Aktenzeichen 3 KLs 202 Js 111628/01
StPO § 257c
EMRK Art. 6 Abs. 1
Leitsatz
Tenor
I. Der Angeklagte C. L. ist schuldig der besonders schweren räuberischen Erpressung.
II. Er wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren 8 Monaten verurteilt.
III. Die in dieser Sache erlittene Auslieferungshaft in Italien wird im Verhältnis 1:1 auf die erkannte Strafe angerechnet.
IV. Hinsichtlich des Angeklagten wird die Einziehung eines Betrages in Höhe von 6.000 EUR als Wertersatz angeordnet.
V. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Strafvorschriften:
§§ 253, 255, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 51 Abs. 4 Satz 2, 73, 73c StGB
Gründe
A. Überblick
I. Zu den wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen
Am 20.02.2001 zwischen 02.00 Uhr und 03.00 Uhr drang der Angeklagte in die Wohnung des Zeugen M. F., in R., ein und begab sich in das Schlafzimmer, wo der Zeuge M. F. und dessen Freundin N. K. bereits im Bett lagen. Der Angeklagte forderte den Zeugen F. in italienischer Sprache auf, mit ihm in das Wohnzimmer zu gehen. Dort hielt er dem Zeugen F. ein Messer an den Hals und forderte die Herausgabe des Fahrzeugschlüssels für den Pkw des Geschädigten F., ansonsten werde er ihn abstechen. Zudem äußerte der Angeklagte, dass er Mitglied der Mafia sei und kündigte dem Geschädigten F. an, seiner Familie in Italien etwas anzutun, sollte er die Polizei verständigen. Unter dem Eindruck des vorgehaltenen Messers und aufgrund der geäußerten Drohung gab der Geschädigte F., der um sein Leben und das seiner Familie fürchtete, dem Angeklagten preis, wo der Fahrzeugschlüssel liegt verbunden mit der Aufforderung ihn an sich zu nehmen, woraufhin der Angeklagte den Schlüssel sodann von der Kommode im Flur an sich nahm, die Wohnung verließ und mit dem Fahrzeug des Geschädigten F., welches einen Wert von circa 12.000 DM hatte, davonfuhr, um den Pkw unberechtigt und auf Dauer für eigene Zwecke zu nutzen.
Der Geschädigte F. erlitt durch das ihm an den Hals gehaltene Messer eine circa zwei bis drei Zentimeter lange oberflächliche strichförmige Verletzung an der rechten Halsseite und lebte für circa ein Jahr in der Angst, dass der Angeklagte seine Drohung wahrmachen würde.
II. Zur Beweiswürdigung
Die Kammer gewann ihre Überzeugung maßgeblich aus den für die Kammer glaubhaften Angaben des von der Kammer als glaubwürdig erachteten Zeugen M. F. sowie den im Rahmen der Beweisaufnahme erlangten Beweisergebnissen, welche die Aussage des Zeugen F. bestätigten und untermauerten, insbesondere den jeweils glaubhaften Aussagen der Zeugin K. und der an den Ermittlungen beteiligten Polizei- bzw. Kriminalbeamten sowie dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Verletzung und dem ärztlichen Attest.
III. Zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch
Das Gericht hat den Angeklagten daher schuldig gesprochen wie im Tenor näher bezeichnet und nach Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren 8 Monaten verurteilt.
B. Persönliche Verhältnisse
I. -III. […]
IV. Haftdaten
Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 07.04.2018 in Italien festgenommen und schließlich am 28.02.2019 nach Deutschland überstellt. Seitdem befindet er sich aufgrund Untersuchungshaftbefehls des Amtsgerichts A. vom 01.02.2018 in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt A.
C) Sachverhalt
Am 20.02.2001 zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 02.00 Uhr und 03.00 Uhr verschaffte sich der Angeklagte durch gewaltsames Aufbrechen der Wohnungstüre Zutritt zur Wohnung des Zeugen M. F. im Anwesen in R. Er begab sich sodann in das Schlafzimmer, wo er den Zeugen M. F. und dessen Freundin N. K. im Bett liegend antraf. Der Angeklagte forderte den Zeugen F. in italienischer Sprache auf, mit ihm in das Wohnzimmer zu gehen. Dort packte er den Zeugen F. von hinten, hielt ihm ein Messer an den Hals und forderte die Herausgabe des Fahrzeugschlüssels für den Pkw des Geschädigten F., Marke VW Golf III, amtliches Kennzeichen …, ansonsten werde er ihn abstechen. Zudem äußerte der Angeklagte, dass er Mitglied der Mafia sei und kündigte dem Geschädigten F. an, seiner Familie in Italien etwas anzutun, sollte er die Polizei verständigen. Unter dem Eindruck des vorgehaltenen Messers und aufgrund der geäußerten Drohung gab der Geschädigte F., der um sein Leben und das seiner Familie fürchtete, dem Angeklagten preis, wo sich der geforderte Fahrzeugschlüssel befindet verbunden mit der Aufforderung ihn an sich zu nehmen, woraufhin der Angeklagte den Schlüssel sodann von der Kommode im Flur an sich nahm, die Wohnung verließ und mit dem genannten Fahrzeug des Geschädigten F., welches einen Wert von circa 12.000 DM hatte, davonfuhr, um den Pkw unberechtigt und auf Dauer für eigene Zwecke zu nutzen.
Der Geschädigte F. erlitt durch das ihm an den Hals gehaltene Messer eine circa zwei bis drei Zentimeter lange oberflächliche strichförmige Verletzung an der rechten Halsseite und lebte für circa ein Jahr in der Angst, dass der Angeklagte seine Drohung wahrmachen würde, ihm oder seiner Familie etwas anzutun bzw. über dessen Verbindungen antun zu lassen, nachdem er gegen den Angeklagten entgegen dessen Vorgaben Anzeige erstattet hatte.
D) Beweiswürdigung
Dem Urteil liegt keine Verständigung i.S.d. § 257c StPO zu Grunde.
I. Zu den persönlichen Verhältnissen
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Ausführungen sowie auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 06.09.2019, welchen der Angeklagte als zutreffend anerkannte.
