Aktenzeichen Ks 101 Js 16927/17
StPO § 154 Abs. 2, § 267 Abs. 4
Leitsatz
Tenor
1. Die Angeklagten D., N., und P., sind jeweils schuldig des versuchten Mordes.
2. Die Angeklagte D. wird daher zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
3. Die Angeklagte – N. wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 9 Monaten
verurteilt.
4. Der Angeklagte – P. wird zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
5. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen.
Angewandte Vorschriften:
(Bei allen drei Angeklagten):
§§ 211 Abs. 1, Abs. 2 9. Alternative, 13 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB.
Bei den Angeklagten D. und P. zusätzlich:
§ 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB
Gründe
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO bezgl. der Angeklagten D. und P.)
Den Angeklagten wurde zur Last gelegt, es als examinierte Fachpflegekräfte im Alten-/Pflegeheim St. A. in M., in welchem sie für den Bewohner und Palliativpatienten P. verantwortlich waren, bei einer erkannten Falschabgabe von Medikamenten vorwerfbar unterlassen zu haben, sofort ärztliche Hilfe zu holen, um Gegenmaßnahmen einzuleiten und dadurch das Leben des Geschädigten P. zu retten, wobei der Angeklagten D. auch vorgeworfen wurde, für die Medikamentenverwechslung verantwortlich zu sein.
Der Geschädigte P. verstarb tatsächlich eine Woche nach der falschen Medikamentengabe, wobei den Angeklagten vorgeworfen wurde, dass die nicht rechtzeitige Information eines Arztes dafür ursächlich sei und die Angeklagten nicht gehandelt hätten, um die Medikamentenverwechslung zu vertuschen.
Tatsächlich konnte die Beweisaufnahme eine Kausalität zwischen der falschen Medikamentierung und dem Tod des Geschädigten P. nicht sicher belegen.
Jedoch informierten die Angeklagten nach Überzeugung der Kammer nicht rechtzeitig nach der Medikamentenverwechslung einen Arzt und nahmen hierbei auch den Tod des Geschädigten P. billigend in Kauf, um die Medikamentenverwechslung zu vertuschen.
Ergänzend ist zu erwähnen, dass das Verfahren hinsichtlich der angeklagten Straftat im Zusammenhang mit der Medikamentenverwechslung an sich (also letztendlich die fahrlässige Körperverletzung) bei den Angeklagten D. und N. nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde.
A.
Das Urteil beruht auf keiner Verständigung nach § 257 c StPO.
B.
Die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten:
I.
Die Angeklagte H. D.:
Die Angeklagte wurde am -.1971 in S. geboren. Zur frühkindlichen Entwicklung sind keine Auffälligkeiten bekannt.
Die Angeklagte besuchte in den Jahren – bis – die Grundschule, anschließend in der Zeit von – bis – die Hauptschule in L.. Daraufhin ging sie in der Zeit von – bis – auf die Hauswirtschaftsschule in M. und anschließend in der Zeit von – bis – auf die Altenpflegeschule in A., welche sie mit der Abschlussprüfung am – – beendete. Somit ist sie staatlich geprüfte Altenpflegerin.
Die folgenden Jahre bis – arbeitete sie in der Altenpflege, zunächst in den Jahren – bis – im – in M. und in den Jahren – bis – in dem F. Kreisaltenheim in E.. In den Jahren – bis – war sie beim ambulanten Pflegedienst der A. in S. beschäftigt.
Die Angeklagte ist seit dem -.1997 verheiratet mit ihrem Ehemann J. D., welcher als Polizeibeamter seit dem -.2016 die Leitung des Gefahrentrupps in D. innehat. Am -.1998 kam ihr gemeinsamer Sohn S. auf die Welt, am -.2003 der zweite Sohn A..
Aufgrund der Erziehung ihrer Kinder ließ die Angeklagte ihre berufliche Tätigkeit in den Jahren von – bis zum Frühjahr – ruhen. Erst seit dem -.2016 begann sie wieder in ihrem Beruf als Altenpflegerin in dem Alten- und Pflegeheim St. A. in M., -, zu arbeiten, wobei sie hier als Teilzeitkraft angestellt war. Der -, also der Tag, an dem es zur Medikamentenverwechslung kam, war ihr 12. Arbeitstag.
Der Arbeitsvertrag der Angeklagten D. mit dem Pflege- und Altenheim St. A. besteht nach wie vor, jedoch ist die Angeklagte seit Beginn der Ermittlungen wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts von der Arbeit freigestellt und nimmt derzeit unbezahlten Urlaub.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten sind geordnet. Ihr Ehemann verdient netto etwa 4.000,- EUR. Die beiden gemeinsamen Kinder wohnen noch zu Hause, wobei jedoch der ältere Sohn bereits berufstätig ist und ein eigenes Einkommen hat.
Für die gestellte Kaution in Höhe von 50.000,- EUR, wobei es sich um eine Bedingung für die Außervollzugsetzung des Haftbefehls handelte, wurde ein Kredit aufgenommen. Ansonsten bestehen keine Schulden. Das gemeinsam bewohnte Eigenheim ist bereits abbezahlt.
Die Angeklagte erlitt keine Krankheiten oder Unfälle, welche zur Tatzeit oder darüber hinaus Auswirkungen gehabt haben könnten.
Jedoch ereigneten sich in der Familie einige Schicksalsschläge, welche auch die Angeklagte erheblich belasteten. So erlitt die Schwiegermutter im Jahre – einen Schlaganfall. Im Jahre – verstarb der Vater der Angeklagten. Ein Jahr darauf erkrankte der Schwiegervater an Krebs und verstarb schließlich im Jahre -. Im Jahre – verstarb eine Nichte der Angeklagten ebenfalls aufgrund einer Krebserkrankung.
Ab dem Jahre – verschlechterte sich der Zustand der Schwiegermutter erheblich. Da sie dauernde Pflege benötigte, wurde sie schließlich im Altenheim aufgenommen. Nach einem anschließenden längeren Aufenthalt im Krankenhaus wurde sie am – wiederum ins Altenheim zurückverlegt und verstarb schließlich am – nach strikter Weigerung der Nahrungsaufnahme und von ärztlicher Versorgung.
Die genannten Ereignisse belasteten die Angeklagte nicht nur unerheblich, führten jedoch nicht dazu, dass sie psychiatrische oder psychologische Behandlung benötigte. Darüber hinaus besteht auch kein Suchtproblem.
Die Angeklagte D. ist bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
Sie befand sich in dieser Sache in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Landshut vom 24.08.2017, Gz.: II Gs 2858/17, vom 05.09.2017 bis 06.09.2017 in der Justizvollzugsanstalt R.. Der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 06.09.2017, wobei unter anderem zur Verminderung der Fluchtgefahr eine Kaution in Höhe von 50.000,- EUR gestellt wurde.
II.
Die Angeklagte – N.:
Die Angeklagte N. wurde am -.1958 in S. geboren. Sie wuchs in geordneten Verhältnissen in der Familie auf, wobei die Angeklagte noch sechs Geschwister hat und sie die Älteste der Kinder ihrer Eltern ist. Die Eltern betrieben eine Landwirtschaft.
In der Zeit von – bis – besuchte sie die Grund- und Hauptschule.
Nach einem Jahr Praktikum und einer Anlernphase auf einer Station im Altenheim im Jahre – war sie als Pflegehelferin beschäftigt. Ab dem Jahre – besuchte sie neben ihrer Arbeit die berufsbegleitende Altenpflegeschule und bestand am – ihre Abschlussprüfung in der Fachschule für Altenpflege bei den F. in – A. mit guten bis sehr guten Ergebnissen und darf seither die Bezeichnung staatlich geprüfte Altenpflegerin führen. In den folgenden Jahren war sie sehr auf ihre Weiterbildung bedacht und besuchte auch entsprechende Fortbildungsveranstaltungen, u.a. im Jahre – die Ausbildung zur Wohnbereichsleiterin. In dieser Funktion war sie auch die letzten Jahre im St. A. Pflege- und Altenheim in M. tätig.
Die Angeklagte war in ihrer Arbeit sehr leistungsbereit und engagiert.
Sie ist seit – verheiratet und hat einen mittlerweile 26 Jahre alten Sohn. Dieser ist finanziell unabhängig, wohnt aber zu Hause bei seinen Eltern.
Alsbald nach Bekanntwerden der Medikamentenverwechslung am 07.05.2016 wurde die Angeklagte vom Landratsamt D. als dem Träger des Alten- und Pflegeheimes St. A. in M. versetzt und arbeitet seit dem – als Assistenzkraft in der kommunalen Jugendarbeit im Landratsamt. Diese Arbeit sagt der Angeklagten sehr zu, insbesondere da diese nach ihrer Einlassung weniger stressbehaftet sei. Jedoch sind damit finanzielle Einbußen verbunden, da die Angeklagte vorher im Altenheim netto zwischen 2.300,- EUR und 2.400,- EUR verdiente und ab dem Wechsel des Arbeitsplatzes nur noch 1.800,- EUR monatlich netto erhält.
Die finanziellen Verhältnisse sind geordnet. Die Restschulden auf dem Eigenheim betragen noch etwa 25.000,- EUR. Ansonsten bestehen keine Verbindlichkeiten. Der Ehemann der Angeklagten ist bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden und bezieht eine monatliche Rente von 900,- EUR.
Die Angeklagte ist gesundheitlich angeschlagen, vor allem in physischer Hinsicht. So befand sie sich in der Zeit vom – bis zum – in dem Rehazentrum Bad A. in der Klinik W. in – Bad A.. Hierbei wurde von folgenden Diagnosen ausgegangen:
Von einer rheumatoiden Arthritis, einem Fibromyalgie-Syndrom, einem chronischen zervicobrachialem Syndrom, einem chronischen lumboischialgiformen Syndrom, einer Omarthrose rechts, einer Sprunggelenksarthrose beidseits, einem metabolischen Syndrom und einer Niereninsuffizienz. In dem ärztlichen Entlassungsbericht wurde ausgeführt, dass – unter Einhaltung des skizzierten Leistungsvermögens – die Patientin ihre Tätigkeit in der Wohnbereichsleitung weiter ausüben könne, wobei jedoch schweres Heben und Tragen, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, andauernde Arbeiten in vorgebeugter Körperhaltung, kniende Belastungen, Überkopfarbeiten oder Arbeiten auf Schulterhöhe vermieden werden sollten.
Als Medikamentation wurden der Angeklagten insbesondere die Medikamente Lyrica 50 mg, Novaminsulfon sowie Tilidin 100 mg verschrieben. Das Medikament Lyrica setzte die Angeklagte alsbald nach Beendigung der stationären Reha in Bad A. ab und ersetzte dieses Medikament bei Bedarf durch das Medikament Bromazepam, um insbesondere ihre Schlafstörungen und zuweilen auftretenden depressiven Symptome zu behandeln, wobei sie das Medikament auch schon vor dem Reha-Aufenthalt mehrmals über viele Jahre hinweg verschrieben bekam und damit gute Erfahrungen machte.
In stationärer psychologischer oder psychiatrischer Behandlung war die Angeklagte nie. Lediglich nahm sie einmal einen ambulanten Termin beim Neurologen wahr. Eine Behandlung durch einen Psychiater oder Psychologen hielt sie nie für erforderlich und wandte sich, auch nach der zusätzlichen Belastung, als die Ermittlungen gegen sie von Seiten der Staatsanwaltschaft geführt wurden, lediglich an ihren Hausarzt.
Ein Suchtproblem oder dergleichen besteht und bestand nie.
Die Angeklagte ist nicht vorbestraft.
In dieser Sache befand sich die Angeklagte in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Landshut vom 24.08.2017, Gz.: II Gs 2860/17, in der Zeit vom 05.09.2017 bis zum 12.09.2017 in der Justizvollzugsanstalt A.. Der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 12.09.2017.
III.
Der Angeklagte – P.:
Der Angeklagte wurde am – – als zweites Kind seiner Eltern in D. geboren. Er hat noch eine ältere Schwester. Die frühkindliche Entwicklung verlief unauffällig.
Er besuchte zunächst die Grundschule, in den Jahren – bis – die Hauptschule und anschließend in der Zeit von – bis – die Realschule in D., welche er jedoch vorzeitig mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss beendete.
Danach absolvierte er eine Lehre zum Fachlageristen bei einer Firma der Automobilbranche.
Anschließend leistete er seinen Zivildienst in der Zeit vom – bis – im Altenheim. Da ihm diese Tätigkeit sehr zusagte, begann er ab dem – eine Ausbildung zur Altenpflegefachkraft in dem Alten- und Pflegeheim in M., wobei er den Abschluss am – bestand und fortan die Bezeichnung staatlich geprüfter Altenpfleger tragen darf.
In der Folge arbeitete der Angeklagte als Pflegefachkraft in dem Alten- und Pflegeheim St. A. und nahm auch engagiert an Weiterbildungen teil.
Trotz der Ermittlungen in dem hier vorliegenden Fall, welche auch dem Landratsamt D.- L. als Träger des Alten- und Pflegeheimes St. A. bekannt waren, wurde er im Juni – zum Wohnbereichsleiter befördert und war daraufhin für die Patienten im 1. Stock des Wohnbereichs des Alten- und Pflegeheimes zuständig. Diesen Arbeitsplatz hat der Angeklagte nach wie vor inne.
Der Angeklagte ist seit dem – verheiratet. Die beiden gemeinsamen Kinder wurden – und – geboren.
Die finanziellen Verhältnisse sind geordnet. Sein monatlicher Nettoverdienst beträgt 2.800,- EUR. Ferner ist die Ehefrau auf geringfügiger Basis beschäftigt. Das bewohnte Eigenheim ist schuldenfrei. Lediglich für die Anschaffung eines Pkws wurde ein Kredit aufgenommen. Ansonsten bestehen keine Verbindlichkeiten.
Größere Unfälle oder Erkrankungen, welche noch Auswirkungen zur Tatzeit oder darüber hinaus gehabt haben könnten, erlitt der Angeklagte nicht.
Zeitweise traten bei dem Angeklagten Symptome wie Schlafstörungen und Angstgefühle auf. Der Angeklagte führt dies in erster Linie auf die erhebliche Arbeitsbelastung zurück. Einer psychiatrischen Behandlung unterzog er sich deswegen jedoch nicht und nahm auch keine psychologische Behandlung in Anspruch. Trotz der genannten Beeinträchtigungen kam es zu keinen größeren Arbeitsfehlzeiten.
Mögliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit wurden von Seiten des Angeklagten und seines Verteidigers ausdrücklich verneint.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
In dieser Sache befand sich der Angeklagte in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Landgerichts Landshut vom 13.06.2018, Az.: Ks 101 Js 16927/17, in der Zeit vom 19.06.2018 bis zum 21.06.2018 in der Justizvollzugsanstalt L.. Der Haftbefehl wurde mit Beschluss des Landgerichts Landshut vom 20.06.2018 unter Bedingungen außer Vollzug gesetzt, wobei diese Voraussetzungen ab dem 21.06.2018 erfüllt waren und der Angeklagte ab dieser Zeit wieder entlassen wurde.
C.
Sachverhalt:
I.
Gesundheitszustand des Geschädigten P. vor dem 07.05.2016 Der Geschädigte – P., geboren am -, befand sich seit dem – in vollstationärer Unterbringung im Wohnbereich 1 des Alten-/Pflegeheims St. A. in M., -.
In der Zeit vom 07.04.2016 bis 20.04.2016 war dieser Aufenthalt im Pflegeheim unterbrochen, da er sich wegen einer Urosepsis aufgrund einer Dislokation des suprapubischen Blasenkatheders einer Behandlung im Krankenhaus L.- A. unterziehen musste. Daran anschließend wurde er – vor allem auf seinen Wunsch hin – wieder in das genannte Pflegeheim verbracht, obwohl er schwerstkrank und infolge dessen auch schwerstpflegebedürftig war.
P. litt nämlich an unheilbaren Beschwerden, vor allem einer dekompensierten schwersten Herzinsuffizienz, einem fortgeschrittenen Karzinom der Schilddrüse mit diffuser Knochenmetastasierung, einer Nierenschädigung mit Nierenmetastasen, einer Stauungspneumonie mit erheblicher Schädigung der Lunge und auch an einer schwersten Einschränkung des Bewegungsapparats, da er letztendlich querschnittsgelähmt war. Im Einklang mit seiner am – unter der UrNr. 1175 W/2013 Sc schriftlich beim Notar niedergelegten Patientenverfügung wurde er zumindest für die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt in L.- A. palliativmedizinisch versorgt und erhielt ärztlicherseits verschrieben schwerste Schmerzmedikamente, u.a. Morphium. Letztendlich befand er sich zu dieser Zeit in der Terminalphase seiner Erkrankung.
II.
Eigentlicher Sachverhalt
Am 07.05.2016 erhielt der Geschädigte P. im Rahmen der Essensausgabe gegen 11:30 von der Angeklagten D. versehentlich die Medikamente, welche für die Mitpatientin H. bestimmt waren. Hierbei handelte es sich im Konkreten um folgende Medikation:
Tablette Xarelto 15 mg mit dem Wirkstoff Rifaroxaban, 1 Tablette Azafalk 75 mg mit dem Wirkstoff Azathioprin, Valsartan in der Menge von 160 mg, eine ¾ Tablette Mylepsinum 250 mg mit dem Wirkstoff Primidon und eine Tablette Gabapentin 100 mg mit dem Wirkstoff Gabapentin. Insbesondere das Medikament Valsartan war hierbei in der Lage den ohnehin schon kritischen Krankheitszustand des Patienten P. zu verschärfen und letztendlich auch lebensbedrohliche Komplikationen herbeizuführen, da dieses Medikament blutdrucksenkend wirkt, ein Blutdruckabfall u.a. die ohnehin schon eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Nieren weiter beeinträchtigen kann, jedoch auch bei der auch bestehenden Herzinsuffizienz den Eintritt eines Herzinfarkts begünstigen kann.
Zur geschilderten Medikamentenverwechslung kam es auf folgende Weise:
Sowohl die Medikation für die Patientin H. wie auch die Medikation für den Geschädigten P. befand sich zunächst in dem dazugehörigen Tagesdispenser, welcher mehrere Fächer enthält, nämlich für die Morgen-, Mittags- und Abendration sowie auch ein weiteres Fach für die Medikamente, welche bei nüchternem Zustand zu nehmen sind. Dieser Tagesdispenser ist jeweils mit dem Namen des dazugehörigen Patienten versehen, im vorliegenden Fall also mit dem Namen der Patientin H. bzw. dem Namen des Patienten P..
Obwohl es dem damaligen Sicherheitsstandard entsprochen hätte und es auch entsprechende Anweisungen gab, beließ die Angeklagte N. als für den Wohnbereich 1 zuständige Schichtleiterin und examinierte Altenpflegekraft, welche am 07.05.2016 gemeinsam mit u.a. der Angeklagten D. Frühschicht hatte, die Medikamente für die Mittagszeit nicht in dem Tagesdispenser, damit diese in dem beschrifteten Dispenser zum Patienten gebracht würden. Vielmehr füllte sie die Mittagsmedikamente in farbige nur z.T. transparente Becher in der Größe eines kleinen Schnapsglases, welche auf der Station auch für die Vergabe von Medikamenten in Form von Tropfen im Einsatz waren. Diese Becher waren nicht beschriftet.
In Anwesenheit der Angeklagten N. stellte hierbei die Angeklagte D. auf dem Stationszimmer den Becher mit den Medikamenten für die Patientin H. auf das Essenstablett für den Patienten P. und umgekehrt den Becher mit den Medikamenten für den Patienten P. auf das Essenstablett für die Patientin H.. Wer von den beiden Angeklagten letztendlich die Verwechslung der Medikamentenbecher vorgenommen hatte, konnte nicht mehr geklärt werden. Möglich ist, dass bereits die Angeklagte N. die Becher verwechselte und so – verwechselt – der Angeklagten D. bereitstellte oder dieser übergab, oder aber dass die Angeklagte D. die Becher trotz richtiger Bereitstellung durch die Angeklagte N. verwechselte.
Die Verwechslung der Medikamente wurde offensichtlich, da die Patientin H. nach der Essensausgabe gegen 11:30 Uhr alsbald auf die Angeklagte N. zukam und dieser erklärte, dass sie die falschen Medikamente erhalten habe, welche sie nicht nehme. Nachdem die Angeklagte D. daraufhin von der Angeklagten N. darüber informiert wurde, begab sich die Angeklagte D. sofort in das Patientenzimmer des Geschädigten P., sah jedoch, dass dieser seine Medikamente, welche ihm mit dem Essen bereitgestellt wurden, bereits genommen hatte. Darüber informierte diese nun die Angeklagte N..
Obwohl den Angeklagten D. und N. bekannt und bewusst war, dass bei der vorliegenden Medikamentenverwechslung sofort ein Arzt hätte informiert werden müssen, damit dieser das Risiko einschätzen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen nach Einwilligung des Patienten in die Wege leiten konnte, unterblieb von beiden bewusst eine solche Benachrichtigung.
Gegen 13:30 Uhr kam es zur Schichtübergabe für den genannten Wohnbereich 1, welche im Stationszimmer zunächst in Anwesenheit der Angeklagten N. und D. als den Übergebenden der Schicht und auf der anderen Seite in Anwesenheit des Angeklagten P. als Schichtübernehmendem und mindestens einer weiteren Pflegehilfskraft stattfand. Hierbei wurde die vorausgegangene Medikamentenverwechslung nicht angesprochen.
Anschließend wurde/n die weitere Person oder die weiteren Personen von der Angeklagten N. aus dem Raum beordert, so dass sich nur mehr die drei Angeklagten in dem Stationszimmer befanden.
In dieser Zusammensetzung informierte die Angeklagte N. den Angeklagten P. darüber, dass die Angeklagte D. bei der Ausgabe der Mittagessen die Medikamente für den Geschädigten P. verwechselt habe, der Geschädigte die falschen Medikamente jedoch schon zu sich genommen habe. Um welche Medikamente es dabei konkret ging, teilte die Angeklagte N. hierbei nicht mit. Dass der Geschädigte P. bei dem Vorfall die Medikamente der Patientin H. erhielt, erfuhr der Angeklagte P. erst am Montag, dem 09.05.2016, als er von der Patientin H. gefragt wurde, ob sie denn heute schon die richtigen Medikamente bekomme. Bei dieser Situation wurde dem Angeklagten P. bewusst, dass der Geschädigte P. am 07.05.2016 die Medikamente der Patientin H. erhalten haben musste.
Nachdem der Angeklagte P. bei dieser Situation unter 6 Augen nach der eigentlichen Schichtübergabe über die Medikamentenverwechslung informiert wurde, fragte er sofort nach, ob schon ein Arzt informiert sei. Dies verneinte die Angeklagte N. und äußerte hierzu, dass dies jetzt auch nicht nötig sei. Man solle zunächst abwarten und er solle öfter mal bei dem Patienten P. nach seinem Gesundheitszustand sehen.
In einem weiteren Gespräch an diesem Tag zwischen der Angeklagten N. und dem Angeklagten P., welches bei einem nochmaligen Zusammentreffen der beiden etwa gegen 14:15 Uhr bis 14:30 Uhr auf dem Stationszimmer geführt wurde, äußerte die Angeklagte N. dem Angeklagten P. gegenüber, dass sie nochmals nach dem Patienten P. geschaut habe und alles passe. Demgegenüber erwiderte der Angeklagte P., dass das eigentlich der Wahnsinn sei, was da passiert sei und dass das unbedingt gemeldet werden müsse, wohingegen die Angeklagte N. anführte, dass sie das nicht wolle, da das der Angeklagten D. schaden würde, da sie ja auch noch in der Probezeit sei.
Nachdem sich der Angeklagte P. gegen 15:00 Uhr selbst darüber informierte, dass es dem Geschädigten P. sehr schlecht ging und dieser insbesondere an einem auffallend niedrigen Blutdruck litt, telefonierte er mit der Angeklagten N., welche sich zu dieser Zeit bereits zuhause befand und berichtete ihr von dem verschlechterten Zustand des Geschädigten P. und über seine Pflicht jetzt einen Arzt zu informieren. Daraufhin entgegnete die Angeklagte N.: „Spinnst du, die sperren mich ein“, wobei sie auch noch mit weiteren Worten zu verstehen gab, dass er die “Klappe halten“ solle. Ergänzend bemerkte sie, dass sie hoffe, dass der Geschädigte P. endlich sterben könne.
Da der Zustand des Geschädigten P. dem Angeklagten P. jedoch immer besorgniserregender erschien, benachrichtigte er gegen 15:21 Uhr desselben Tages die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), welche für die Versorgung von Palliativpatienten zuständig war. Hierbei berichtete er der Krankenschwester, mit der er sprach, über die Zustandsverschlechterung des Patienten P., ohne eine zuvor erfolgte Medikamentenverwechslung zu erwähnen. Auch bei einem Telefonat gegen Abend mit der SAPV, wobei er darauf hinwies, dass bei dem Patienten P. der Blutdruck gar nicht mehr messbar sei, erwähnte er nichts von einer zuvor erfolgten Medikamentenverwechslung, auch nicht als die Krankenschwester der SAPV, die Zeugin G., den Geschädigten P. gegen 19:00 Uhr aufsuchte und betreute und diese vorrangig versuchte die auffälligen Befunde des Patienten P. zu lindern, indem sie unter anderem dem stark schwitzenden Patienten P. eine dünnere Zudecke gab und das Zimmer lüftete.
