Aktenzeichen 11 Ns 412 Js 45500/15
StrEG § 5 Abs. 2 S. 1, § 8 Abs. 3
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 54, § 55, § 133 Abs. 1, § 136 Abs. 1
Leitsatz
1. Auch bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter handelt es sich um einen “Amtsträger” im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, mit der Folge, dass bereits dieser eine “dienstliche Beschlagnahme” (§ 136 Abs. 1 StGB) vornehmen bzw. ein “dienstliches Verwahrungsverhältnis” (§ 133 Abs. 1 StGB) begründen kann. (Rn. 16)
2. Im Fall der Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist die im Ausgangsverfahren erlittene Untersuchungshaft in entsprechender Anwendung von § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB in vollem Umfang auf eine im Bezugsverfahren rechtskräftig erkannte Strafe anzurechnen, wenn die Verbindung beider Verfahren nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 StPO möglich gewesen wäre. Eine solche Anrechnung “verfahrensfremder” Untersuchungshaft ist im Tenor des Einstellungsbeschlusses deklaratorisch auszusprechen. (Rn. 19)
3. Besteht die genannte “Anrechnungslage”, ist ein etwaiger Entschädigungsanspruch nach den Vorschriften des StrEG wegen des Grundsatzes des Vorrangs der Anrechnung von Untersuchungshaft ausgeschlossen, soweit die Anrechnung im Einzelfall reicht. (Rn. 20)
Verfahrensgang
412 Js 45500/15 2016-09-26 Urt AGNUERNBERG AG Nürnberg
Tenor
I. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird das Verfahren 11 Ns 412 Js 45500/15 mit Rücksicht auf die gegen den Angeklagten im Verfahren 3 KLs 503 Js 371/14 rechtskräftig erkannte Strafe gemäß § 154 Abs. 2 StPO i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt.
II. Die vom Angeklagten im Verfahren 11 Ns 412 Js 45500/15 erlittene Untersuchungshaft ist auf die im Verfahren 3 KLs 503 Js 371/14 erkannte Strafe anzurechnen.
III. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 26.09.2016 in Ziffer 3. des Tenors zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
„Es wird festgestellt, dass dem Angeklagten Entschädigung nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz für die Durchsuchung der Räume in der N.str. … und der L.str. … in N. zu versagen ist.“
IV. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
V. Die Kosten des Strafverfahrens und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
VI. Die ausscheidbaren Kosten des Beschwerdeverfahrens nebst notwendiger Auslagen trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth legt dem Angeklagten und Beschwerdeführer (im Folgenden: Angeklagter) mit (berichtigter) Anklageschrift vom 18.01.2016 – zusammengefasst – zur Last, am 14./15.05.2015 unter Mitwirkung weiterer unbekannt gebliebener Personen aus Lagerräumen der C. GmbH (Rechtsnachfolgerin der Y. GmbH & Co. KG) in der N.straße … in N. Büroausstattungs-Gegenstände im Anschaffungswert von insgesamt 217.162,19 € (Fortführungswert: 75.455,00 €; Liquidationswert: 29.837,00 €) entwendet zu haben. Die Gegenstände seien, wie der Angeklagte gewusst habe, am Vortag (13.05.2015) durch den vorläufigen Insolvenzverwalter der C. GmbH, Rechtsanwalt Dr. D., sichergestellt worden. Der Angeklagte habe die zu diesem Zweck vom vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasste separate Verrieglung der Türen gewaltsam aufgebrochen, sei in die Lagerräume eingebrochen und habe die Büroausstattungs-Gegenstände „in von ihm über seine Firmen angemietete“ Lager- und Büroräume in der N.straße … und der L.straße .. in (jeweils) N. verbracht, um sie für sich oder eines seiner (weiteren) Unternehmen zu verwenden oder um die Gegenstände zu veräußern. Hinsichtlich dieses (hier sog.) 1. Tatkomplexes beschuldigt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten des Diebstahls im besonders schweren Fall (§ 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 StGB).
Darüber hinaus (hier sog. 2. Tatkomplex) legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in der genannten Anklageschrift zur Last, einen von der D. GmbH darlehensfinanzierten Pkw … unterschlagen zu haben (§ 246 StGB). Der Angeklagte habe das Fahrzeug mit einem Restwert von 21.600,00 € trotz Kündigung des Darlehensvertrags und Rückforderung des Pkws durch die … Bank AG (Sicherungseigentümerin) seit 09.03.2015 eigenmächtig für sich behalten und dem ehemaligen Geschäftsführer der S. GmbH (…) im Nachgang als Dienstwagen überlassen. Das Fahrzeug habe erst am 03.08.2015 am Sitz der D. GmbH in H. sichergestellt werden können.
