentscheidung der JVA nicht trägt. Die Rechtsbeschwerde ist somit auch unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde hat bereits mit der erhobenen allgemeinen Sachrüge Erfolg.
a) Unzutreffend ist bereits die Bewertung der StVK zur Zulässigkeit der gestellten Anträge, so dass die StVK über diese nicht im gebotenen Umfang in der Sache entschieden hat.
Der unter Ziff. 1 erhobene Verpflichtungsantrag ist unzulässig. Zwar richtet er sich grds. auf Maßnahmen i.S.d. § 109 StVollzG, denn begehrt wird die Aushändigung in der Vergangenheit zur Habe genommener Fotoausdrucke unter Aufhebung entsprechender Anhalteverfügungen. Aus dem Vortrag des Antragstellers wird jedoch nicht deutlich, von wie vielen konkreten Anhalteentscheidungen er betroffen war und wann diese jeweils ergingen. Aus den mitgeteilten Umständen ergibt sich auch nicht, warum der Antragsteller zu einer näheren Eingrenzung nicht in der Lage sein sollte, nachdem ihm die jeweiligen Begleitbriefe seiner Verlobten bzw. Ehefrau offenbar durchaus ausgehändigt wurden und die Stellungnahme der JVA darauf schließen lässt, dass jeweils eine Begründung der Anhaltungen erfolgte und diese – entsprechend der Vorgabe nach Art. 36 Abs. 2 Satz 4 BayStVollzG – dem Antragsteller auch mitgeteilt wurde. Für einen Antrag nach § 109 Abs. 1 StVollzG muss die gerügte Maßnahme jedoch so genau wie möglich bezeichnet werden (vgl. Arloth/Krä a.a.O., § 109 StVollzG, Rn. 15).
Eine Unzulässigkeit des Antrags Ziff. 1 folgt ferner aus § 112 Abs. 1 StVollzG, da der Senat anhand der Angaben des Antragstellers nicht prüfen kann, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung binnen zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der Maßnahmen bzw. ihrer Ablehnung gestellt wurde, eine Verfristung jedoch naheliegt. Denn laut seines Vortrags hat sich der Antragsteller bereits am 24.04.2017 mit Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die angegriffenen Maßnahmen gewandt, so dass diese zuvor ergangen sein müssen. Mit dem Antrag vom 23.07.2017 wäre die Frist folglich jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn die Anhalteverfügungen bzw. die Verweigerung der begehrten Aushändigung von Briefbeilagen jeweils schriftlich bekannt gegeben worden sind. Ob dies geschah, ist dem Antrag jedoch nicht zu entnehmen. Mit der Unzulässigkeit des Hauptantrags geht die Unzulässigkeit der mit ihm verknüpften Hilfsanträge einher.
Entgegen der Auffassung der StVK ist der erhobene Unterlassungsantrag (Antrag Ziff. 2) dagegen zulässig. Auch wenn sie in § 109 Abs. 1 StVollzG nicht ausdrücklich genannt wird, so ist die Zulässigkeit der Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage gleichwohl allgemein anerkannt (vgl. z.B. Arloth/Krä a.a.O., § 109 StVollzG, Rn. 5 m.w.N.). Sie setzt voraus, dass Wiederholungsgefahr hinsichtlich einer rechtswidrigen Maßnahme geltend gemacht wird. Beim Antrag Ziff. 2 ist das der Fall, denn der Antragsteller gründet eine Wiederholungsgefahr nicht etwa nur auf die allgemeine Verfügung des Anstaltsleiters vom 10.05.2017, sondern schlüssig auf die ihm gegenüber in der Vergangenheit bereits erfolgten konkreten Anhalteverfügungen, deren Existenz die JVA in ihrer Stellungnahme bestätigt hat. Dass diese nicht in dem für einen Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsantrag erforderlichen Maß konkret bezeichnet wurden, hindert die Zulässigkeit eines Unterlassungsantrags nicht, da mit diesem keine Revision der bereits vorgenommenen Maßnahmen erstrebt wird. Ob die bereits erfolgten Anhaltungen rechtswidrig waren, ist eine Frage der Begründetheit.