Am Montag, dem 09.05.2016, wurde von dem Angeklagten P., welcher Frühschicht hatte, die Praxis Dr. U./ Dr. T. über den schlechten Gesundheitszustand des Geschädigten P. informiert, was zur Folge hatte, dass am Vormittag desselben Tages der Zeuge Dr. U. den Geschädigten P. untersuchte und behandelte, ohne wiederum von dem Angeklagten P. auf eine Medikamentenverwechslung hingewiesen zu werden, von welcher dieser auch auf keine andere Weise erfahren hatte.
Als der zuständige Hausarzt Dr. T. am Mittwoch, dem 11.05.2016 gegen 14:00 Uhr zur Visite ins Alten-/Pflegeheim St. A. kam, offenbarte der Angeklagte P. – zum erstenmal dem zuständigen behandelnden Ärzte- und Pflegepersonal gegenüber – dass der Geschädigte P. falsche Medikamente auf Grund einer Verwechslung bekommen habe, ohne genau zu sagen, welche Medikamente falsch verabreicht worden seien und zu welcher Zeit, da er letztendlich von dem Zeugen Dr. T. dazu auch nicht näher befragt wurde. Vielmehr entschied sich der Zeuge Dr. T. auf Grund des schlechten Zustands des Patienten P. diesem lediglich eine Palliativversorgung zukommen zu lassen, d.h. vor allem schmerzlindernde Medikamente.
Der Geschädigte P. verstarb am 14.05.2016, wobei ihm von dem Leichenschauer, dem Zeugen Dr. U. zunächst eine natürliche Todesursache bescheinigt wurde. Erst nachdem der Leichnam bereits verbrannt war und aufgrund der Information über die Medikamentenverwechslung berichtigte der Zeuge Dr. U. die Todesursache als ungeklärt.
Die genaue Todesursache konnte auch im Nachhinein nicht geklärt werden, wobei aufgrund der Vorerkrankungen und insbesondere der Krankheitssymptome in der Zeit vom 07.05.2016 bis zum Versterben am 14.05.2016 ein Nieren- oder Herzversagen aufgrund eines am 09.05.2016 erlittenen Herzinfarkts plausibel erscheint. Hierbei ist es auch naheliegend, dass die am 07.05.2016 dem Geschädigten P. fehlerhaft verabreichten Medikamente maßgeblichen Einfluss hatten, wobei dies andererseits auch nicht nachgewiesen werden kann.
Obwohl die Angeklagten allesamt examinierte Fachpflegekräfte sind, hatten sie jedoch keine Kenntnis davon, welche konkreten Wirkungen und Nebenwirkungen die falschen Medikamente auf den Gesundheitszustand des Geschädigten P. entfalten könnten, insbesondere da dieser zu dem Zeitpunkt bereits erheblich vorgeschädigt war. Dies war sämtlichen Angeklagten auch bewusst. Jedoch rechneten sie seit Kenntniserlangung von der Medikamentenverwechslung damit, dass diese den Tod des Geschädigten P. beschleunigen oder gar verursachen könnte und diese Wirkungen möglicherweise nur durch schnelle ärztlich eingeleitete Gegenmaßnahmen zu verhindern wären. Ihnen war bekannt und bewusst, dass vor allem auch deswegen sofort ein Arzt hätte beigezogen und über diese Verwechslung hätte informiert werden müssen. Letztendlich war für alle Angeklagten durch die Medikamentenverwechslung ein früherer oder gar ursächlicher Tod des Geschädigten P. keineswegs gewollt. Trotzdem nahmen sie ihn in Kauf, um die Medikamentenverwechslung zu vertuschen. Gerade deswegen wurde diese Medikamentenverwechslung auch nicht in die Krankenakte des Patienten P. aufgenommen, was sämtlichen Angeklagten bekannt und bewusst war und wozu die Angeklagten, wie sie wussten, verpflichtet gewesen wären.
Dem Angeklagten P. war auch bewusst, dass beim Gesundheitszustand des Geschädigten P. am 11.05.2016, als er den Arzt Dr. T. über die Medikamentenverwechslung informierte, eventuell vorher mögliche Gegenmaßnahmen nun voraussichtlich zu spät kamen.
Die Angeklagten D. und N. offenbarten die Medikamentenverwechslung ohnehin erst, nachdem der Geschädigte P. bereits verstorben war. Auch unternahmen sie keinerlei Anstalten, um Hilfe für den Geschädigten auf Grund der Medikamentenverwechslung herbeizuholen.
Wenngleich die Angeklagte D. erst seit – nach 18-jähriger Erziehungspause wieder in ihrem erlernten Beruf als Fachpflegekraft im genannten Altenheim M. tätig war, so war ihr trotzdem bekannt und bewusst, dass sie sich über eine entgegenstehende Weisung der Angeklagten N., welche zum großen Teil für ihre Wiedereinarbeitung zuständig war, hätte hinwegsetzen und einen Arzt nach der Medikamentenverwechslung unverzüglich hinzuziehen müssen. Entsprechendes Wissen und Bewusstsein hatte auch der seit Jahren als Fachpflegekraft in diesem Heim tätige Angeklagte P..
D.
Die Beweiswürdigung:
I.
Die Feststellungen der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten:
1. Die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten D.:
Die Angeklagte H. T. D. hat sich zu ihrer Biografie so geäußert, wie es bei den persönlichen Verhältnissen wiedergegeben wurde.
Zu diesem Zwecke wurde in der Hauptverhandlung von ihrem Verteidiger ihr Lebenslauf mit den wesentlichen Eckdaten vorgetragen, welcher von der Angeklagten bestätigt und auch in Einzelheiten ergänzt wurde.
Ihr beruflicher Werdegang wurde darüber hinaus erläutert durch die Ausführungen der Sachverständigen A. V.-D., welche unter dem 09.01.2019 ein schriftlich ausgearbeitetes pflegewissenschaftliches Gutachten vorlegte, sich hierbei insbesondere mit den beruflichen Qualifikationen der Angeklagten auseinandersetzte und ihr Gutachten auch in der Hauptverhandlung erstattete. Auf dieses Gutachten wird im Rahmen der weiteren Beweiswürdigung noch näher eingegangen.
Die Inanspruchnahme und Erforderlichkeit von psychiatrischer und psychologischer Behandlung sowie die Beeinträchtigung durch zur Tatzeit aktuell vorliegende Krankheiten, Unfälle oder Auswirkungen derselben wurde von der Angeklagten ausdrücklich verneint.
2. Die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten N.:
Der Lebenslauf der Angeklagten – N. wurde so aufgenommen, wie er von ihr vorgetragen wurde. Zweifel an der Richtigkeit ergaben sich insoweit nicht.
Der geschilderte berufliche Werdegang wurde darüber hinaus auch bestätigt durch die Ausführungen der Sachverständigen V.-D. in ihrem pflegewissenschaftlichen Gutachten, wobei die Sachverständige die Unterlagen der beruflichen Aus- und Weiterbildung auch bei der Angeklagten N. auswertete.
Die gesundheitlichen Beschwerden wurden von der Angeklagten im Wesentlichen so geschildert wie sie dargestellt sind, wobei auch auf den ärztlichen Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad A. für die Deutsche Rentenversicherung vom 10.02.2016 Bezug genommen wurde. Die aufgeführten Diagnosen, wie sie u.a. auch in dem von ihrem Verteidiger gestellten Beweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nochmals aufgenommen wurden, wurden auch von der Angeklagten als zutreffend bestätigt. Hinsichtlich der genommenen Medikation erklärte sie, dass sie das verordnete Medikament Lyrica nach dem Reha-Aufenthalt in Bad A. abgesetzt und anstelle dessen wiederum bei Bedarf Bromazepam eingenommen habe, mit welchem sie seit vielen Jahren gute Erfahrungen gemacht habe. Dieses Medikament habe sie insbesondere bei erhöhter psychischer Belastung benötigt, welche sich durch Schlafstörungen und auch depressive Phasen bemerkbar gemacht hätte.
Auch gab die Angeklagte an, dass ihr ihre Berufsausübung sehr wichtig gewesen sei und sie hierbei sehr viele Überstunden auf sich genommen und auch Fortbildungen wahrgenommen habe. Die seit dem – aufgrund der Versetzung erhaltene Beschäftigung in der Kommunalen Jugendarbeit im Landratsamt D.- L. sage ihr sehr zu, vor allem auch deswegen, da die Belastungen hierbei geringer seien als in der Altenpflege.
Nochmals auf ihre psychischen Probleme angesprochen erklärte die Angeklagte, dass sie sich zwar schon Gedanken gemacht habe, ob sie eine weitergehende Behandlung benötige. Sie sei jedoch noch nie in stationärer psychologischer oder psychiatrischer Behandlung gewesen und strebe eine solche auch nicht an. Es sei nicht ihre Art, solche Behandlungen in Anspruch zu nehmen. Lediglich einmal habe sie wegen ihrer gefühlten Überlastung einen ambulanten Termin beim Neurologen wahrgenommen. Ansonsten komme sie mit ihren Medikamenten und insbesondere auch mit dem Medikament Bromazepam gut zurecht.
3. Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten P.:
Der Angeklagte P. äußerte sich so zu seiner Biografie, wie diese dargestellt ist.
Der berufliche Werdegang wurde auch von der Sachverständigen V.-D. so bestätigt.
Auf ausdrückliche Nachfrage, ob er unter psychischen Beeinträchtigungen leide oder zur Tatzeit gelitten habe, welche möglicherweise Einfluss auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit gehabt haben könnten, wurde dies von ihm und seinem Verteidiger ausdrücklich verneint.
II.
Die Feststellungen zum Sachverhalt:
1. Einlassung der Angeklagten:
a) Einlassung der Angeklagten D.:
Die Angeklagte D. ließ sich zu Beginn ihrer Vernehmung durch eine Erklärung ihres Verteidigers, Rechtsanwalt W., ein, wobei dieser zur Sache im Wesentlichen ausführte, dass die Stellungnahme der Angeklagten vom 18.06.2016 in dem Schreiben an das Landratsamt D.- L. im Wesentlichen zutreffend sei und die Angeklagte D. diese auch zum Gegenstand ihrer Einlassung vor Gericht mache.
Die Angeklagte D. bestätigte letztendlich die Ausführungen ihres Verteidigers als zutreffend und beantwortete auch weitergehende Fragen des Gerichts.
Im Wesentlichen ließ sie sich folgendermaßen ein:
Zunächst wird auf die Punkte der Angeklagten H. D. in ihrer Erklärung vom 18.06.2016 an das Landratsamt D.- L., adressiert an „zu Händen Frau G. – Personalstelle -“,eingegangen. Hierzu gab die Angeklagte D. ergänzend an, dass sie das genannte Schreiben zusammen mit ihrem Ehemann besprochen habe, welcher ihr auch bei Formulierungen geholfen habe, wobei sie sich aber, wie ihr im Nachhinein bewusst geworden sei, bei dem Vorfallstag getäuscht habe. Es sei nicht, wie in dem Schreiben angegeben, der – gewesen, sondern der -.
Inhaltlich erklärte die Angeklagte D. in diesem Schreiben im Wesentlichen folgendes:
Am 06.05.2016 habe sie zusammen mit der Angeklagten N. die Frühschicht in dem Seniorenheim St. A. in M. gehabt, wobei sie betonte, dass es sich um ihren 12. Arbeitstag gehandelt habe, nachdem sie am 04.04.2016 in dem genannten Heim mit ihrer Arbeit angefangen habe.
Um die Mittagszeit gegen 11.30 Uhr sei sie mit der Essensausgabe beschäftigt gewesen. Hierzu habe sie sich im Stationszimmer des 1. Stocks die Mittagsmedikation für die Bewohner des Heims Herrn P. und Frau H. geholt. Die Tabletten seien ihr von der Angeklagten N. übergeben worden. Hierbei habe sich ein kleiner Medikamentenbecher mit den jeweiligen Tabletten auf dem Tagestablettendosierer der Frau H. und des Herrn P. befunden.
Sie habe schließlich beide Becher, nämlich den von Herrn P. und von Frau H., welche mit keinem Namen versehen gewesen seien, genommen und sie auf das entsprechende Essenstablett gestellt.
Schließlich sei sie zuerst in das Zimmer des Herrn P. gegangen und habe ihm sein Essenstablett und den Becher mit seinen Medikamenten überreicht. Hierbei habe sie ihm das Tablett und den Becher auf sein Nachtkästchen gestellt. Daraufhin sei sie zu Frau H. gegangen und habe ihr das Essenstablett und den Becher mit den Medikamenten gebracht. Wie mit Frau H. ausgemacht, habe sie beides auf den Tisch in ihrem Zimmer gestellt und sei weitergegangen.
Schließlich sei sie zu einem weiteren Bewohner gegangen, um ihm das Mittagessen einzugeben. Kurz darauf habe die Angeklagte N. sie informiert, dass Frau H. gerade bei ihr gewesen sei und ihr mitgeteilt habe, dass die von ihr, also der Angeklagten D., gebrachten Tabletten nicht für sie seien.
Da sie die Tabletten für Frau H. und Herrn P. ausgeteilt habe, habe sie sofort vermutet, dass sie diese Tabletten vertauscht habe. Sie sei in das Zimmer von Herrn P. geeilt, welcher jedoch die Tabletten schon genommen habe.
Sie sei über ihren festgestellten Fehler wie geschockt und perplex gewesen und habe mit der Angeklagten N. geredet, was sie jetzt machen müssten. Diese habe u.a. gemeint, dass Herr P. als Krebspatient starke Medikamente bekomme. Die Medikation von Frau H. sei nicht so stark. Demnach habe die Angeklagte N. nicht mit einer entsprechenden gesundheitlichen Reaktion von Herrn P. gerechnet.
Da kurz darauf der Schichtwechsel erfolgt sei, habe die Angeklagte N. in ihrer Anwesenheit zur Sicherheit noch den Angeklagten P. über die Medikamentenverwechslung informiert. Er sei von der Angeklagten N. angewiesen worden einen Arzt zu informieren, sollte sich der Gesundheitszustand von Herrn P. verschlechtern, .
Dass der Pflegeverlaufsbericht bezüglich der Medikamentenverwechslung nicht sorgsam ausgefüllt worden sei, sei nach Rücksprache mit Frau N. erfolgt. Leider sei ihr persönlich, Frau D., das Doku-System nach ihrer 17-jährigen „Elternpause“ zu diesem Zeitpunkt noch nicht so vertraut gewesen. Dies habe sich mittlerweile und aufgrund des Vorfalls deutlich geändert.
Dass die Pflegedienstleitung nicht informiert worden sei, sei ihr im Nachhinein unerklärlich. Seit diesem Vorfall am 06.05.2016 sei ihr Gewissen aufs Stärkste belastet gewesen. Selbst ihrem Ehemann habe sie das nicht erzählen können, weil sie einfach nur Angst wegen ihrem Fehlverhalten und einer möglichen Entlassung gehabt habe.
In dem genannten Schriftsatz an das Landratsamt D. äußerte sich die Angeklagte D. daraufhin noch über den möglichen Grund für die Verwechslung, wobei sie private Belastungen anführte. Hierzu erwähnte sie, dass es ihrer Schwiegermutter seit August 2015 zunehmend gesundheitlich schlechter gegangen sei und diese in einem Altenheim gepflegt und auch mehrmals in ein Krankenhaus habe verlegt werden müssen. Besonders zugespitzt habe sich die Situation auch am -. Am – sei die Schwiegermutter schließlich verstorben.
In der Einlassung zur Sache ließ sie in der Hauptverhandlung darüber hinaus von ihrem Verteidiger im Wesentlichen folgendes vortragen:
Es komme ihr nachhaltig damals wie auch heute darauf an, den Sachverhalt aufzuklären und korrekt wiederzugeben. Sie leide bis heute darunter, dass sie sich damals falsch verhalten habe. Über die Schilderungen der bereits mitgeteilten Erklärung hinaus möchte sie darauf hinweisen, dass es korrekt sei, dass sie seinerzeit vermutet habe, dass sie selbst die Verwechslung vorgenommen habe, nicht zuletzt wegen ihrer Unsicherheit und dem familiären Stress, den sie gehabt habe. Darüber hinaus habe die Angeklagte N. ihr glaubhaft versichert, dass nur sie die Verwechslung habe vornehmen können. Weiter habe die Angeklagte N. sie glauben gemacht, dass sie, die Angeklagte D., ihren Job verlieren würde, wenn die mutmaßliche Medikamentenverwechslung öffentlich würde.
Weiter habe die Angeklagte N. ihr erklärt, dass die Medikation von Frau H., deren Medikamente glaublich an Herrn P. ausgegeben worden seien, lediglich eine leichte Wirkung hätten und Herr P. wesentlich stärkere Medikamente bekommen hätte. Dies habe sie aufgrund ihrer damaligen Situation als quasi Berufsanfängerin und des familiären Stress geglaubt. Weiterhin sei vereinbart worden, dass ein Arzt hinzugezogen werde, wenn sich der Gesundheitszustand von Herrn P. verschlechtern sollte.
Sie könne es sich bis heute nicht verzeihen, dass sie nicht nachgefragt habe, welche Medikamente Herr P. falsch erhalten haben könnte und welche Wirkweise diese Medizin bei dem Patienten hätte haben können. Auch verzeihe sie sich nicht, dass sie nicht von sich aus auf die Hinzuziehung eines Arztes bestanden und die notwendige Information des Arztes durch eine sachgerechte Dokumentation sichergestellt habe.
Im Weiteren nahm die Angeklagte D. über die Erklärung ihres Verteidigers nochmals auf ihre familiäre Belastungssituation Bezug, insbesondere, da ihre Schwiegermutter im Alter von gerade einmal 68 Jahren im August 2015 ins Altenheim gebracht worden sei und sich in der Folge der Zustand der Schwiegermutter bis hin zum erwähnten Tod erheblich verschlechtert habe.
Im April 2016 habe sie ihre Tätigkeit im Seniorenheim St. A. wieder aufgenommen, wobei sie trotz Vereinbarung einer Halbtagstätigkeit tatsächlich annähernd in Vollzeit gearbeitet habe.
Am – sei die Schwiegermutter schließlich ihrem Willen folgend wieder in das Altenheim zurückverlegt worden, um ihr Gelegenheit zu geben, in Ruhe zu sterben.
Am 07.05.2016 sei es dann bei der Arbeit im Altenheim M. zu der mutmaßlichen Medikamentenverwechslung durch wen auch immer gekommen.
Schließlich ergänzte die Angeklagte D. die Ausführungen ihres Verteidi gers, welche sie sich ausdrücklich zu eigen machte, durch weitere Ausfüh rungen, zum Teil auch auf gezielte Nachfragen:
Die Angeklagte D. äußerte sich insbesondere nochmals zur Medikamentenverwechslung. Die Medikamente selbst habe sie nicht in die unbeschrifteten Becher getan. Vielmehr sei sie mit der Angeklagten N. im Stationszimmer gewesen. Hierbei habe ihr die Angeklagte N. gesagt, dass der eine Medikamentenbecher für den Patienten P. sei und der andere für Frau H.. Sie habe sich die jeweilige Zuordnung gemerkt und die Becher dann nacheinander auf das dazugehörige Essenstablett gestellt. Sie selbst habe die Medikamente nicht kontrolliert und auch gar nicht gewusst, welche Medikamente welcher Patient bekomme. Somit habe sie die Medikamentenbecher allein von ihrem Inhalt nicht zuordnen können. Es sei durchaus möglich, dass bereits die Angeklagte N. die Medikamentenbecher bei der Zuordnung zu den Patienten P. und H. verwechselt habe.
Als Frau H. zur Angeklagten N. gekommen sei und sich über die falschen Medikamente beschwert habe, sei sie nicht dabei gewesen. Es könne aber nicht viel Zeit vergangen sein, da sie zu der Zeit noch mit der Essensausgabe bei einem anderen Patienten beschäftigt gewesen sei. Unmittelbar nachdem ihr die Angeklagte N. gesagt habe, dass Frau H. die falschen Medikamente bekommen habe, sei sie zu dem Patienten P. ins Zimmer gegangen, habe jedoch bemerkt, dass dessen Medikamentenbecher bereits leer gewesen sei, was sie auch unmittelbar darauf der Angeklagten N. gesagt habe.
Die Angeklagte N. habe hierzu jedoch keine große Reaktion gezeigt.
Zu einem längeren Gespräch mit der Angeklagten N. sei es bei dieser Situation nicht gekommen.
Vielmehr sei über die Medikamentenverwechslung dann erst so richtig bei der Schichtübergabe gegen 13.30 Uhr gesprochen worden, also deutlich später. Es sei die Schichtübergabe erfolgt wie normalerweise üblich, ohne die Medikamentenverwechslung anzusprechen. Anschließend habe die Angeklagte N. die Pflegekrafthelferin nach draußen geschickt. Es seien dann nur noch sie und die beiden weiteren Angeklagten N. und P. im Stationszimmer gewesen. Hierbei habe die Angeklagte N. über die Medikamentenverwechslung gesprochen, aber nur dahingehend, dass der Angeklagte P. falsche Medikamente erhalten habe. Welche dies gewesen seien, wurde nicht näher erläutert. Die Angeklagte N. habe nach ihrer Erinnerung auch gesagt, dass man einen Arzt rufen solle, wenn es dem Patienten P. schlechter gehe.
Frau N. sei bestimmt aufgetreten, von der Stimmung sei sie eher „sauer“ gewesen. Der Angeklagte P. habe ihrer Erinnerung nach die Informationen einfach im Wesentlichen so hingenommen. Sie erinnere sich jetzt an keine größere Diskussion und wisse auch nicht mehr, ob der Angeklagte P. nachgefragt habe.
Auch sei sie sich jetzt nicht mehr sicher, ob sie damals schon erfahren habe, dass ihr Job in Gefahr sei. Wenn ihr nun vorgehalten werde, dass sie in ihrem Schreiben vom 18.06.2016 auch die Angst vor einer möglichen Entlassung erwähnt habe, so müsse sie angeben, dass dies durchaus auch schon Gesprächsthema bei der Schichtübergabe gewesen sein könne, sie sich jedoch daran jetzt nicht erinnere.
An diesem 07.05.2016 sei sie noch bis etwa 14:20 Uhr im Pflegeheim gewesen. Danach sei sie nach Hause gefahren.
Am Folgetag, am Sonntag, habe sie Frühschicht gehabt, ebenso am Dienstag und Mittwoch. Am darauffolgenden Donnerstag habe sie frei gehabt und am Wochenende wieder Frühschicht. Sie meine, dass sie die Angeklagte N. auch noch mehrmals an den Tagen nach dem 07.05.2016 darauf angesprochen habe, dass sie wegen der Medikamentenverwechslung etwas machen müssten. Einmal habe sie ein solches Gespräch mit der Angeklagten N. ihrer Erinnerung nach sicher geführt, ihres Wissens nach am Sonntag. Die Angeklagte N. habe daraufhin aber entgegnet, dass „wir da nichts sagen“. Es könne auch sein, dass die Angeklagte N. nach diesem Sonntag dann längere Zeit in Urlaub gewesen sei.
Mit dem Angeklagten P. habe sie über die Medikamentenverwechslung überhaupt nicht gesprochen.
Nach dem 07.05.2016 habe sie schon mitbekommen, dass sich der Zustand bei dem Patienten P. wechselhaft entwickelt habe. Vorher habe sie im Detail über seinen Gesundheitszustand keine Informationen gehabt, jedoch schon gewusst, dass er vor allem auch in den Nieren Metastasen habe.
Die Verschlechterung des Zustands bei dem Patienten P. nach dem 07.05.2016 habe sie schon mitbekommen, diese jedoch letztendlich nicht auf die Medikamente zurückgeführt. Sie habe sich da auf die Angeklagte N. verlassen, die die Anweisung gegeben habe, nichts zu machen.
Sie habe auch mitbekommen, dass die Medikamentenverwechslung nicht im Verlaufsbericht bei dem Patienten P. eingetragen wurde, wie es eigentlich hätte passieren müssen.
Den Verlaufs- bzw. Pflegebericht, sofern sie dafür zuständig gewesen sei, habe sie in der Einarbeitungsphase, in welcher sie sich am 07.05.2016 auch noch befunden habe, nie alleine sondern nur gemäß Rücksprache mit der Angeklagten N. ausgefüllt.
Als der Patient P. am 14.05.2016 verstorben sei, habe sie Frühschicht gehabt. Den Tod des Geschädigten P. habe sie nicht mit den Medikamenten in Verbindung gebracht.
Mit anderen Mitarbeitern im Pflegeheim habe sie auch nicht über die Medikamentenverwechslung gesprochen.
Befragt zu einem auffälligen Verhalten der Angeklagten N. an dem 07.05.2016 erklärte die Angeklagte D., dass es solche Auffälligkeiten nicht gegeben habe. Weder habe die Angeklagte N. „wie abwesend“, schläfrig oder sonst irgendwie in der Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewirkt. Vielmehr sei sie so bestimmend aufgetreten wie an anderen Tagen auch.
Nochmals befragt, warum sie nach der Medikamentenverwechslung keinen Arzt verständigt habe, erklärte die Angeklagte D., dass ihr mehr oder weniger von Anbeginn an von der Angeklagten N. verboten worden sei einen Arzt anzurufen. Es sei auch weiterhin richtig, dass sie hier einen Fehler gemacht habe. Es sei ihr klar und auch damals klar gewesen, dass das Patientenwohl der insoweit falschen Weisung einer Vorgesetzten vorgehe.
b) Die Einlassung der Angeklagten N.:
Die Angeklagte N. äußerte sich zur Sache zunächst über eine Erklärung ihres Verteidigers, wobei sie anschließend bestätigte, dass diese Einlassung so richtig und ihre Einlassung sei. Hierbei gab sie im Wesentlichen folgendes an:
Es sei zutreffend, dass sie zu dem ihr vorgeworfenen Zeitraum als Altenpflegerin im Alten-/Pflegeheim St. A. in M. in Vollzeit beschäftigt gewesen sei.