II. Zum Sachverhalt
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme und aufgrund aller sonstigen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung stammenden Umstände ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie es in den unter lit. C) getroffenen Feststellungen im Einzelnen dargelegt ist.
Der Angeklagte hat sich nicht zur Sache eingelassen, sich jedoch im Rahmen seines letzten Wortes dahingehend geäußert, dass es sich bei den Ausführungen des Zeugen F. um falsche Anschuldigungen handeln würde.
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beruhen hinsichtlich der Tat maßgeblich auf der glaubhaften Aussage des Geschädigten M. F. sowie auf den diese Aussage bestätigenden Beweismitteln, insbesondere den Angaben der Zeuginnen K. und M. und den Aussagen der an den Ermittlungen beteiligten Polizeibeamten.
Die Folgen der Tat für den Geschädigten F. ergeben sich aus dessen glaubhafter Aussage, dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Verletzung sowie dem ärztlichen Attest.
1. Einlassung des Angeklagten
Der Angeklagte hat sich weder im Ermittlungsverfahren noch in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf eingelassen, sondern lediglich im Rahmen seines letzten Wortes die Aussage des Zeugen F. als Lüge bezeichnet.
2. Beweisaufnahme
Die Kammer kam nach Durchführung der Hauptverhandlung zu der Überzeugung, dass es sich – entgegen der Behauptung des Angeklagten – bei den Angaben des Zeugen F. nicht um falsche Anschuldigungen handelt. Vielmehr sah die Kammer die Aussage des Zeugen F. als glaubhaft und als bestätigt durch das Ergebnis der Beweisaufnahme sowie den Zeugen selbst als glaubwürdig an.
a) Uneidliche Vernehmung des Zeugen M. F.
So machte der Zeuge F. im Rahmen seiner uneidlichen Vernehmung im Wesentlichen folgende Angaben:
Er und seine Freundin seien in der besagten Nacht bereits im Bett gewesen und hätten geschlafen, als er gegen circa 02.00 Uhr oder 03.00 Uhr ein lautes Geräusch wahrgenommen habe. Kurz darauf sei die Schlafzimmertüre aufgegangen und er habe gesehen wie jemand hereingekommen sei. Als er das Licht angemacht habe, habe er den Angeklagten erkannt und ihn gefragt, was er in seiner Wohnung machen würde. Der Angeklagte habe ihm gesagt, dass er (der Geschädigte) ihm den Autoschlüssel geben müsse, da er (der Angeklagte) wegfahren müsse. Auf Aufforderung des Angeklagten seien sie sodann gemeinsam in das Wohnzimmer gegangen, wo er gesehen habe, dass der Angeklagte ein Messer in der Hand gehalten habe. Sofort habe der Angeklagte ihn gepackt und ihm das Messer von hinten an die rechte Halsseite gehalten. Er habe den Angeklagten gefragt, was er wolle und dieser habe ihm geantwortet, dass er ihm die Schlüssel seines Pkw geben solle, ansonsten werde er ihn abstechen. Zudem habe der Angeklagte behauptet, dass er Mitglied der Mafia sei und gedroht, seiner Familie etwas anzutun, sollte er die Polizei verständigen.
Aus Angst davor, dass der Angeklagte seine Drohungen wahrmacht, habe er dem Angeklagten gesagt, dass der Autoschlüssel auf der Kommode im Flur liegen würde, dass der Angeklagten diesen nehmen und gehen solle. Der Angeklagte habe den Schlüssel an sich genommen und die Wohnung verlassen.
Am nächsten Morgen habe er gesehen, dass die Wohnungstüre, die er, nachdem er abends zuvor gegen 01.00 Uhr heimgekommen war, verschlossen habe, aufgebrochen und beschädigt gewesen sei, so dass sie nicht mehr richtig habe geschlossen werden können und habe repariert werden müssen. Wenige Tage später habe ihn die Polizei darüber informiert, dass es mit seinem Pkw einen Unfall gegeben habe, bei dem der Pkw komplett beschädigt worden sei und nur noch verschrottet werden könne. Davon habe er sich dann noch selbst überzeugen können. Die Gegenstände, die in dem Auto aufgefunden worden waren, seien nicht seine, sondern die des Angeklagten gewesen. Wann genau der Unfall gewesen sei, wisse er nicht.
Von dem Messer habe er einen leichten, nicht blutenden Kratzer an der rechten Halsseite gehabt, den er jedoch erst am nächsten Tag gesehen habe. Unmittelbar nach der Tat habe er seinen Hals nur angefasst und dort ein leichtes Brennen verspürt. Die Angst davor, dass der Angeklagte seine Drohung wahrmacht, habe ihn noch circa ein Jahr verfolgt.
Das Auto, einen Golf, habe er erst drei bis vier Monate vor der Tat für circa 13.000 DM gekauft. Den Schaden habe er nie erstattet bekommen.
Den Angeklagten habe er schon vor der Tat gekannt, circa fünf bis sechs Monate. Sie hätten sich circa zehn Mal gesehen. Der Angeklagte habe, wie er, als Pizzabäcker in Rain, jedoch in einem anderen Lokal, gearbeitet. Gelegentlich sei der Angeklagte in der Pizzeria, wo er (der Geschädigte) gearbeitet habe, vorbeigekommen oder man habe sich auf der Straße getroffen. Nach der Anzeigeerstattung habe der Angeklagte ihn noch einmal telefonisch kontaktiert, um ihm mitzuteilen, dass er mit seinem (dem des Geschädigten) Auto einen Unfall gehabt habe.
b) Würdigung der Aussage des Zeugen F.
Die Kammer hat die den Angeklagten belastende Aussage des Zeugen F. einer umfassenden und sorgfältigen Prüfung und Würdigung unterzogen. Angesichts der Tatsache, dass die Bekundungen des Zeugen F. – mangels weiterer unmittelbarer Tatzeugen – im Wesentlichen als einziges und zentrales Beweismittel zur Verfügung stehen, hat die Kammer diese besonders kritisch geprüft.
