Aktenzeichen M 7 S 17.4490
BJagdG § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1 S. 1
StGB § 11 Abs. 2, § 315c Abs. 3 Nr. 1
Leitsatz
1 Da es sich bei der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination des § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB um eine vorsätzliche Tat handelt (§ 11 Abs. 2 StGB), erfüllt die Verurteilung wegen dieses Delikts den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die in der Regel gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG anzunehmende Unzuverlässigkeit kommt es allein auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Delikte an. Die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG erfordert daher keine Prüfung der Behörde, ob der Betroffene die Straftat tatsächlich begangen hat. Die Behörde darf sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Sonderfall, in dem die Behörde ihrer Entscheidung die strafgerichtlichen Feststellungen nicht zugrunde legen darf, liegt etwa vor, wenn für sie ohne Weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (ebenso BVerwG BeckRS 1992, 31227444). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4 Dass eine Strafe im Mindestbereich des Rahmens angesiedelt ist, den § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG fordert, rechtfertigt nicht ohne Weiteres eine Abweichung von der Regelvermutung dieser Vorschrift. Vielmehr sind bei der Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet werden kann, nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen, wenn sie die abgeurteilten Verfehlungen ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sind. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.250 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Widerruf einer auf ihn ausgestellten Waffenbesitzkarte und die Einziehung seines Jagdscheins.
Der Antragsteller ist Inhaber einer Waffenbesitzkarte (Nr. … vom 2.10.1974), in die laut Antragsgegnerin zwei Lang- und eine Kurzwaffe eingetragen sind. Zudem ist auf ihn ein Jagdschein (Nr. … vom 7.6.2011) ausgestellt.
Mit seit 30. März 2017 rechtskräftigem Strafbefehl vom 19. Januar 2017 (Az. 1 Cs 53 Js 38241/16) verhängte das Amtsgericht Ebersberg gegen den Antragsteller wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3 Nr. 1 Strafgesetzbuch – StGB – eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen in Höhe von jeweils 40 Euro. Laut Strafbefehl überholte der Antragsteller trotz Gegenverkehrs ein vor ihm fahrendes LKW-Anhänger-Gespann, wobei er davon ausging, dass der Gegenverkehr so weit nach rechts fahren würde, dass er zwischen diesem und dem LKW hindurchfahren kann. Dabei kollidierte der Seitenspiegel des Antragstellers mit dem des entgegenkommenden PKWs. Der Antragsteller hat daher im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt beziehungsweise fuhr sonst bei Überholvorgängen falsch und hat dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Dem Strafbefehl folgend handelte der Antragsteller dabei vorsätzlich und verursachte die Gefahr fahrlässig.
Anlässlich einer Regelüberprüfung gemäß § 4 Abs. 3 Waffengesetz – WaffG – erlangte die Waffenbehörde der Antragsgegnerin (im Folgenden: Waffenbehörde) Kenntnis vom gegen den Antragsteller ausgesprochenen Strafbefehl und hörte ihn dazu mit Schreiben vom 20. Juli 2017 an. Dem Antragsteller wurde eröffnet, dass man aufgrund des Strafbefehls beabsichtige, ihm seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse zu entziehen.
Mit Schriftsatz vom 9. August 2017 äußerten sich dazu die bereits im Verwaltungsverfahren bestellten Bevollmächtigten des Antragstellers. Eine Entziehung der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse sei nicht gerechtfertigt. Die im Strafbefehl vorgenommene Einschätzung der Staatsanwaltschaft, der Antragsteller habe vorsätzlich gehandelt, sei falsch, dies entspreche nicht dem tatsächlichen Geschehensablauf. Daher sei der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nicht erfüllt. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass es sich um einen Grenzfall handle, da genau 60 Tagessätze verhängt worden seien.