Am Vormittag des 07.05.2016 ca. gegen 11.15 Uhr habe sie die Medikamente für die Patienten H. und P. im Stationszimmer vorbereitet und hergerichtet, d.h., sie habe diese für die beiden Patienten nacheinander jeweils in einen gesonderten Plastikbecher getan und diesen Plastikbecher sofort auf den patientenbezogenen Dispenser im Stationszimmer abgestellt. Der Name des jeweiligen Patienten befinde sich vermerkt auf dem Dispenser, damit keine Verwechslung eintreten könne.
Am 07.05.2016 hätten sich zu diesem Zeitraum, als sie die Medikamente im Stationszimmer vorbereitet habe, lediglich die beiden Patienten H. und P. in ihren Zimmern auf der Station befunden, da diese ihr Mittagessen anders als die weiteren Stationsbewohner in ihren eigenen Zimmern auf der Station zu sich nahmen. Die restlichen Stationsbewohner hätten sich im Speisesaal entweder im 1. Obergeschoss bzw. im Erdgeschoss befunden.
Nachdem sie die Medikamente in der vorab beschriebenen Art vorbereitet habe, habe sie zu ihrer Kollegin, der Angeklagten D., gesagt, dass sie ihr die Medikamente auf den jeweiligen Dispensern bereitgestellt habe und sie sich nun zur Medikamentenausgabe zu den Patienten im Erdgeschoss begeben solle. Sie sei sich sicher, dass sie die Medikamente für Herrn P. und Frau H. hierbei nicht verwechselt und diese ordnungsgemäß dem richtigen Dispenser zugeordnet habe. Gleichwohl sei sie sich bewusst, dass die von ihr gewählte Vorgehensweise nicht den Regularien ordnungsgemäßer Medikamentenausgabe entsprochen habe, da zumindest der Plastikbecher nicht mit dem Patientennahmen beschriftet gewesen sei.
Die Kollegin, die Angeklagte D., habe bereits eigenständig als examinierte Fachkraft auch an anderen Tagen vor dem 07.05.2016 als verantwortliche Schichtleitung gearbeitet, weshalb sie gleichwohl keine Bedenken gehabt habe, hier würden Medikamente bei der Ausgabe an die beiden einzigen auf ihren Zimmer verbliebenen Patienten H. und P. verwechselt werden. Die Medikamentenausgabe für die Patienten im Speisesaal sowohl im Erdgeschoss als auch im 1. Obergeschoss sei ja durch sie selbst, die Angeklagte N., erfolgt.
Nachdem sie für die Patienten, die sich im Erdgeschoss im Speisesaal aufgehalten hätten, die Medikamente ausgegeben habe, habe sie sich zur weiteren Medikamentenausgabe zu den Bewohnern im Speisesaal des 1. Obergeschosses begeben und dort deren Medikamente verteilt. Als sie wieder zur Station zurückgekehrt sei, sei die Bewohnerin Frau H. gekommen und habe ihr mitgeteilt, sie habe soeben falsche Tabletten zur Einnahme erhalten. Hierbei habe diese auch die fälschlich erhaltenen Tabletten wieder ausgehändigt. Sie habe diese nicht eingenommen, da sie ja ihre eigenen Medikamente genau kenne.
Da sich lediglich zwei Personen zum Mittagessen auf der Station bzw. auf ihren eigenen Zimmern aufgehalten hätten, sei ihr klar geworden, dass eine Medikamentenverwechslung nur mit den Medikamenten des Herrn P. habe erfolgen können. Daher sei sie sofort zu dessen Zimmer gelaufen. An dessen Zimmer angelangt sei die Kollegin, die Angeklagte D., ihr aus dem Zimmer entgegengekommen. Sie habe diese gefragt, ob Herrn P. seine Medikamente bereits erhalten habe. Dies sei ihr von der Angeklagten D. bejaht worden. Sie habe ihr daraufhin erklärt, dass Frau H. ihr soeben mitgeteilt habe, wohl die falschen Medikamente und somit die des Herrn P. erhalten zu haben.
Daraufhin sei sie, die Angeklagte N., sofort in das Zimmer des Herrn P. gegangen. Dieser habe die Augen geschlossen gehabt und nach ihrer Einschätzung geschlafen. Sie sei wegen des Vorfalles der möglichen Medikamentenverwechslung geschockt und verwirrt bzw. aus der Fassung gewesen und habe ohne weitere Ansprache des Patienten P. dessen Zimmer verlassen und sei zusammen mit ihrer Kollegin, der Angeklagten D., zurück zum Speisesaal bzw. zum Stationszimmer gegangen. Sie sei „wie vor den Kopf gestoßen“ gewesen und habe Herzklopfen gehabt. Es sei eine richtige Panikattacke gewesen, welche sie wie gelähmt habe erscheinen lassen.
Auf dem Rückweg zum Stationszimmer habe sie die Angeklagte D. sinngemäß gefragt, was wir nun machen würden. Sie habe ihr ebenso sinngemäß geantwortet, dass sie es nicht wisse und sie erst mal die Essensausgabe beenden sollten. An dieser Stelle müsse sie darauf hinweisen, dass die Tätigkeit auf der Station im Allgemeinen aber insbesondere bei der Essensausgabe wegen der angespannten Personalsituation sehr anstrengend und fordernd gewesen sei. Sie habe dies über die Jahre annähernd als Akkordarbeit erlebt und wahrgenommen.
Zu diesem Zeitpunkt habe sie nicht daran gedacht, einen Arzt zu verständigen. Dieser Gedanke sei ihr schlichtweg in diesem Moment nicht gekommen, was sie heute im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen könne. Sie könne dies nur auf die stressige Situation nicht zuletzt auch wegen ihres angeschlagenen gesundheitlichen Zustandes zurückführen. Sie sei aufgrund vielfältiger Beschwerden orthopädischer Art (u.a. rheumatische Arthritis sowie chronisches Schmerzsyndrom) heute zu 50% schwerbehindert. Zum damaligen Zeitpunkt am 07.05.2016 sei sie zu 30% schwerbehindert gewesen und habe von 2015 bis 2017 u.a. auch das Opioid Tilidin 100 zweimal täglich eingenommen.
Dass eine Medikamentenverwechslung möglicherweise schwerwiegende Folgen für Herrn P. haben könnte, sei ihr schlichtweg nicht in den Sinn gekommen. Sie könne es nur mit einem Augenblicksversagen bzw. mit einem Zustand der Überforderung erklären.
Die Angeklagte D. und sie hätten daraufhin das Essen ausgegeben und die Bewohner bei der Nahrungsaufnahme unterstützt, diese anschließend auf ihre Zimmer zurückgebracht und nach Notwendigkeit versorgt. Glaublich, eine genaue Erinnerung daran habe sie heute nicht mehr, habe die Angeklagte D. gegen 12.45 Uhr Herrn P. ordnungsgemäß im Bett gelagert. Bis zur Übergabe gegen 13.30 Uhr habe sie noch zweimal zu Herrn P. ins Zimmer geschaut. Er habe hier jeweils geschlafen.
Zur Schichtübergabe seien ihr Kollege, der Angeklagte P., sowie eine weitere Helferin gekommen. Die Übergabe sei demgemäß von Fachkraft zu Fachkraft von ihr und der Angeklagten D. an den Angeklagten P. erfolgt. Hierbei habe sie ihren Kollegen P. gebeten, auf Herrn P. zu achten. Es treffe zu, dass die vorangegangene Medikamentenverwechslung bei der Übergabe an den Angeklagten P. zunächst nicht thematisiert worden sei. Sie habe heute im Nachgang hierzu keinerlei Erklärung hierfür.
Als sie sich wenige Minuten nach der Übergabe mit dem Angeklagten P. und der Angeklagten D. alleine im Stationszimmer aufgehalten habe, habe sie ihrem Kollegen P. die vorangegangene Medikamentenverwechslung zwischen dem Patienten H. und P. mitgeteilt. Auf Frage ihres Kollegen P., ob ein Arzt verständigt worden sei, habe sie sinngemäß geantwortet, dass dies bis jetzt noch nicht geschehen sei, er halt erstmal abwarten solle und sich Herrn P. selber ansehen und nach seinem Eindruck gegebenenfalls dann einen Arzt verständigen möge. Sie habe schon gewollt, dass auch ihr Kollege P. sich den Patienten P. selbst ansehe, um einen eigenen Eindruck zu erhalten.
Sie habe bei Erkennen der Medikamentenverwechslung und auch im Folgenden nicht ansatzweise bedacht, dass dies eventuell schwerwiegende Folgen für den Patienten P. haben könnte. Dies sei ihr schlichtweg nicht in den Sinn gekommen. Nie und nimmer habe sie an einen möglichen Todeseintritt infolge der Medikamentenverwechslung gedacht. Erst recht nicht habe sie ein Versterben des Herrn P. gewollt oder auch nur in Kauf genommen; andernfalls hätte sie nach Rückkehr aus ihrem Urlaub auch nicht die Heimleitung verständigt. Ihr seien auch die potentiellen Nebenwirkungen der letztlich von Herrn P. eingenommenen Medikamente nicht bekannt gewesen.
Sie möchte betonen, dass sie über ihr gesamtes Berufsleben hinweg als Altenpflegerin auch mit zunehmender Arbeitsintensität immer bestrebt gewesen sei, ihre Patienten und Bewohner bestmöglich zu versorgen.
Ob es nach der Übergabe noch ein weiteres Gespräch mit dem Kollegen P. gegeben habe, sei ihr nicht mehr erinnerlich. Nach der Übergabe habe der Kollege P. das Stationszimmer verlassen. Sie sei sich sicher, dass sie nicht noch bis 14.30 Uhr im Heim geblieben sei. Ihr Dienstende sei ja auch um 14.00 Uhr gewesen. Ob sie nach der Übergabe nochmals im Zimmer des Herrn P. gewesen sei, sei ihr heute nicht mehr erinnerlich.
Es treffe zu, dass am 07.05.2016 nachmittags glaublich gegen 15.30 Uhr ihr Kollege P. bei ihr angerufen und mitgeteilt habe, dass es Herrn P. nicht gut gehe. Der Blutdruck sei recht niedrig. Genaueres hierzu sei ihr nicht mitgeteilt worden. Auf seine Frage, was er nun tun solle, habe sie ihm daraufhin geantwortet, er möge Herrn Dr. U. oder den SAPV (Spezialisierte ambulante Paliativversorgung) anrufen. Damit sei das Gespräch dann auch beendet gewesen und sie sei weiterhin davon ausgegangen, dass nunmehr ein Arzt verständigt werden würde.
Es treffe schlichtweg nicht zu, dass sie ihrem Kollegen P. gesagt haben solle: „Spinnst du, die sperren mich ein.“ Andernfalls hätte sie ihm doch nicht geraten, einen Arzt bzw. den SAPV zu verständigen.
Weiterhin habe sie der Angeklagte P. ca. gegen 20.30 Uhr nochmals angerufen und sie über den Allgemeinzustand des Herrn P. informiert. Er habe ihr mitgeteilt, dass der SAPV gegen 19.00 Uhr bzw. 19.30 Uhr nun da gewesen sei, die Medikation beendet bzw. abgesetzt habe und Herr P. jetzt ruhig schlafe. Er habe die Medikamente für Herrn P. im Wochenplaner nunmehr der neuen Medikation angepasst. Er habe ihr mitgeteilt, sie solle am Sonntag, dem 08.05.2016, im Laufe des Vormittags den SAPV über den Allgemeinzustand des Herrn P. informieren, was sie dann am Sonntag auch getan habe.
Glaublich sei ihr beim Gespräch mit dem Angeklagten P. am 07.05.2016, 20.30 Uhr, noch mitgeteilt worden, dass Herr Dr. U. auch da gewesen sei, zumindest aber informiert worden sei und dieser mitgeteilt habe, man würde nichts weiter unternehmen. Daraufhin habe sie ihrem Kollegen mitgeteilt, dass sie ohnehin morgen, sonntags, wieder im Altenheim sei und sie Herrn P. ansehen und sich um ihn kümmern werde. Gerade weil der Kollege P. am nächsten Tag freigehabt und sie ab Montag für eine Woche Urlaub gehabt habe und sie sich somit nicht mehr sehen konnten, gehe sie fest davon aus, dass es bei dem Telefonat auch um die erfolgte Information des Dr. U. gegangen sei.
Erst nach Rückkehr aus ihrem Urlaub habe sie erfahren, dass Herr P. zwischenzeitlich verstorben sei.
Nach dieser geschilderten Einlassung des Verteidigers der Angeklagten N. für diese, welche diese bestätigte, erklärte sie mit eigenen Worten, z. T. auf konkrete Nachfragen, noch sinngemäß Folgendes:
Sie sei sich absolut sicher bei den Medikamenten nichts verwechselt zu haben. Das wisse sie ganz genau. Es sei ihre Erinnerung.
An diesem Tag habe sie selbst auch gesundheitliche Probleme gehabt. In erster Linie sei es dabei um ihre Füße gegangen, welche geschmerzt hätten.
An diesem Tag habe sie sehr viel Arbeit gehabt. Vor der Medikamentenverwechslung sei es ihr schon nicht so gut gegangen, danach sei sei es ihr sehr schlecht gegangen.
Als sie durch Frau H. auf die Medikamentenverwechslung aufmerksam gemacht worden sei, habe ihr Herz richtig geklopft.
Auf die Frage, warum sie die Medikamentenverwechslung so mitgenommen habe, äußerte sie, weil es ihr einfach „zuwider“ gewesen sei, dass die Angeklagte D. die Medikamente verwechselt habe. Letztendlich gab die Angeklagte N. auch auf Nachfrage hierzu keine vertiefende Erklärung ab.
Nochmals gefragt, warum sie nach der Medikamentenverwechslung keinen Arzt verständigt habe, erklärte sie, dass sie dies jetzt auch nicht wisse.
Auf die Frage, ob es zutreffend sei, dass sie am 17.05.2016 einen handgeschriebenen Brief verfasst habe, welchen sie dem Landratsamt D. habe zukommen lassen, nachdem sie nach dem Tod des Geschädigten P. der Heimleiterin, der Zeugin A., die Medikamentenverwechslung eingeräumt habe, bestätigte sie dies als richtig. Hierbei habe sie – nachträglich – über die falsche Mittagsmedikation informiert, welche der Verstorbene P. am 07.05.2016 erhalten habe. Es sei auch zutreffend, dass sie in dem Schreiben u.a. folgenden Satz geschrieben habe, nämlich: „Es tut mir sehr leid, dass ich deswegen nicht sofort einen Arzt verständigt habe, ich wollte Frau D. schützen, damit wir sie nicht deswegen verlieren!“ Sie habe das aber letztendlich nur deswegen geschrieben, „damit halt was auf dem Papier stehe“. Konkreter erklärte dies die Angeklagte N. nicht mehr.
Zur Übergabesituation, als sie und die beiden weiteren Angeklagten im Stationszimmer waren, führte die Angeklagte N. noch folgendes aus:
Der Angeklagte P. sei entsetzt gewesen, als auf seine Frage, ob schon ein Arzt verständigt worden sei, sie dies verneint habe. Sie habe ihm hierzu jedoch gesagt, er solle sich den Patienten P. halt selber erst einmal anschauen.
Es könne schon sein, dass sie bei dem Übergabegespräch auch gesagt habe, dass die Angeklagte D. noch in der Probezeit sei.
Es sei zutreffend, dass der Angeklagte P. sie an dem 07.05.2016 am Nachmittag zu Hause angerufen und sie darüber informiert habe, dass es dem Herrn P. schlechter gehe. Hierbei habe sie dem Angeklagten P. jedoch geraten den Dr. U. anzurufen oder den SAPV. Auf keinen Fall habe sie gesagt oder eine Weisung dahingehend gegeben, dass kein Arzt angerufen werden solle.
Sie habe schon auch den Gedanken und die Angst gehabt, dass vielleicht die Tabletten an der Verschlechterung des Zustands des Patienten P. schuld sein könnten.
Der Heimleiterin, der Zeugin A., habe sie am 17.05.2016 die Medikamentenverwechslung mitgeteilt. Hierbei sei sie sich aber sicher gewesen, dass der Patient P. ein paar Tage vorher bestimmt nicht an der Medikamentenverwechslung gestorben sei.
Es sei auch zutreffend, dass sie den Umstand der Medikamentenverwechslung in die Krankenakte des Geschädigten P. hätte eintragen müssen, was sie jedoch nicht gemacht habe.
Die Frage des Gerichts, ob bei ihr irgendwann der Gedanke aufgekommen sei, dass sie auch für den Tod des Geschädigten P. verantwortlich sein könnte, beantwortete die Angeklagte auf Anraten ihres Verteidigers nicht.
c) Einlassung des Angeklagten P.:
Der Angeklagte P. erklärte, dass der Inhalt der Beschuldigtenvernehmung vom 29.11.2017 grundsätzlich so richtig sei, wie er von der KPI L. aufgenommen worden sei.
Er habe am 07.05.2016 Spätschicht gehabt. Gegen 13.30 Uhr sei die Übergabe erfolgt, wobei diese einen Zeitraum von etwa 15 Minuten in Anspruch genommen habe. Bei der Übergabe seien neben den Angeklagten N. und D. noch ein oder zwei weitere (Hilfs-)Pflegekräfte anwesend gewesen.
Nach erfolgter Übergabe gegen 13.50 Uhr habe die Angeklagte N. bis auf ihn und die Angeklagte D. alle weiteren Anwesenden aus dem Stationszimmer geschickt.
Daraufhin habe ihm die Angeklagte N. in Anwesenheit der Angeklagten D. geschildert, dass diese die Medikamente des Patienten P. verwechselt und dieser die falschen Medikamente auch eingenommen habe.
Er habe bei dieser Information sofort nachgefragt, ob schon ein Arzt informiert sei.
Daraufhin habe die Angeklagte N. geäußert, dass dies jetzt nicht nötig sei und wir zuerst einmal abwarten sollten, wie es weitergehe. Man solle öfter bei dem Patienten P. nachschauen, dann würde man schon sehen.
Der Angeklagte P. erwähnte hierbei auch, dass er nicht gewusst habe, welche Medikamente verwechselt worden seien und der Patient P. letztendlich eingenommen habe. Er war jedoch der Auffassung, ohne dies genauer angeben zu können, dass die Angeklagte N. auch bei diesem Gespräch unter „sechs Augen“ geäußert habe, dass der Geschädigte P. eh schon so starke Medikamente einnehme, so dass der weitere Schaden nicht so groß sein dürfte.
Der Angeklagte P. war sich sicher, dass er auf keinen Fall von der Angeklagten N. angewiesen worden sei einen Arzt zu verständigen, falls sich der Gesundheitszustand des Geschädigten P. verschlechtern sollte.
Bei diesem Gespräch nach der Übergabe habe die Angeklagte D. überhaupt nichts gesagt, sei jedoch sichtlich äußerst bedrückt und peinlich berührt gewesen. Demgegenüber habe die Angeklagte N. eher nervös gewirkt. Er habe jedoch keinerlei Anhaltspunkte gehabt, dass die Angeklagte N. aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger Umstände „neben der Spur“ gewesen sei.
Er habe zunächst der Angeklagten N. vertraut, dass, so wie sie sich geäußert habe, die Benachrichtigung eines Arztes jetzt nicht nötig sei.
Noch bevor die Angeklagte N. nach der geschilderten Schichtübergabe und oben genanntem Gespräch das Heim verlassen habe, habe er diese vor 14.30 Uhr nochmals kurz angetroffen und sie angesprochen, wobei er ihr gesagt habe, „dass dies eigentlich der Wahnsinn sei, was da passiert sei, und dass dies unbedingt gemeldet werden müsse“. Hierbei habe er gemeint, dass unbedingt ein Arzt benachrichtigt werden müsse. Sie habe hierzu jedoch entgegnet, dass sie das nicht wolle, da die Angeklagte D. auch noch in der Probezeit sei und ihr das schaden würde. Das mögliche Risiko für den Patienten P. habe bei diesen Äußerungen der Angeklagten N. keine Rolle gespielt.
Gegen 15.00 Uhr sei er dann benachrichtigt worden, dass sich der Zustand des Patienten P. merklich verschlechtert habe. Er, also P., habe bei der Beschuldigtenvernehmung der Polizei gegenüber von einer Art Krampfanfall berichtet. Aber diese Formulierung sei nicht zutreffend. Der Patient P. habe zwar ganz auffällige Beschwerden gehabt, nämlich eine Art Schüttelfrost und einen ganz niedrigen Blutdruck. Ein richtiger Krampfanfall sei jedoch erst an einem späteren Tag beobachtet worden. Trotzdem sei er wegen des Zustands des Geschädigten P. sehr beunruhigt gewesen und habe die Angeklagte N. zu Hause angerufen. Er habe ihr den Zustand des Geschädigten P. geschildert und auch geäußert, dass es jetzt wirklich seine Pflicht sei, einen Arzt zu informieren. Die Angeklagte N. habe jedoch sehr energisch reagiert und geäußert: „Spinnst du, die sperren mich ein!“. Auch mit weiteren Worten habe die Angeklagte N. zu verstehen gegeben, dass er die „Klappe halten“ solle. Er könne sich auch noch daran erinnern und auch insoweit sei er sich ganz sicher, dass ihm die Angeklagte N. gesagt habe „hoffentlich kann er dann endlich sterben“. Dies habe er für völlig daneben gehalten.
Da ihm der Zustand des Geschädigten P. jedoch immer besorgniserregender erschienen sei, habe er nach 15.00 Uhr die SAPV informiert. Hierbei habe er telefonisch der Krankenschwester, mit der er gesprochen habe, über die Zustandsverschlechterung des Patienten P. berichtet, ohne jedoch eine gegen Mittag erfolgte Medikamentenverwechslung zu erwähnen. Auch bei weiteren Kontakten mit der SAPV an diesem Tag habe er die Medikamentenverwechslung nicht erwähnt.
Am Montag, den 09.05.2016, habe er Frühschicht gehabt. Er habe dann nach dem Patienten P. gesehen und bemerkt, dass es diesem schlecht gehe und er insbesondere Probleme beim Wasserlassen habe. Daraufhin habe er in der Praxis Dr. U./Dr. T. angerufen. Auch hierbei habe er nichts von der Medikamentenverwechslung gesagt. Diese habe er dem zuständigen Hausarzt Dr. T. erst am Mittwoch, dem 11.05.2016 gegenüber offenbart, als dieser zur Visite ins Altenpflegeheim St. A. gekommen sei.
Auf die Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen der Verschlechterung des Zustands des Geschädigten P. und den falschen Medikamenten gesehen habe, erklärte der Angeklagte P., dass er die Auswirkungen der falschen Medikamente nicht recht habe einschätzen können. Er habe jedoch die Schlüsse ziehen können, dass es an den Medikamenten liegen könnte. Schließlich habe er durchaus seine Verantwortung gekannt. Aber er habe sich von der Angeklagten N. stark eingeschüchtert gefühlt und dann irgendwann auch das Gefühl gehabt, dass es jetzt schon zu spät sei. Deswegen, so sinngemäß der Angeklagte P., sei er seiner Verantwortung nicht gerecht geworden.
2. Bewertung der Einlassung der Angeklagten:
a) Widersprüche bzw. Auffälligkeiten in den Einlassungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung: 1) Einlassung der Angeklagten D.:
Bei ihren Angaben in der Hauptverhandlung fielen insbesondere drei Themenkomplexe auf, welche einer näheren Erörterung bedürfen, nämlich (I.)
die Aussage, dass die Angeklagte N. nach der eigentlichen Schichtübergabe am 07.05.2016 in ihrer Anwesenheit und der des Angeklagten P. Letzteren nach Bekanntgabe der Medikamentenverwechslung dazu angewiesen habe, dass er einen Arzt informieren solle, sofern sich der Gesundheitszustand des Geschädigten P. verschlechtere,
(II.)
des Weiteren, dass sie es letztendlich für möglich halte, die Verwechslung der Medikamente nicht selbst vorgenommen zu haben, sondern die Angeklagte N.
und schließlich (III.)
die Angaben zu ihrer Gefahreneinschätzung für den Geschädigten P. nach bemerkter Medikamentenverwechslung.
Zu Punkt (I.) hatte die Kammer zu bedenken, dass die Angeklagte D. bereits in der Stellungnahme vom 18.06.2016 adressiert an das Landratsamt D.- L., welche sie auch zum Gegenstand ihrer Einlassung vor Gericht machte, ausführte, dass im Zusammenhang mit dem Schichtwechsel der Angeklagte P. über die Medikamentenverwechslung informiert worden sei, wobei er von der Angeklagten N. angewiesen worden sei, einen Arzt zu informieren, solle sich der Gesundheitszustand von Herrn P. verschlechtern.
Diese Aussage wurde von ihrem Verteidiger auch nochmals mit eigenen Worten aufgegriffen – wobei sich die Angeklagte D. auch diese Aussage zu eigen machte – welcher ausführte, dass die Angeklagte N. der Angeklagten D. erklärt habe, dass die Medikation von Frau H., deren Medikamente glaublich an Herrn P. ausgegeben worden seien, lediglich eine leichte Wirkung hätten und Herr P. wesentlich stärkere Medikamente bekommen habe. … Weiterhin sei vereinbart worden, dass ein Arzt hinzugezogen werde, wenn sich der Gesundheitszustand von Herrn P. verschlechtern sollte.