Auch wenn es sich angesichts der lediglich pauschalen Behauptung des Angeklagten in seinem letzten Wort, die Aussage des Zeugen F. sei eine Lüge, nicht um eine klassische „Aussage-gegen-Aussage-Situation“ handelt, so hat die Kammer die hierfür geltenden Kriterien herangezogen und dabei alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in ihre Überlegungen einbezogen.
Im Rahmen der vorgenommenen Aussageanalyse hat die Kammer nicht nur auf die in der Hauptverhandlung von dem Zeugen F. getätigte Aussage zurückgegriffen, sondern sämtliche Aussagen und Vernehmungen, wie sie der Kammer von den jeweils gehörten Zeugen berichtet wurden, herangezogen, wobei die Kammer in ihre Überlegungen einstellte, dass diese Zeugen bei der eigentlichen Tat nicht zugegen waren. Aus diesem Grund hat die Kammer besondere Vorsicht hinsichtlich des Gehalts ihrer Angaben walten lassen. Soweit den Zeugen Vorhalte aus ihren polizeilichen Vernehmungen sowie den Vernehmungsbeamten Vorhalte aus ihren gefertigten Vernehmungen und Aktenvermerken gemacht wurden, hat die Kammer nur verwertet, woran sich die Zeugen nach dem Vorhalt tatsächlich erinnern konnten. Sofern dies nicht der Fall war, hat die Kammer den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen nicht berücksichtigt.
Die Kammer ist bei der Prüfung der Aussage des Zeugen F. von der Annahme ausgegangen, dass diese den Angeklagten belastende Aussage unwahr sein könnte (sogenannte Falschbelastungshypothese oder Nullhypothese), wobei die Kammer dabei insbesondere die von dem Angeklagten aufgestellte Behauptung überprüft hat, dass die Angaben des Zeugen F. im Sinne einer bewussten Falschaussage frei erfunden sein könnten.
Aufgrund der durchgeführten Analyse und Prüfung der Aussage des Zeugen F. ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass sich für diesen Zeugen die Nullhypothese nicht aufrechterhalten lässt, da seine Angaben glaubhaft sind. Der Zeuge F. schilderte die Tat im Rahmen der Hauptverhandlung nachvollziehbar, detailliert, konstant und widerspruchsfrei und aus authentischer Erinnerung heraus, so wie unter lit. C) festgestellt.
(1) Aussagetüchtigkeit Hinsichtlich des Zeugen F. ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, die geeignet sind, Zweifel an der Aussagetüchtigkeit des Zeugen – sowohl zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung als auch zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Vernehmungen – zu begründen. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Wahrnehmungsfähigkeit des Geschädigten zum Tatzeitpunkt in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt gewesen ist. Insbesondere gab der Geschädigte an, dass er an dem Abend bis 01.00 Uhr in der Pizzeria gearbeitet und dabei höchsten ein Bier getrunken habe. Er sei jedenfalls nicht alkoholisiert gewesen.
(2) Aussageentstehung
Auch hinsichtlich der Aussageentstehung und der weiteren Entwicklung der den Angeklagten belastenden Aussage konnte die Kammer keinerlei Auffälligkeiten feststellen, insbesondere ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine bewusste Falschbelastung oder suggestive Einflüsse Dritter. Auch die Tatsache, dass der Zeuge F. zunächst – aus Angst – falsche Angaben bei der Polizei gemacht hatte, war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht geeignet, Zweifel an der Aussage des Zeugen F. aufkommen zu lassen, nachdem der Zeuge seine Gründe hierfür nachvollziehbar darlegte.
Die Beweisaufnahme hat – wie auch von dem Zeugen F. ausgesagt – ergeben, dass der Geschädigte am 20.02.2001 bei der Polizeiinspektion R. zunächst ausgesagt hatte, dass ihm ein Unbekannter seinen Pkw-Schlüssel unbemerkt entwendet und sodann seinen im Hof geparkten Pkw gestohlen habe. Dies wurde durch den Zeugen POM M. bestätigt, der angab sich erinnern zu können, dass er sich noch den Hof angeschaut habe, von wo der Pkw entwendet worden sein sollte. Der Zeuge POK H. bestätigte darüber hinaus, dass der Zeuge F. am 21.02.2001 seine Aussage bei ihm berichtigt habe und als Grund für die zunächst falschen Angaben angeführt habe, dass er aufgrund der Drohungen des Angeklagten Angst habe.
Diese Angst hat auch der Zeuge F. selbst in der Hauptverhandlung nachvollziehbar dargelegt. Er habe die Bedrohungen durchaus ernst genommen, da er den Angeklagten ja nicht besonders gut gekannt habe und damit auch nicht habe einschätzen können. Als Erklärung dafür, dass er sich einen Tag später doch zur Berichtigung seiner Angaben entschlossen hatte, erläuterte der Zeuge F. der Kammer insoweit plausibel, dass er von dem Inhaber des Lokals neben der Pizzeria, in der er damals gearbeitet habe, erfahren habe, dass der Angeklagte in dessen Wohnung gekommen und dort dessen Ehefrau und Tochter angegriffen habe und anschließend mit der Tochter in einem Auto weggefahren sei. Der Zeuge F. gab weiter an, dass er gedacht habe, dass der Angeklagte das Mädchen möglicherweise mit seinem Auto entführt haben könnte, weswegen er den Mut gefasst habe, der Polizei den wahren Sachverhalt mitzuteilen. Der Zeuge KOK A., der angab, die Sachbearbeitung sämtlicher damals im Raum stehender Taten gegen den Angeklagten übernommen zu haben, bestätigte, dass es unter anderem eine Anzeige eines Mannes, in dessen Lokal der Angeklagte als Pizzabäcker beschäftig gewesen sei, gegeben habe, wonach der Angeklagte dessen Ehefrau und Tochter angegriffen haben soll. Der Zeuge A. gab weiter an, den Zeugen F. nicht mehr selbst vernommen zu haben, da dieser nach Italien zurückgekehrt sei, ihm sei jedoch die Vernehmung des Kollegen POK H. zugeleitet worden (zum Inhalt vgl. unter Ziffer (3) zur Aussagekonstanz).