Im Zuge der Ermittlungen zum 1. Tatkomplex wurden die Lager- und Büroräume in der N.straße … und der L.straße … in N. am 05.08.2015 auf Grundlage von Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts – Ermittlungsrichter – Nürnberg vom 04.08.2015 durchsucht. Dort konnten die vom bzw. auf Veranlassung des Angeklagten fortgeschafften Gegenstände weitestgehend wieder aufgefunden werden.
Der Angeklagte befand sich in dieser Sache in der Zeit vom 06.08.2015 bis 21.12.2015 und vom 20.01.2016 bis 29.07.2016 wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Der mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 21.12.2015 – trotz eines kurz zuvor (mittels am 01.12.2015 beschlagnahmten Briefs) unternommenen Verdunkelungsversuchs – außer Vollzug gesetzte Haftbefehl musste am 20.01.2016 wegen einer bereits für den 23.01.2016 in die Wege geleiteten Flucht des Angeklagten … wieder in Vollzug gesetzt werden. Im unmittelbaren Anschluss an die Aufhebung des Haftbefehls (29.07.2016) befand sich der Angeklagte im Bezugsverfahren 503 Js 371/14 in Untersuchungshaft (Überhaft).
Das Amtsgericht – Schöffengericht – Nürnberg hat den Angeklagten mit Urteil vom 26.09.2016 hinsichtlich des 1. Tatkomplexes wegen Diebstahls im besonders schweren Fall zur Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dem war eine – vom Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 15.09.2016 vorgenommene – Beschränkung der Verfolgung gemäß „§ 154a Abs. 2 StPO“ vorausgegangen, die sämtliche Büroausstattungs-Gegenstände erfasste, „soweit es sich nicht um Gegenstände handelt, die mit ‘Einbauküchenmöbel’ und ‘sechs Gartenstühle alu’ bezeichnet sind“. Vom Vorwurf der Unterschlagung (2. Tatkomplex) hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich nicht davon habe überzeugen können, dass dieser mit dem erforderlichen Zueignungswillen bzw., gar, mit „Zueignungsabsicht“ gehandelt habe. Außerdem hat das Amtsgericht festgestellt, dass dem Angeklagten für die im hiesigen Verfahren erlittene Untersuchungshaft sowie für die Durchsuchung der Räume in der N.straße … und in der L.straße … in N. eine Entschädigung nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz (im Folgenden: StrEG) zu versagen ist.
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft (jeweils fristgerecht und unbeschränkt) Berufung eingelegt. Darüber hinaus wendet sich der Angeklagte mit der (gleichfalls fristgerechten) sofortigen Beschwerde gegen die „ausdrückliche Versagung von Haftentschädigung“. Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist begründet worden; der Angeklagte hat weder seine Berufung noch die sofortige Beschwerde begründet.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Angeklagten nicht abgeholfen.
Mit Beschluss vom 29.06.2017 hat der damalige stellvertretende Vorsitzende der erkennenden Berufungskammer eine Selbstanzeige (§ 30 StPO) der hauptamtlichen Vorsitzenden der 11. Strafkammer vom 22.11.2016 für begründet erklärt.
Zwischenzeitlich wurde der Angeklagte mit Urteil der Berufungskammer vom 07.07.2017 in anderer Sache (Az.: 11 Ns 507 Js 1367/12) wegen „Steuerhinterziehung in drei Fällen“ zur Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung sie zur Bewährung ausgesetzt hat. Dieses Urteil ist seit 21.12.2017 rechtskräftig.
Mit Urteil der 3. (großen Wirtschafts-)Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18.01.2018 (Az.: 3 KLs 503 Js 371/14) wurde der Angeklagte zuletzt – unter Einbeziehung der Verurteilung im Verfahren 11 Ns 507 Js 1367/12 – wegen Untreue in zehn Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Jenes Urteil ist seit 30.08.2018 rechtskräftig.
Vor dem Hintergrund dieser Vorverurteilungen hat die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 03.09.2018 bzw. 28.09.2018 beantragt, das vorliegende Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO einzustellen.
II.