b) Soweit die StVK eine Sachentscheidung getroffen hat, ist diese rechtsfehlerhaft, weil sich die StVK nicht mit der Vollständigkeit der Tatsachengrundlagen der angegriffenen Ermessensentscheidung beschäftigt hat. Diese Tatsachenlücke hat sich in den Beschlussgründen fortgesetzt und macht sie rechtswidrig.
aa) Der unzulässige Verpflichtungsantrag wie der Unterlassungsantrag zielen auf die Praxis der JVA, auf Kopierpapier ausgedruckte Fotos, die an den Antragsteller gerichteten Briefen beigefügt waren bzw. werden, zur Habe zu nehmen und nicht an den Antragsteller auszuhändigen. Der rechtliche Rahmen für derartige Maßnahmen wird gebildet durch die Vorschriften zum Recht auf Schriftwechsel (Art. 31 BayStVollzG), über den Paketempfang (Art. 36 BayStVollzG) sowie zur Ausstattung des Haftraums mit Lichtbildern nahestehender Personen (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG).
Besondere Relevanz kommt dabei zunächst der Unterscheidung von Schreiben und Paketen im vollzugsrechtlichen Sinn zu. Der unbeschränkte Anspruch auf Schriftwechsel nach Art. 31 BayStVollzG bezieht sich allein auf den individuellen schriftlichen Gedankenaustausch mit anderen Personen. Beilagen eines Schreibens stellen ein Paket i.S.d. Art. 36 BayStVollzG dar, sofern sie nicht durch inhaltliche Bezugnahme in den Gedankenaustausch eingebunden sind (vgl. z.B. Arloth/Krä a.a.O, Art. 31, 36 BayStVollzG i.V.m. § 28 StVollzG Rn. 3 m.w.N.). Der Empfang eines Pakets bedarf nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG der vorherigen Erlaubnis der Anstalt. Auf die Erteilung einer Erlaubnis hat der Gefangene grds. keinen Rechtsanspruch, wohl aber einen Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch (OLG Nürnberg NStZ 2009, 216, Rn. 15 bei juris). Gleiches gilt für das Vorgehen bei nicht erlaubter Zusendung, d.h. für die Entscheidung zwischen den Alternativen, das unerlaubt Zugesandte zurückzusenden (vgl. Arloth/Krä a.a.O, Art. 36 BayStVollzG Rn. 1), zur Habe zu nehmen (vgl. Art. 36 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG) oder die Zusendung nachträglich zu genehmigen und den betreffenden Gegenstand auszuhändigen.
Von der Erlaubnis und damit auch von der nachträglichen Genehmigung können nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG Gegenstände ausgeschlossen werden, welche die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden. Bei diesen Kriterien handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die keinen Beurteilungsspielraum der Justizvollzugsbehörde begründen, sondern gerichtlich voll nachprüfbar sind (vgl. zur gegenüber Art. 24 BayStVollzG parallelen Norm des Bundesrechts Arloth/Krä a.a.O, § 22 StVollzG Rn. 4 m.w.N.). Im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien bei der Ausstattung des Haftraums und damit der Zulassung von Fotos kann auch anhand des Sicherheitsgrads der Anstalt differenziert werden (vgl. die Ausführungen bei Arloth/Krä a.a.O, § 19 StVollzG Rn. 10; Feest/Lesting/LindemannKnauer, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. 2017, Teil II § 48 LandesR, Rn. 17 m.w.N.)
