Aktenzeichen 5 KLs 354 Js 3002/18
Leitsatz
1. Für den Tatbestand des Einschleusens von Ausländern ist ein bedingter Vorsatz hinsichtlich des Umstandes ausreichend, dass die geschleusten Personen nicht über einen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland oder für einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verfügen und ihre Einreise in die Bundesrepublik Deutschland somit unerlaubt ist. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem Einschleusen von Personen auf der ungesicherten Ladefläche eines LKW liegt eine das Leben gefährdende Behandlung gem. § 96 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor. Denn es besteht die potentielle Gefahr, dass die transportierten Personen im Falle eines Verkehrsunfalls oder auch bei starkem Abbremsen Verletzungen erleiden, die geeignet sind, deren Tod herbeizuführen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Angeklagte ist schuldig des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tatmehrheit mit gewerbsmäßigem und lebens- und gesundheitsgefährdendem Einschleusens von Ausländern.
2. Er wird deswegen zu einer …
1. … Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
3. Die Einziehung eines Geldbetrages von 10.000 Euro wird angeordnet.
4. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens sowie die Auslagen des Gerichts zu tragen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b, Abs. 2 Nr. 1 und 5, 95 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1 AufenthG, 53, 73, 73 c StGB.
Gründe
I. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
Der am … in der …geborene Angeklagte absolvierte dort eine gymnasiale Schulbildung. Im Anschluss machte er eine Lehre als technischer Zeichner. In diesem Beruf begann er jedoch nie zu arbeiten. Er machte später die Aufnahmeprüfung für die Universität, studierte jedoch nur einen Monat. Sein Ziel war es, einen Journalistenausweis zu erhalten, da er damals bereits als Journalist tätig war. Zwei Jahre später hat er einen solchen dann auch bekommen. Insgesamt arbeitete er von 1997 bis 2009 als Journalist, im Anschluss beschäftigte er sich verschiedentlich und forschte zu diversen Themen. Er fing unter anderem an als Imker zu arbeiten, um sich einen Lebensunterhalt zu verdienen. Damit verdiente er zwischen … und … im Jahr.
Vor einigen Jahren wollte er ins Transportgewerbe einsteigen und den Honigvertrieb nur noch als Nebenerwerb betreiben. Er kaufte sich zwei eigene LKWs, die ihm jedoch bis heute durch den Verkäufer noch nicht übergeben wurden. Hierüber wird in der Türkei ein Zivilrechtsstreit geführt. Er gründete hierfür auch eine eigene Firma, die „…“, die als seine Transportfirma dienen sollte.
Der Angeklagte ist verheiratet, lebt jedoch seit … in Trennung von seiner Ehefrau. Diese lebt seitdem in …, wo auch der Rest der … des Angeklagten lebt, namentlich seine …. Der Angeklagte hat keine Kinder.
Der Angeklagte hat … in ungeklärter Höhe und außerdem ca. … bei einer weiteren Firma. Des Weiteren hat er noch Privatschulden bei einer Freundin, die ihm zum Start seines Honigvertriebs einmalig ca. … und … für den Bienenkauf geliehen hatte.
Der Angeklagte leidet nicht unter schwereren gesundheitlichen Einschränkungen. Er hat gelegentlich Nierensteine und leidet dann auch unter Schmerzen und bekommt entsprechende Bedarfsmedikation.
Seit dem Jahr 2000 leidet er gelegentlich unter psychischen Problemen und fühlt sich depressiv.
Um das Jahr 2005 herum war er deswegen einmal in einem psychiatrischen Krankenhaus. Derzeit hat er hin und wieder leichte Beschwerden, hat diese aber unter Kontrolle, er fühlt sich lediglich beengt in der momentanen Haftsituation. In der Familie sind keine weiteren Krankheiten bekannt, bis auf die …, die ebenfalls in … lebt und unter Verfolgungswahn leidet. Zurückzuführen sei dies auf ein Trauma, dass diese als Kind erlebt hat.
Der Angeklagte ist strafrechtlich in Deutschland bislang nicht in Erscheinung getreten.