Dem Antrag der Staatsanwaltschaft, das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Rücksicht auf die gegen den Angeklagten im Verfahren 3 KLs 503 Js 371/14 rechtskräftig erkannte Gesamtfreiheitsstrafe einzustellen, war stattzugeben, weil die Strafen, die der Angeklagte im Falle einer Verurteilung wegen der hier verfahrensgegenständlichen Taten zu erwarten hat, zu einer voraussichtlich nicht beträchtlich ins Gewicht fallenden Erhöhung der im Bezugsverfahren ausgeworfenen Gesamtfreiheitsstrafe führen würden (dazu unter 1.). Ausgehend davon war (deklaratorisch) festzustellen, dass die im vorliegenden Verfahren erlittene Untersuchungshaft in entsprechender Anwendung von § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf die im Verfahren 3 KLs 503 Js 371/14 erkannte Strafe anzurechnen ist (dazu unter 2.).
Die gemäß § 8 Abs. 3 StrEG i.V.m. § 311 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat – abgesehen von der durch das Berufungsgericht (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO) zur Klarstellung vorgenommenen Neufassung von Ziffer 3. des Tenors der Vorentscheidung – im Ergebnis keinen Erfolg. Sie musste in der Sache als unbegründet zurückgewiesen werden, weil die amtsgerichtliche Feststellung, dem Angeklagten sei eine Entschädigung nach dem StrEG zu versagen, insoweit gegenstandslos geworden ist, als eine (vollständige) Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft auf die im Verfahren 3 KLs 503 Js 371/14 erkannte Strafe erfolgt (dazu unter 3.a). Eine Entschädigung für die Durchsuchungsmaßnahmen ist (unbeschadet der weiteren Fragen nach einer evtl. Beschränkung der sofortigen Beschwerde auf die Versagung von Haftentschädigung sowie der Entschädigungsberechtigung des Angeklagten) jedenfalls gemäß § 5 Abs. 2 StrEG ausgeschlossen, weil der Angeklagte diese Strafverfolgungsmaßnahmen durch sein Handeln am 14./15.05.2015 mindestens grob fahrlässig selbst verursacht hat (dazu unter 3.b).
1. Vorliegend stehen in beiden Tatkomplexen Strafen zu erwarten, die mit Blick auf die damit zu erzielende Einwirkung auf den Angeklagten und das Ziel der Verteidigung der Rechtsordnung nicht mehr beträchtlich ins Gewicht fielen. Die wegen der zur Aburteilung anstehenden Taten im Verurteilungsfall insgesamt neu zu bildende Gesamtstrafe (§§ 54, 55 StGB) würde sich – unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Vorverurteilungen – im Vergleich zur bisherigen Gesamtstrafe (7 Jahre und 4 Monate Gesamtfreiheitsstrafe) aller Voraussicht nach nur noch unwesentlich erhöhen (vgl. zu diesen Parametern Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 154 Rn. 7 f.).
a) Im 1. Tatkomplex hat die Vorinstanz – nach umfangreichen Verfolgungsbeschränkungen – am 26.09.2016 (also vor bereits über zwei Jahren) eine nur geringfügig über dem gesetzlichen Mindeststrafmaß (3 Monate) liegende Freiheitsstrafe von 6 Monaten ausgeurteilt. Diese (in Bezug auf das Mindeststrafmaß) vergleichsweise geringe Einzelstraferwartung wäre in der Berufungsinstanz mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr signifikant übertroffen worden. Zwar wäre es möglich gewesen, die vom Amtsgericht aus dem Verfahren ausgeschiedenen Teile der Tat vom 14./15.05.2015 in der Berufungsinstanz wieder in das Verfahren einzubeziehen (vgl. § 154a Abs. 3 Satz 1 StPO; Beulke, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 154a Rn. 33). Ein solches Vorgehen wäre hier durchaus naheliegend gewesen, weil eine strafrechtliche Verfolgung – auch – der Wegnahme der übrigen Büroausstattungs-Gegenstände unter dem Gesichtspunkt des Verwahrungs- und/oder Verstrickungsbruchs (§ 133 Abs. 1, § 136 Abs. 1 StGB) in Betracht kommt.