Schließlich erklärte die Angeklagte D. auch bei ihrer Einlassung nochmals mit eigenen Worten, dass die Angeklagte N. nach ihrer Erinnerung auch gesagt habe, dass man einen Arzt rufen solle, wenn es dem Patienten P. schlechter gehe.
Demgegenüber steht jedoch die Einlassung der Angeklagten D., welche sie selber formulierte, nämlich, dass sie meine, dass sie die Angeklagte N. auch noch mehrmals an den Tagen nach dem 07.05.2016 darauf angesprochen habe, dass sie wegen der Medikamentenverwechslung etwas machen müssten. Einmal habe sie ein solches Gespräch mit der Angeklagten N. ihrer Erinnerung nach sicher geführt, ihres Wissens nach am Sonntag dem 08.05.2016. Die Angeklagte N. habe daraufhin aber entgegnet, dass „wir da nichts sagen“. Schließlich ergänzte die Angeklagte D. diese vorgenannte Aussage auch noch mit den Worten, dass sie sich dabei auf die Angeklagte N. verlassen habe, welche die Anweisung gegeben habe, nichts zu machen. Die Angeklagte N. habe ihr mehr oder weniger von Anbeginn an verboten einen Arzt anzurufen.
Somit ist auffallend, dass die Angeklagte D. in der Hauptverhandlung mehrmals vortragen ließ bzw. vortrug, dass die Angeklagte N. einerseits gesagt habe, dass ein Arzt hinzugezogen werden solle, wenn sich der Gesundheitszustand von Herrn P. verschlechtern sollte. Andererseits berief sich die Angeklagte D. darauf, dass die Angeklagte N. die Anweisung gegeben habe nichts zu machen, wobei die Angeklagte D. zuletzt bei der Frage, warum sie nach der Medikamentenverwechslung keinen Arzt verständigt habe, gar bekundete, dass ihr mehr oder weniger von Anbeginn an von der Angeklagten N. verboten worden sei, einen Arzt anzurufen.
Hierbei hatte die Kammer zu bedenken, dass sich letztendlich die Angeklagte D. widersprüchlich dazu äußerte, ob nach den Angaben der Angeklagten N. bei einer Verschlechterung des Zustands des Geschädigten P. ein Arzt beigezogen werden sollte oder ob es gar die Anweisung der Angeklagten N. gegeben habe, keinen Arzt darüber zu verständigen.
Zu Punkt (II.) erschienen der Kammer dagegen plausibel und widerspruchsfrei die Angaben der Angeklagten D., dass sie zunächst vermutet habe, dass sie für die Verwechslung der Tablettenbecher verantwortlich gewesen sei, da ihr die Angeklagte N. glaubhaft versichert habe, dass nur sie die Verwechslung habe vornehmen können. Die Einlassung in der Hauptverhandlung dahingehend, dass es durchaus möglich sei, dass bereits die Angeklagte N. die Medikamentenbecher bei der Zuordnung zu den Patienten P. und H. verwechselt habe, hält die Kammer für nicht widersprüchlich zu ihrer zunächst vermuteten Äußerung, dass sie dafür die Verantwortung trage. Letztendlich erklärte die Angeklagte D. nämlich niemals, dass sie sich an den Vorgang genau erinnere und tatsächlich bestätigen könne, dass sie die Verwechslung vorgenommen habe.
Zu Punkt (III.), der Gefahreneinschätzung für den Geschädigten P. nach bemerkter Medikamentenverwechslung, äußerte sich die Angeklagte D. nicht einheitlich. Zum einen gab sie an, dass sie nach Feststellung der Medikamentenverwechslung wie geschockt und perplex gewesen sei. Die Angeklagte N. habe sie daraufhin jedoch beruhigt, dass der Patient P. als Krebspatient starke Medikamente bekomme, die Medikation von Frau H. jedoch nicht so stark sei. Daher habe die Angeklagte N. auch nicht mit einer entsprechenden gesundheitlichen Reaktion des Geschädigten P. gerechnet. Andererseits gab die Angeklagte D. selbst an, dass sie die Angeklagte N. ihrer Erinnerung nach auch noch mehrmals an den Tagen nach dem 07.05.2016 darauf angesprochen habe, dass sie wegen der Medikamentenverwechslung etwas machen müssten, wobei ein solches Gespräch mit der Angeklagten N. sicher auch am Sonntag (als an dem Tag nach dem Vorfall) stattgefunden habe.
Dieses Gespräch oder diese Gespräche der Angeklagten D. mit der Angeklagten N. deuten somit darauf hin, dass die Angeklagte D. trotz der vorher beschwichtigenden Äußerungen der Angeklagten N. über den Gesundheitszustand des Geschädigten P. aufgrund der Medikamentenverwechslung sehr beunruhigt war. Zwar erklärte hierzu die Angeklagte D. bei ihrer Einlassung, dass sie einerseits die Verschlechterung des Zustands des Patienten P. nach dem 07.05.2016 schon mitbekommen habe, diese jedoch letztendlich nicht auf die Medikamente zurückgeführt habe. Andererseits, auf die Frage, warum sie nach der Medikamentenverwechslung keinen Arzt verständig habe, äußerte die Angeklagte D. u.a., dass sie hier einen Fehler gemacht habe und es ihr klar und auch damals klar gewesen sei, dass das Patientenwohl der insoweit falschen Weisung einer Vorgesetzten, also hier der Angeklagten N., vorgehe.
Letztendlich ergibt sich aus den Einlassungen der Angeklagten D. insoweit, dass sie trotz der von ihr behaupteten Weisung der Angeklagten N. keinen Arzt zu rufen (weil dies eventuell nicht von Nöten sei) zumindest ein schlechtes Gewissen hatte. Letztendlich wies sie auch darauf hin, dass die „insoweit falsche Weisung“ dem Patientenwohl des Geschädigten P. zuwider lief, woraus sich auch ergibt, dass sie durchaus mit einem Gesundheitsrisiko für den Geschädigten P. aufgrund der Medikamentenverwechslung rechnete.
2) Einlassung der Angeklagten N.:
Auch bei ihren Angaben in der Hauptverhandlung beleuchtete die Kammer insbesondere die drei Themenkomplexe, welche bei der Angeklagten D. angesprochen wurden:
Themenkomplex (I.)
Die Angeklagte N. erklärte, dass sie bei der Situation nach der Schichtübergabe, als sie mit den Angeklagten D. und P. alleine auf dem Stationszimmer gewesen sei, auf die Frage ihres Kollegen P., ob ein Arzt verständigt worden sei, sinngemäß geantwortet habe, dass dies bis jetzt noch nicht geschehen sei, er halt erst einmal abwarten solle und sich Herrn P. selber ansehen und nach seinem Eindruck ggf. dann einen Arzt verständigen möge. Damit in Einklang gab sie an, dass es zutreffend sei, dass sie der Angeklagte P. gegen 15.30 Uhr zu Hause angerufen und ihr mitgeteilt habe, dass es Herrn P. nicht gut gehe. Auf seine Frage, was er nun tun solle, habe sie ihm daraufhin geantwortet, er möge Herrn Dr. U. oder den SAPV anrufen. Damit sei das Gespräch dann auch beendet gewesen und sie sei weiterhin davon ausgegangen, dass nunmehr ein Arzt verständigt werden würde. Darüber hinaus äußerte sich die Angeklagte N. durchwegs widerspruchsfrei, dass sie niemals eine Weisung oder Anordnung dahingehend gegeben habe, keinen Arzt zu verständigen.
Somit bleibt festzuhalten, dass die Angeklagte N. – anders als die Angeklagte D. – dieses Thema eindeutig beantwortete, nämlich dahingehend, dass sie selbst vorgeschlagen habe, bei einer Verschlechterung des Zustands des Geschädigten P. einen Arzt zu rufen. Eine gegenteilige Weisung oder dergleichen ihrerseits habe es nicht gegeben.
Themenkomplex (II.)
Genauso eindeutig ließ sich die Angeklagte N. auch zu dem Themenkomplex der Medikamentenverwechslung ein. Hierbei erklärte die Angeklagte N., dass sie mit Sicherheit die Medikamente nicht verwechselt habe. Sie könne sich an die Vorgänge erinnern und dabei sei sie sich auch ganz sicher. Die Verwechslung der Medikamentenbecher habe die Angeklagte D. vorgenommen.
Themenkomplex (III.)
Auffallend und widersprüchlich waren nach Überzeugung der Kammer jedoch die Angaben der Angeklagten N. zur Gefahreneinschätzung für den Geschädigten P. nach bemerkter Medikamentenverwechslung.
Die Angeklagte N. äußerte nämlich, dass sie wegen des Vorfalls der möglichen Medikamentenverwechslung geschockt und verwirrt bzw. aus der Fassung gewesen sei. Sie sei „wie vor den Kopf gestoßen“ gewesen und habe Herzklopfen gehabt. Es sei eine richtige Panikattacke gewesen, welche sie wie gelähmt habe erscheinen lassen.
Andererseits gab die Angeklagte N. aber an, dass es ihr schlichtweg nicht in den Sinn gekommen sei, dass eine Medikamentenverwechslung möglicherweise schwerwiegende Folgen für den Geschädigten P. haben könnte. Sie führte hierzu auch aus, dass sie nie und nimmer an einen möglichen Todeseintritt infolge der Medikamentenverwechslung gedacht habe. Auf die Frage jedoch, warum sie die Medikamentenverwechslung denn dann so mitgenommen habe, äußerte sie, weil es ihr einfach „zuwider“ gewesen sei, dass die Angeklagte D. die Medikamente verwechselt habe. Auch auf Nachfrage gab die Angeklagte N. jedoch hierzu keine tiefergehende Erklärung ab.
Andererseits antwortete die Angeklagte N. jedoch auch außerhalb der vorgefertigten Erklärung durch ihren Verteidiger auf konkrete Nachfrage mit den Worten, dass sie schon auch den Gedanken und die Angst gehabt habe, dass vielleicht die Tabletten an der Verschlechterung des Zustands des Patienten P. schuld sein könnten.
Bereits nach ihrer Einlassung und nach dem Verhalten der Angeklagten N. bei Kenntniserlangung von der Medikamentenverwechslung war es somit für die Kammer naheliegend, dass die Angeklagte N. bereits von Anfang an die Gefahren für den Geschädigten P. erkannte und deshalb so betroffen mit Herzrasen und dergleichen reagierte. Auffällig in diesem Zusammenhang ist ferner, dass die Angeklagte die Frage des Gerichts, ob bei ihr irgendwann der Gedanke aufgekommen sei, dass sie auch für den Tod des Geschädigten P. verantwortlich sein könnte, auf Anraten ihres Verteidigers nicht beantwortete, obwohl sie ansonsten im Wesentlichen auf die Fragen des Gerichts, wenn auch nicht immer umfassend und detailliert, einging.
Themenkomplex (IV.)
Schließlich war auch noch bemerkenswert, dass die Angeklagte zwar bestätigte, dass sie in einem von ihr am 17.05.2016 verfassten handgeschriebenen Brief dem Landratsamt gegenüber mitteilte, dass es ihr sehr leid tue, dass sie deswegen (gemeint ist die Medikamentenverwechslung) nicht sofort einen Arzt verständigt habe, sie jedoch Frau D. schützen wollte, damit sie sie deswegen nicht verlieren würden. Auf der anderen Seite war die Angeklagte nicht bereit, diesen Satz näher zu erklären und äußerte hierzu lediglich, dass sie das nur deswegen geschrieben habe, damit halt was auf dem Papier stehe.
Diese Aussage der Angeklagten N. könnte möglicherweise so zu verstehen sein, dass nach ihrer Ansicht der Schriftsatz an das Landratsamt keine große Bedeutung habe. Andererseits könnte es nach Einschätzung der Kammer jedoch auch sein, dass die Angeklagte N. diesem Satz jegliche tiefere Bedeutung absprechen wollte, weil er gerade den Kern trifft, nämlich das Motiv für die Vertuschung der Medikamentenverwechslung benennt.
3) Einlassung des Angeklagten P.:
Bei dem Angeklagten P. waren im Wesentlichen zwei Themenkomplexe anzusprechen.
Themenkomplex (I.)
Der Angeklagte P. bestätigte, dass in der Beschuldigtenvernehmung vom 29.01.2017 aufgenommen sei, dass er bei dem Geschädigten P. bereits am 07.05.2016 nachmittags einen Krampfanfall beobachtet habe. Hierbei erklärte er, dass die damals gefundene Formulierung nicht zutreffend sei. Der Patient P. habe zwar ganz auffällige Beschwerden gehabt, nämlich eine Art Schüttelfrost und einen ganz niedrigen Blutdruck. Ein richtiger Krampfanfall im medizinischen Sinne sei jedoch erst an einem späteren Tag beobachtet worden.
Die Kammer hatte hierbei zu bedenken, dass der Angeklagte P. möglicherweise in der Hauptverhandlung die Beobachtungen zum Gesundheitszustand des Geschädigten P. etwas revidierte, um die möglicherweise dramatisch erkennbare Verschlechterung des Gesundheitszustands des Geschädigten P. zu verschleiern. Andererseits konnte nach der Beweisaufnahme letztendlich auch nicht bewiesen werden, dass der Geschädigte P. tatsächlich schon am 07.05.2016 nachmittags einen Krampfanfall erlitt, weil es dafür keine weiteren Anhaltspunkte gab, so dass ein solcher auch nicht bei der Sachverhaltsschilderung aufgenommen wurde.
Themenkomplex (II.)
Hinsichtlich der Gefahreneinschätzung für den Geschädigten P. nach bemerkter Medikamentenverwechslung waren die Angaben des Angeklagten P. nach Einschätzung der Kammer im Wesentlichen stimmig, nämlich dahingehend, dass der Angeklagte P. die möglichen Gefahren für den Geschädigten P. bis hin zu einem möglichen Tod alsbald realisierte.
Dafür sprechen insbesondere folgende Einlassungen des Angeklagten P.:
Er gab an, dass er, nachdem er über die Medikamentenverwechslung informiert worden sei, sofort nachgefragt habe, ob schon ein Arzt informiert sei. Am selben Tag gegen 14.30 Uhr habe er die Angeklagte N. nochmals angetroffen und sie angesprochen, wobei er ihr gesagt habe, „dass dies eigentlich der Wahnsinn sei, was da passiert sei und dass dies unbedingt gemeldet werden müsse“. Hierbei habe er gemeint, dass unbedingt ein Arzt benachrichtigt werden müsse. Als er im weiteren Verlauf des Nachmittags den verschlechterten Zustand des Geschädigten P. mitbekommen habe, habe er gegenüber der Angeklagten N. in einem Telefonat gesagt, dass es jetzt wirklich seine Pflicht sei, einen Arzt zu rufen. Schließlich führte er auch auf die Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen der Verschlechterung des Zustands des Geschädigten P. und den falschen Medikamenten gesehen habe, aus, dass er die Auswirkungen der falschen Medikamente nicht habe recht einschätzen können. Er habe jedoch die Schlüsse ziehen können, dass es an den Medikamenten liegen könnte. Irgendwann habe er auch das Gefühl gehabt, dass es jetzt schon zu spät sei. Deswegen, so sinngemäß der Angeklagte P., sei er seiner Verantwortung nicht gerecht geworden.
b) Inhaltliche Widersprüche in den Aussagen der Angeklagten beim Vergleich dieser: 1) Wer verursachte die Medikamentenverwechslung?:
Während die Angeklagte N. ganz klar behauptete, dass die Angeklagte D. die von ihr richtig zugeordneten Medikamentenbecher verwechselt habe, erklärte die Angeklagte D., dass dies durchaus möglich sein könne, jedoch auch nicht ausschließbar sei, dass die Angeklagte N. die Becher bei der Zuweisung schon verwechselt habe.
Letztendlich konnte auch durch die weitere Beweisaufnahme nicht geklärt werden, wer für die Medikamentenverwechslung verantwortlich war, da es weitere Zeugen oder objektive Beweismittel hierzu nicht gab. Somit verblieben die Möglichkeiten, wie sie auch im Sachverhalt wiedergegeben sind, dass bereits die Angeklagte N. die Becher verwechselte und so – verwechselt – der Angeklagten D. bereitstellte oder dieser übergab, oder aber dass die Angeklagte D. die Becher trotz richtiger Bereitstellung durch die Angeklagte N. verwechselte, so dass die Verwechslung der Becher an sich nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ weder der Angeklagten D. noch der Angeklagten N. zur Last gelegt werden konnte.
2) Äußerungen der Angeklagten N., keinen Arzt zu benachrichtigen? Zu dieser Thematik äußerten sich die Angeklagten N. und P. jeweils eindeutig und in der Sache diametral entgegengesetzt.
Der Angeklagte P. gab hierzu an, dass er in dem 6-Augen-Gespräch nach der Schichtübergabe, bei welchem er von der Angeklagten N. über die Medikamentenverwechslung informiert worden sei, nachgefragt habe, ob schon ein Arzt informiert sei. Hierbei habe ihm die Angeklagte N. entgegnet, dass dies jetzt nicht nötig sei und zuerst einmal abgewartet werden solle, wie es weitergehe. Auf keinen Fall, so die Angaben des Angeklagten P., sei er von der Angeklagten N. angewiesen worden, einen Arzt zu verständigen, falls sich der Gesundheitszustand des Geschädigten P. verschlechtern sollte. Auch als er wenige Minuten danach die Angeklagte N. nochmals kurz angetroffen, sie angesprochen und ihr gesagt habe, dass dies eigentlich der Wahnsinn sei, was da passiert sei und dass dies unbedingt gemeldet werden müsse, wobei er gemeint habe, dass unbedingt ein Arzt benachrichtigt werden müsse, habe die Angeklagte N. entgegnet, dass sie das nicht wolle. Nachdem er die Verschlechterung des Gesundheitszustands des Geschädigten P. mitbekommen und er deswegen die Angeklagte N. zu Hause angerufen und ihr den Zustand des Geschädigten P. geschildert und auch geäußert habe, dass es jetzt wirklich seine Pflicht sei, einen Arzt zu informieren, habe die Angeklagte N. jedoch sehr energisch reagiert und geäußert: „Spinnst du, die sperren mich ein!“. Auch mit weiteren Worten habe die Angeklagte N. zu verstehen gegeben, dass er die „Klappe halten“ solle.
Demgegenüber bekundete die Angeklagte N., dass es zwar zutreffend sei, dass sie in dem 6-Augen-Gespräch nach der Schichtübergabe auf die Frage ihres Kollegen P., ob ein Arzt verständigt worden sei, sinngemäß geantwortet habe, dass dies bis jetzt noch nicht geschehen sei, er halt erst mal abwarten solle und sich Herrn P. selber ansehen und nach seinem Eindruck ggf. dann einen Arzt verständigen möge. Auch habe sie ihm gegenüber bei einem Telefonat am Nachmittag desselben Tages geäußert, dass er Herrn Dr. U. oder den SAPV anrufen solle. Sie sei davon ausgegangen, dass nunmehr ein Arzt verständigt werden würde. Es treffe schlichtweg nicht zu, dass sie ihrem Kollegen gegenüber gesagt habe: „Spinnst du, die sperren mich ein!“, andernfalls hätte sie ihm doch nicht geraten, einen Arzt bzw. den SAPV zu verständigen. Auf keinen Fall habe sie gesagt oder eine Weisung dahingehend gegeben, dass kein Arzt angerufen werden solle.
Die Angaben der Angeklagten D. zu derselben Thematik sind, wie oben bereits ausgeführt wurde, in sich zum Teil widersprüchlich, da sie schilderte, dass bei dem 6-Augen-Gespräch die Angeklagte N. schon auch erwähnt habe, dass bei Verschlechterung des Zustands ein Arzt gerufen werden solle, andererseits sie sich aber darauf berief, dass die Angeklagte N. letztendlich die Weisung gegeben habe, keinen Arzt zu rufen.
Die Kammer überzeugte sich letztendlich davon, dass die Angaben des Angeklagten P. – wie wiedergegeben -, vollumfänglich zutreffend sind.
Dafür war eine Gesamtschau aller wesentlichen Umstände ausschlaggebend:
Zunächst war der Kammer bewusst, dass die Angaben der Angeklagten N. zu dieser Thematik ebenso widerspruchsfrei vorgetragen wurden, wie sie der Angeklagte P. machte. Nur in geringem Maße werden die Angaben des Angeklagten P. durch die Angaben der Angeklagten D. bestätigt, welche letztendlich auch davon sprach, dass die Angeklagte N. die Weisung gegeben habe, keinen Arzt zu benachrichtigen. Der Kammer ist auch bewusst, dass die weiteren vernommenen Zeugen zu dieser Thematik keine Angaben machen konnten und es hierfür auch keine objektiven Beweismittel gibt.
Trotzdem wurden weitere Gesichtspunkte gefunden, welche letztendlich den Ausschlag gaben, so dass sich die Kammer von dem Wahrheitsgehalt der Angaben des Angeklagten P. überzeugte:
Für die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten P. spricht zunächst die Aussagekonstanz. Bereits bei der Beschuldigtenvernehmung am 29.11.2017 äußerte er sich ausführlich zu dem ihm zur Last gelegten Sachverhalt und machte hinsichtlich der Gespräche mit der Angeklagten N. dieselben Angaben, wie in der Hauptverhandlung, da er sich in der Hauptverhandlung ja nochmals auf die Angaben in dieser Beschuldigtenvernehmung bezog, jedoch auch mit eigenen Worten diese Gespräche mit der Angeklagten und Äußerungen der Angeklagten N. hierzu bestätigte.
Zu der Vernehmungssituation des Angeklagten P. und zu dem Inhalt der Angaben bei der Vernehmung am 29.11.2017 wurde auch der Vernehmungsbeamte, der Zeuge PHK S., vernommen. Hierbei konnte sich die Kammer entsprechend den Angaben des Zeugen PHK S. davon überzeugen, dass der Angeklagte P. sich zu den Gesprächen mit der Angeklagten N. im Zusammenhang mit der Medikamentenverwechslung so äußerte, wie auch in der Hauptverhandlung. Des Weiteren führte der Zeuge PHK S. aus, dass der Angeklagte P. damals seine Angaben flüssig, überzeugend und sichtlich betroffen gemacht habe. Anhaltspunkte für falsche Angaben hätten sich für ihn nicht ergeben.
Hierbei ist der Kammer natürlich bewusst, dass die Aussagekonstanz des Angeklagten P. kein allzu gewichtiges Argument ist, welches für die inhaltliche Richtigkeit spricht, da sich der Angeklagte P. in der Hauptverhandlung auf die Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei vom 29.11.2017 bezog und somit davon auszugehen war, dass er sich diese Vernehmung auch nochmals verinnerlicht hatte.
Ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzuführen, dass sich die Angeklagte N. im Ermittlungsverfahren nur sehr rudimentär geäußert hatte, nämlich im Rahmen der Eröffnung des Haftbefehls über ihren Verteidiger, wobei sie auf Details nicht einging, sondern lediglich erklären ließ, dass es zutreffe, dass eine Mitpatientin sie über die Möglichkeit einer Medikamentenverwechslung unterrichtet habe, sie darauf zu dem Geschädigten gelaufen sei, jedoch die Medikamentengabe nicht mehr habe verhindern können, da diese bereits geschehen sei. Sie habe die medizinischen Folgen für den Geschädigten nicht erkannt und auch nicht beabsichtigt.
Lediglich in einem weiteren Brief vom 17.05.2016, welchen die Angeklagte N. nach ihren Angaben handschriftlich verfertigte und dem Landratsamt D. zukommen ließ, wovon sich auch die Kammer überzeugte, äußerte sich die Angeklagte N. über die falsche Mittagsmedikation, welche dem Geschädigten P. von der Angeklagten D. am 07.05.2016 gegen 11.30 Uhr verabreicht worden sei. Hierbei gab sie an, dass es ihr sehr leid tue, dass sie deswegen nicht sofort einen Arzt verständigt habe; sie habe Frau D. schützen wollen, damit sie sie deswegen nicht verlieren. Herr P. sei bei Übergabe informiert worden, bei Verschlechterung des AZ (wohl Allgemeinzustands) „SAPV“ zu informieren.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagte N. in dem genannten Schreiben an das Landratsamt auch davon sprach, dass der Angeklagte P. bei der Übergabe informiert worden sei, bei einer Verschlechterung des Allgemeinzustands den SAPV zu informieren. Trotzdem ist dieses Schreiben an das Landratsamt D. nicht allzu aussagekräftig, da es nur wenige Sätze umfasst und die Einzelheiten der Schichtübergabe bzw. der späteren Gespräche mit dem Angeklagten P. gar nicht angesprochen sind.
Für ganz wesentlich hielt die Kammer jedoch folgende weiteren Umstände:
Die Kammer überzeugte sich zunächst davon, dass die Angeklagte N. eine außerst erfahrene Pflegekraft war.
Dazu führte die Sachverständige V.-D. führte, dass sie ein pflegewissenschaftliches Gutachten erstellt und hierbei insbesondere auch die Qualifikation der Angeklagten N. einer Begutachtung unterzogen habe.