Der Angeklagte wurde aufgrund Europäischen Haftbefehls am 29.03.2018 in … festgenommen und am 26.04.2018 nach Deutschland ausgeliefert, wo er sich seit diesem Tag aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts … vom 27.02.2018 (Az. 1 a Gs 651/18) ununterbrochen in Untersuchungshaft befindet.
II. Sachverhalt
Der Angeklagte setzte sich zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem Jahr 2016 zum Ziel, eine nicht unerhebliche Einnahmequelle daraus zu erzielen, ausländische Staatsangehörige, die nicht über den erforderlichen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland oder einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügen, gegen Entgelt nach Europa und insbesondere in die Bundesrepublik Deutschland verbringen zu lassen.
In Umsetzung dessen beauftragte der Angeklagte in mindestens zwei Fällen den anderweitig verfolgten … mit der Durchführung von Schleusungsfahrten. Dabei handelt es sich um die folgenden Fahrten:
1. Der anderweitig verfolgte … nahm im Auftrag des Angeklagten am Abend des 06.02.2017 in … mindestens 35 Personen … und … Staatsangehörigkeit ohne Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland – oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – auf die Ladefläche eines Sattelgespanns, bestehend aus der Sattelzugmaschine …, amtliches … Kennzeichen …, und dem Sattelanhänger mit dem amtlichen … Kennzeichen …, auf. Dieses Sattelgespann hatte der Angeklagte zur Verfügung gestellt, der … fungierte lediglich als Fahrer.
Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass die mindestens 35 Personen über keinen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland verfügen. Anschließend fuhr der anderweitig verfolgte … das Sattelgespann von … über … und … bis nach …. Die Fahrt dauerte ca. 20 Stunden, während derer die Personen auf der Ladefläche den LKW nicht verlassen durften.
Zwischen dem Angeklagten und einem der Mitfahrer auf der Ladefläche bestand während der Fahrt ständig telefonischer Kontakt. Der Angeklagte gab dieser Person Anweisungen, die Leute ruhig zu halten und diese beim Aussteigen aus dem LKW genau zu zählen, um den entsprechenden Schleuserlohn abrechnen zu können. Anschließend wurden die geschleusten Personen am 07.02.2017 gegen 18:00 Uhr im Industriegebiet bei der … Brücke in … abgesetzt. Dort warteten bereits absprachegemäß mehrere Fahrzeuge, um die geschleusten Personen aufzunehmen und im Bundesgebiet zu verteilen.
Zu der Fahrtzeit herrschten durchgehend Außentemperaturen um oder unter dem Gefrierpunkt. Die Ladefläche, auf der sich die Personen aufhielten war nicht beheizt, verfügte nicht über eine feste Außenkonstruktion und war nur durch eine Plane vor Fahrtwind und Außentemperaturen geschützt. Die Menschen auf der Ladefläche zogen teilweise all ihre verfügbare Kleidung an, um sich gegen die Kälte zu schützen, dennoch froren viele von ihnen extrem. Unter den 35 Personen waren auch 11 Kinder im Alter zwischen 1 und 9 Jahren. Während der vielstündigen Fahrt ohne Pause mussten die Personen auf der Ladefläche ihre Notdurft in Plastikflaschen und -tüten auf der Ladefläche verrichten. Auf der Ladefläche befand sich neben diesen Personen auch noch ungesicherte Fracht in Form von Paletten mit Möbelstücken und Kisten. Zwischen oder teilweise auf dieser Fracht mussten sich die Personen ungesichert einen Platz suchen. All dies war dem Angeklagten bekannt.
Für die Fahrt erhielt der Angeklagte und weitere nicht bekannte Organisatoren von den Geschleusten einen nicht bekannten Geldbetrag.
Der Angeklagte wollte sich durch das Einschleusen von Ausländern eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen.