An der Glaubwürdigkeit der nur beruflich mit dem Sachverhalt befassten polizeilichen Zeugen sowie an der Glaubhaftigkeit ihrer sachlichen und gewissenhaften und aus eigener präsenter Erinnerung heraus getätigten Angaben bestehen seitens der Kammer keine Zweifel.
(3) Aussagekonstanz
Die Kammer hat ferner im Rahmen einer Konstanzanalyse geprüft, inwieweit die Angaben des Zeugen F. im Ermittlungs- und Gerichtsverfahren widerspruchsfrei erfolgten und gegebenenfalls auftretende Abweichungen und Auslassungen in den Aussagen des Zeugen zu verschiedenen Zeitpunkten nach gedächtnispsychologischen Erkenntnissen bewertet.
Die Kammer hat dabei stets bedacht, dass es eine schwierige Aufgabe mit hohen Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit eines Zeugen darstellt, eine Aussage ohne eigene Wahrnehmungsgrundlage zu erfinden und über verschiedene Befragungen und vor allem auch über den extrem langen Zeitraum von nunmehr mehr als 18 Jahren konsistent aufrechtzuerhalten bzw. zu reproduzieren.
Für diese Beurteilung hat die Kammer die im Jahr 2001 erfolgte Vernehmung des Zeugen F. ihrem Inhalt nach mit seinen Angaben in der Hauptverhandlung abgeglichen. Die Kammer ist hierbei nach Vernehmung der befassten Polizeibeamten POK H. und KOK A. zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zeuge hinsichtlich des für ihn wesentlichen Kerngeschehens und darüber hinaus teilweise auch in Details konstant ausgesagt hat. Aus den Aussagen der genannten Zeugen ergaben sich keinerlei Widersprüche, die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen F. aufkommen ließen. Ausweislich der glaubhaften Angaben des Zeugen KOK A. hat der Zeuge F. bereits bei seiner Vernehmung kurz nach der Tat geschildert, dass der Angeklagte gegen 03.00 Uhr die Wohnungstüre aufgebrochen habe und in das Schlafzimmer gekommen sei, wo der Zeuge bereits mit seiner Freundin geschlafen habe. Weiter habe der Zeuge F. berichtet, dass der Angeklagte ihn aufgefordert habe, in das Wohnzimmer zu gehen, wo der Angeklagte ihm ein Messer an den Hals gehalten und die Herausgabe des Pkw-Schlüssels gefordert habe, wobei der Angeklagte den Zeugen bedroht habe. Unter anderem habe der Angeklagte damit gedroht, die Familie des Zeugen in Italien auszurotten, falls er die Polizei informieren sollte. Der Zeuge habe daraufhin den Schlüssel herausgegeben und der Angeklagte das Fahrzeug an sich genommen.
Das Kerngeschehen der Tat wurde damals wie heute von dem Zeugen F. gleich geschildert. Vereinzelt auftretenden Abweichungen in den Schilderungen des Zeugen F. zu nebensächlichen Details des Vorfalls oder zum Randgeschehen sieht die Kammer nach ihrer eingehenden Prüfung im Ergebnis als unproblematisch an. Mit zunehmendem Zeitablauf und erst im Recht nach dem hier gegebenen Zeitablauf von mehr als 18 Jahren ist vielmehr mit Abweichungen und Auslassungen im Rahmen von Vergessensprozessen bezüglich peripherer Details zu rechnen. Aus diesem Grund ist es aus Sicht der Kammer unproblematisch, dass der Zeuge F. beispielsweise nicht mehr sagen konnte, ob an dem Autoschlüssel noch weitere Schlüssel befestigt waren oder wann und wie die Wohnungstüre repariert wurde. Diese Unsicherheiten betreffen nach Ansicht der Kammer nebensächliche Details, an die sich nach mehreren Jahren nicht mehr sicher zu erinnern Zweifel an der ansonsten konstanten Aussage des Zeugen aufkommen zu lassen nicht geeignet sind. Derartige geringfügige Erinnerungsungewissheiten sind regelmäßig in jeder nicht gut einstudierten Aussage zu finden. Ein erfundener Vorfall wird im Gegensatz dazu homogen erdacht, gelernt und immer gleich wiedergegeben.
(4) Inhaltsanalyse
Die Kammer ist auch hinsichtlich der Qualität der inhaltlichen Angaben des Geschädigten F. von der Glaubhaftigkeit seiner Aussage überzeugt. Die Aussage des Zeugen zeichnet sich – neben Konstanz und Widerspruchsfreiheit – dadurch aus, dass seine Angaben über die verschiedenen Vernehmungssituationen hinweg logisch, nachvollziehbar und in sich schlüssig waren. Es fanden sich auch diesbezüglich keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben insgesamt oder in Teilen frei erfunden sein könnten.
Die Darstellung des Geschädigten war vielmehr – soweit dies nach 18 Jahren noch verlangt werden kann – ausführlich und differenziert. Als diesbezüglich aussagekräftig anzusehen sind aus Sicht der Kammer beispielweise die Darstellung der Dialoge mit dem Angeklagten im Einzelnen sowie der Aussage des Zeugen, dass er im Schlafzimmer zunächst das Licht angemacht habe, im Wohnzimmer jedoch nicht, da dies von der Straßenbeleuchtung ausreichend erhellt gewesen sei. Derartige Details sprechen für einen Erlebnisbezug.
Die Überzeugung der Kammer, dass der von dem Zeugen F. geschilderte Sachverhalt der Wahrheit entspricht, gründet zudem auf seiner plastischen und nachvollziehbaren Schilderung des Vorfalls sowie den dazu beschriebenen, von ihm während und nach der Tat empfundenen (Gefühls-)Wahrnehmungen und der Darstellung eigenpsychischen Erlebens. Diesbezüglich waren für die Kammer insbesondere von Bedeutung die Schilderung des Geschädigten, wie er nachts ein lautes Geräusch wahrgenommen habe und seine Überraschung, als der Angeklagte plötzlich in seinem Schlafzimmer gestanden habe. Außerdem die Schilderung, wie er das Drücken des Messers gegen seinen Hals gespürt habe und dass er, nachdem der Angeklagte die Wohnung verlassen hatte, zunächst völlig starr vor Angst im Wohnzimmer gestanden habe bevor er sich zurück ins Schlafzimmer begeben habe.