Anders als die Vergehen des Diebstahls (§ 242 StGB), der Schuldnerbegünstigung (§ 283d StGB) und der Pfandkehr (§ 289 StGB) kommt es für diese Tatbestände nicht auf die – nach Auffassung der Vorinstanz nur noch schwer aufklärbare – Eigentumslage an jedem einzelnen Gegenstand an. Hinzu tritt, dass es sich (auch) bei einem („nur“ vorläufigen) Insolvenzverwalter um einen „Amtsträger“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB handelt (vgl. Brand, DZWIR 2008, 318, unter V.; ebenso Radkte, in: MüKo-StGB, 3. Aufl., § 11 Rn. 64; dem zuneigend LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15.11.2012 – 5/26 KLs 7640 Js 208746/10, juris, unter V.), mit der Folge, dass jener eine „dienstliche Beschlagnahme“ vornehmen resp. ein „dienstliches Verwahrungsverhältnis“ im Sinne der genannten Strafvorschriften begründen konnte (s. dazu aus dem insolvenzrechtlichen Schrifttum auch Haarmeyer, in: MüKo-InsO, 3. Aufl., § 22 Rn. 45, Fn. 182: „Mit der Beschlagnahme des schuldnerischen Unternehmens greift bereits der Schutz des § 136 Abs. 1 StGB“). Allerdings wären dem bei der Strafzumessung (trotz § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB) die hinter dem deutlich engeren Strafrahmen des Verwahrungs- bzw. Verstrickungsbruchs (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bzw. bis zu einem Jahr) stehende gesetzgeberische Unrechtsgewichtung sowie, im Besonderen, die inzwischen aufgelaufene lange Gesamtverfahrensdauer gegenüberzustellen gewesen. Zudem konnten Büroausstattungs-Gegenstände relativ zeitnah und auch „weitestgehend“ in die Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters zurück überführt werden.
b) Auch im 2. Tatkomplex wäre es – bei vorläufiger Beurteilung nach der Aktenlage – zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung des Freispruchs und zur Verurteilung des Angeklagten wegen Unterschlagung gekommen. Dies liegt schon darin begründet, dass das Amtsgericht seine freisprechende Entscheidung zum Teil damit gerechtfertigt hat, eine „Zueignungsabsicht“ des Angeklagten sei nicht nachweisbar gewesen (unter V.2.e). Der Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) setzt indes, anders als derjenige des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB), im Subjektiven keine wie auch immer geartete überschießende Innentendenz („Absicht“) voraus; vielmehr genügte insofern ein „einfacher“ (i.S.v. mindestens bedingt vorsätzlich gefasster) Zueignungswille (allg.M., vgl. – statt vieler – Hohmann, in: MüKo-StGB, 3. Aufl., § 246 Rn. 48 m.w.N.). Dies vorausgesetzt, ließen die vom Amtsgericht unter V.2.e bb der angefochtenen Entscheidung aufgezählten Indizien eine Überzeugungsbildung zum Vorliegen des erforderlichen Zueignungswillens des Angeklagten durchaus als möglich erscheinen (§ 261 StPO). Diese (wiederum vorläufige) Bewertung wird durch die von der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufungsbegründung zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Urt. v. 08.07.1974 – 2 Ss 141/74, NJW 1974, 2326, unter III.1.b) zusätzlich gestützt.
Gleichwohl wäre angesichts dessen, dass der Pkw nach überschaubarer Zeit sichergestellt werden konnte, sowie wegen der langen Dauer des Strafverfahrens im Verurteilungsfall auch insofern keine Einzelstrafe zu erwarten gewesen, die – für sich gesehen oder in Kumulation mit einer im 1. Tatkomplex ausgeworfenen Einzelstrafe – zu einer wesentlichen Erhöhung der aktuell gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe geführt hätte.
2. Im Fall der Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft in entsprechender Anwendung von § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB in vollem Umfang auf die im Bezugsverfahren 3 KLs 503 Js 371/14 rechtskräftig erkannte Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen, wenn – wie hier – die Verbindung beider Verfahren nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 StPO möglich gewesen wäre (gleichfalls allg.M., vgl. u.a. KG, Beschl. v. 06.03.1998 – 4 Ws 44/98, StV 1998, 562; OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.03.1990 – Ws 327/90, NStZ 1990, 406; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 51 Rn. 6b; Kunz, in: MüKo-StPO, Bd. 3/2, 1. Aufl., § 2 StrEG Rn. 35, jew. m.w.N.). Eine solche Anrechnung „verfahrensfremder“ Untersuchungshaft ist, weil sie auf einer Analogie zu § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB beruht, im Tenor des Einstellungsbeschlusses deklaratorisch abzubilden (anders für den Fall der direkten Anwendung von § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB: BGH, Beschl. v. 07.04.1994 – 1 StR 166/94, NStZ 1994, 335; Fischer, a.a.O., § 51 Rn. 22). Für eine (wiederum analoge) Anwendung von § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB (ausnahmsweises Unterbleiben der Anrechnung) bestand vorliegend kein Anlass. Insbesondere hätte eine solche Anordnung nicht auf den Fluchtversuch des Angeklagten im Januar 2016 gestützt werden können, weil dadurch keine Verfahrensverschleppung herbeigeführt worden ist (vgl. Fischer, a.a.O., § 51 Rn. 11 a.E.).