Bei der Ermessensausübung ist im Fall der unerlaubten Zusendung von Fotos nahestehender Personen die Wertung des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG zu berücksichtigen, die ihrerseits der Konkretisierung des Angleichungsgrundsatzes des Art. 5 Abs. 1 BayStVollzG dient (vgl. zur parallelen Norm des Bundesrechts Arloth/Krä a.a.O, § 19 StVollzG Rn. 1 m.w.N.). Dieser Wertung trägt vorliegend ersichtlich auch die Regelung in Ziff. 2 Spiegelstrich 1 der Verfügung des Anstaltsleiters der JVA Kaisheim vom 10.05.2017 zu Beilagen in Briefen Rechnung.
bb) Da die JVA somit berechtigt ist, bzgl. unerlaubt zugesandter Fotoausdrucke nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln, kann die Strafvollstreckungskammer entsprechende Maßnahmen lediglich auf Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch gemäß § 115 Abs. 5 StVollzG überprüfen. Das Gericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob vom Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (Arloth/Krä a.a.O., § 115 StVollzG Rn. 13 m.w.N.). Die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung erstreckt sich in vollem Umfang auf die Ermittlung und Feststellung des Sachverhalts, auf dem die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde beruht. Hierbei wird überprüft, ob die Entscheidung auf unrichtigen oder unvollständigen tatsächlichen Grundlagen beruht, ob sie die gesetzlich gebotene Abwägung aller relevanten Umstände vornimmt und nicht nur einseitig auf einige wenige Umstände gestützt wird (Arloth/Krä a.a.O. Rn. 15). Das Gericht darf aber nicht von sich aus Tatsachen ermitteln, die die getroffene Entscheidung rechtfertigen könnten, die von der Vollzugsbehörde aber nicht ermittelt wurden. Vor allem ist das Gericht nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu setzen (Feest/Lesting/Lindemann-Spaniol, a.a.O., Teil IV § 115 StVollzG, Rn. 41). Damit die StVK die Ermessensausübung effektiv kontrollieren kann, ist es unerlässlich, dass die Vollzugsbehörde ihre Erwägungen und die zugrunde liegenden Tatsachen offenlegt (Feest/Lesting/Lindemann-Spaniol a.a.O., Rn. 42).
cc) Diesen Anforderungen wird die bisher vorliegende Stellungnahme der JVA, an der nicht nur die bereits erfolgten Anhaltungen, sondern auch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu messen sind, nicht gerecht. Es fehlen notwendige Angaben, um einerseits auf Tatbestandsseite der einschlägigen Normen das Vorliegen einer Gefahr für die Sicherheit der Anstalt und andererseits auf Rechtsfolgenseite die Geeignetheit und damit die Verhältnismäßigkeit der bisherigen und für die Zukunft zu erwartenden Ermessensentscheidungen nachprüfen zu können.
Die JVA beruft sich für ihre Vorgehensweise vorliegend auf eine Gefährdung der Sicherheit der Anstalt. Für eine solche ist die Feststellung faktischer Anhaltspunkte erforderlich, aus denen sich eine konkrete Gefährdung von einigem Gewicht ergibt, sofern die Gefährdung nicht bereits durch einen allgemeinen Erfahrungssatz begründet wird (OLG Nürnberg NStZ 1982, 399; NStZ 1985, 335; Feest/Lesting/Lindemann-Feest/Wegner, a.a.O., Teil II § 37 LandesR, Rn. 16 m.w.N.). Selbst wenn man aber eine abstrakte Gefahr genügen lässt (vgl. Feest/Lesting/Lindemann-Knauer, a.a.O. Teil II § 48 LandesR, Rn. 20), so müssen wenigstens deren Voraussetzungen in nachprüfbarer Weise festgestellt sein.
Das ist hier nicht der Fall. Dem Vortrag der Anstalt ist allein zu entnehmen, dass in der Vergangenheit öfter versucht worden sei, mit Betäubungsmitteln getränktes Kopierpapier (nicht etwa entsprechend angereicherte und zum Bedrucken verwendete Druckertinte) im Rahmen des Briefverkehrs in die Anstalt zu schmuggeln. Dabei bleibt offen, wie häufig und wann zuletzt es zu derartigen Versuchen gekommen ist. Es bleibt ferner offen, wie diese Versuche seinerzeit festgestellt wurden. Diese Frage ist für die Geeignetheit von Abwehrmaßnahmen unmittelbar relevant: War eine entsprechende Kontamination des Papiers bei der Briefkontrolle unmittelbar erkennbar, etwa aufgrund Konsistenz, Farbe oder Geruch des Papiers, so versteht sich nicht von selbst, dass zugesandtes Kopierpapier zur Verhinderung der Einbringung von Betäubungsmitteln in bestimmten Fällen generell angehalten werden muss. War die Kontamination dagegen nicht erkennbar, so fragt sich, woher die JVA gleichwohl die Kenntnis entsprechender Zusendungen erlangt hat. Eine lediglich theoretische Eignung von Kopierpapier als Trägermaterial für Betäubungsmittel könnte einen generellen Ausschluss jedenfalls nicht rechtfertigen (OLG Nürnberg NStZ 1982, 399).