Der während der Vernehmung seitens des Gerichts gewonnene Eindruck von dem Zeugen unterstreicht nach Auffassung der Kammer ebenfalls, dass dessen Angaben der Wahrheit entsprechen. Der Zeuge schilderte den Vorfall teilweise unter Zuhilfenahme von Gesten, insbesondere deutete er während seiner Aussage an, wie er von dem Angeklagten gepackt und wo ihm das Messer an den Hals gehalten worden sei, was in Einklang mit der auf dem im Augenschein genommenen Lichtbild sichtbaren Stelle der Hautverletzung zu bringen war.
Der Zeuge F. gab darüber hinaus in seiner Aussage zudem vielfach Gespräche wieder, die er mit dem Angeklagten während des Vorfalls geführt hat, wobei er sowohl den zunächst kurzen Wortwechsel im Schlafzimmer als auch das sodann im Wohnzimmer geführte Gespräch wiedergeben konnte. Darüber hinaus gab der Zeuge an, dass er, bevor er sich wieder ins Bett gelegt habe, noch zu seiner Freundin sinngemäß gesagt habe, dass sie sich keine Sorgen machen solle und alles in Ordnung sei, um sie nicht zu beunruhigen. Die Wiedergabe dieser Gesprächsinhalte und die Beschreibung der Interaktion mit dem Angeklagten verdeutlichen einen hohen Individualbezug seiner Angaben und sprechen ebenfalls für die Wahrheit der Aussage.
Die Kammer war auch angesichts der Aussagestruktur davon überzeugt, dass die Angaben des Geschädigten der Wahrheit entsprechen. Der Zeuge erzählte den Vorgang zunächst frei und von sich aus, war auf – auch wiederholte – Nachfragen der Prozessbeteiligten jedoch fähig, innerhalb des Handlungsablaufs zu „springen“, ohne dass darunter die logische Konsistenz der Aussage gelitten hätte. Im Falle einer Falschaussage, die in der Regel chronologisch erdacht und auswendig gelernt wird, wäre es schwer, erfundene Details flexibel und bei wiederholter Befragung an unterschiedlichen Stellen in die Aussage einfließen zu lassen.
Der Geschädigte F. legte darüber hinaus Erinnerungslücken und Unsicherheiten bezüglich bestimmter Angaben offen und differenzierte zwischen sicherem Wissen einerseits und Vermutungen bzw. Schlussfolgerungen andererseits. So gab der Zeuge beispielsweise an, dass er davon ausgehe, dass der Angeklagte die Türe mit einem Fußtritt aufgebrochen habe, da er die Türe abgesperrt habe, es nachts ein sehr lautes Geräusch gegeben habe und die Türe danach beschädigt gewesen sei. Zudem räumte der Zeuge ein, dass er sich nicht mehr sicher sei, ob er zwischen Arbeitsende und Heimkommen noch kurz in der benachbarten Kneipe gewesen sei. Der Zeuge betonte aber, dass er sich an die Sache selbst sehr gut erinnern könne, da man es nicht vergessen könne, wenn man ein Messer am Hals gehabt habe. Ob und was er seiner damaligen Bekanntschaft, der Zeugin K. damals von den Geschehnissen in der Nacht im Wohnzimmer erzählt habe, konnte der Zeuge nicht mehr angeben.
Die Kammer konnte bei dem Zeugen F. schließlich auch keine Hinweise für einen gesteigerten Belastungseifer feststellen. Der Zeuge äußerte sich vielmehr zurückhaltend. So gab der Zeuge F. bezüglich seiner Verletzung am Hals an, dass es sich lediglich um einen leichten kleinen Kratzer gehandelt habe, der nicht fest gewesen sei und auch nicht geblutet habe. Bis auf ein leichtes Brennen habe er auch keine Schmerzen verspürt. Psychische Folgen, nämlich die Angst davor, dass der Angeklagte seine Drohungen realisiert, hätten ihn noch ein Jahr begleitet, länger jedoch nicht. Bezüglich des Messers gab der Zeuge an, keine exakte Beschreibung abgeben zu können, da er dieses nur kurz gesehen habe und das an sich dunkle Wohnzimmer lediglich von der Straßenbeleuchtung leicht erhellt worden sei. Die Dauer des Vorfalls schätzte der Zeuge mit circa drei Minuten auch eher zurückhaltend und realistisch ein.
Unterstellt, der Zeuge würde den Angeklagten zu Unrecht belasten wollen, so hätte er den Vorfall durch eine übertriebene Beschreibung eines Messers, eine dramatisierende Darstellung seiner Verletzung oder der Folgen der ausgesprochenen Bedrohungen aufbauschen können. Dies hat der Zeuge gerade nicht getan.
(5) Untersuchung der Aussagesituation
Aufgrund des Eindrucks, den sich die Kammer von dem Zeugen F. während dessen Vernehmung gemacht hat, ergaben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Falschaussage. Körpersprachliche Warnsymptome waren nicht erkennbar. Die von dem Zeugen bei der Schilderung des Vorfalls gezeigten Reaktionen und Emotionen wirkten weder übertrieben noch situativ unangemessen. Letztlich war dem Zeugen während seiner Vernehmung – für die Kammer nachvollziehbar – anzumerken, dass ihn der Vorfall damals nachhaltig beeindruckt hat.