Mit Bescheid vom 10. August 2017 erklärte die Waffenbehörde den Jagdschein des Antragstellers für ungültig und zog ihn ein (Nr. I.1 des Bescheids). Weiter widerrief sie die Waffenbesitzkarte des Antragstellers (Nr. I.2) und forderte diesen auf, seine Waffen sowie zugehörige Munition innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies der Antragsgegnerin nachzuweisen, ansonsten würden nach Fristablauf Waffen und Munition sichergestellt (Nr. I.3). Der Antragsteller wurde weiter verpflichtet, die „in Ziff. I.1 genannte Waffenbesitzkarte“ binnen sechs Wochen nach Bescheidszustellung bei der Antragsgegnerin abzugeben (Nr. I.4). Die Anordnungen unter
Nrn. I.1, I.3 und I.4 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Nr. I.5). Für den Fall, dass der Antragsteller den Jagdschein oder die Waffenbesitzkarte nicht rechtzeitig zurückgibt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro je Erlaubnisdokument angedroht (Nr. I.6). Es wurden Gebühren in Höhe von 200 Euro und Auslagen in Höhe von 2,19 Euro gegenüber dem Antragsteller festgesetzt (Nr. I.7).
Die Ungültigerklärung sowie Einziehung des Jagdscheins und den Widerruf der Waffenbesitzkarte begründete die Waffenbehörde mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG i.V.m. § 18 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2 Bundesjagdgesetz – BJagdG – beziehungsweise § 45 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG. Aus der Verurteilung des Antragstellers zu 60 Tagessätzen wegen einer vorsätzlichen Straftat ergebe sich seine waffenrechtliche und damit auch jagdrechtliche Unzuverlässigkeit. Gründe für ein Abweichen von der Regelvermutung seien nicht erkennbar. Von der Richtigkeit des Strafbefehls sei mangels entgegenstehender, als solches für die Waffenbehörde ohne weiteres erkennbarer Indizien auszugehen. Im Übrigen wäre bei einer fahrlässigen Begehung § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c [wohl gemeint: b] einschlägig. Die Anordnung in Nr. I.3 des Bescheids beruhe auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Rechtsgrundlage für „die Verfügungen unter Ziff. I.4 dieses Bescheids“ seien „§ 52 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – in Bezug auf den Jagdschein sowie § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG hinsichtlich der Rückgabe der Waffenbesitzkarte. Der angeordnete Sofortvollzug der Nrn. I.1, I.3 und I.4 rechtfertige sich angesichts des öffentlichen Interesses, dass die getroffenen Anordnungen schon vor einer unter Umständen erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam werden sollten. Daher sei zur Durchsetzung auch die Androhung eines Zwangsgeldes gemäß Art. 29 ff. Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG – notwendig gewesen. Die erhobenen Gebühren ergäben sich aus den einschlägigen Kostenvorschriften. Im Einzelnen bzw. ergänzend wird insoweit auf die Begründung des Bescheids vom 10. August 2017 verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 4. September 2017 erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers Klage (Az. M 7 K 17.4179) gegen den Bescheid vom 10. August 2017 und beantragten am 19. September 2017 außerdem,
die aufschiebende Wirkung der o.g. Klage wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde mit Schriftsätzen vom 22. November 2017 und 16. Januar 2018 die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragene Argumentation vertieft. Der mit dem Strafbefehl geahndete Unfall basiere auf einer fehlerhaften Einschätzung der Verkehrssituation durch den Antragsteller. Da es sich nicht um einen vorsätzlichen Verstoß gehandelt habe, könne daraus nicht auf die Unzuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen werden. Schon angesichts der geringen Tagessatzanzahl sei die Verurteilung wegen einer Vorsatztat eher ein Versehen. Jedenfalls sei die Regelvermutung aber vorliegend durch die Sachlage widerlegt. Der Antragsteller sei ein unbescholtener Bürger. Es sei eine erhebliche Überspannung des Zulässigkeitsbegriffs, wenn jede fahrlässige Handlungsweise im Straßenverkehr gleich als Unzuverlässigkeit gelte. Trotz der Überschrift des 28. Abschnitts des Strafgesetzbuches würden nicht alle darin vorkommenden Delikte eine Gemeingefahr voraussetzen, so dass daraus kein Rückschluss auf die Zuverlässigkeit gezogen werden könne.
Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen, und verteidigte ihren Bescheid. Ob die abgeurteilte Tat vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sei, spiele wegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b WaffG letztendlich keine Rolle. § 315c StGB sei aufgrund seiner Zuordnung zum 28. Abschnitt des Strafgesetzbuches eine gemeingefährliche Straftat. Ein Abweichen von der Regelvermutung wegen der Art des Vergehens sei nicht angemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren, im Verfahren M 7 K 17.4179 sowie die vorgelegte Behördenakte ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist nach §§ 122 Abs. 1, 88, 86 Abs. 3 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB sachdienlich dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren M 7 K 17.4179 bezüglich der
Nrn. I.2, I.6 und I.7 des Bescheids vom 10. August 2017 angeordnet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 WaffG und i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 VwGO) und bezüglich der Nrn. I.1, I.3. und I.4 wiederhergestellt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 3 VwGO) werden soll.
2. Der so zu verstehende Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich beziehungsweise mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 10. August 2017 rechtmäßig ist und die Rechte des Antragstellers nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Hauptsacheklage ist daher voraussichtlich erfolglos.
2.1 Die in Nr. I.1 des Bescheids vom 10. August 2017 vorgenommene Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheins sowie der in Nr. I.2 angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarte sind rechtmäßig.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BJagdG ist die (Jagd-)Behörde in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheines begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheines eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekanntwerden. Ebenso hat nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG die zuständige (Waffen-)Behörde eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend also die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
Eine waffenrechtliche Erlaubnis i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG und ein Jagdschein i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BJagdG sind nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG i.V.m.
§ 5 WaffG bzw. im Umkehrschluss zu § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG u.a. zu versagen, wenn eine Person nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzt (vgl. zur Versagung bzw. Einziehung eines Jagdscheins i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BJagdG aufgrund waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit auch BayVGH, B. v. 29.4.2016 – 21 CS 16.169 – juris Rn. 10 und BayVGH, B.v. 11.5.2009 – 21 CS 09.520 – a.a.O. Rn. 4).
Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergibt sich vorliegend aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG bzw. § 17 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a BJagdG. Der Antragsteller wurde 2017 rechtskräftig wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Strafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Die vorliegend gewählte Verurteilung in Form der sog. „Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination“ des § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB ist nach § 11 Abs. 2 StGB als vorsätzliche Tat zu behandeln (vgl. dazu auch BGH, B.v. 16.4.2012 – 4 StR 45/12 – juris Rn. 4), so dass der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG erfüllt ist. Der Vortrag der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass dieser fahrlässig und nicht vorsätzlich agiert habe, führt zu keiner anderen Bewertung. Das Gesetz stellt für die in der Regel anzunehmende Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Straftaten ab. Die Anwendung des gesetzlichen Tatbestandes erfordert daher keine Prüfung der Behörde und folglich auch nicht des erkennenden Gerichts, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat. Indem es eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt, will das Gesetz sichern, dass die behördliche Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auf tragfähiger Grundlage erfolgt. Das gerichtliche Strafverfahren, in dem der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und im Zweifel zugunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, bietet dafür eine besondere Gewähr. Daraus folgt, dass sich die Behörde auch auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen darf. Sie darf grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (BVerwG, B. v. 22.4.1992 – 1 B 61/92 – juris Rn. 6). Der Strafbefehl wurde laut Vortrag der Bevollmächtigten des Antragstellers in einem Einspruchstermin nochmals einer Prüfung unterzogen und daraufhin der Einspruch zurückgenommen. Ein Irrtum hinsichtlich Sachverhalt oder strafrechtlicher Bewertung ist vorliegend nicht, insbesondere nicht ohne weiteres, erkennbar – zumal § 315c StGB nicht eine gesteigerte Vorsatzform wie etwa Absicht fordert, sondern auch den Eventualvorsatz umfasst.