Die Kammer hatte an der fachlichen Eignung der Gutachterin keinerlei Zweifel. Hierzu führte diese nämlich aus, dass sie den Bachelor im Pflegemanagement habe, Gesundheits- und Krankenpflegerin sei sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP, Köln). Seit 2017 sei sie in Qualifikationszirkeln des Instituts durch die für die Gutachtenserstellung zuständige Vorgängerin Frau U. L., M.sc. Pflegewissenschaft, Dipl.-Pflegepädagogin, Gesundheits- und Krankenpflegerin und den Direktor und Vorstandsvorsitzenden, Prof. Dr. F. W., in der Erstellung von straf- und zivilrechtlichen Gutachten in einem Zeitvolumen von rund 200 Stunden eingeführt und begleitet worden und habe so an den langjährigen institutsinternen Erfahrungen partizipieren können. Neben einer mehrmonatigen Einweisung seit Anfang 2018 sei von ihr die selbständige Erstellung von mittlerweile 18 zivilaber auch strafrechtlichen Gutachten übernommen worden. Außer der Tätigkeit im Institut unterrichte sie in den Weiterbildungskursen für Praxisanleiter und Leitungen für das Mittlere Management in der Pflege bei den Kaiserswerther Seminaren sowie den Managementstudiengängen und dem Dualen Studiengang für Gesundheit und Pflege an der F. Fachhochschule in D..
Die Sachverständige erläuterte nun, dass die Angeklagte N. am 28.09.1994 ihre Abschlussprüfung in der Fachschule für Altenpflege bei den F. in – A. abgelegt habe und anschließend die Bezeichnung staatlich geprüfte Altenpflegerin führen durfte. Sie habe das Abschlusszeugnis sowie die Unterlagen und Urkunden über den beruflichen Werdegang der Angeklagten N. ausgewertet, ebenso die tatsächlichen Wirkungsorte der Angeklagten N. berücksichtigt, insbesondere auch die jeweiligen Stellenbeschreibungen. Hierbei sei sie zu folgendem Ergebnis gelangt:
Die Angeklagte N. sei durch ihre langjährige Erfahrung und einer zusätzlichen Weiterbildung als Praxisanleiterin, Mentorin und Leitung im mittleren Management dazu befähigt, das Einarbeiten von neuen Mitarbeitern zu planen und zu unterstützen. Die Basisweiterbildung zur Pflegedienstleitung 2012 befähige sie insbesondere in der Leitung und Führung kleinerer Teams. Sie sei nach ihrer Ausbildung in der Lage abzuschätzen, was in bestimmten Situationen zu erwarten sei. Die Angeklagte N. habe eine hohe formale Qualifikation, da sowohl ein gutes bis sehr gutes Abschlusszeugnis, eine Vielzahl an Fort- und Weiterbildungen wie auch die einjährige Basisweiterbildung zur Pflegedienstleitung vorlägen. Letztendlich sei sie als sehr erfahrene Pflegefachkraft wenn nicht gar als Pflegeexpertin einzustufen.
Die Kammer hatte keinerlei Anhaltspunkte an den Ausführungen der Sachverständigen insoweit zu zweifeln und macht sich diese Erkenntnisse vollumfänglich zu eigen. Letztendlich ist diese Beurteilung auch im Einklang mit der Selbsteinschätzung der Angeklagten N., welche sich auch als sehr erfahrene und engagierte Pflegefachkraft beschrieb.
Die Sachverständige V.-D. führte ferner aus, dass es selbstverständlich sei, dass ein Arzt bei einer erfolgten Medikamentenverwechslung informiert werden müsse. Dies verstehe sich schon von selbst, wisse natürlich auch jede ausgebildete Pflegefachkraft.
Letztendlich überzeugte sich auch davon die Kammer. Diese Feststellung war darüber hinaus auch wieder im Einklang mit den Einlassungen von allen drei Angeklagten, welche auch bestätigten, dass sie einen Fehler gemacht hätten, dass sie bei bekannt gewordener Medikamentenverwechslung nicht sofort einen Arzt informierten.
Nochmals ist auch an das Schreiben der Angeklagten N. vom 17.05.2016 zu erinnern, welches sie handschriftlich abfasste und dem Landratsamt D.- L. zukommen ließ. Hierbei führte sie aus, dass es ihr sehr leid tue, dass sie deswegen (gemeint ist die Medikamentenverwechslung) nicht sofort einen Arzt verständigt habe, sie habe Frau D. schützen wollen, damit sie sie nicht deswegen verlieren!“.
In der Hauptverhandlung erklärte die Angeklagte jedoch auf die Frage, warum sie nach Bekanntwerden der Medikamentenverwechslung nicht gehandelt habe, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht daran gedacht habe, einen Arzt zu verständigen. Dieser Gedanke sei ihr schlichtweg in diesem Moment nicht gekommen, was sie heute im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen könne. Die Angeklagte erklärte hierzu, dass sie dies auf die stressige Situation und nicht zuletzt auch auf ihren angeschlagenen gesundheitlichen Zustand zurückführe.
Wenngleich die Angeklagte N. mehrmals auf ihren angeschlagenen Gesundheitszustand verwies, so ergaben sich letztendlich keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit oder auch allgemein des kognitiven Leistungsvermögens zur Tatzeit, worauf im Weiteren auch noch näher eingegangen wird.
Letztlich hält es die Kammer bei dem Ausbildungszustand der Angeklagten N. für nicht glaubhaft, dass sie bei Bekanntwerden der Medikamentenverwechslung nicht daran gedacht habe, einen Arzt zu verständigen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagte N. auch nach der Schichtübergabe in dem 6-Augen-Gespräch von dem Angeklagten P. nochmals gefragt wurde, ob ein Arzt schon benachrichtigt sei. Diese Fragestellung bestätigte sogar die Angeklagte N.. Obwohl also die Frage nach Hinzuziehung eines Arztes nur relativ kurze Zeit nach Bekanntwerden der Medikamentenverwechslung nochmals offen gestellt wurde, hielt es die Angeklagte N. auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht für nötig, einen Arzt hinzuzuziehen.
Ferner äußerte die Angeklagte N., dass es zutreffe, dass die vorangegangene Medikamentenverwechslung bei der Schichtübergabe an den Angeklagten P. zunächst nicht thematisiert worden sei, sondern erst kurz darauf, nachdem nur mehr lediglich sie und die Angeklagten D. und P. im Stationszimmer gewesen seien. Die Angeklagte N. gab hierzu an, dass sie im Nachgang hierzu keinerlei Erklärung habe (warum die Medikamentenverwechslung nicht schon bei der Stationsübergabe thematisiert worden sei). Auch diese Einlassung verwundert, da die Angeklagte N. andererseits angab, dass sie bei Bekanntwerden der Medikamentenverwechslung äußerst schockiert gewesen sei, so dass letztendlich nach Einschätzung der Kammer davon ausgegangen werden muss, dass die Medikamentenverwechslung die Angeklagte N. in sehr starkem Maße umtrieb und belastete und die Angeklagte N. diesen Umstand nicht so einfach verdrängen konnte.
Auf Nachfrage bestätigte die Angeklagte N. zudem, wovon sich die Kammer auch deswegen überzeugte, weil dies zudem von der Heimleiterin, der Zeugin A., so ausgeführt wurde und an Hand der in Augenschein genommenen Pflegeunterlagen für den Geschädigten P. nachvollziehbar war, dass es zutreffend sei, dass die Medikamentenverwechslung bei dem Geschädigten P. in dessen Krankenakte hätte eingetragen werden müssen, wofür sie zuständig gewesen sei, was sie jedoch unterlassen habe.
Somit waren folgende wesentlichen Gesichtspunkte nochmals zusammenfassend abzuwägen:
Der Angeklagten N. war nach Überzeugung der Kammer bei ihrem Ausbildungsstand bei Kenntniserlangung der Medikamentenverwechslung ohne weiteres bekannt und bewusst, dass sie einen Arzt hätte verständigen müssen. Die Einlassung in der Hauptverhandlung insoweit, dass ihr dieser Gedanke aus unerklärlichen Gründen nicht gekommen sei, hält die Kammer für nicht nachvollziehbar. Des Weiteren überzeugte sich die Kammer, dass die Angeklagte N. tatsächlich sehr mitgenommen war, als sie von der Medikamentenverwechslung erfuhr. Nicht verständlich ist für die Kammer deswegen, dass sie bei der regulären Schichtübergabe aus unerfindlichen Gründen, wie die Angeklagte N. angab, von der Medikamentenverwechslung nichts erzählte, sondern erst in dem darauffolgenden 6-Augen-Gespräch. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagte auch in ihrem Schreiben an das Landratsamt vom 17.06.2016 als Grund für die Nichtbenachrichtigung des Arztes angab, dass sie die Angeklagte D. habe schützen wollen, obwohl der Kammer auch hier bewusst ist, dass die Angeklagte N. hierzu in der Hauptverhandlung angab, dass sie halt etwas auf das Papier geschrieben habe, ohne nähere Begründung, warum dies nicht zutreffen sollte. Schließlich vermerkte die Angeklagte N. die Medikamentenverwechslung auch nicht in der Krankenakte des Geschädigten P., trotz besseren Wissens und pfllichtwidrig, wie sie selbst einräumte.
Letztendlich war für die Kammer auf Grund dieser Umstände der Schluss naheliegend, dass die Angeklagte N. zunächst keinen Arzt benachrichtigte, um die Medikamentenverwechslung zu vertuschen.
Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist das weitere Verhalten der Angeklagten N. plausibel, wie es von dem Angeklagten P. beschrieben, von ihr selbst jedoch in Abrede gestellt wird, wobei in diesem Zusammenhang nochmals auf die Aussagen des Angeklagten P. Bezug genommen wird, in welchen er letztendlich behauptete, dass die Angeklagte N. ihn angewiesen habe, keinen Arzt zu benachrichtigen.
Der Kammer ist natürlich auch bewusst, dass Angaben des Angeklagten P. und auch Angaben der Angeklagten D., welche die Angeklagte N. belasteten, möglicherweise deswegen zustande kamen, um von der eigenen Verantwortung abzulenken bzw. Verantwortung abzugeben.
Jedoch unter nochmaliger Bewertung aller oben genannten Umstände gelangte die Kammer zu dem Ergebnis, dass den Angaben des Angeklagten P. in vollem Umfange geglaubt werden kann und die Angaben der Angeklagten N. unzutreffend sind, soweit sie diesen Angaben widersprechen. In diesem Zusammenhang war auch nicht ganz unwesentlich, dass für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten P. zusätzlich sprach, dass er durchaus für sich selbst Verantwortung übernahm und seine wesentliche Schuld einräumte.
3. Auswirkungen der falschen Medikation auf den Geschädigten P.:
a) Der Geschädigte P. nahm am 07.05.2016 die Medikamente ein, welche für die Mitpatientin H. bestimmt waren, was die Angeklagten D. und N. auch wenige Minuten nach der Essensausgabe realisierten.
Davon überzeugte sich die Kammer aufgrund folgender Umstände:
Nach der Schilderung der Angeklagten D. und N. wurden – von wem auch immer – im Rahmen der Essensausgabe für die Patienten P. und H. deren Medikamente verwechselt. Entdeckt worden sei die Verwechslung dadurch, dass sich die Patientin H. kurz nach der Essensausgabe an die Angeklagte N. gewandt und dieser mitgeteilt habe, dass die von der Angeklagten D. gebrachten Tabletten nicht für sie seien. Die Angeklagte N. ergänzte hierbei, dass die Bewohnerin Frau H. ihr auch die fälschlich erhaltenen Tabletten wieder ausgehändigt habe.
Letztendlich hatte die Kammer keinerlei Anhaltspunkte, dass es Zweifel daran geben könnte, dass die Verwechslung tatsächlich stattfand. Es ist plausibel, dass die Angeklagte N. anhand der von der Mitbewohnerin H. zurückgegebenen Tabletten aufgrund eigener Bewertung realisierte, dass die Tabletten für die Bewohner H. und P. vertauscht wurden, insbesondere auch deswegen, da, wie die Angeklagte N. ausführte, lediglich zwei Bewohnern auf der Station die Tabletten auf das Zimmer gebracht wurden, nämlich der Frau H. und dem Geschädigten P..
Die Kammer überzeugte sich auch davon, dass dem Geschädigten P. nicht nur die (falschen) Medikamente für Frau H. ins Zimmer gebracht wurden, sondern dass dieser diese falschen Medikamente auch bereits eingenommen hatte, als die Medikamentenverwechslung aufkam. Die Angeklagte D. spricht davon, dass sie, nachdem die Angeklagte N. sie über die Medikamentenverwechslung informiert habe, in das Zimmer des Geschädigten P. geeilt sei, wobei sie festgestellt habe, dass dieser die Tabletten schon genommen habe. Insoweit ist zwar auffallend, dass auch die Angeklagte N. angab, dass sie sofort in das Zimmer des Geschädigten P. gegangen sei, als sie von der Medikamentenverwechslung erfahren habe. Der Geschädigte P. habe jedoch die Augen geschlossen gehabt und nach ihrer Einschätzung geschlafen.
Die Kammer sieht durchaus, dass in den Einlassungen der Angeklagten D. und N. insoweit ein Widerspruch sein könnte, da beide für sich in Anspruch nehmen, nach der Medikamentenverwechslung sofort das Zimmer des Geschädigten P. aufgesucht zu haben. Während die Angeklagte D. erklärte, dass sie bei dieser Situation wahrgenommen habe, dass der Geschädigte P. die Tabletten schon genommen habe, führte die Angeklagte N. aus, dass sie im Zimmer des Geschädigten P. wahrgenommen habe, dass dieser wohl schon geschlafen habe.
Letztendlich kann dieser mögliche Widerspruch jedoch nach Überzeugung der Kammer dadurch aufgelöst werden, dass eben beide Angeklagte alsbald nach der Medikamentenverwechslung das Zimmer des Geschädigten P. aufsuchten (Im übrigen kam diesem möglichen Widerspruch nach Überzeugung der Kammer auch keine wesentliche Bedeutung zu).Während die Angeklagte D. in ihrer Aussage konkret erwähnt, dass sie wahrgenommen habe, dass der Geschädigte P. die Tabletten schon genommen habe, erwähnt die Angeklagte N. lediglich, dass sie, als sie in das Zimmer des Geschädigten P. gegangen sei, lediglich wahrgenommen habe, dass der Geschädigte die Augen geschlossen und nach ihrer Einschätzung geschlafen habe.
Letztendlich überzeugte sich die Kammer jedoch davon, dass auch die Angeklagte N. durch eigene Wahrnehmung realisierte, dass der Geschädigte P. die Medikamente der Mitpatientin H. schon eingenommen hatte, als sie in sein Zimmer kam, da sich u.a. auf diese Weise die geschilderte Reaktion der Angeklagten N. am plausibelsten erklären lässt. Sie gab an, dass sie verwirrt bzw. aus der Fassung gewesen und sich „wie vor den Kopf gestoßen“ gefühlt und Herzklopfen gehabt habe. Es sei eine richtige Panikattacke gewesen.
b) Bewertung der Falschmedikation:
Hierbei ließ sich die Kammer beraten von der Sachverständigen Dr. G. R., Forensische Toxikologin am Institut für Rechtsmedizin der L.-M.-U. M..
Sie führte aus, dass sie das Medikamentenblatt für die Patientin H. zur Verfügung gehabt habe, anhand dessen ersichtlich sei, welche Medikamente Frau H. zur Mittagszeit hätte bekommen müssen und der Geschädigte P. anstelle dessen wohl bekommen habe.
Es seien 5 Medikamente gewesen, nämlich folgende:
Xarelto 15 mg mit dem Wirkstoff Rifaroxaban. Hierbei handle es sich um eine Tablette eines blutgerinnungshemmenden Medikaments, welches u.a. zur Prophylaxe vor Schlaganfall, Embolie und Thrombose zugelassen sei.
Des Weiteren um das Medikament Azafalk 75 mg mit dem Wirkstoff Azathioprin. Hierbei handele es sich um eine Tablette eines immunsupressiven Medikaments, welches u.a. zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen, Vorbeugung einer Transplantatabstoßung und bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verwendet werde.
Des Weiteren handele es sich um das Medikament Mylepsinum 250 mg mit dem Wirkstoff Primidon. Hierbei handle es sich um eine 3/4 Tablette eines antikonvulsivwirksamen Medikaments, welches zur Epilepsietherapie zugelassen sei.
Des Weiteren sei das Medikament Gabapentin 100 mg dabei gewesen mit dem Wirkstoff Gabapentin. Dieses Medikament sei u.a. zur Epilepsietherapie zugelassen und habe eine sedierende Wirkung.
Von wesentlicher Bedeutung sei ihrer Einschätzung nach jedoch das Medikament Valsartan 160 mg. Dieses Medikament werde eingesetzt bei Bluthochdruck und diene zur Blutdrucksenkung.
Zu erwähnen sei, dass die falsch verabreichten Medikamente vielfältige Wirkungen bzw. Nebenwirkungen haben könnten, welche bei dem Patienten P. bei der damaligen Situation nicht erwünscht gewesen seien. So sei beispielsweise zu erwähnen, dass bei dem Medikament Xarelto als Nebenwirkung auch eine Einschränkung der Nierenfunktion angegeben werde. Jedoch sei hierbei zu bedenken, dass die verabreichte Dosis von 15 mg nicht allzu hoch sei. Von den möglichen Nebenwirkungen bei dem Medikament Mylepsinum sei u.a. zu erwähnen, dass dieses Medikament zentral dämpfend wirke. Die verabreichte Menge von 250 mg sei jedoch auch nicht allzu hoch, da die tägliche Maximaldosis im therapeutischen Bereich bei 1500 mg liege. Auch das Medikament Gabapentin wirke u.a. zentral dämpfend.
Wesentlich jedoch sei das Medikament Valsartan. Hierbei werde die klinisch geprüfte tägliche Höchstdosis bei 320 mg angenommen, so dass die verabreichte Einheit in Höhe von 160 mg durchaus Wirkungen erwarten lasse. Es sei davon auszugehen, dass die blutdrucksenkende Wirkung innerhalb von 2 Stunden eintrete, wobei grundsätzlich mit der höchsten Wirkung insoweit nach 4 bis 6 Stunden zu rechnen sei. Normalerweise halte die durch das Medikament verursachte Blutdrucksenkung über einen Zeitraum von etwa 24 Stunden an, sofern die Nieren- und Leberfunktion nicht eingeschränkt seien. Wenn jedoch wie hier bei dem Patienten P. bereits eine ausgeprägte Herzinsuffizienz beschrieben werde, sei davon auszugehen, dass es nur zu einer geringeren Verstoffwechslung komme, so dass auch die blutdrucksenkende Wirkung länger anhalte.
Die Sachverständige Dr. R. führte zudem aus, dass die Falschmedikation auch im Zusammenhang mit der normalerweise dem Geschädigten P. verabreichten Standardmedikation gesehen werden müsse. Auch insoweit sei ihr das Medikamentenblatt zur Verfügung gestanden, wobei sie die aktuelle Medikamentierung im Zeitraum vom 27.04.2016 bis schließlich zum Absetzen der Medikation am 11.05.2016 näher beleuchtet habe. Auffallend sei hierbei, dass der Geschädigte P. eine Vielzahl von Medikamenten bekommen habe, nämlich 13 verschiedene an der Zahl, wobei entsprechend der Zielsetzung der Palliativversorgung mehrere der Medikamente schmerzlindernd gewesen seien. Verschiedene Medikamente hätten auch zentral dämpfende Wirkstoffe enthalten, welche sich auch untereinander verstärkt hätten. In den Verlaufsberichten, welche sie auch eingesehen habe, seien gravierende auffallende Wechselwirkungen dieser „Standardmedikation“ nicht aufgeführt, wobei jedoch durchaus zu berücksichtigen sei, dass manche der Medikamente auch eine blutdrucksenkende Wirkung hätten.
Es sei davon auszugehen, dass diese blutdrucksenkende Wirkung schon verursacht durch die Standardmedikation durch das am 07.05.2016 fälschlicherweise verabreichte Medikament Valsartan noch deutlich verstärkt worden sei.
Letztendlich hatte die Kammer keinerlei Zweifel an den genannten Ausführungen der Sachverständigen Dr. R. und machte sich diese Erkenntnisse aufgrund eigener Wertung und Überzeugungsbildung vollumfänglich zu eigen.
c) Auswirkungen der Falschmedikation auf den Gesundheitszustand des Geschädigten P.:
Letztendlich konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass die Falschmedikation kausal für den Tod oder das frühere Versterben des Geschädigten P. war.
Hierbei ließ sich die Kammer leiten von den Ausführungen der Sachverständigen Dr. J. S., Fachärztin für Rechtsmedizin am Institut für Rechtsmedizin der L.-M.-U. M. sowie den Erläuterungen des Prof. Dr. B., tätig an der Klinik für Anästhesiologie der Universität R..
Beide Sachverständige führten aus, dass sie vielfältige Krankenunterlagen des Patienten P. zur Verfügung gehabt hätten, in welchen insbesondere die Vorerkrankungen dokumentiert seien. Unter anderem seien auch in den Pflegeunterlagen im Stammblatt die wesentlichen ärztlichen Diagnosen angegeben. Zudem sei der Arztbrief des Krankenhauses L.- A. zum Aufenthalt des Patienten P. in der Zeit vom 07.04.2016 bis 20.04.2016 in den Unterlagen enthalten gewesen. Darüber hinaus seien in den Pflegeunterlagen die täglichen Verlaufsberichte und Berichte über die Vitalwerte des Geschädigten P. ausgewertet worden.
Von beiden Gutachtern wurde übereinstimmend vorgetragen, dass der Geschädigte P. auch schon vor dem Jahre 2016 schwer erkrankt und pflegebedürftig war, wobei sich beide Gutachter in der Beschreibung des Krankheitszustandes z.T. ergänzten, jedoch ohne Widersprüche insoweit aufzuwerfen.
In der Zeit vom 07.04.2016 bis 20.04.2016 sei der Aufenthalt im Pflegeheim St. A. in M. unterbrochen worden, da sich der Geschädigte wegen einer Urosepsis aufgrund einer Dislokation des suprapubischen Blasenkatheters einer Behandlung im Krankenhaus L.- A. habe unterziehen müssen. Anschließend sei er schwerstkrank und infolge dessen auch schwerst pflegebedürftig wiederum in das genannte Alten-/Pflegeheim verbracht worden.
Der Geschädigte habe nämlich an unheilbaren Beschwerden gelitten, vor allem einer dekompensierten schwersten Herzinsuffizienz, einem fortgeschrittenen Karzinom der Schilddrüse mit diffuser Knochenmetastasierung, einer Nierenschädigung mit Nierenmetastasen, einer Stauungspneumonie mit erheblicher Schädigung der Lunge und auch an einer schwersten Einschränkung des Bewegungsapparats, da er letztendlich querschnittsgelähmt gewesen sei. Nach dem Krankenhausaufenthalt in L.- A. sei er palliativmedizinisch versorgt worden und habe auch ärztlicherseits verschrieben schwerste Schmerzmedikamente, u.a. Morphium, erhalten. Letztendlich habe er sich zu dieser Zeit in der Terminalphase seiner Erkrankung befunden, was insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. B. hervorhob.
Die Sachverständige Dr. S. führte im Wesentlichen zur Krankheitsentwicklung beim Geschädigten P. nach der Medikamentenverwechslung Folgendes aus:
Am 07.05.2016 gegen 16.30 Uhr sei gemäß dem Pflegebericht bei dem Geschädigten P. eine Zustandsverschlechterung mit Übelkeit und Schwindel sowie ein Abfall des Blutdrucks in Kombination mit einer plötzlichen, im Verlauf des 07.05.2016 quasi weitgehend vollständig zum Erliegen gekommenen Urinausscheidung als Beleg eines Nierenversagens aufgetreten, was sich so im Kontext der zwar als infaust einzuschätzenden Krebserkrankung zunächst nicht zwanglos erklären lasse. Eine nach Hinzuziehung des Hausarztes am 10.05.2016 erfolgte Laboruntersuchung habe in diesem Zusammenhang ein Nierenversagen und auch eine Leberenzymerhöhung belegt. Diese Blutdruckerniedrigung und Anurie habe bis einschließlich des Todeseintritts am 14.05.2016 angedauert, wobei anzuführen bleibe, dass die demzufolge am 07.05.2016 ärztlich angewandte Therapieintervention weitgehend auf eine Palliativversorgung beschränkt geblieben sei.
Im Hinblick auf die am 07.05.2016 nachmittags abrupt und hoch akut aufgetretene Symptomatik mit quasi vollständig zum Erliegen gekommener Ausscheidungsfunktion der Nieren und Blutdruckabfall sei ein kausaler Zusammenhang mit der Fehlmedikation sehr wahrscheinlich und plausibel, da insbesondere das fälschlicherweise gegebene Medikament Valsartan eine stark blutdrucksenkende Wirkung aufweise. Im Ergebnis sei es plausibel, dass das Medikament Valsartan eine abrupte Blutdrucksenkung bewirkt habe und dadurch die inneren Organe durch diese Blutdrucksenkung auch stark beeinträchtigt worden seien, so dass es letztendlich auch plausibel erscheine, dass das Nierenversagen dadurch bedingt sei.
Hierzu ergänzte der Sachverständige Prof. Dr. B., dass der von der Sachverständigen Dr. S. vorgetragene Ursachenzusammenhang zwar durchaus plausibel sei, jedoch letztendlich den nicht einzig naheliegenden und plausiblen Kausalverlauf darstelle.
Prof. Dr. B. legte das Augenmerk darauf, dass der Geschädigte P. gerade auch nach der Behandlung der Urosepsis in dem Krankenhaus L.- A. in einem schwerstkranken Zustand mit einem terminalen Krebsleiden, weiteren gravierenden Beeinträchtigungen und schließlich einer schweren Herzerkrankung im Endstadium entlassen worden sei, wobei schon mehrfach stattgefundene Infektionsschübe als Risiko der multiplen Erkrankungen auf ein stark reduziertes Immunsystem hingewiesen hätten. Es sei zu berücksichtigen, dass der Patient P. somit am Ende seines Lebens angelangt gewesen sei.