(6) Motivanalyse – Ausschluss einer Falschbelastung Die Kammer hat die Aussage des Zeugen F. auch vor dem Hintergrund eines möglichen Motivs für eine Falschbelastung geprüft. Die vorgehend ausgeführten Umstände, insbesondere die der Aussageentstehung, bieten insoweit jedoch keinerlei Anhaltspunkt dafür. Insbesondere hat das Gericht den Unfall des Angeklagten und die dadurch verursachte Zerstörung des Fahrzeugs des Zeugen F. als mögliches Motiv für eine Falschbelastung in Betracht gezogen, dies jedoch verworfen. Zum einen weil der Zeuge F. eine plausible Erklärung für seine Anzeigeerstattung abgegeben hat (siehe oben unter lit. D) II. 2. b) (2) „Aussageentstehung“), zum anderen weil sich aus der Aussage des Zeugen F. kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen seiner Kenntnis des Unfalls und der Anzeigeerstattung ergeben hat. Auch sonst ergaben sich keine Hinweise auf ein Motiv des Zeugen, den Angeklagten, zu dem er vor der Tat nur einige wenige Male Kontakt hatte, zu Unrecht zu belasten.
Vor diesem Hintergrund und dem Fehlen jeglichen Belastungseifers des Zeugen schließt die Kammer die Möglichkeit, dass der Zeuge F. den Angeklagten falsch und zu Unrecht belasten wollte, zu ihrer Überzeugung aus.
(7) Gesamtwürdigung der Aussage Unter nochmaliger sorgfältiger Gesamtabwägung erachtet die Kammer den Zeugen F. ohne jedweden Zweifel als glaubwürdig und seine Darstellung des Tatgeschehens als glaubhaft.
Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage hinsichtlich der Darstellung des Vorfalls sowie der Authentizität seiner Wahrnehmungen spricht zunächst die insgesamt durchgängige Konstanz seiner Aussage sowie die nachvollziehbare, detailreiche und widerspruchsfreie Schilderung des Vorfalls. Darüber hinaus spricht für die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben das gänzliche Fehlen jeglichen Belastungseifers und eines Falschbelastungsmotivs. Sowohl im Rahmen des Ermittlungsverfahrens als auch in der Hauptverhandlung hat der Zeuge den von ihm berichteten Ablauf des Vorfalls als solchen und auch die Tatfolgen nur zurückhaltend und nicht übertrieben oder dramatisierend dargestellt. Einzelne Unsicherheiten in den Schilderungen betrafen lediglich das Randgeschehen, sind angesichts des Zeitablaufs nachvollziehbar und wurden von dem Zeugen differenziert offengelegt.
Das Gericht ist daher ohne Zweifel von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen F. hinsichtlich dessen Schilderung des Tatgeschehens sowie der Tatfolgen überzeugt.
c) Weitere Ergebnisse der Beweisaufnahme
Die Aussage des Zeugen F. wird zudem durch folgende, im Rahmen der Beweisaufnahme erlangten weiteren Beweisergebnisse und Erwägungen der Kammer gestützt:
Die Zeugin K., die – eigenen Angaben und auch den Angaben des Geschädigten F. nach – die eigentliche Tat nicht beobachtet hat, konnte das von dem Zeugen F. dargestellte Vortatgeschehen bestätigen. Die Zeugin K. sagte aus, dass sie damals bei ihrem Freund geschlafen habe als nachts jemand in das Zimmer gekommen sei. Sie könne sich noch an einen kurzen Wortwechsel auf Italienisch erinnern, den sie jedoch nicht verstanden habe, und dass beide sodann aus dem Zimmer gegangen seien. An der Glaubhaftigkeit der Aussage dieser Zeugin bestehen angesichts ihrer sachlich getätigten Angaben seitens der Kammer keine Zweifel. Die Zeugin war glaubwürdig, ein Belastungseifer war nicht zu erkennen, zumal die Zeugin angab, nicht mehr viel zu dem Vorfall sagen zu können.
Auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild, welches ausweislich der Aussage des vernehmenden Beamten POK H. im Rahmen der Vernehmung gefertigt wurde, ist an der rechten Halsseite des Zeugen F. eine oberflächliche strichartige Verletzung, gleich einem Kratzer, zu sehen, die in Einklang mit der Schilderung des Tatgeschehens und der Verletzung durch den Zeugen F.zu bringen ist.
Ausweislich des verlesenen ärztlichen Attests vom 22.02.2001 konnte ärztlicherseits bei dem Zeugen eine „2-3 cm lange, oberflächliche, strichartige Verletzung an der rechten Halsseite“ festgestellt werden.
Der polizeiliche Hauptsachbearbeiter KOK A. verschaffte der Kammer einen Überblick über den Gang und das Ergebnis der Ermittlungen. Er führte aus, dass der Angeklagte im Februar 2001 mehrfach sein „Unwesen“ im Landkreis Donau-Ries getrieben habe und angesichts der Tatsache, dass mehrere Dienststellen tangiert gewesen seien, die Sachbearbeitung schließlich bei ihm zusammengeführt worden sei. Den vom Zeugen F. angezeigten Sachverhalt habe er damals der vom Kollegen POK H. übersandten Vernehmung des Zeugen F. entnommen. Eine eigene Vernehmung des Geschädigten F. sei nicht mehr möglich gewesen, da sich dieser zwischenzeitlich zurück nach Italien begeben habe. Auch eine Beschuldigtenvernehmung habe damals nicht mehr durchgeführt werden können, da der Angeklagte flüchtig gewesen sei. Der Zeuge KOK A. bestätigte den Eingang eines Briefes des Angeklagten an die Strafverfolgungsbehörden während des Ermittlungsverfahrens, dem zu entnehmen war, dass er schwer zu finden sein wird, außer wenn er das wolle. Aufgrund dessen habe er bei der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl sowie die Ausschreibung zur Fahndung beantragt.