Ebenso wenig ist ein Abweichen von der Regelvermutung angezeigt. Zwar entspricht die Strafe von 60 Tagessätzen gerade noch dem Rahmen, den § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG insoweit fordertt. Allein dass die Strafe in diesem „Mindestbereich“ angesiedelt ist, rechtfertigt aber ausweislich der Gesetzessystematik nicht ohne weiteres eine Abweichung. Vielmehr sind bei der Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet werden könnte, nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen, so sie die abgeurteilten Verfehlungen ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen lassen könnten, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sind. Dabei ist die Schwere der konkreten Verfehlung zu würdigen, zum Beispiel dahin, ob sie lediglich Bagatellcharakter hat sowie die Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BayVGH, B.v. 11.5.2009 – a.a.O. Rn. 4 m.w.N.). Die Tat des Antragstellers hat weder Bagatellcharakter, noch erscheint sie aufgrund von Besonderheiten in seinem Verhalten in einem milderen Licht. Im Gegenteil hat der Antragsteller durch sein rücksichtsloses Überholmanöver deutlich aufgezeigt, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter ausgehen, zu sorglos umgeht. Auch dass sein krass verkehrswidriges Verhalten nun im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wieder relativiert und als weniger gravierend hingestellt wird, spricht eher für mangelndes Problem- und Gefahrenbewusstsein. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind aber nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dass der Antragsteller – wie vorgetragen – in der Vergangenheit straf- oder waffenrechtlich nicht auffällig wurde, ändert daran nichts (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 11.5.2009 – a.a.O. Rn. 6).
Die Antragstellerin hat Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins sowie Widerruf der Waffenbesitzkarte daher zu Recht auf die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG gestützt (bzgl. des Jagdbeschein i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG) – und eine Ausnahme verneint. Ob § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG bei insgesamt bloß fahrlässigem Verhalten des Antragstellers „alternativ“ einschlägig wäre, braucht daher nicht näher erörtert zu werden, weil dies nicht dem vorliegenden, strafrechtlich bereits rechtkräftig festgestellten Sachverhalt entspricht. Zudem wäre dann fraglich, ob das Strafgericht bei Annahme (nur) von Fahrlässigkeit die Strafe ebenfalls mit 60 Tagessätzen bemessen hätte.
§ 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG und § 18 Satz 1 BJagdG räumen der Waffen- und Jagdbehörde bei Vorliegen eines Versagungsgrunds – also u.a. der fehlenden Zuverlässigkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a WaffG/ § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG) – keinerlei Ermessen ein, so dass schon deshalb kein Ermessensfehler vorliegen kann. Die Ungültigerklärung und Einziehung sowie der Widerruf sind schließlich auch nicht unverhältnismäßig.
2.2 Vor diesem Hintergrund sind auch keine Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der Nrn. I.3, I.5 bis I.7 des Bescheids vom 10. August 2017 erkennbar oder vorgetragen. Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nrn I.1, I.3 und I.4 des Bescheids vom 10. August 2017 unter Verweis auf das hohe öffentliche Sicherheitsinteresse im Bereich des Waffen- und Jagdrechts den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet (vgl. zu den – nicht zu hoch anzusetzenden – Anforderungen im Einzelnen Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Unschädlich ist zudem auch, dass in Nr. I.4 des Bescheids vom 10. August 2017 von der „in Ziff. I.1 genannte[n] Waffenbesitzkarte“ die Rede ist. In Zusammenschau mit der Begründung zu Nr. I.4 und dem Tenor der Nr. I.6, welcher von der Rückgabe von Jagdschein und Waffenbesitzkarte spricht, kann ein objektiver Betrachter (Empfänger) die Anordnung in Nr. I.4 nur so verstehen, dass sowohl der in Nr. I.1 eingezogene Jagdschein als auch die in Nr. I.2 widerrufene Waffenbesitzkarte bei der Antragsgegnerin abzugeben sind. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. I.6 ist daher ebenso rechtmäßig wie die Kostenerhebung in Nr. I.7; insoweit wird ergänzend auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
2.3 Da die Erfolgsaussichten der Hauptsache gering sind, überwiegt das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der entsprechenden Anordnungen im Bescheid vom 10. August 2017 das private Interesse des Antragstellers am (vorläufigen) Behalten-Dürfen seiner Erlaubnisse. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte, die in eine etwaig ergänzende Interessenabwägung einzustellen wären, sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 1.5, 20.3 und 50.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.