2. Weiterhin beauftragte der Angeklagte zu einem derzeit nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt Anfang des Jahres 2016 den anderweitig verfolgten … 14 Personen … und … Staatsangehörigkeit mittels eines LKWs von … in die Nähe von … zu verbringen. Für die Fahrt erhielt der Angeklagte mehr als … €. Eine Entlohnung in Höhe von … € zahlte er allein schon dem anderweitig verfolgten … für dessen Fahrertätigkeit. Die geschleusten Personen befanden sich ohne jegliche Sicherung auf der Ladefläche des Sattelgespanns. Dem Angeklagten war auch hierbei bewusst, dass die 14 Personen über keinen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland verfügten.
Der Angeklagte wollte sich durch das Einschleusen von Ausländern eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen.
III. Beweiswürdigung
1. Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten, die dieser in der Hauptverhandlung machte. Gründe, an diesen Angaben zu zweifeln, bestanden für die Kammer nicht.
2. Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf den Angaben der einvernommen Zeugen, der in Augenschein genommenen Lichtbilder sowie den eingeführten Urkunden.
a) Der Angeklagte selbst leugnete in der Hauptverhandlung seine Beteiligung an den Taten. Er bestätigte lediglich, von dem LKW-Fahrer … am 07.02.2017 um Hilfe gebeten worden zu sein, als dessen LKW im Schnee stecken blieb. Er habe sich für diese Fahrt verantwortlich gefühlt, weil er den Fahrer … für diese Fahrt an eine ihm bekannte Transportfirma vermittelt habe. Er habe daraufhin den … kontaktiert, von dem er wusste, dass er in Deutschland lebt und der ein Bekannter von ihm sei und gebeten, bei dem LKW nach dem Rechten zu sehen und diesem beim Freischleppen zu helfen. Dass es sich bei der Fahrt aber um eine Schleusungsfahrt gehandelt habe, will er nicht gewusst haben
b) Der Zeuge … hingegen machte zu seiner eigenen Tat und der Stellung und dem Handeln des Angeklagten umfangreiche Angaben: So sagte er aus, die Aufgabe des Angeklagten im Schleusungssystem sei es gewesen, LKW-Fahrer ausfindig zu machen und zu organisieren. Er schilderte detailliert, wie er den Angeklagten kennenlernte. Er sagte aus, er sei durch einen ihm bekannten LKW-Fahrer-Kollegen mit dem Angeklagten in Kontakt getreten, der ihm sagte, durch Schleusungen könne man gut Geld dazu verdienen. Er habe sich dann mit dem Angeklagten getroffen, man habe über verschiedenen Schleuserrouten gesprochen und wie viel Geld es pro geschleuster Person für den Fahrer gibt, nämlich prinzipiell … Euro für eine Schleusung nach … Euro bis … und … Euro bis …. Der Zeuge sagte aus, er erklärte sich gegenüber dem Angeklagten mit den Bedingungen einverstanden und ab dann habe er das eben gemacht, Schleusungsfahrten für den Angeklagten gefahren. Er habe vom Angeklagten auch teilweise den vereinbarten Lohn bekommen, zum Beispiel für die Fahrt im Januar 2016 in die Nähe von …, festgestellt unter II. 2, jedoch nicht immer und der Angeklagte würde ihm immer noch viel Geld schulden. Für die Fahrt im Februar 2017 nach … habe er bis heute kein Geld bekommen. Wenn er Geld erhalten habe, war dies meist in bar, ab und an habe es auch Überweisungen gegeben, zum Beispiel auch für die Auslagen seiner Anreise zum vom Angeklagten zur Verfügung gestellten LKW. Diese Überweisungen liefen dann jedoch nie über das Konto des Angeklagten, sondern über Freunde und Bekannte von diesem.
Er schilderte detailliert den Ablauf einer Schleusung. Er bekam vom Angeklagten den Standort des jeweiligen LKW mitgeteilt zu dem er anreiste. Die LKW-Fahrer, so auch er, würden die Menschen beim Einsteigen nicht zu sehen bekommen, darum würden sich andere kümmern, man würde diese aber beim Aussteigen zählen, da man danach ja auch sein Geld bekommen solle. Der Zeuge sagte weiter aus, dass er sich für die Fahrt Januar 2016 im Anschluss in … mit dem Angeklagten auf einem LKW-Parkplatz getroffen habe und dort sein Geld bekommen habe.