Dass der Angeklagte mit dem Pkw des Zeugen F. einen Unfall am folgenden Abend verursacht hat, steht fest aufgrund der Angaben der Zeugen KOK A., POM M. und R. M.. Die völlig neutrale und glaubwürdige Zeugin M. bestätigte im Rahmen ihrer uneidlichen Vernehmung glaubhaft, dass sie gegen 22.00 Uhr auf dem Heimweg vom Bridgespielen gewesen sei, als sie auf der Straße von R. nach G. in einer Kurve einen verunfallten Pkw liegen gesehen habe und einen Mann, der gerade gebückt etwas aus dem Fahrzeug geholt habe. Sie habe ihre Hilfe angeboten und den Mann auf dessen Bitte hin mitgenommen. Ihr sei das Ganze komisch vorgekommen, da der Mann sie auf Schleichwegen bis nach R. gelotst und während der Fahrt in einer fremden Sprache telefoniert habe. Sie habe den Vorgang daher der Polizei gemeldet. Die Angaben der Zeugin M. wurden durch den den Unfall aufnehmenden Beamten POM M. bestätigt, welcher zudem angab, dass in dem Pkw unter anderem Bargeld aufgefunden worden sei. Der Zeuge KOK A. gab hierzu an, dass der Angeklagte im Rahmen der Ermittlungen unter anderem auch noch des Aufbruchs von zwei Geldspielautomaten in Nördlingen am 20.02.2001 verdächtig gewesen sei, der dabei entwendete Geldbetrag in Höhe von circa 900 DM sei in dem verunfallten Pkw aufgefunden und sichergestellt worden. Dies sowie die Sicherstellung einer Reisetasche mit persönlichen Sachen des Angeklagten wurde bestätigt durch das mit dem Zeugen KOK A. durchgegangene Sicherstellungsverzeichnis hinsichtlich der aus dem Pkw sichergestellten Gegenstände.
Der Zeuge F. identifizierte anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder des bei dem Unfall zerstörten Fahrzeugs dieses als seinen Pkw, wobei er angab, dass die in dem Fahrzeug sichergestellten Sachen nicht ihm, sondern dem Angeklagten gehören würden.
d) Gesamtwürdigung
Die Kammer hat abschließend sämtliche gewonnenen Beweisergebnisse nochmals in einer Gesamtschau gewürdigt. Hiernach ist das Gericht aufgrund der Übereinstimmung der jeweils gewonnenen Beweisergebnisse, die auch in sich keine Widersprüche aufweisen, sondern vielmehr ein geschlossenes Gesamtbild ergeben, davon überzeugt, dass der Angeklagte die Tat so wie unter lit. C) geschildert begangen hat.
Ausschlaggebend waren dabei die glaubhaften Angaben des unmittelbaren Tatzeugen F., der den Sachverhalt glaubhaft und aus erkennbar authentischer Wahrnehmung mitteilte. Auch die Angaben der übrigen Zeugen sowie die objektivierbaren Feststellungen stehen mit den Angaben des Geschädigten F. vollkommen in Einklang und ergeben in der Gesamtschau ein in sich stimmiges Bild vom Tatgeschehen. Insbesondere waren die Bekundungen des Zeugen F. nahtlos mit den objektivierbaren Ermittlungsergebnissen – etwa dem verlesenen ärztlichen Attest und dem Lichtbild der Verletzung – in Einklang zu bringen.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme ergaben sich für die Kammer auch keinerlei Hinweise oder Anhaltspunkte für ein Motiv des Zeugen F., den Angeklagten zu Unrecht einer Straftat zu bezichtigen. Der von dem Angeklagten im letzten Wort pauschal vorgebrachte Vorwurf, der Zeuge würde lügen, konnte nicht bestätigt werden.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme und Würdigung der Beweisergebnisse in einer Gesamtschau ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte nachts in die Wohnung des Geschädigten einbrach, um von diesem unter Einsatz eines Messer und Bedrohung des Zeugen und dessen Familie die Herausgabe von dessen Autoschlüssel zu erpressen, um anschließend mit dem Pkw des Geschädigten F. wegfahren zu können, so wie unter lit. C) geschildert.
Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite beruhen auf Schlussfolgerungen, die die Kammer aus der Gesamtwürdigung sämtlicher Beweisergebnisse gezogen hat. Die Kammer ist dabei aufgrund der dargestellten Umstände der Tat, der Tatsache, dass der Angeklagte mit einer Tasche mit seinen persönlichen Sachen in dem Pkw unterwegs war und der glaubhaften Bekundungen des Zeugen F., den Angeklagten nur von einigen wenigen Begegnungen zu kennen und diesem vorher auch noch nie seinen Pkw ausgeliehen zu haben, zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte sich den Pkw nicht nur zur vorübergehenden Nutzung „ausleihen“, sondern diesen vielmehr dauerhaft für sich nutzen wollte.
E) Rechtliche Würdigung
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat das Gericht den Angeklagten wie tenoriert wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt, nachdem sich bei einer Gesamtbetrachtung des Geschehensablaufs die Ansichnahme des Pkw-Schlüssels durch den Angeklagten vom äußeren Erscheinungsbild her nach Ansicht der Kammer eher als Hingabe, denn als Wegnahme im Rechtssinne darstellt.
F) Strafzumessung
I. Strafrahmen
Die Strafe entnahm die Kammer dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 255 StGB.
II. Keine Strafrahmenverschiebung aufgrund eines minder schweren Falles Nach erfolgter umfassender Gesamtwürdigung aller erkennbarer tat- und täterbezogenen Umstände war die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens für einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB nicht geboten, da die strafmildernden Gesichtspunkte die strafschärfenden Aspekte in einer umfassenden Gesamtabwägung nicht überwogen haben.
Die Kammer hat die Verurteilungen des Angeklagten in Italien, wegen derer der Angeklagte eigenen Bekundungen nach circa sieben Jahre in Italien inhaftiert war, bei der gesamten Strafzumessung nicht zu seinem Nachteil berücksichtigt, da die Frage der Tilgungsfristen für Registereintragungen nach italienischem Recht nicht zu klären war.
Folgende Erwägungen kamen hierbei insbesondere zum Tragen:
1. Strafmildernde Umstände
Das Gericht berücksichtigte insbesondere ganz erheblich strafmildernd, dass die Tat inzwischen über 18 Jahre zurückliegt.
Die Kammer berücksichtigte darüber hinaus insbesondere zu Gunsten des Angeklagten, dass er keine Eintragungen im Bundeszentralregister hat.