Schon aufgrund des genannten Gesichtspunkts wird durch den mitgeteilten Sachverhalt neben der Gefahrenlage auch die Geeignetheit und damit die Verhältnismäßigkeit künftig zu erwartender Anhaltungen als Abwehrmaßnahme nicht ausreichend gestützt. Hinzu kommt, worauf der Antragsteller zu Recht hinweist, dass die JVA mit in Briefsendungen enthaltenem Kopierpapier offenbar unterschiedlich umgeht je nachdem, mit welchen Inhalten dieses bedruckt wurde. Zwar gilt für Schreiben nach Art. 31 BayStVollzG ein Recht des Gefangenen auf unbeschränkten Empfang. Nachdem dieses Recht aber allein dem gedanklichen Austausch mit anderen Personen dient, könnte dem Zweck der Norm auch durch Weitergabe eingehender Schreiben in Form lesbarer Fotokopien entsprochen werden, wenn bei Aushändigung der Originale die konkrete Gefahr der Einschmuggelung von Betäubungsmitteln bestünde. Demgegenüber beschränkt die JVA die Anhaltung von Kopierpapier von vornherein auf die Fälle, in denen dieses mit Fotos bedruckt wurde. Für derartige Bilder besteht jedoch zum einen ebenfalls ein Bezugsanspruch des Gefangenen, sofern kein Ausschlussgrund, insbesondere keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt vorliegt (vgl. zur Parallelnorm des Bundesrechts Arloth/Krä a.a.O. § 19 StVollzG Rn. 5 m.w.N.). Das muss insbesondere gelten, wenn Bilder nahestehender Personen i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG betroffen sind. Zum anderen bedeutet die – im Fall des Antragstellers bislang ohnehin unterbliebene – Weitergabe in Form von Fotokopien in schwarzweiß für Fotos einen ungleich schwächeren Ersatz als für Schreiben mit gedanklichem Inhalt in Schriftform. Dass die Anstalt diesen Gesichtspunkten in ihrer Verwaltungspraxis Rechnung tragen würde, ergibt sich aus dem bisher bekannten Sachverhalt nicht.
Die Eignung dieser Praxis zur Verhütung des Einschmuggelns von Betäubungsmitteln steht außerdem deshalb in Frage, weil sie für Absender und Empfänger von Briefen erkennbar die Möglichkeit belässt, mit Betäubungsmitteln getränktes Papier äußerlich dem gedanklichen Austausch zu widmen und auf sonstige Beilagen ganz oder zumindest auf deren Kontamination zu verzichten. Dass sich durch den Aufdruck von Fotos eine besondere Möglichkeit der Tarnung einer Kontamination ergäbe, lässt sich den Erwägungen der JVA jedenfalls nicht entnehmen. Wie den so begründeten Zweifeln an der Eignung der Verwaltungspraxis begegnet werden könnte, erschließt sich aus der Stellungnahme der JVA nicht.
Die Lückenhaftigkeit der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung setzt sich in der Entscheidung des Landgerichts fort und macht diese ihrerseits nicht tragfähig, um den Senat in die Lage zu versetzen, das Vorliegen von Rechtsfehlern i.S.d. § 116 Abs. 2 StVollzG zu prüfen. III.
Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 30.12.2017 war somit nach § 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG aufzuheben; die Sache war zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG).
Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird erst nach einer erneuten Entscheidung zu befinden sein.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf den §§ 60, 52 Abs. 1 GKG.