Er habe in den letzten Jahren viel Kontakt zum Angeklagten gehabt, habe zeitweise, ein paar Monate, sogar in dessen Wohnung in … gewohnt und habe ihn auch im Anschluss oft aufgesucht, um sein geschuldetes Geld einzufordern. Der Angeklagte habe sich ihm beim ersten Treffen als „…“ vorgestellt, später habe er ihn auch „…“ (etwa „…“) genannt, wie auch andere seiner Kollegen. Diese Namen hatte er zeitweise auch in seinem Handy unter der Nummer des Angeklagten gespeichert. Er habe jedoch bei einem der persönlichen Treffen mit ihm auf einer Bankkarte des Angeklagten gesehen, dass dieser „…“ heißt und habe den Namen im Handy dann entsprechend umgespeichert, die Nummer blieb die gleiche.
Auf Vorhalt eines verschrifteten Whatsapp-Chats in der Akte aus seinem sichergestellten Handy gab der Zeuge an, dass die eine Nummer seine eigene sei, die …, die andere, die Nummer …, sei die des Angeklagten, den er damals bereits unter „…“ im Handy gespeichert hatte, wie auch aus dem Chatprotokoll ersichtlich. Bei dem Chat ginge es um die Vorbereitung einer weiteren Schleusung und er stammt laut Aussage des Zeugen und auch laut Zeitstempel aus Ende 2017.
aa) Zur Fahrt im Februar 2017 sagte der Zeuge konkret aus, er kannte den Ort in … bereits von früheren Fahrten und wollte daher die Leute dort aussteigen lassen. Er sei danach aber mit dem LKW im Schnee stecken geblieben. Er habe den Angeklagten angerufen, ihm dies mitgeteilt und dieser hätte ihm dann einen Freund von sich, den Herrn … geschickt, der sich um einen Abschleppdienst kümmerte und ihm, dem Zeugen …, etwas Geld dafür gab, den LKW freischleppen zu lassen.
Er schilderte, wie er am Nachmittag in … ankam, nach ca. 14 bis 16 Stunden Fahrt, die Leute aber bis Einbruch der Dunkelheit nicht aussteigen ließ, damit sie nicht entdeckt wurden. Er schilderte, dass es sehr kalt gewesen sei an diesem Tag. Welche Ware der LKW geladen habe, wüsste er gar nicht, darum habe er sich als Fahrer nie gekümmert, er habe den LKW bereits so übergeben bekommen. Er habe dem Angeklagten schließlich telefonisch berichtet, dass er die Geschleusten abgesetzt habe, dies sei so vereinbart gewesen, damit der Angeklagte das im Anschluss an die Personen weitermelden könne, von denen er die Geschleusten vermittelt bekommen hatte.
bb) Zu der Fahrt … im Januar 2016 sagte der Zeuge aus, dies sei kein Planen – LKW gewesen, sondern dieser hätte eine feste Außenkonstruktion gehabt und die Ladefläche sei auch beheizbar gewesen, wie bei einem Auflieger Marke „…“. Dies habe der Angeklagte auch gewusst, der im Regelfall immer mit jemandem auf der Ladefläche in Kontakt stand. Der Zeuge sagte aus, der Angeklagte habe ihn auch während der Fahrt angerufen, ihm mitgeteilt, dass die Leute hinten frieren und er wärmer machen solle, was er dann auch gemacht habe. Es seien 14 Personen gewesen.
Der Zeuge … schilderte in seiner Vernehmung sehr detailreich Vorgänge von mehreren Jahren stringent und inhaltlich völlig widerspruchsfrei. Wenn er einmal aufgrund Zeitablaufs kleinere Erinnerungslücken hatte, tat er dies kund und konnte auf Vorhalt unmittelbar seine Aussage wieder aufnehmen, daran anknüpfen und widerspruchsfrei fortfahren. Er trug ohne erkennbaren Belastungseifer vor, lediglich an dem Punkt, an dem er schilderte, das ihm versprochene Geld nicht in voller Höhe erhalten zu haben und als der Angeklagte ihn der Lüge bezichtigte, wurde er etwas erregter, ließ sich aber trotz unzähliger Vorhalte des Angeklagten dennoch nicht in Widersprüche verstricken. Der Zeuge sagte in der Hauptverhandlung ebenso aus, wie bereits in seinen ersten Vernehmungen durch die Bundespolizei und auch als Angeklagter in dem gegen ihn aufgrund der beiden unter II. festgestellten Sachverhalte geführten Strafverfahren. Dies, obwohl er sich durch seine Angaben auch erheblich selbst belastete.