Zudem wird zu Gunsten des Angeklagten insbesondere gewertet, dass der Geschädigte die Tat letztlich gut verarbeiten konnte und keine dauerhaften psychischen Folgen davongetragen hat.
Des Weiteren wertete die Kammer insbesondere strafmildernd, dass der Geschädigte durch den Einsatz des Messers nur eine minimale physische Verletzung in Form eines brennenden Kratzers am Hals davongetragen hat.
Die Kammer berücksichtigte darüber hinaus insbesondere strafmildernd die Dauer der erlittenen Untersuchungshaft unter Berücksichtigung der erheblichen Haftempfindlichkeit des Angeklagten, die sich daraus ergibt, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig, er von seiner Familie in Italien getrennt ist und an einer behandlungsbedürftigen Tumorerkrankung leidet.
Außerdem berücksichtigte die Kammer insbesondere zu Gunsten des Angeklagten, dass er nach der verfahrensgegenständlichen Tat wegen den Verurteilungen in Italien dort eine mehrjährige Haftstrafe zu verbüßen hatte.
2. Strafschärfende Umstände
Straferschwerend wertete die Kammer dagegen insbesondere den nicht nur unerheblichen Wert des Kraftfahrzeugs, welches unmittelbar nach der Tat durch einen Unfall des Angeklagten komplett zerstört wurde, wobei eine Schadenswiedergutmachung nie erfolgte.
Zu Lasten des Angeklagten war ferner insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagte das Messer nicht nur zur Drohung eingesetzt, sondern den Geschädigten – wenn auch nur leicht – damit verletzt hat.
Die Kammer wertete darüber hinaus insbesondere strafschärfend das Gesamtgepräge der Tat, welches sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass sich der Angeklagte zu nachtschlafender Zeit gewaltsam durch Aufbrechen der Türe Zutritt in die versperrte Wohnung des Geschädigten verschaffte, in welcher der Geschädigte bereits schlief.
Nach erfolgter Gesamtabwägung und umfassender Gesamtwürdigung aller Strafzumessungsgesichtspunkte lag in ihrer Gewichtung ein Überwiegen strafmildernder Gesichtspunkte nach Ansicht der Kammer nicht vor.
Schließlich waren für die Kammer nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Tat einschließlich aller subjektiver Momente und der Täterpersönlichkeit keine hinreichend gewichtigen Gründe ersichtlich, aufgrund derer das Tatbild vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle der besonders schweren räuberischen Erpressung so sehr abweicht, dass der Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB als nicht angemessen erscheinen würde und die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens aus § 250 Abs. 3 StGB veranlasst gewesen wäre.
III. Keine Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB Vertypte Strafmilderungsgründe sind nicht ersichtlich, so dass sich die Prüfung einer Strafrahmenverschiebung gem. § 49 Abs. 1 StGB erübrigt.
IV. Strafzumessung im engeren Sinn
Die Kammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung alle – auch die bereits oben dargestellten – tat- und täterbezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere strafmildernd den Zeitablauf und die durch die Erkrankung des Angeklagten bedingte Haftempfindlichkeit sowie den Umstand, dass die vorliegende Verurteilung angesichts der zwischenzeitlich in Italien verbüßten Haftstrafe aufgrund Verurteilungen in Italien eine besondere Härte für den Angeklagten darstellt, bei der konkreten Strafzumessung umfassend abgewogen.
Nach Gesamtabwägung dieser Umstände hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren 8 Monaten für tat- und schuldangemessen.
G) Kein Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK, die eine Kompensation erforderlich gemacht hätte, konnte die Kammer nach Gesamtwürdigung aller Umstände nicht feststellen, zumal der lange Zeitablauf zwischen Tat und Verurteilung darauf zurückzuführen ist, dass der Angeklagte Deutschland kurz nach der Tat verlassen hat, erst im Jahr 2018 in Italien festgenommen werden konnte und letztlich zehn Monate später ausgeliefert wurde. Diese Umstände liegen jedoch nicht in der Sphäre der deutschen Justiz und stellen keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar. Es verbleibt damit bei der erfolgten strafmildernden Berücksichtigung des nunmehr langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil im Rahmen des § 46 StGB.
H) Anrechnung der Auslieferungshaft
Die von dem Angeklagten in Italien erlittene Auslieferungshaft war im Verhältnis 1:1 anzurechnen. Aufgrund der nach den Angaben des Angeklagten bestehenden Umstände der Untersuchungshaft in Italien hinsichtlich der Verpflegung, des zur Verfügung stehenden Platzes, der hygienischen Verhältnisse, der Besuchs- und Telefonzeiten sowie der ärztlichen Versorgung hinsichtlich der Erkrankung des Angeklagten sieht die Kammer keinen Anlass, von der für EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich geltenden Anrechnungsquote abzuweichen, zumal eine besondere Beschwer des Angeklagten von diesem weder vorgetragen wurde noch ersichtlich ist.
I) Einziehung
Das Gericht hat hinsichtlich des Angeklagten die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 6.000 EUR gemäß §§ 73, 73 c StGB angeordnet, welcher als Wertersatz einzuziehen war.
Dieser Betrag stellt den von DM in EUR umgerechneten festgestellten Wert des erbeuteten Fahrzeugs VW Golf III dar. Ausweislich der glaubhaften Aussage des Zeugen F. betrug der Wert des Fahrzeugs, dessen Schlüssel der Angeklagte unter Vorhalt des Messers von dem Geschädigten F. erhalten hat, zum Zeitpunkt des Kaufs wenige Monate vor der Tat 13.000 DM. Die Kammer hat somit einen Abschlag aufgrund Wertverlust von 1.000 DM gemacht und den Wert des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt auf noch 12.000 DM geschätzt. Aufgrund der glaubhaften Ausführungen der Zeugen KOK A., PHM M. und der Zeugin M. – untermauert durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder des völlig zerstörten Fahrzeugs – steht fest, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tat mit dem Pkw einen Unfall verursachte, der zum Totalschaden führte, so dass eine Einziehung des Fahrzeugs selbst nicht mehr möglich ist.
J) Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 StPO.