Zum Zeitpunkt der Fehlmedikation, so die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B., habe sich P. bereits in einer finalen palliativen Situation mit Einschränkung nahezu aller Organsysteme befunden – auch der Nierenfunktion, obwohl die Laborwerte zum Zeitpunkt der Fehlmedikation noch im Normbereich gewesen seien und auch die quantitative Ausscheidungsfunktion der Nieren noch ausreichend. Es müsse aber nach vorliegenden Berichten von einer (noch) kompensierten, aber im Abbau befindlichen Nierenfunktion ausgegangen werden.
Auch müsse gesehen werden, dass der Geschädigte P. im Rahmen seiner Behandlung im Mai 2016 insgesamt regelmäßig bis zu 13 Medikamente erhalten habe, unter denen auch blutdrucksenkende Medikamente gewesen seien (beispielsweise Bisoprolol).
Darüber hinaus sei aus den Pflegeberichten ersichtlich, dass der Patient P. auch nach dem 07.05.2016, also nach dem Zeitpunkt der Medikamentenverwechslung, in erheblichem Maße, trotz wiederholter Dokumentation eines eingeschränkten Blutdruckes, Medikamente erhalten habe, welche bekanntermaßen ein erhebliches Potential zur (weiteren) Blutdrucksenkung und Nierenschädigung aufwiesen, nämlich die wiederholte Schmerzmedikation mit Metamizol, wobei dieses Medikament gemäß dem Beipackzettel kontraindiziert sei bei niedrigem Blutdruck. Zur psychischen Beruhigung sei auch Lorazepam verabreicht worden, welches ebenfalls bekanntermaßen zur Blutdrucksenkung führen könne.
Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass in den Pflegeberichten für den 09.05.2016 angegeben sei, dass der Geschädigte P. einen Druck auf der Brust verspüre. Im Kontext der bereits dokumentierten erheblichen Schädigung des Herzens, wobei davon auszugehen sei, dass die Herzleistung auch vor dem 07.05.2016 nur noch bei etwa 20% gelegen habe, könne dieser dokumentierte Druck auf der Brust auch plausibel als erlittener Herzinfarkt interpretiert werden. Es sei durchaus vorstellbar, dass der Patient P. daran verstorben sei.
In diesem Zusammenhang sei es durchaus denkbar, dass die Falschmedikation und hier insbesondere das Medikament Valsartan durch eine mögliche Blutdrucksenkung den Herzinfarkt mitverursacht habe. Andererseits habe auch ohne die zusätzliche Fehlmedikation die dem Patienten P. verabreichte Medikation blutdrucksenkend gewirkt. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, andererseits aber nicht alleine plausibel, dass die einmalige Fehlmedikation am 07.05.2016 kausal für den Tod eine Woche später verantwortlich sei, möglicherweise durch ein ausgelöstes und letztendlich tödliches Nierenversagen oder aber einen dadurch tödlich verlaufenden Herzinfarkt. Jedoch sei es auch nicht zu widerlegen, dass der Geschädigte P. aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes auch ohne die Falschmedikation zur selben Zeit verstorben wäre.
Eine genauere Eingrenzung der Todesursache könne nicht mehr erfolgen, da die Leiche alsbald nach dem Tod verbrannt und somit eine Obduktion nicht durchgeführt worden sei.
Auf Nachfrage bei der Sachverständigen Dr. S. erklärte sie sich im Wesentlichen mit den Ausführungen des Prof. Dr. B. einverstanden, wies jedoch darauf hin, dass möglicherweise der zeitliche Aspekt der Krankheitsverschlechterung von dem Sachverständigen Dr. B. zu wenig gewürdigt worden sei. Insbesondere sei nämlich davon auszugehen, dass das Medikament Valsartan nach einigen Stunden die blutdrucksenkende Wirkung entfalte, wie es bereits die Sachverständige Dr. R. ausgeführt habe, wobei es ihrer Meinung nach schon sehr auffallend sei, dass sich am frühen Nachmittag der Gesundheitszustand des Patienten P. signifikant verschlechtert habe und bei diesem insbesondere ein sehr niedriger Blutdruck festgestellt worden sei, welcher auch im Laufe der Zeit sich noch (im Negativen) verstärkt habe.
Hierzu jedoch führte wiederum der Sachverständige Prof. Dr. B. aus, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass sich bei Patienten in der Terminalphase ihres Lebens, insbesondere bei der hier vorliegenden Krebserkrankung und Herzinsuffizienz, der Zustand auch ohne weitere Fremdeinwirkung abrupt verschlechtere.
Aufgrund eigener Wertung und Überzeugungsbildung gelangte die Kammer zu folgendem Ergebnis:
Nach Auffassung der Kammer war die Falschmedikation durchaus geeignet bei dem schwerstkranken Patienten P. zu einem abrupten Blutdruckabfall zu führen, was nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. und Prof. Dr. B. auch plausibel zu einer Beeinträchtigung der inneren Organe und letztendlich im konkreten Fall zu einer Niereninsuffizienz führen kann, wobei sich dieser Einschätzung auch die Kammer anschloss. Auch kann die Falschmedikation (und hier wiederum insbesondere das Medikament Valsartan) durch den abfallenden Blutdruck einen Herzinfarkt bei dem Geschädigten P. begünstigt haben, welcher ebenso todesursächlich gewesen sein könnte.
Auf der anderen Seite konnte sich die Kammer jedoch nicht davon überzeugen, dass die Falschmedikation tatsächlich todesursächlich war (obwohl die Plausibilität hierfür vorlag, wie bereits ausgeführt wurde).
Letztendlich hatte die Kammer berücksichtigt, wie es auch der Sachverständige Prof. Dr. B. erläuterte, dass bei einem schwerstkranken Patienten, wie es der Geschädigte P. war, der weitere Krankheitsverlauf kaum vorhersehbar ist, insbesondere, wenn er aufgrund der Palliativversorgung und hier insbesondere aufgrund der Schmerzmedikation Medikamente erhielt, welche auch sedierend und blutdrucksenkend und letztendlich dadurch auch lebensverkürzend wirken können.
Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ konnte sich die Kammer somit nicht davon überzeugen, dass die Falschmedikation auch todesursächlich bei dem Geschädigten P. war, wenngleich der kausale Zusammenhang insbesondere auf Grund der signifikanten Verschlechterung des Gesundheitszustands nach der Medikamentenverwechslung nahe lag.
4. Sämtliche Angeklagte rechneten bei Kenntniserlangung von der Medikamentenverwechslung, dass diese den Sterbeprozess beim Geschädigten P. beschleunigen oder gar den Tod verursachen könnte und diese Wirkungen möglicherweise nur durch schnelle ärztlicherseits eingeleitete Gegenmaßnahmen zu verhindern wären, wobei ihnen bewusst war, dass sie gegenüber dem Geschädigten P. eine Garantenstellung hatten.
Rechtliche Überlegungen und Grundlagen
Aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass sämtliche Angeklagte, als sie von der Medikamentenverwechslung erfuhren und trotzdem nicht unverzüglich darüber einen Arzt informierten, mit einem bedingten Tötungsvorsatz handelten.
Hierbei überzeugte sich die Kammer davon, dass alle Angeklagten den Eintritt des Todes als mögliche Folge ihres Handelns bzw. pflichtwidrigen Unterlassens erkannten und diesen auch billigend in Kauf nahmen. Wesentlich bei dieser Einschätzung war für die Kammer, dass die Angeklagten nach Überzeugung der Kammer die Gefährlichkeit der Medikamentenverwechslung für den Geschädigten P. erfassten.
Weiterhin überzeugte sich die Kammer auch davon, dass den Angeklagten bewusst war, dass sie ganz allgemein auf Grund des Umstands, dass der Geschädigte P. bei ihnen Patient war und dieser ihnen als den dafür zuständigen Pflegekräften anvertraut war, verpflichtet waren dem Geschädigten P. zu helfen, um einen für möglich gehaltenen letalen Ausgang aufgrund der Medikamentenverwechslung – nach den ärztlichen Möglichkeiten und gegebenenfalls aufgrund Einwilligung des Geschädigten – zu verhindern.
Nicht zuletzt gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass es den Angeklagten durch pflichtgemäßes Handeln persönlich möglich und zumutbar war die erforderliche Hilfe unverzüglich herbeizuholen, nämlich unverzüglich einen Arzt zu informieren, so dass das Unterbleiben der Hilfeleistung auch einem aktiven Tun entsprach.
Darüber hinaus überzeugte sich die Kammer auch davon, dass die Angeklagte N. eine Garantenstellung aufgrund eines vorhergehenden pflichtwidrigen Verhaltens hatte und ihr dies auch bewusst war. Zwar konnte nicht nachgewiesen werden, wie oben bereits erläutert wurde, dass sie selbst die Medikamentenbecher der Patienten H. und P. verwechselte. Andererseits war ihr jedoch bewusst, dass es ein fahrlässiges Verhalten darstellte, die Medikamente in unbeschriftete Becher zu geben, bevor die Medikamente beim Patienten angelangt waren, und dieses Verhalten die Medikamentenverwechslung förderte.
a) Die Angeklagten hatten dem Patienten P. gegenüber eine Garantenstellung und waren sich dieser auch bewusst. Auch war ihnen bekannt, dass bei einer falschen Medikation ein Arzt gerufen werden muss.
Dieser Gesichtspunkt der Garantenstellung bedarf keiner ausführlichen Erläuterung, da er sich beinahe von selbst erklärt:
Sämtliche Angeklagte waren examinierte Fachpflegekräfte und als solche auch in dem Alten-/Pflegeheim St. A. in M. angestellt, wie sie alle drei selbst bestätigten und sich darüber hinaus auch aus den Ausführungen der Gutachterin V.-D. ergab, welche insbesondere die Qualifikationen der Angeklagten beleuchtete, wie sie auch bereits dargestellt wurden. Auch räumten sie alle in gleicher Weise ein, dass der Patient P. auf der Station war, für welche sie auch zuständig waren, nämlich in dem genannten Altenheim auf der Station des Wohnbereichs 1. Die Zuständigkeit für den Geschädigten P. ergibt sich jedoch auch daraus, dass die Angeklagte N. die Medikamente unter anderem auch für den Patienten P. bereitstellte und die Angeklagte D. die Medikamente dem Geschädigten P. überreichte, während der Angeklagte P. in der Folge die Schicht übernahm.
Im Zusammenhang mit der Medikamentenabgabe erläuterte die Sachverständige V.-D., dass im Rahmen der Pflegekraftausbildung auch ein wesentliches Augenmerk auf die organisatorischen Prozesse und die Vermittlung von Verantwortung der Pflegefachkraft bei der Verabreichung von ärztlich verordneten Medikamenten gelegt werde. So seien die Angeklagten N. und D. gemäß ihrer Ausbildung in 200 Stunden in Krankheits- und Medikamentenlehre geschult worden. Der Angeklagte P. sei in der theoretischen Altenund Altenkrankenpflege in seiner Ausbildung in 600 Stunden theoretisch und 400 Stunden praktisch geschult worden, worin sich auch ein fester Anteil der entsprechenden Medikamentenlehre befinden müsse. Wenngleich sich im Laufe der Jahre die medikamentösen Therapien, Darreichungsformen und Medikamentennamen verändert hätten, müssten durch entsprechende Organisation und praktische Anwendung die Fehlerquellen möglichst geringgehalten werden. Jede Fachkraft wisse, dass bei der Verabreichung von Medikamenten die 6-R-Regel eingehalten werden müsse, nämlich: „Richtiger Patient, Richtiges Medikament? Richtige Dosierung? Richtige Darreichungsform? Richtiger Zeitpunkt? Richtige Dokumentation?“
Ferner wisse jede Altenpflegefachkraft, dass bei Medikamentenverwechslungen grundsätzlich ein Arzt informiert werden müsse, da die dadurch möglichen Folgen für die Pflegefachkraft nicht absehbar seien. Auch das sei selbstverständlich und werde in der Ausbildung vermittelt.
Von der Richtigkeit dieser Ausführungen der Sachverständigen überzeugte sich die Kammer aufgrund eigener Überlegungen und Wertungen. Die Angeklagten bestritten ja auch nicht, dass sie es pflichtwidrig versäumt hätten einen Arzt zu rufen. Die Angeklagte N. erklärte hierzu, dass sie, als sie von der Medikamentenverwechslung erfahren habe, einfach nicht daran gedacht habe, einen Arzt zu verständigen. Dieser Gedanke sei ihr schlichtweg nicht gekommen, was sie heute im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen könne.
Letztendlich glaubte die Kammer der Angeklagten N. insoweit jedoch in einem wesentlichen Punkt nicht, überzeugte sich vielmehr, dass allen drei Angeklagten bei Kenntniserlangung bewusst und gegenwärtig war, dass ein Arzt gerufen werden muss, wobei sie dies nach Überzeugung der Kammer schon aufgrund ihres Ausbildungsstandes wussten. In dem 6-Augen-Gespräch unmittelbar nach der Schichtübergabe am 07.05.2016 mittags wies auch der Angeklagte P. mit seiner Frage, ob ein Arzt schon benachrichtigt sei, nochmals darauf hin, wie auch die Angeklagte N. einräumte.
Auch ist von erheblicher Bedeutung, dass die Angeklagte N. unabhängig von den bisherigen Ausführungen eine weitere Garantenstellung hatte, da die Medikamentenverwechslung zumindest auch durch ihr pflichtwidriges Verhalten bei der Medikamentenvergabe erheblich mitbestimmt wurde: Die Angeklagte N. gab die Medikamente für die Patienten H. und P. in unbeschriftete Medikamentenbecher, bevor die Medikamente beim Patienten abgelegt wurden. Hierzu erklärte die Zeugin A., dass sie die Heimleiterin des Alten-/und Pflegewohnheims sei und auch gewesen sei, als es zur Medikamentenverwechslung gekommen sei. Zu dem damaligen Zeitpunkt sei die Medikamentenvergabe so organisiert gewesen, dass die Medikamentenbecher gar nicht mehr hätten verwendet werden dürfen. Vielmehr hätten die Tabletten mit dem beschrifteten Tagesdispenser zum Patienten gebracht worden müssen. Auch die Zeugin Roßmüller, ebenfalls als Fachpflegekraft in dem Alten-/Pflegeheim tätig, bestätigte diesen Stand der richtigen Vorgehensweise zum damaligen Zeitpunkt der Medikamentenverwechslung. Die (unbeschrifteten) Medikamentenbecher seien eigentlich nicht mehr im Einsatz gewesen, da darin auch eine mögliche Fehlerquelle für Medikamentenverwechslungen gesehen worden sei. Letztendlich bestätigte dies die Angeklagte N. auch selbst: Sie gab nämlich in der Hauptverhandlung auch an, dass sie sich bewusst sei, dass die von ihr gewählte Vorgehensweise nicht den Regularien ordnungsgemäßer Medikamentenausgabe entsprochen habe, da zumindest der Plastikbecher, in welche sie die Medikamente gegeben habe, nicht mit dem Patientennamen beschriftet gewesen sei.
b) Die Angeklagten rechneten damit, dass die Medikamentenverwechslung bei dem Geschädigten P. auch tödliche Folgen haben könnte und nahmen einen solchen Ausgang auch billigend in Kauf.
Zunächst überzeugte sich die Kammer davon, dass die Medikamente, welche der Geschädigte P. am 07.05.2016 fälschlicherweise erhielt, bei dem Geschädigten P. in seiner damaligen gesundheitlichen Verfassung ein tödliches Potential hatten. Hierbei wird nochmals auf die Ausführungen oben unter Punkt 3. verwiesen. Dort wurde unter dem Unterpunkt b. bereits auf die Falschmedikation im Allgemeinen und speziell auf die möglichen Wirkungen des Medikaments Valsartan eingegangen, insbesondere auf die blutdrucksenkende Wirkung. Unter dem Unterpunkt c. wurde näher ausgeführt, dass die Gabe dieses Medikaments (plausibel und naheliegend) todesursächlich gewesen sein kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen des Geschädigten P..
Ferner wussten alle drei Angeklagte, dass es sich bei dem Geschädigten P. um einen schwerstkranken Patienten handelte. Dies wurde auch von allen dreien so bestätigt. Insbesondere der Angeklagten N. war natürlich bekannt, dass der Geschädigte P. ein Palliativpatient war. Sie selbst war ja u.a., wie sie selbst einräumte, für die Pflegedokumentation verantwortlich. Nach ihren Angaben habe sie dem Angeklagten P. bei einem Telefonat am 07.05.2016 nachmittags geraten, die SAPV (spezialisierte ambulante Palliativversorgung) anzurufen.
Die Gutachterin V.-D. führte des Weiteren aus, dass Fachpflegekräfte, wie sie die Angeklagten alle drei waren, auch bei engagierter Inanspruchnahme von Fort- und Weiterbildungen letztendlich nicht beurteilen können und konnten, welche Folgen eine Falschmedikation bei dem Geschädigten P. gehabt haben kann. Gerade deswegen gebe es ja auch die Verpflichtung in diesem Falle sofort einen Arzt zu informieren.
Auch die Angeklagten D. und P. räumten dieses Nichtwissen letztendlich ein, wenngleich sich die Angeklagte D. jedoch vor allem darauf berief der Angeklagten N. vertraut zu haben bzw. sich an deren Weisung gehalten zu haben, nämlich insoweit nichts zu machen. Diese habe ja auch noch ihr gegenüber gesagt, dass der Geschädigte P. als Krebspatient starke Medikamente bekomme, während die Medikation der Patientin H. (also die vertauschte Medikation) nicht so stark sei.
Die Angeklagte N. bestätigte zwar auch einerseits, dass sie die verwechselten Medikamente in ihrer Wirkung nicht beurteilen konnte, insbesondere auch nicht bei dem Geschädigten P., wobei sie sich eventuell schwerwiegende Folgen für den Geschädigten P. nicht habe vorstellen können. Sie erklärte, dass eine Medikamentenverwechslung möglicherweise schwerwiegende Folgen für den Geschädigten P. haben könnte, sei ihr schlichtweg nicht in den Sinn gekommen.
Diese zuletzt wiederholte Äußerung der Angeklagten N. hält die Kammer für unzutreffend und schlichtweg gelogen. Vielmehr überzeugte sich die Kammer, dass die Angeklagte N. gerade auch wegen der Falschmedikation mit einem früheren Tod des Geschädigten P. rechnete.
Maßgeblich dafür waren folgende Gesichtspunkte:
Die Angeklagte N. war – bereits nach ihren eigenen Angaben – äußerst mitgenommen und gar „schockiert“, als sie von der Medikamentenverwechslung erfuhr.
Nach den Ausführungen der Sachverständigen V.-D. war sie zudem eine äußerst erfahrene Pflegekraft, so dass bereits nach objektiven Kriterien damit zu rechnen war, dass sie die abstrakte Gefahrenlage, welche sich bei der Medikamentenverwechslung nach den Ausführungen der Sachverständigen V.-D., jedoch auch nach den Ausführungen der ärztlichen Sachverständigen Dr. S. und Professor Dr. B. geradezu aufdrängen musste, erkannte, jedoch auch mit dem Bewusstsein, dass sie die Gefahren im Konkreten nicht einschätzen konnte.
Schließlich reagierte die Angeklagte N. gegenüber dem Angeklagten P., als dieser am 07.05.2016 nachmittags drängte, einen Arzt zu holen, mit den Worten: „Spinnst du, die sperren mich ein“. Diese Aussage weist nach Überzeugung der Kammer darauf hin, dass die Angeklagte N. die Folgen der Medikamentenverwechslung letztendlich als sehr dramatisch einstufte, so dass der Schluss naheliegend ist, dass sie auch mit einem tödlichen Ausgang rechnete. Schließlich erklärte sie dem Angeklagten P. in diesem Gespräch auch, dass zu hoffen sei, dass der Geschädigte P. dann endlich sterben könne.
In der Zusammenschau dieser wesentlichen Gesichtspunkte hatte die Kammer keinerlei Zweifel, dass die Angeklagte N. den tödlichen Ernst der Gefahrenlage sofort erkannte, als sie von der Medikamentenverwechslung erfuhr. Ergänzend ist auch noch darauf hinzuweisen, dass sie der Angeklagte P. noch am selben Tag über die Zustandsverschlechterung des Geschädigten P. informierte und dieser der Angeklagten N. auch gegenüber von „Wahnsinn“ wegen der Nichtinformation eines Arztes sprach.
Die Kammer überzeugte sich auch davon, dass neben der Angeklagten N., bei welcher dies am offensichtlichsten war, auch die Angeklagten P. und D. vor allem aufgrund der schweren Erkrankung des Geschädigten P., der unbekannten Wirkungen und Nebenwirkungen dieser Medikation und schließlich aufgrund ihrer Kenntnisse durch ihre Ausbildung auch mit einer Todesgefahr für den Geschädigten P. rechneten, sofern nicht sofort ein Arzt darüber benachrichtigt würde, welcher gegebenenfalls die erforderlichen Schritte einleiten würde.
Schließlich überzeugte sich die Kammer auch davon, dass die Angeklagten den Tod des Geschädigten P. durch die bewusste Nichtverständigung eines Arztes billigend in Kauf nahmen:
Zwar bedachte die Kammer hierbei, dass nicht jede gefährliche Handlungsweise oder jedes vergleichbare Unterlassen den Schluss zulässt, dass der Erfolgseintritt gebilligt wird. Andererseits ist das Erkennen der Gefährlichkeit der Handlung oder des unterbliebenen Handelns ein starkes Indiz dafür, dass auch der Erfolg billigend, wenn auch möglicherweise wie hier als unerwünscht, in Kauf genommen wird.
Ganz wesentlich sind hierbei noch folgende zusätzliche Gesichtspunkte:
Die Aufforderung zu handeln war bei den Angeklagten N. und P. immer wieder präsent: Bei dem Angeklagten P. ist dies daran erkenntlich, dass er am 07.05.2016 die Angeklagte N. mehrmals mit der Problematik konfrontierte, dass jetzt etwas unternommen werden müsse: Nach der Schichtübergabe im 6-Augen-Gespräch fragte er, ob schon ein Arzt informiert sei. Wenige Minuten später sagte er ihr gegenüber, dass die Nichtinformation des Arztes ein Wahnsinn sei und schließlich rief er die Angeklagte N. auch noch zu Hause an. Trotzdem reagierte die Angeklagte N. – trotz der drastischen Worte des Angeklagten P. – nicht (und der Angeklagte P. auch erst zu spät).
Ganz deutlich wird die Haltung der Angeklagten N. dann, als sie in dem Gespräch mit dem Angeklagten P. auch äußerte: „hoffentlich kann er dann endlich sterben“. Auch dem Angeklagten P. wurde hierbei nochmals bewusst, was auf dem Spiele stand, nämlich der mögliche Tod des Geschädigten P. (durch die Medikamentenverwechslung). Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagten möglicherweise doch – mit guten Gründen – auf einen positiven Ausgang, d.h. letztlich nicht auch tödlichen Verlauf auf Grund der Medikamentenverwechslung gerechnet haben könnten und ein tödlicher Ausgang letztendlich als eher abwegig erschienen sei, gibt es in der Gesamtschau nach Einschätzung der Kammer nicht.
Nach Überzeugung der Kammer konnten die Angeklagten darüber hinaus mögliche Rettungschancen bei einem sofort verständigten Arzt nicht beurteilen und waren sich dessen auch bewusst, so dass sie damit rechneten, dass möglicherweise nur ein Arzt, welcher rechtzeitig informiert wurde, dem Patienten P. soweit helfen konnte, dass er nicht aufgrund der Falschmedikation versterben würde.
Hierbei waren noch folgende zusätzliche Überlegungen anzustellen:
Der Zeuge Dr. T. erklärte, dass er am Mittwoch, dem 11.05.2016, im Rahmen seiner Visite über die Medikamentenverwechslung informiert worden sei, was auch der Angeklagte P. bestätigte. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustands des Geschädigten P. habe er nicht daran gedacht, dem Geschädigten P. deswegen eine andere Behandlung zukommen zu lassen als ohne die Falschmedikation. Er habe P. als Palliativpatienten gesehen, wobei seine vorrangige Aufgabe gewesen sei, dessen Schmerzen durch entsprechende Medikamente zu lindern, was er auch getan habe.
Der Sachverständige Prof. Dr. B. führte hierzu aus, dass bei der erfolgten Falschmedikation durchaus Behandlungsmaßnahmen hätten in Erwägung gezogen werden müssen, sofern die Medikamentenverwechslung alsbald nach Eintritt bekannt geworden wäre. Hierbei wären zunächst folgende Maßnahmen zu erörtern gewesen:
Ein induziertes Erbrechen, um die Falschmedikamente auf diese Weise auszuscheiden, was jedoch bei diesem Patienten nicht ohne Narkose möglich und letztlich mit einem hohen Sterberisiko verbunden gewesen wäre. Ferner wäre daran zu denken gewesen, dem Patienten Flüssigkeit über einen Port, also eine Infusion, zu geben, wobei jedoch mit einer schnellen Überforderung des Herzens zu rechnen gewesen und somit auch das Sterberisiko sehr hoch gewesen wäre. Mit dem geringsten Risiko wäre seines Erachtens der Versuch verbunden gewesen, den Kreislauf durch Maßnahmen auf der Intensivstation zu stabilisieren, u.a. mit einer invasiven Blutdruckmessung, wobei es erforderlich gewesen wäre, den Patienten in ein Krankenhaus zu verbringen. Letztendlich stufte er das Sterberisiko für den Transport und die erforderliche Behandlung danach mit etwa 10% bis 20% ein, somit nicht von vorneherein unvertretbar.