Weiter stimmte die Handynummer, die der … dem Angeklagten zuordnete, überein mit der Nummer, mit der einer der Geschleusten während der Fahrt vom 7. Februar mit einem „…“ über die Schleusung kommunizierte und eindeutig über die gerade stattfindende Fahrt sprach. Zuletzt hatte auch tatsächlich der vom … benannte …, nachdem der LKW festgesteckt war, telefonischen Kontakt zum Angeklagten, und fuhr auf dessen Bitte nach …, um den LKW freischleppen zu lassen, was der Angeklagte auch selbst einräumte und bestätigte.
In der Zusammenschau all dieser Umstände hatte die Kammer keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Zeugen ….
b) Die Angaben des Zeugen … wurden außerdem bestätigt, durch die Aussagen des Zeugen … von der Bundespolizei in …, der Sachbearbeiter der polizeilichen Ermittlungen war. Der Zeuge sagte aus, dass sich auf dem LKW 35 Personen ohne Aufenthaltstitel, stammend aus …, der … und dem … befanden. Dies sei ermittelt worden, indem man zum einen 25 Personen direkt nach dem Ausstieg aus dem LKW im Stadtgebiet … noch aufgreifen konnte. Außerdem seien am Ausstiegsort in der Nähe des LKWs zerrissene Pässe von weiteren …, und … Staatsangehörigen ohne entsprechenden Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland gefunden worden. Aus einem Abgleich dieser Pässe mit den aufgegriffenen Personen habe man so die Personenanzahl von 35 ermitteln können. Die 11 Kinder, die man festgestellt habe, gehörten allesamt zu den … Familien und seien zwischen 1 und 9 Jahren gewesen. Die Besitzer der Pässe wurden auch in der Folge in Deutschland festgestellt.
Die Mobilfunknummer, die im Handy des … mit dem Namen „…“ hinterlegt war und von der der … angegeben habe, dass es die Nummer des Angeklagten sei, sei noch auf einem weiteren sichergestellten Mobiltelefon erfasst gewesen, dem des …, einem ebenfalls auf der Ladefläche Geschleusten. Hier war die Nummer unter „…“ abgespeichert. Bei der Auswertung sei festgestellt worden, dass genau im Zeitraum der Fahrt des LKW von … nach … von eben diesem Mobiltelefon mit der genannten Nummer „…“ ein Chat über die Schleusung stattfand. Der Teilnehmer „…“ wollte wissen, wieviele „große“ und „kleine Paletten“ auf dem LKW seien und trug dem Gesprächspartner auf, diese bei Ankunft genau zu zählen. Weiter beklagte sich der Gesprächspartner, dass es auf dem LKW bitterkalt sei und dass die Leute schon erfroren seien. Im Zusammenspiel dieser beiden Aussagen ergab sich für die Kammer auch eindeutig, dass sich auf dem LKW Menschen befanden und das mit „Paletten“ ebenfalls Menschen gemeint waren. Von „…“ wurde daraufhin geschrieben, man solle stark sein und dem Gesprächspartner wurde aufgegeben, die Leute zu trösten. Dieser Chat wurde durch Vorhalt und In-Augenscheinnahme/Verlesung auch in der Hauptverhandlung während der Vernehmung des Zeugen … eingeführt.
Der Zeuge … sagte weiter aus, dass viele der durch die Bundespolizei vernommenen Geschleusten von der Fahrt berichtete hatten, dass es sehr kalt gewesen sei und öfter auch die Ladung auf dem LKW verrutscht sei, da diese eben nicht gesichert war.