3. a) Soweit sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde gegen den Ausspruch des Amtsgerichts wendet, ihm (dem Angeklagten) sei eine Entschädigung für die erlittene (über sechs Monate hinausgehende) Untersuchungshaft zu versagen, geht das Rechtsmittel aufgrund des Grundsatzes des Vorrangs der Anrechnung von Untersuchungshaft ins Leere (grdlg. dazu Kunz, a.a.O., § 2 StrEG Rn. 35 f. m. zahlr. weit. Nachw.). Die angegriffene Feststellung ist wegen der vollständigen Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Vollzugsstrafe im Verfahren 3 KLs 503 Js 371/14 gegenstandslos geworden (s. bereits unter 2.) und war daher – klarstellend – aus der amtsgerichtlichen Entscheidungsformel zu tilgen. Zu dem von der Vorinstanz mit Blick auf den Fluchtversuch des Angeklagten zur Anwendung gebrachten Entschädigungs-Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG brauchte folglich in diesem Punkt keine Stellung mehr bezogen werden.
b) Hinsichtlich der beiden Durchsuchungsmaßnahmen lässt die (im Ergebnis richtige) Entscheidung des Amtsgerichts zwar eine konkrete Begründung für die Versagung einer Entschädigung nach dem StrEG vermissen. Im amtsgerichtlichen Urteil bleibt sogar offen, ob der Angeklagte Inhaber sämtlicher durchsuchter Räumlichkeiten war oder ob diese – wie in der Anklageschrift formuliert – möglicherweise allesamt von (ggf. vom Angeklagten geführten) juristischen Personen angemietet waren (nach § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 StrEG stünde nur dem Angeklagten ein evtl. Entschädigungsanspruch zu; drittbetroffene juristische Personen wären zur Geltendmachung etwaiger auf die Durchsuchungsmaßnahmen zurückzuführender Schäden auf den Zivilrechtsweg verwiesen, vgl. Schmitt, a.a.O., Vorbem. zum StrEG, Rn. 2; § 2 StrEG Rn. 7; ausf. zum Ganzen Kunz, a.a.O., Einl. StrEG Rn. 36 ff.). Das Gericht brauchte indes auch diese Frage nicht weiter zu vertiefen. Denn der Angeklagte hat die Durchsuchungen der damals zumindest in seinem Einflussbereich stehenden Räumlichkeiten durch das (objektiv „unstreitige“, da u.a. durch Videoaufzeichnungen festgehaltene) Einbruchsgeschehen am 14./15.05.2015 jedenfalls grob fahrlässig selbst verursacht, was – unterstellt, er wäre im vorgenannten Sinne überhaupt entschädigungsberechtigt – zu einem gänzlichen Entschädigungs-Ausschluss nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG führte (und damit auch eine ohnedies erst nachrangig zu prüfende Billigkeitsentschädigung nach § 3 StrEG ausschlösse, vgl. Kunz, a.a.O., § 3 StrEG Rn. 6). Zu einer – damit erfolgten – Ergänzung der Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung war das erkennende Gericht im Rahmen der ihm (auch) im Verfahren der sofortigen Beschwerde zustehenden eigenen Sachentscheidungskompetenz befugt (vgl. dazu Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 309 Rn. 4).
Mit Blick darauf, dass der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG insoweit ganz offensichtlich eingreift und der Tenor des Amtsgerichts mit Ausnahme der Tilgung der Feststellung zur Versagung von Haftentschädigung inhaltlich unangetastet geblieben ist, bedurfte es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegebenenfalls von vornherein auf die „ausdrückliche Versagung von Haftentschädigung“ beschränkt war. Die allein vorgenommene Ergänzung um die Ortsbezeichnung „in N.“ war unabhängig von einer solchen (etwaigen) Beschränkung der sofortigen Beschwerde zulässig, weil es sich dabei lediglich um eine den Inhalt des vorinstanzlichen Ausspruchs unberührt lassende Klarstellung handelt, die den Angeklagten nicht (weitergehend) beschwert.
4. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Strafverfahrens beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 4 StPO (Absehen von der Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten) hat das Gericht – trotz Fortbestehens eines hinreichenden Tatverdachts (s. unter 1.a und b) – im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums angesichts der langen Verfahrensdauer keinen Gebrauch (mehr) gemacht.
Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens stützt sich die Kostenentscheidung auf eine entsprechende Anwendung von § 473 Abs. 1 StPO. Mit der klarstellenden Tenorberichtigung sowie der Ergänzung der Begründung der Vorentscheidung war kein Teilerfolg in der Sache verbunden.