Jedoch müssten die möglichen Behandlungen auch im Lichte der vorliegenden Patientenverfügung gesehen werden. Sofern davon auszugehen sei, dass der Geschädigte P. aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr selbst in der Lage gewesen sei seinen aktuellen Willen zu äußern, soweit es um die genannten lebensverlängernden Maßnahmen aufgrund der Medikamentenverwechslung gehe, müsse der niedergelegte Wille des Patienten in der Patientenverfügung beachtet werden. Zusammengefasst habe der Geschädigte P. keine größeren Eingriffe zur Lebensverlängerung mehr gewünscht. Daher hätte er als behandelnder Arzt letztendlich keine Indikation für die angesprochenen Maßnahmen aufgrund der Medikamentenverwechslung gesehen und weiterhin nur schmerzlindernde Palliativmaßnahmen zur Leidensminimierung für angezeigt erachtet.
Letztendlich müsse und könne solche Entscheidungen jedoch nur ein Arzt nach vollständiger Information über die Falschmedikation treffen, welcher auch über den Krankheitszustand des Patienten im Bilde sei, und keine Pflegekraft.
Auch von der Richtigkeit dieser Ausführungen überzeugte sich die Kammer aufgrund eigener Wertungen, insbesondere davon, dass es die Angeklagten nicht beurteilen konnten – und ihnen dies auch bewusst war -, ob nach der Medikamentenverwechslung mögliche ärztliche Maßnahmen lebensrettend und letztendlich – auch unter Berücksichtigung des geäußerten Willen des Patienten P. in der Patientenverfügung – medizinisch indiziert waren.
Dafür sprachen auch folgende weitere Gesichtspunkte:
Nicht ansatzweise erklärten die Angeklagten, dass sie mögliche ärztliche Gegenmaßnahmen aufgrund der Falschmedikation gekannt hätten, deren Risiko und Erfolgsaussichten sie hätten einschätzen oder gar hätten beurteilen können, ob solche Maßnahmen auch ärztlicherseits indiziert gewesen wären unter Berücksichtigung des Patientenwillens.
Unabhängig davon ließ sich die Kammer bei Beurteillung dieser Fragen insoweit von den Ausführungen der Sachverständigen V.-D. leiten, welche überzeugend klarstellte, dass nach der Ausbildung einer Pflegefachkraft diese Fragen von ihr nicht beantwortet werden können, da sie spezifisches medizinisches Fachwissen erfordern, nicht zuletzt auch Detailwissen zu den Medikamenten.
Ergänzend ist noch anzuführen, dass die Benachrichtigung eines Arztes sämtlichen Angeklagten auch zumutbar war, was diesen nach Überzeugung der Kammer auch bewusst war. Da es bei dem Geschädigten P. um Leben und Tod ging, mussten die Angeklagten alles ihnen Mögliche unternehmen, um dem Geschädigten P. zu helfen, sofern nicht eigene Gefahren für Leib oder Leben in die Waagschale fielen, was hier eindeutig nicht der Fall war.
Selbst die Angeklagte D. ließ sich insoweit ein, dass ihr klar und auch damals klar gewesen sei, dass das Patientenwohl der insoweit falschen Weisung einer Vorgesetzten vorgehe. Letztendlich berücksichtigte die Kammer durchaus, dass die Angeklagten naheliegend arbeitsrechtliche Konsequenzen aufgrund der Medikamentenverwechslung befürchteten und auch strafrechtliche Ermittlungen. Dies sind jedoch keinerlei Gesichtspunkte, welche ein gebotenes Handeln im vorliegenden Fall unzumutbar erscheinen liesen.
5. Alle Angeklagten handelten mit Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2, 9. Alternative StGB:
Die Angeklagten unterließen es nach Überzeugung der Kammer bei Bekanntwerden der Medikamentenverwechslung einen Arzt herbeizurufen, um gerade die vorhergegangene Fehlmedikation zu vertuschen.
Wesentlich hierfür waren nach Einschätzung der Kammer folgende Umstände:
Die Angeklagte D. erklärte in ihrer Einlassung, dass seit diesem Vorfall am 07.05.2016 ihr Gewissen aufs Stärkste belastet gewesen sei. Selbst ihrem Ehemann habe sie das nicht erzählen können, weil sie einfach nur Angst wegen ihres Fehlverhaltens und einer möglichen Entlassung gehabt habe. Auf Nachfrage erklärte sie hierzu, dass diese Entlassung durchaus auch schon Gesprächsthema bei der Medikamentenübergabe gewesen sein könne, sie sich jedoch daran jetzt nicht erinnere.
Der Angeklagte P. gab hierzu an, dass die Angeklagte N. ihm gegenüber gesagt habe, als er sie nach dem 6-Augen-Gespräch am 07.05.2016 gegen 14.30 Uhr nochmals kurz angetroffen und angesprochen habe, wobei er ihr gegenüber erklärt habe, dass dies eigentlich der Wahnsinn sei, was da passiert sei und dass dies unbedingt gemeldet werden müsse, dass sie das nicht wolle, da die Angeklagte D. auch noch in der Probezeit sei und ihr das schaden würde.
Der Kammer ist hierbei bewusst, dass die Angeklagte N. in der Hauptverhandlung versuchte, das Motiv für ihr Nichthandeln, d.h. die unterlassene Information eines Arztes, anders darzustellen:
Der Gedanke, einen Arzt zu benachrichtigen, sei ihr zunächst schlichtweg nicht gekommen. Denn sie sei davon ausgegangen, dass die Fehlmedikation für den Geschädigten P. schon nicht so schlimm sein werde. Sie habe zunächst einfach abwarten wollen.
Andererseits bestätigte sie auch, dass sie in der von ihr handschriftlich verfassten Erklärung vom 17.05.2016, welche sie dem Landratsamt D.- L. zukommen ließ, nachdem sie nach dem Tod des Geschädigten P. der Heimleiterin, der Zeugin A., die stattgefundene Medikamentenverwechslung eingeräumt hatte, geschrieben habe, dass es ihr sehr leidtue, dass sie deswegen nicht sofort einen Arzt verständigt habe. Sie habe Frau D. schützen wollen, damit sie sie deswegen nicht verlieren würden. Wie oben bereits diskutiert wurde, erklärte die Angeklagte N. hierzu, dass sie halt einfach was geschrieben habe, ohne dass diesen Ausführungen eine größere Bedeutung zukomme.
Bei einer Gesamtschau ergab sich jedoch nach Überzeugung der Kammer zweifellos, dass die Medikamentenverwechslung von allen drei Angeklagten verschwiegen wurde, da sie vor allem auch arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchteten, vor allem für die Angeklagte D. als die vermeintlich Verantwortliche für die Medikamentenverwechslung. Die Kammer überzeugte sich jedoch auch davon, dass die Angeklagte N. auch für sich selbst mit entsprechenden Konsequenzen rechnete, da sie, wie sie ja selbst eingestand (auch dies wurde bereits oben ausgeführt) Fehler bei der Medikamentenvergabe machte, da sie, auch wenn sie nicht selbst die Medikamente verwechselt haben sollte, die Medikamente für die Patienten H. und P. jeweils entgegen den Regularien in unbeschriftete Becher gab und somit die Medikamentenverwechslung förderte.
Letztendlich war nach Einschätzung der Kammer allen drei Angeklagten bewusst, dass die falschen Medikamente bei dem Geschädigten P. zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, die so nicht „gewünscht“ waren, da die Medikamente ja nicht ärztlicherseits für den Patienten P. verschrieben waren. Auch wenn die Angeklagten möglicherweise nicht selbst den Schluss ziehen konnten, dass durch die Falschmedikation der Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung erfüllt war, so kannten sie nach Überzeugung der Kammer doch die Umstände der Tat, welche diese als fahrlässige Körperverletzung qualifizierten. Selbst wenn die Angeklagten möglicherweise letztendlich hauptsächlich arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchteten, so wollten sie doch gerade diese Tat vertuschen, die neben arbeitsrechtlichen Konsequenzen auch strafrechtliche Konsequenzen – auch dies war nach Überzeugung der Kammer den Angeklagten bewusst – befürchten ließ. Insoweit handelten sie absichtlich, da die Nichtinformation eines Arztes nach Überzeugung der Kammer den einzigen Grund darin hatte, den Fehler, der in der Medikamentenverwechslung lag, zu vertuschen.
Nochmals erwog die Kammer, ob nicht auch andere plausible Gründe für die Nichtinformation eines Arztes in Betracht kamen, fand jedoch letztlich keine anderen überzeugenden Motive. Wie bereits ausgeführt wurde, hält es die Kammer für absolut abwegig, dass die Angeklagte N. keinen Arzt informierte, weil ihr der Gedanke dazu gar nicht gekommen sei. Vielmehr überzeugte sich die Kammer davon, dass die Angeklagte N., wie auch die beiden anderen Angeklagten, die potentielle Gefährlichkeit der Medikamentenverwechslung bei dem Geschädigten P. sofort erkannten. Auch dies wurde oben bereits ausführlich dargestellt.
6. Alle Angeklagten waren voll schuldfähig:
Die Angeklagten D. und P. trugen vor, dass sie zur Tatzeit in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen seien.
Zwar hoben sie die erhebliche Arbeitsbelastung im Alten- und Pflegeheim St. A. in M. gerade auch zur Tatzeit hervor. Ferner verwies die Angeklagte D. auch darauf, dass sie zur Tatzeit einer erheblichen familiären Belastung durch die Erkrankung ihrer Schwiegermutter ausgesetzt gewesen sei und darüber hinaus erst nach vielen Jahren Elternzeit mit der Arbeit in ihrem erlernten Beruf als Altenpflegerin begonnen habe. Trotzdem hoben die beiden Angeklagten D. und P. – formuliert durch ihre Verteidiger – hervor, dass es keinerlei Gründe gebe, dass sie in ihrer Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen sein könnten.
Letztendlich hatte auch die Kammer für eine verminderte Schuldfähigkeit bei den Angeklagten D. und P. keinerlei Anhaltspunkte.
Jedoch auch bei der Angeklagten N. konnten letztendlich nach Überzeugung der Kammer keinerlei Gesichtspunkte gefunden werden, dass sie in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert oder gar aufgehoben gewesen sein könnte.
Letztendlich war es auch nicht erforderlich insoweit das beantragte psychiatrische Sachverständigengutachten einzuholen, da aufgrund der vorliegenden Umstände nach Überzeugung der Kammer bei der Angeklagten N. von einer unverminderten Schuldfähigkeit zur Tatzeit auszugehen war.
Für diese Einschätzung waren folgende Gesichtspunkte wesentlich:
Die Kammer war sich zunächst bewusst, dass sie die Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten N. nach § 20 StGB in eigener Verantwortung zu beurteilen hat. Es handelt sich insoweit um eine Rechtsfrage, die vor dem Hintergrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter zu beantworten ist.
In der Hauptverhandlung ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass die Angeklagte N. in geistiger Hinsicht von der Norm abweichen könnte. Dies konnte die Kammer aufgrund der Beobachtung der Angeklagten N. in der Hauptverhandlung aufgrund des medizinischen Allgemeinwissens, welche die Kammer hat, selbständig beurteilen.
Letztendlich hatte die Kammer jedoch auch noch zusätzliche Besonderheiten, welche bei der Angeklagten N. zur Tatzeit vorlagen, in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, wobei die Kammer, wiederum nach medizinischem Allgemeinwissen der Kammer und zusätzlicher Beratung durch die Sachverständige Dr. G. R., der forensischen Toxikologin, zu dem Ergebnis gelangte, dass bei der Angeklagten N. zur Tatzeit keine wesentlichen Beeinträchtigungen der Steuerungsfähigkeit (und erst recht nicht der Einsichtsfähigkeit) vorlagen. Bei dieser Beurteilung kam der Kammer auch der erhebliche Erfahrungsschatz zugute, welchen die Kammer sich im Umgang mit psychiatrischen Fragestellungen aneignen konnte, da es zu den Aufgaben der Kammer gehört, über die Fortdauer der Unterbringung nach § 63 StGB von Patientinnen der Forensik im Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen/Vils zu entscheiden.
Letztendlich ging die Kammer von folgender Prüfungsreihenfolge aus:
Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit der Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (BGH, Urteil vom 01. Juli 2015 – 2 StR 137/15 sowie stRspr.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei der Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. In der Folge sind sodann der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Leistungsfähigkeit des Täters zu untersuchen.
Die Kammer hatte sich insoweit mit den krankhaften Beschwerden der Angeklagten N. auseinanderzusetzen und der dazugehörigen Medikamentierung, wie sie von dieser vorgetragen wurde, wobei insbesondere auf den Entlassungsbericht der Klinik Bad A. vom 10.02.2016 für die Deutsche Rentenversicherung verwiesen wurde.
Insbesondere ließ die Angeklagte N. von ihrem Verteidiger für sich vortragen, dass sie zum Tatzeitpunkt an einer Vielzahl von schmerzhaften Beschwerden gelitten habe, insbesondere an einer rheumatoiden Arthritis, einem Fibromyalgie-Syndrom, einem chronischen zervicobrachialem Syndrom, einem chronischen lumboischialgiformen Syndrom, einer Omarthrose rechts, einer beidseitigen Sprunggelenksarthrose, einem metabolischen Syndrom sowie einer Niereninsuffizienz und auch an einer depressiven Verstimmung. Zur Medikation wurde des Weiteren angegeben, dass die Medikamente Lyrica 50 mg, Novaminsulfon sowie Tilidin 100 mg, ein Opioid zur Behandlung starker und stärkster Schmerzzustände, verordnet worden seien. Des Weiteren erklärte die Angeklagte N., dass sie das Medikament Lyrica schon bald nach der Entlassung aus dem Reha-Zentrum Bad A., welche am 02.02.2016 erfolgt sei, abgesetzt habe, wovon sich auch die Kammer überzeugte. Dafür habe sie jedoch regelmäßig das Medikament Bromazepam konsumiert, welches sie schon über einen sehr langen Zeitraum einnehme.
Für die Kammer auffallend war hierbei, dass von der Angeklagten N. fast ausschließlich körperliche Beschwerden vorgetragen wurden, welche nach Einschätzung der Kammer für sich gesehen in der Regel keinen Einfluss auf die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten im Sinne der §§ 20, 21 StGB gehabt haben können. Jedoch berücksichtigte die Kammer auch die vorgetragene Medikamentierung, insbesondere mit Schmerztabletten und auch Stimmungsaufhellern, welche von der Sachverständigen Dr. R. im Einzelnen hinsichtlich ihrer möglichen Wirkungen und Nebenwirkungen gewürdigt wurden, ebenso auch den Umstand, dass die Angeklagte zur Tatzeit eine depressive Verstimmung vortragen ließ.
Zu den von der Angeklagten N. eingenommene Medikamenten erläuterte die Sachverständige Dr. R. Folgendes:
Das Medikament Lyrica wirke zentral dämpfend und könne zu Ermüdungen führen. Im besonderen sei jedoch zu berücksichtigen, dass die eingenommene Tagesdosis von 50 mg im niedrigen therapeutischen Bereich liege und zudem nach längerfristigem Gebrauch auch eine Gewöhnung eintrete, so dass auch die Nebenwirkungen in ihrer Intensität nachließen. Letztendlich hatte die Kammer in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass die Angeklagte N. ja selbst angab, das Medikament Lyrica schon bald nach der Entlassung aus dem Reha-Zentrum Bad A. abgesetzt zu haben. In diesem Falle, so die Sachverständige Dr. R., könne das Medikament Lyrica keine Auswirkungen mehr zum Tatzeitpunkt gehabt haben. Auch davon überzeugte sich die Kammer.
Das Medikament Tilidin wirke auch zentral dämpfend, wobei die angegebene Dosierung 100 mg im mittleren therapeutischen Bereich liege. Als Nebenwirkungen seien Müdigkeit und auch Schwindel zu erwähnen, so die Ausführungen der Sachverständigen Dr. R.. Grundsätzlich sei jedoch davon auszugehen, dass das Medikament eine eher wenige potente Wirkung entfalte.
Das Medikament Novaminsulfon sei ein starkes Schmerzmittel, wirke jedoch nicht zentral und habe somit auf die Psyche bzw. Symptome wie Müdigkeit oder dergleichen keinen Einfluss.
Zu dem Medikament Bromazepam führte die Sachverständige Dr. R. aus, dass dieses Medikament ein Tranquilizer aus der Gruppe der Benzodiazepine sei, welches eine angstlösende Wirkung habe und auch gegen Schlafstörungen wirke. Grundsätzlich könne damit auch eine verminderte Aufmerksamkeit einhergehen. Jedoch, so die Sachverständige Dr. R., sei auch hier zu berücksichtigen, dass die Angeklagte N. angegeben habe, dass sie dieses Medikament bei Bedarf schon über einen sehr langen Zeitraum einnehme, mithin über viele Monate, wobei sich die Kammer auch von der Richtigkeit dieser Einlassung der Angeklagten N. überzeugte. Bei regelmäßiger Einnahme, so die Sachverständige Dr. R., sei auch davon auszugehen, dass sich die Angeklagte an die genannten Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen gewöhnt habe, so dass diese dann in der Regel keine gravierenden Auswirkungen mehr hätten.
In diesem Zusammenhang hatte die Kammer auch zu würdigen, dass die Angeklagte selbst angab, dass sie am Morgen des 07.05.2016 nicht mehr die Auswirkungen der Einnahme des Medikaments Bromazepam vom Vorabend verspürt habe.
Schließlich war für die Kammer auch wesentlich, dass die Mitangeklagten P. – und D. H. auf mehrmalige und intensive Nachfrage übereinstimmend, nach Überzeugung der Kammer absolut plausibel und glaubhaft, erklärten, dass die Angeklagte N. nach ihrer Einschätzung am – in keiner Weise dadurch aufgefallen sei, dass sie unkonzentriert oder sonst „neben der Spur“ gewesen sei. Vielmehr sei sie bestimmend aufgetreten, wie es auch ansonsten ihre Art gewesen sei.
Die Angeklagte N. selbst erläuterte, dass sie sich ganz genau an die Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Medikamentenverwechslung erinnern könne. Sie sei sich vollkommen sicher, dass sie die fraglichen Medikamentenbecher nicht verwechselt habe und zweifellos auf die zutreffenden beschrifteten Tablettendispenser abgestellt habe, nämlich den Becher mit den Tabletten für den Patienten P. auf dessen Dispenser und den Becher mit den Tabletten für die Patientin H. auf deren Dispenser, wobei dann die Angeklagte D. die Medikamentenbecher genommen und eben bei der Verabreichung verwechselt habe. Auf Nachfrage erklärte sie, sich absolut sicher zu sein, dass es keine Gründe gebe, dass sie in ihrer Erinnerungsfähigkeit irgendwie eingeschränkt gewesen sein könnte. Auch habe sie bei der Bereitstellung der Tabletten nicht irgendwie versehentlich falsch gehandelt. Sie habe das vielmehr ganz zuverlässig so gemacht und sei dabei auch nicht irgendwie beeinträchtigt gewesen.
Letztendlich gelangte die Kammer unter Würdigung der Aussagen der Angeklagten N. selbst sowie aufgrund der Befragung der Mitangeklagten hierzu und auch aufgrund der sonstigen Beweisaufnahme zu dem eindeutigen Ergebnis, dass keinerlei tragfähigen Anhaltspunkte bestehen, dass die Angeklagte N. in ihrer Leistungsfähigkeit zur Tatzeit im Zusammenhang mit den ihr gemachten Tatvorwürfen dergestalt beeinträchtigt gewesen sein könnte, dass von dem Vorliegen eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB und relevanten Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit (oder gar Einsichtsfähigkeit) ernsthaft ausgegangen werden könnte.
Nochmals ist folgendes hervorzuheben:
Die Angeklagte selbst spricht davon, dass sie ganz sicher die Medikamente nicht verwechselt habe, da sie nicht irgendwie in ihrer Konzentration oder dergleichen eingeschränkt gewesen sei. Im Übrigen könne sie sich auch an die Vorgänge ohne Einschränkungen erinnern. Die von der Angeklagten N. tatzeitnah eingenommenen Medikamente lassen nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. R. eine wesentliche Beeinträchtigung der Angeklagten Nabatirov damals auch nicht ohne weiteres erwarten, da die Medikamente nur zum Teil auf das zentrale Nervensystem wirkten, die Dosen auch nicht allzu hoch waren und auch von einem Gewöhnungseffekt auszugehen war. Auch die Kombination und Verschiedenartigkeit der eingenommenen Medikamente, so die Sachverständige Dr. R., lasse in der Regel bei der Angeklagten N. zum Tatzeitpunkt für sich gesehen keine größeren Beeinträchtigungen erwarten. Die Kammer hatte insoweit keinerlei Anhaltspunkte an den Ausführungen der Sachverständigen Dr. R. zu zweifeln und macht sich diese Erkenntnisse aufgrund eigener Wertung und Überzeugungsbildung vollumfänglich zu eigen. Schließlich ist auch hervorzuheben, dass die Mitangeklagten D. H. und P. – auf ausdrückliche Fragen keine Ausfallserscheinungen bei der Angeklagten N. zur Tatzeit feststellen konnten. Ebensowenig wurden solche von anderen der vernommenen Zeugen behauptet. Die Angeklagte N. selbst sprach zwar auf Nachfrage immer wieder von erheblichen Schmerzen und Krankheitsbildern, wobei sie jedoch im Wesentlichen über eine äußerst angeschlagene Gesundheit hervorgerufen durch physische Beschwerden klagte, wobei sie bisher nach ihren Angaben eine gesonderte psychiatrische oder psychologische Behandlung, welche über einen Behandlungstermin hinausgegangen wäre, mit Ausnahme der Verschreibung von entsprechenden Medikamenten, noch nie in Anspruch genommen habe. Ihr eigenes Nachtatverhalten schilderte die Angeklagte N. im Zusammenhang mit der Übergabebesprechung und der Information des Angeklagten P. einschließlich Verhaltensmaßregeln als nach Beurteilung der Kammer geordnet und umsichtig. Anhaltspunkte für Einschränkungen offenbarten sich auch darin in keiner Weise.
Somit lag nach Überzeugung der Kammer bei der Angeklagten N. zur Tatzeit kein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB vor, ebenso keine wesentliche Beeinträchtigung in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB.
7. Abschließende Bemerkungen:
a) Die Medikamentenverwechslung gegenüber dem Geschädigten P.:
Der festgestellte Sachverhalt hierzu ergab sich nach Überzeugung der Kammer aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Angeklagten N. und D., wobei, wie bereits ausgeführt wurde, sich die Kammer nicht davon überzeugen konnte, wer für die eigentliche Medikamentenverwechslung verantwortlich war, nämlich ob dies die Angeklagte D. oder die Angeklagte N. war.
b) Schichtübergabe am 07.05.2016 sowie das darauf folgende 6-Augen-Gespräch in Anwesenheit sämtlicher Angeklagter; Kommunikation zwischen der Angeklagten N. und dem Angeklagten P. am 07.05.2016:
Wie oben bereits ausgeführt wurde, folgte die Kammer hierzu den Ausführungen des Angeklagten P., da dessen Schilderungen plausibel und glaubhaft erschienen und der Angeklagte P. insoweit glaubwürdig.
c) Benachrichtigung der SAPV am 07.05.2016 und Untersuchung des Geschädigten P. durch den Zeugen Dr. U. am 09.05.2016 Die Zeugin G. bestätigte an Hand ihrer Unterlagen, dass sie am 07.05.2016 gegen 15:21 Uhr von einem Pfleger telefonisch über die Zustandsverschlechterung des Patienten P. informiert worden sei, wobei sie selbst als Krankenschwester für den SAPV gearbeitet habe. Auch bei einem späteren Telefonat am selben Tag und selbst als sie persönlich gegen 19:00 Uhr den Patienten P. aufgesucht habe, sei nie von einer Medikamentenverwechslung die Rede gewesen. So habe sie auch bei dem Besuch gegen 19:00 Uhr lediglich versucht die auffälligen Befunde des Patienten P. zu lindern, indem sie unter anderem dem stark schwitzenden Patienten eine dünnere Zudecke gegeben und das Zimmer gelüftet habe.
Von der Richtigkeit dieser Angaben überzeugte sich die Kammer, da sie auch mit der Einlassung des Angeklagten P. ohne weiteres in Einklang zu bringen waren.
Schließlich gab der Zeuge Dr. U. an, dass er den Patienten P. am 09.05.2016 untersucht und behandelt habe, ohne von irgendjemandem auf eine Medikamentenverwechslung hingewiesen worden zu sein. Auch davon überzeugte sich die Kammer. Der Angeklagte P. hatte hierzu übereinstimmend ausgesagt, dass er am 09.05.2017 die Arztpraxis über die Zustandsverschlechterung informiert habe, ohne jedoch die Medikamentenverwechslung zu erwähnen.
d) Todesbescheinigung für den Geschädigten P.:
Der Zeuge Dr. U. bestätigte, dass er als Leichenschauer dem am 14.05.2016 Verstorbenen P. eine natürliche Todesursache bescheinigte. Er führte hierzu aus, dass er damals von der Medikamentenverwechslung nichts gewusst habe. Im Nachhinein, nach Kenntnis dieser Fehlmedikation, sei er zu dem Entschluss gekommen, dass von einer ungeklärten Todesursache auszugehen sei. Dies habe er auch dem Landratsamt D. mit Schriftsatz vom 20.05.2016 mitgeteilt.