Weiter wurde vom Zeugen … berichtet, dass die Handynummer …, mit der der Zeuge … mit dem Angeklagten – nach dessen Angaben gegenüber der Bundespolizei und auch nach eigenen Angaben des Angeklagten selbst – zu jenem Zeitpunkt Kontakt wegen der Hilfe für den LKW hatte, eine Nummer sei, die bereits bei einem Visaantrag des Angeklagten als dessen Nummer durch diesen angegeben wurde, weswegen man auch damit wiederum eine Zuordnung dieser Nummer zum Angeklagten herstellen konnte.
Der Zeuge berichtete als polizeilicher Sachbearbeiter sachlich und widerspruchsfrei über den Gang und das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen. Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Zeugen … gab es für die Kammer nicht.
c) Der Zeuge … wurde bereits anderweitig wegen einer hier nicht gegenständlichen Schleusungsfahrt als damaliger Fahrer verurteilt und wurde aus Strafhaft vorgeführt. Er gab auf Nachfrage gegenüber dem Gericht an, dass er damals für eine Firma „…“ gefahren sei.
Der Zeuge war aber sichtlich bemüht, jegliche Verbindung zum Angeklagten in Abrede zu stellen. So sagte er zum Beispiel anfangs aus, den Angeklagten nur von einem Bild zu kennen, später, dass er ihn auch schon getroffen habe, dass er aber nicht wisse, wer hinter der Firma „…“ stünde. Er sei nicht vom Angeklagten beauftragt worden, wer ihn beauftragt habe, wisse er aber auch nicht und überhaupt habe er bis zuletzt nicht gewusst, dass sich auf seiner LKW – Ladefläche Menschen befunden hätten.
d) Bei den Zeugen … und …, die in der Hauptverhandlung vernommen wurden, handelt es sich um zwei der Geschleusten der Fahrt vom 07.02.2017. Beide berichteten übereinstimmend über die Zustände auf dem LKW, die ungesicherte Ladung, die auch mal verrutscht sei, die enorme Kälte und die fehlenden Pausen- sowie Toilettenmöglichkeiten. Dies wurde auch bestätigt durch die dem Zeugen … vorgehaltenen Lichtbilder, die auf dessen Handy gespeichert waren, die der Zeuge als auf dieser Fahrt von ihm gemacht bestätigte. Auf diesen Lichtbildern sind Menschen – einschließlich des Zeugen selbst („Selfie“) auf einer LKW-Ladefläche zu sehen, zwischen Paletten mit Ladung, aber teilweise auch auf dieser Ladung liegende, alle stark bekleidet mit mehreren Pullovern und Jacken.
Der Zeuge … sagte aus, er habe an einen ihm nicht weiter bekannten Mann für die Schleusung insgesamt … Euro gezahlt. Der Zeuge … sagte aus, für seine Schleusung wurden ca. … Dollar gezahlt, dies in … durch seinen Onkel und seinen Großvater an ihm nicht weiter bekannte Personen.
Auch diese beiden Zeugen berichteten von der Fahrt ohne jeglichen Belastungseifer oder Tendenzen, ihr eigenes Fehlverhalten zu beschönigen oder herunterzureden sehr sachlich und widerspruchsfrei. Zweifel an den Angaben dieser Zeugen ergaben sich für die Kammer nicht.
IV. Rechtliche Würdigung
Durch die unter II. festgestellten Handlungen ist der Angeklagte des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tatmehrheit mit gewerbsmäßigem und lebens- und gesundheitsgefährdendem Einschleusens von Ausländern gemäß §§ 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b, Abs. 2 Nr. 1 und 5, 95 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1 AufenthG, 53 StGB schuldig.
Beim Angeklagten lag jedenfalls ein bedingter Vorsatz hinsichtlich des Umstandes vor, dass die geschleusten Personen nicht über einen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland oder für einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verfügten und ihre Einreise in die Bundesrepublik Deutschland somit unerlaubt war. Hierbei wollte der Angeklagte sie auch unterstützen, indem er die Fahrten von … bzw. … nach … organisierte, konkret einen LKW und einen Fahrer organisierte und diesem entsprechende Anweisungen gab, aufgrund derer die zu Schleusenden dann in die Bundesrepublik Deutschland verbracht wurden, §§ 4 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG.
Hierfür ließ sich der Angeklagte auch einen Vorteil versprechen. Bei beiden Fahrten wollte der Angeklagte aus seiner Tat nicht unerhebliche Einnahmen für sich erzielen. Allein die geschleusten Zeugen … und … zahlten … Euro und … Dollar an namentlich unbekannte Hintermänner der Schleusung. Der genaue Anteil des Angeklagten daran ist zwar nicht bekannt, jedoch versprach der Angeklagte dem anderweitig Verfolgten … für seine Fahrerleistung … Euro pro Geschleustem nach Deutschland bzw. zahlte ihm für die Schleusung im Januar 2016 tatsächlich … Euro. Er erzählte dem Zeugen …, dass man mit Schleusungen gutes Geld verdienen kann. Er legte Wert darauf, dass der auf der Ladefläche Mitfahrende am 07.02.2017 die „großen und kleinen Paletten“ genau zählte. Dies war nach Angaben des Zeugen … für die Abrechnung wichtig. Zudem handelte der Angeklagte auch zugunsten mehrerer Ausländer. Dies wusste der Angeklagte bereits vor Fahrtantritt, da er dies mit dem … vorher so abgesprochen hatte.
Bei Begehung der Tat unter II. 1 setzte der Angeklagte die 35 geschleusten Personen außerdem einer das Leben gefährdenden und gesundheitsgefährdenden Behandlung gem. § 96 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG aus. Bei einem ungesicherten Transport von Personen auf der Ladefläche eines LKW besteht die potentielle Gefahr, dass die transportierten Personen im Falle eines Verkehrsunfalls oder auch bei starkem Abbremsen Verletzungen erleiden, die geeignet sind, deren Tod oder schwere Gesundheitsschädigungen herbeizuführen. Hinzu kommt, dass sich auf der Ladefläche auch ungesicherte Ladung befand. Beim Verrutschen dieser Ladung bei einem Unfall, bei starkem Abbremsen oder Beschleunigen können ebenfalls derartige Verletzungen bei den auf der Ladefläche transportierten Personen, die sich teilweise auf dieser Ladung befanden, verursacht werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass bei einer Fahrt in einem unbeheizten Planen-LKW über viele Stunden mitten im Winter bei Minusgraden die Geschleusten, gerade auch die mittransportierten Kleinkinder schwere Gesundheitsschäden davontragen. Diese Umstände sind dem Angeklagten auch zuzurechnen. Schon vor Beginn der Fahrt wusste der Angeklagte, dass die zu schleusenden Personen auf der Ladefläche des LKW transportiert werden und welche Bedingungen dort herrschen, einen LKW, den er selbst organisiert hatte. Er wusste durch die Kommunikation mit einem der Mitfahrer auf dem LKW, dass die Menschen bittere Kälte litten. Schließlich wusste er auch, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch kleine Kinder („kleine Paletten“) transportiert wurden.
Soweit dem Angeklagten darüber hinaus zur Last lag, als Mitglied einer Bande gehandelt zu haben, konnte die Kammer dies nicht mit der zur Verurteilung ausreichenden Überzeugung feststellen. Zwar steht fest, dass es in der Organisation der einzelnen Schleusungsfahrten weitere Beteiligte gab, die beispielsweise das Geld der Geschleusten entgegennahmen und diesen kommunizierten, wo sie wann zu sein hatten. Jedoch konnte die Kammer keinerlei Feststellungen zur Identität dieser Personen treffen, mithin auch nicht, ob diese zumindest zum Teil bei mehreren Fahrten identisch waren und sich mit dem Angeklagten zur fortgesetzten Begehung von Straftaten zusammengeschlossen hatten oder ob verschiedene Hintermänner jeweils nur zufällig auf den Angeklagten als Organisator eines LKWs und eines Fahrers gestoßen waren.