Der Leichnam war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits verbrannt. Diesbezüglich, wie bereits ausgeführt, wies auch der Sachverständige Prof. Dr. B. darauf hin, dass die genaue Todesursache nicht mehr festgestellt werden könne und lediglich Plausibilitätsbetrachtungen insoweit möglich seien, da der Leichnam verbrannt worden sei und somit nicht habe obduziert werden können.
e) Geständige Einlassung der Angeklagten N. gegenüber der Zeugin A. und dem Landratsamt D.- L.:
Die Kammer überzeugte sich letztendlich davon, dass die Angeklagte N. zwar erst nach dem Tod des Geschädigten P. der Heimleiterin A. und in der Folge gegenüber dem Landratsamt D.- L., aber insoweit „aus freien Stücken“, mitteilte, dass es am 07.05.2016 gegenüber dem mittlerweile Verstorbenen P. zu einer Medikamentenverwechslung kam, wobei sie auch wegen der verspäteten Information Verantwortung übernahm.
Die Angeklagte N. selbst erklärte hierzu, dass sie ab Montag, den 09.05.2016, eine Woche Urlaub gehabt und erst nach Rückkehr aus ihrem Urlaub erfahren habe, dass der Geschädigte P. zwischenzeitlich verstorben sei. Es wurde von ihr niemals behauptet, dass sie zu Lebzeiten des Geschädigten P. einen Arzt oder andere Personen über die Medikamentenverwechslung informiert habe, mit Ausnahme des Angeklagten P. in dem 6-Augen-Gespräch am 07.05.2016. Jedoch räumte sie ein, dass sie wohl am 17.05.2016 die Heimleiterin des Alten- und Pflegewohnheims St. A., nämlich die Zeugin A., über die Medikamentenverwechslung unterrichtet habe.
Während die Angeklagte N. zu diesem Gespräch mit der Heimleiterin keine Details erwähnte, erklärte die Heimleiterin A., dass sie sich nach dem Tod des Patienten P. am 14.05.2016 die Verlaufsberichte und Dokumentationen des Verstorbenen näher angesehen habe. Hierbei habe sie den Eindruck gehabt, dass die Berichte zum Teil unvollständig seien, da beispielsweise in dem Vitalblatt zu wenige Daten wie etwa Blutdruckmessungen eingetragen seien. Sie habe daher die Angeklagte N. zur Rede gestellt. Diese habe ihr dann wohl am 17.05.2016 offenbart, dass die Angeklagte D. am 07.05.2016 die Medikamente verwechselt habe, dass weiterhin der Angeklagte P. in die Medikamentenverwechslung eingeweiht worden sei, sie jedoch keinen Arzt informiert hätten.
Letztendlich konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, da auch die Zeugin A. dies nicht so bestätigte, dass dieser bereits vor Unterrichtung der Angeklagten N. die Medikamentenverwechslung bekannt war oder sie etwa einen diesbezüglichen Verdacht hatte.
Die Zeugin A. schilderte weiter, dass die Angeklagte N. als Folge des gemeinsamen Gesprächs am 17.05.2016 dem Landratsamt gegenüber als Träger des Alten- und Pflegeheims St. A. die Medikamentenverwechslung in einem handgeschriebenen Brief einräumte und auch dafür Verantwortung übernahm. Dies wurde von der Angeklagten N. auch so bestätigt.
E.
Rechtliche Würdigung:
I.
Die Angeklagten D., N. und P. machten sich jeweils schuldig des versuchten Mordes nach den §§ 211 Abs. 1, Abs. 2, 9. Alternative, 13 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, Abs. 2 StGB.
Ausgangspunkt für diese rechtliche Würdigung war, dass alle Angeklagten davon Kenntnis erlangten, dass der Geschädigte P. versehentlich am 07.05.2016 im Rahmen der Essensausgabe falsche, d.h. nicht ärztlicherseits verordnete Medikamente erhielt. Es versteht sich hierbei auch von selbst, dass diese Medikamente, welche für die Patientin H. bestimmt waren, für den Geschädigten P. nicht ärztlich indiziert waren, welcher aufgrund seiner Multimorbidität und dazu als Palliativpatient völlig andere Medikamente benötigte. Darüber hinaus handelte es sich bei der Falschmedikation auch durchaus um Medikamente mit einer nicht vernachlässigbaren Potenz, wobei hierzu nochmals auf die Medikamentenbeschreibung verwiesen wird, welche von der Sachverständigen Dr. R. vorgenommen wurde. Insbesondere die blutdrucksenkende Wirkung des Medikaments Valsartan war für den Geschädigten P. kontraindiziert, stellte somit für ihn eine Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar.
Da es unabsichtlich zur Medikamentenverwechslung kam, lag insoweit eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB vor. Die schädlichen Nebenwirkungen durch die Falschmedikation waren vorhersehbar und vermeidbar, letzteres dadurch, dass bei der Medikamentenvergabe sorgfältiger vorgegangen würde. Zur Medikamentenverwechslung wäre es nach Überzeugung der Kammer bereits dann nicht gekommen, wenn hierzu keine unbeschrifteten Becher verwendet worden wären, wobei auch die Angeklagte N. diesbezüglich anmerkte, dass diese Vorgehensweise nicht den Regularien entsprochen habe (auf obige Ausführungen wird verwiesen).
Die Angeklagten verschwiegen entsprechend den Ausführungen in der Beweiswürdigung die Medikamentenverwechslung, um daraus resultierende Nachteile zu vermeiden, welche naheliegend beruflicherseits zu erwarten waren, jedoch auch in strafrechtlicher Hinsicht.
Auch wurde bereits erörtert, dass sämtliche Angeklagte damit rechneten, dass durch die Falschmedikation möglicherweise tödliche Folgen für den Geschädigten P. nur durch die unverzügliche Information eines Arztes hätten vermieden werden können, welcher bei vollständiger Information in der Lage gewesen wäre die für die Lebensrettung notwendigen Maßnahmen durchzuführen.
Die Garantenpflicht aller drei Angeklagten wurde bereits erörtert, wobei neben der Garantenpflicht der drei Angeklagten gegenüber dem Geschädigten P. aufgrund des Pflegevertrages auch noch besonders auf die Garantenpflicht der Angeklagten N. hingewiesen wird, die dadurch zustande kam, dass sie die Medikamentenverwechslung durch die Verwendung von unbeschrifteten Bechern, in welchen die Medikamente zum Geschädigten P. gebracht wurden, förderte.
II.
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass bei keinem der Angeklagten ein Rücktritt im Sinne des § 24 StGB vom Versuch des Mordes vorliegt.
Hierbei war zu diskutieren, ob sich die Angeklagten „freiwillig und ernsthaft“ bemühten, die Vollendung der Tat zu verhindern.
Ausgangspunkt der Prüfung war hierbei die Frage, ob ein unbeendeter oder beendeter Versuch anzunehmen war, wobei diese Abgrenzung grundsätzlich nicht offen bleiben darf (3 StR 472/99; 3 StR 177/01).
Jedoch stellt der BGH den Versuch des Unterlassungsdelikts dem beendeten Versuch des Begehungsdelikts gleich (Thomas Fischer, StGB, § 24 RNr. 14 d; BGH 48, 147 ff), wobei sich letztlich auch die Kammer dieser Sichtweise anschloss.
Im vorliegenden Fall war die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen, da zunächst die Angeklagten D. und N. und nach dem 6-Augen-Gespräch noch zusätzlich der Angeklagte P. als tatbeteiligt anzusehen waren, somit mehrere an der Tat beteiligt waren.
Für einen Rücktritt hätten sich die Angeklagten freiwillig und ernsthaft bemühen müssen, die Vollendung der Tat zu verhindern, um Straflosigkeit wegen versuchten Mordes zu erlangen.
Hierbei war zu differenzieren:
Von der Angeklagten D. gab es unzweifelhaft – bereits nach ihren Angaben – keinerlei Bemühen in dieser Richtung, da sie sich an die Weisung der Angeklagten N. hielt, nichts zu unternehmen.
Die Angeklagte N. äußerte sich demgegenüber, dass sie zwar selbst keinen Arzt benachrichtigt und schon gar nicht über die Medikamentenverwechslung informiert habe. Sie habe dem Angeklagten P. in dem 6-Augen-Gespräch nach der Schichtübergabe jedoch mitgeteilt, dass er sich selbst einen Eindruck verschaffen und ggf. einen Arzt verständigen möge. In dem Telefonat mit dem Angeklagten P. am 07.05.2016 nachmittags gegen 15.30 Uhr, in welchem ihr mitgeteilt worden sei, dass der Blutdruck des Geschädigten P. sehr niedrig sei, habe sie dem Angeklagten P. geantwortet, er möge Dr. U. oder den SAPV anrufen. Sie sei nunmehr davon ausgegangen, dass ein Arzt verständigt werde.
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, glaubte die Kammer diesen Angaben der Angeklagten N. nicht, da sie im Widerspruch zu den Angaben des Angeklagten P. stehen, nach welchen die Angeklagte N. ihm insbesondere aufgetragen habe „die Klappe zu halten“.
Die Angeklagte N. erklärte des Weiteren, dass sie davon ausgehe, dass der Angeklagte P. sie am 07.05.2016 gegen 20.30 Uhr noch darüber informiert habe, dass Herr Dr. U. auch dagewesen, zumindest aber informiert worden sei und dieser mitgeteilt habe, man würde nichts weiter unternehmen.
Auch diese Angaben hält die Kammer für gelogen, da der Angeklagte P. ein entsprechendes Gespräch nicht bestätigen konnte, ebenso wenig der Zeuge Dr. U..
Letztendlich bleibt bei der Angeklagten N. noch anzuführen, dass sie erläuterte, dass sie dann ab Montag, also dem 09.05.2016, für eine Woche Urlaub gehabt und erst nach Rückkehr aus ihrem Urlaub erfahren habe, dass der Geschädigte P. zwischenzeitlich verstorben sei.
Ein – wie vom Gesetz verlangt – freiwilliges und ernsthaftes Bemühen im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2 StGB, konnte die Kammer bei der Angeklagten N. daher weit und breit nicht erkennen.
Bei dem Angeklagten P. war hierbei zu berücksichtigen, dass seine Bemühungen um den Geschädigten P. zwar umfassender waren, da er – entsprechend seinen Ausführungen – die Angeklagte N. anrief und über die Entwicklung des Gesundheitszustands des Geschädigten P. informierte, ferner den SAPV benachrichtigte, am Montag darauf auch in der Praxis Dr. U./Dr. T. anrief, was zur Folge hatte, dass Dr. U. den Patienten P. am selben Tag behandelte, und schließlich dem zuständigen Hausarzt Dr. T. bei der Visite am 11.05.2016 auch von der Medikamentenverwechslung erzählte.
In diesem Zusammenhang war zu sehen, dass der Angeklagte P. erst nach 4 Tagen die Medikamentenverwechslung offenbarte, nachdem sich der Gesundheitszustand des Geschädigten P. schon erheblich verschlechtert hatte. Der Angeklagte P. führte hierzu aus, dass er durchaus seine Verantwortung gekannt habe. Aber er habe sich von der Angeklagten N. stark eingeschüchtert gefühlt und dann auch irgendwann das Gefühl gehabt, dass es jetzt schon zu spät sei.
Von einem freiwilligen und ernsthaften Bemühen im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2 StGB kann bei dem Angeklagten P. – gerade auch unter Berücksichtigung seines Rücktrittshorizonts (“es sei jetzt schon zu spät“) – nicht ausgegangen werden.
Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass sich Rücktrittsbemühungen eines Beteiligten grundsätzlich nicht auf die Versuchsstrafbarkeit anderer Beteiligter auswirken (Thomas Fischer, StGB, § 24 RNr. 37), so dass die Bemühungen des Angeklagten P. der Angeklagten N. grundsätzlich eh nicht angerechnet werden könnten.
Somit kann weder bei dem Angeklagten P., bei der Angeklagten D. und auch schon gar nicht bei der Angeklagten N. davon ausgegangen werden, dass sie vom Versuch des Mordes zurückgetreten seien.
F.
Strafzumessung:
I.
Strafrahmen:
Der Strafrahmen wurde bei allen drei Angeklagten der Strafvorschrift des § 211 Abs. 1 StGB entnommen, welcher für den Mord eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht.
Jedoch wurde dieser Strafrahmen bei allen drei Angeklagten zweimal nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert, nämlich nach § 13 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB und zum weiteren nach § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB, so dass für alle drei Angeklagten ein Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 11 Jahren 3 Monaten zur Verfügung stand.
Dagegen kam eine weitere Milderung nach § 23 Abs. 3 StGB nicht in Betracht, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.
Die Kammer machte von ihrem Ermessen Gebrauch und milderte die Strafe nach § 13 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB.
Wesentlich dafür war eine wertende Gesamtbetrachtung (Thomas Fischer, StGB, § 13 RNr. 100). Die Kammer überzeugte sich davon, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Unterlassens im vorliegenden Falle geringer war, als der des aktiven Tuns.
Des Weiteren hielt es die Kammer für gerechtfertigt, den Versuch im vorliegenden Falle milder zu bestrafen als die vollendete Tat nach den § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB. Hierfür war ganz wesentlich, dass sich die Kammer davon überzeugte, entsprechend den Ausführungen in der Beweiswürdigung, dass, selbst wenn nachgewiesen worden wäre, dass die Medikamente todesursächlich für den Geschädigten P. waren, erfolgversprechende medizinische Gegenmaßnahmen trotzdem nicht veranlasst gewesen wären, da diese dem mutmaßlichen Patientenwillen, welcher in der Patientenverfügung geäußert wurde, widersprochen hätten.
Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 StGB lagen dagegen zweifellos nicht vor, da von einem groben Unverstand nicht ausgegangen werden kann. Ein grober Unverstand liegt vor, wenn der Täter dem Versuch auf der Grundlage einer „völlig abwegigen Vorstellung von gemeinhin bekannten Ursachen“ eine Verwirklichungsaussicht einräumt. Davon kann jedoch im vorliegenden Falle keine Rede sein. Die Falschmedikation kann – gemäß obigen Ausführungen – plausibel zum Tod des Geschädigten P. geführt haben. Auch der Umstand, dass letztendlich wirksame medizinische Gegenmaßnahmen nicht mehr indiziert waren, konnte nur von einem sachkundigen Mediziner beurteilt werden.
II.
Eigentliche Strafzumessung:
1. Bei der Angeklagte N.:
Zu Gunsten der Angeklagten N. sprachen im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte:
Die Angeklagte N. ist bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
Ferner befand sie sich in dieser Sache bereits einige Tage in der Justizvollzugsanstalt in A. in Untersuchungshaft, wobei diese Untersuchungshaft auch für sie ein sehr einschneidendes Ereignis war. Die Kammer berücksichtigte darüber hinaus, dass die lange Verfahrensdauer für die Angeklagte äußerst belastend war – die Tat liegt bereits 3 Jahre zurück -, vor allem, weil sie auch während dieser Zeit noch unter dem Eindruck der erlittenen Untersuchungshaft stand.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagte N. bereits aufgrund des ihr vorgeworfenen Sachverhalts berufliche Einschränkungen in Kauf nehmen musste. So wurde sie vom Landratsamt D.- L. als Träger des Pflegeheims ab dem 01.07.2016 als Assistenzkraft in die kommunale Jugendarbeit des Landratsamts versetzt, wobei sie auch finanzielle Einbußen in Höhe von etwa 600,- EUR monatlich erlitt.
Zu Gunsten der Angeklagten war auch zu berücksichtigen, dass sie alsbald nach dem Tod des Geschädigten P. – wie auch bereits ausgeführt wurde – der Heimleiterin, der Zeugin A. gegenüber, die Medikamentenverwechslung gestand, wobei sich die Kammer hierbei überzeugte, dass diese Medikamentenverwechslung aus freien Stücken eingeräumt wurde, ohne dass die Heimleiterin davon bereits Kenntnis hatte. Auch konnte der Angeklagten insoweit nicht nachgewiesen werden, dass sie damit rechnete, dass der Sachverhalt auf andere Weise alsbald aufgedeckt werden würde. Nach dem Gespräch mit der Heimleiterin verfasste die Angeklagte N. handschriftlich das Schreiben vom 17.05.2016, welches sie dem Landratsamt D. zukommen ließ und in welchem sie eine stattgefundene Medikamentenverwechslung einräumte und hierbei auch Verantwortung übernahm, da sie dort auch ansprach, dass es ihr sehr leidtue, dass sie deswegen nicht sofort einen Arzt verständigt habe.
Ferner war auch zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass sie in der Hauptverhandlung ihr Bedauern ausdrückte und Schuldeinsicht zeigte, wobei die Nebenkläger jedoch unmissverständlich äußerten, dass sie nicht bereit seien, eine Entschuldigung von einem der Angeklagten entgegenzunehmen, da eine solche über die ganze Zeit hinweg vor der Verhandlung auch nicht erfolgt sei. Jedoch zahlte die Angeklagte N. (freiwillig) einen Betrag von 3.000,- EUR an die Nebenkläger zur Weitergabe an eine gemeinnützige Einrichtung. Mit einer Geldübergabe zu eigenen Zwecken waren die Nebenkläger nämlich nicht einverstanden. Der Betrag wurde während der Verhandlungstage noch vor Abschluss des Verfahrens überreicht.
In der Hauptverhandlung war die Angeklagte zum Teil geständig, da sie Fehler bei der Medikamentenvergabe einräumte (durch den Gebrauch von nicht beschrifteten Bechern) und auch Verantwortung dafür übernahm, dass sie keinen Arzt gerufen und auch in der Pflegedokumentation die Medikamentenverwechslung nicht vermerkt hatte.
Zu Lasten der Angeklagten fielen jedoch insbesondere folgende Gesichtspunkte ins Gewicht:
Sie hatte eine Garantenstellung in zweifacher Hinsicht, nämlich als behandelnde Fachpflegekraft zuständig für den Patienten P. und aufgrund des Umstands, dass sie durch die Verletzung der Regularien (Verwenden des unbeschrifteten Medikamentenbechers) die Medikamentenverwechslung förderte.
Ganz wesentlich war jedoch, dass sie die Weisung ausgab, keinen Arzt zu benachrichtigen. Insoweit hatte die Angeklagte auch erheblichen Einfluss, was ihr nach Überzeugung der Kammer auch bewusst war, da sie für die Wiedereinarbeitung der Angeklagten D. (nach etwa 18-jährigem Pausieren in diesem Beruf) in großem Maße verantwortlich war. Diese Zuständigkeit in der Wiedereinarbeitung wurde sowohl von der Angeklagten D. und auch von der Angeklagten N. bestätigt und insoweit hatte die Kammer auch keinen Zweifel. Darüber hinaus übte sie als Wohnbereichsleiterin auf dieser Station eine Vorgesetztenfunktion aus, was auch von allen drei Angeklagten so eingeräumt wurde und wovon sich die Kammer auch überzeugte. Die Kammer gelangte auch zu dem Ergebnis, dass ihr dabei der Einfluss auf den Angeklagten P., welchen sie zum Stillhalten anwies, vollkommen bewusst war.
Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände für und wider, welche oben genannt wurden, jedoch insbesondere aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung im Alten- und Pflegeheim M. sowie aufgrund der von ihr ausgegebenen Weisung, keinen Arzt zu rufen, wobei sie also nicht nur für sich alleine entschied, sondern auch andere in ihr Fehlverhalten mit einbezog, hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe für unumgänglich, welche nicht mehr im unteren Bereich des Strafrahmens und auch nicht mehr im bewährungsfähigen Bereich angesiedelt werden konnte.
Eine solche von
Jahren und 9 Monaten erschien der Kammer letztendlich tat- und schuldangemessen.
2. Bei den Angeklagten D. und P.:
Zu Gunsten dieser beiden Angeklagten sprachen im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte:
Beide Angeklagte sind bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
Auch diese Angeklagten befanden sich kurzzeitig in Untersuchungshaft, wobei sich die Kammer auch davon überzeugte, dass dieses Ereignis für sie sehr einschneidend war. Entsprechend berücksichtigte die Kammer auch bei Ihnen, dass die lange Verfahrensdauer für sie äußerst belastend war.
Die Angeklagten drückten in der Hauptverhandlung ihr Bedauern aus und zeigten Reue. Mit Einverständnis der Nebenkläger bezahlten sie während der Hauptverhandlung an diese jeweils einen Betrag von 1.500,- EUR zur Weiterreichung an eine gemeinnützige Einrichtung.
Die Angeklagte D. war zumindest teilweise geständig, da sie auch einräumte, dass sie sich über die entgegensetzte Weisung der Vorgesetzten Angeklagten N. hätte hinwegsetzen und einen Arzt benachrichtigen müssen. Zu einem vollständigen Geständnis konnte sie sich jedoch nicht durchringen, da sie insbesondere nicht klar und deutlich einräumte, dass sie auch mit schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Geschädigten P. aufgrund der Medikamentenverwechslung – bis hin zum Tod – rechnete.
Zu ihren Gunsten war jedoch weiterhin zu berücksichtigen, dass sie erst wenige Wochen vor dem Vorfall wieder zu arbeiten begonnen hatte, sich noch in der Einarbeitungsphase befand und für rechtswidrige Weisungen durch die Angeklagte N. daher in besonderem Maße empfänglich war.
Zu Gunsten des Angeklagten P. konnte in viel stärkerem Maße sein Geständnis berücksichtigt werden, welches letztendlich umfassend war. Auch wertete die Kammer zu Gunsten des Angeklagten P., dass er – getrieben von dem schlechten Gewissen – zumindest zeitnah den SAPV informierte, wenngleich er auch von der Medikamentenverwechslung erst berichtete, als es schon zu spät war, nämlich am 11.05.2019 gegenüber dem Arzt Dr. T.. Auf obige Ausführungen wird verwiesen.
Zu Gunsten des Angeklagten P. fiel auch ins Gewicht, dass er bei der maßgeblichen Medikamentenverwechslung überhaupt nicht beteiligt war und erst durch die Angeklagte N. in die Verantwortung hineingezogen wurde.
Unter Berücksichtigung aller Umstände für und wider erschienen daher folgende Strafen tat- und schuldangemessen:
Bei der Angeklagten D.:
Eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten Bei dem Angeklagten P.:
Eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten.
Die Kammer war letztendlich davon überzeugt, dass den Angeklagten P. und D. eine günstige Sozialprognose gestellt werden kann und sie künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werden (§ 56 Abs. 1 StGB). Weiterhin ergab auch die Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit dieser Verurteilten, dass besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorlagen. Insoweit sind vor allem die lange Verfahrensdauer, die geständigen Einlassungen und die geleisteten Geldzahlungen als Zeichen der Reue anzuführen.
3. Eine (rechtsstaatswidrig) unangemessen lange Verfahrensdauer lag nicht vor Im Rahmen der eigentlichen Strafzumessung wurde bereits berücksichtigt, dass es seit dem vorwerfbaren Unterlassen 3 Jahre andauerte, bis die Hauptverhandlung stattfand. Trotzdem kann hierbei noch nicht von einer unangemessen langen Verfahrensdauer gesprochen werden, welche damit zusammenhängt, dass das Verfahren ungerechtfertigterweise nicht betrieben wurde.
Zu berücksichtigen war hierbei, dass sich die Ermittlungen in dem Verfahren sehr komplex gestalteten. Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, dass vielfältige Sachverständigengutachten einzuholen waren.
So wurde das erste rechtsmedizinische Gutachten der Rechtsmedizin München unter dem 01.07.2016 vorgelegt. Ergänzungen dieses Gutachtens erfolgten unter dem 14.07.2017 und dem 08.02.2018, wie die Sachverständige Dr. J. S. ausführte.
Die Anklageerhebung erfolgte schließlich alsbald nach Eingang der zuletzt genannten Ergänzung durch die Rechtsmedizin München unter dem 25.05.2018.
In der Folge wurden durch das Gericht weitere Gutachten in Auftrag gegeben, wobei die Rechtsmedizin M. eine weitere Ergänzung ihres Gutachtens unter dem 01.11.2018 vorlegte, wie wiederum die Sachverständige Dr. S. bestätigte. Zugleich wies auch die Sachverständige Dr. S. in dieser Ergänzung darauf hin, dass sie als Rechtsmedizinerin nicht alle aufgeworfenen medizinischen Fragen beantworten könne, was von ihr auch in der Hauptverhandlung so bestätigt wurde, so dass vor allem für die Frage, welche medizinischen Maßnahmen bei der stattgefundenen Medikamentenverwechslung nach dem Patientenwillen unter Berücksichtigung auch der Patientenverfügung indiziert waren, der Sachverständige Prof. Dr. B. beauftragt wurde, welcher sein schriftlich ausgearbeitetes Gutachten unter dem 27.11.2018 erstellte, auf welches er sich auch in der Hauptverhandlung bezog.
Ferner erstattete die Sachverständige V.-D. in der Hauptverhandlung ihr pflegewissenschaftliches Gutachten, wobei sie auf die schriftlichen Ausarbeitungen in dem vorgelegten Gutachten vom 09.01.2019 Bezug nahm.
Somit war der lange Zeitraum zwischen der Tatzeit und der Urteilsverkündung durch die Ermittlungen veranlasst, wobei diese Zeit, wie oben ausgeführt wurde, bei der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten ganz erheblich berücksichtigt wurde.
Andererseits war es aber nicht veranlasst im Rahmen der Vollstreckungslösung einen gewissen Zeitraum als bereits vollstreckt auszusprechen.
G.
Kosten:
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.
K. S. L.
Vorsitzender Richter am Landgericht Richter am Landgericht Richter am Landgericht