V. Strafzumessung
Der Strafrahmen war für die unter II. festgestellten Taten jeweils § 96 Abs. 2 AufenthG zu entnehmen.
1. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinn für die unter II. 1 festgestellte Tat war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass dieser bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Weiter berücksichtigte die Kammer, dass dieser nach den Aussagen der Zeugen … und … nicht der alleinige Verantwortliche für die Schleusung war. Im Gegenteil musste nach den Aussagen der Zeugen … und … zur Frage der Bezahlung zu Gunsten des Angeklagten angenommen werden, dass auch dieser nur Unterbeauftragter in der Schleusungskette war, der sich eben um die Fahrt, den LKW und den LKW-Fahrer von … nach … kümmern sollte und somit lediglich auf einer mittleren Hierarchieebene in der Schleusungskette stand.
Die Kammer hat auch gesehen, dass der Angeklagte, der nur wenig Deutsch spricht, und der immer wieder unter Nierensteinen leidet haftempfindlich ist.
Berücksichtigung fand auf der anderen Seite die hohe Zahl an Geschleusten, insgesamt 35 Personen wobei sich hierunter auch eine Vielzahl von Kindern befand.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hielt die Kammer eine Einzelstrafe von
4 Jahren
für tat und schuldangemessen.
2. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinn für die unter II. 2 festgestellte Tat war ebenfalls zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass dieser bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Weiter berücksichtigte die Kammer auch hier mangels entgegenstehender Feststellungen zu Gunsten des Angeklagten, dass dieser wohl nicht der alleinige Verantwortliche für die Schleusung war und weitere Hintergrund-Agierende, die in der Auftragskette über ihm stehen, bestehen. Bei dieser Tat wurde überdies zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich um das Wohl der Geschleusten auf dem LKW kümmerte und in Anbetracht der auch bei dieser Fahrt herrschenden winterlichen Temperaturen dem Fahrer … die Anweisung gab, die Ladefläche zu beheizen.
Auch die erhöhte Haftempfindlichkeit des nur wenig deutsch sprechenden Angeklagten, der immer wieder Nierensteine hat, wurde berücksichtigt.
Zu Lasten des Angeklagten sprach jedoch auch hier die Anzahl der Geschleusten von 14 Personen.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hielt die Kammer daher hier eine Einzelstrafe von
2 Jahren und 6 Monaten
für tat- und schuldangemessen.
3. Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte insbesondere unter Berücksichtigung des engen situativen Zusammenhangs beider Fahrten auf der einen Seite, jedoch des langen Tatzeitraums von über einem Jahr auf der anderen Seite hielt die Kammer letztliche eine Gesamtfreiheitsstrafe von
5 Jahren für tat- aber auch schuldangemessen.
Für die Anrechnung der in … erlittenen Freiheitsentziehung war in Ausübung des dem Gericht eingeräumten Ermessens und unter Berücksichtigung der öffentlichen Erklärung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 26.03.2015 zu den Haftbedingungen in … in den letzten Jahren hier – abweichend von dem Grundsatz, dass in Fällen von Auslieferungshaft aus der Europäischen Union regelmäßig von einem Anrechnungsmaßstab 1:1 auszugehen ist – ein Maßstab von 1:2 festzusetzen.
VI. Einziehung
Hinsichtlich des aus dem Tenor ersichtlichen Geldbetrages war die Einziehung von Wertersatz auszusprechen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Der Angeklagte erlangte für die Schleusungsfahrt unter II.2 festgestellt mindestens … Euro, da er diese selbst an den anderweitig Verfolgten … als dessen Anteil auszahlte und die Kammer es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für ausgeschlossen erachtet, dass der Angeklagte seinem Fahrer mehr zahlte, als er selbst erhalten hatte.
Grundsätzlich wären diese … Euro nach den Vorschriften über die Einziehung von Taterträgen gem. § 73 Abs. 1 StGB einzuziehen. Da die konkreten Geldscheine jedoch nicht mehr individualisierbar im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren, hat die Kammer die Einziehung des Wertes dieser Taterträge gem. § 73 c S. 1 StGB angeordnet.
VII. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 StPO.