Aktenzeichen 333 OWi 125 Js 9560/16
Leitsatz
1 Für die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Rechtsanwalts in einem Bußgeldverfahren sind die vom Bundesgerichtshof für Zivilprozesse entwickelten Grundsätze zu § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO anzuwenden (im Anschluss an LG Potsdam BeckRS 2013, 11050). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Kriterium der Notwendigkeit im Sinne des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ist für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind, da sich der Mandant auch eines bezirksansässigen Anwalts im äußeren Bereich hätte bedienen können (im Anschluss an LG Düsseldorf BeckRS 2015, 00035). Die fehlende Notwendigkeit führt nur zur Versagung der “Mehrkosten”, nicht aber zum grundsätzlichen Entfallen der Ersatzfähigkeit (im Anschluss an OLG Köln BeckRS 2009, 27812). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
333 OWi 125 Js 9560/16 2017-01-20 Urt AGASCHAFFENBURG AG Aschaffenburg
Tenor
Der Erinnerung der Betroffenen, eingelegt vom Wahlverteidiger Rechtsanwalt P. am 17.03.2017, gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg-Zweigstelle Alzenau vom 09.03.2017, wird insoweit antragsgemäß abgeholfen, dass Reisekosten in Höhe des beantragten Umfangs von insgesamt 20,40 € des Rechtsanwalts, sowie Fahrtkosten der Betroffenen in Höhe von 16,00 €, wie auch des Abwesenheitsgeldes des Rechtsanwaltes in Höhe von 50,00 € zu erstatten sind.
Gründe
I.
Zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen des freigesprochenen Betroffenen, die nach der Auslagenentscheidung im amtsgerichtlichen Urteil die Staatskasse zu tragen hat, zählen grundsätzlich die Kosten für die Fahrt des Betroffenen zum Verhandlungstermin und zurück (vgl. Meyer-Großner, Strafprozessordnung, 57. Auflage 2014, § 464a, Rd.Nr. 15 m.w.N.). Wegen der Höhe der Entschädigung findet § 5 JVEG über §§ 46 Abs. 1 OWiG, 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO entsprechende Anwendung (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 57. Auflage 2014, § 464a, Rd.Nr. 15 m.w.N.). Die Betroffene, deren persönliches Erscheinen angeordnet war, reiste von ihrem Wohnort in … zur Hauptverhandlung bzw. Fortsetzung der Hauptverhandlung an. Die Betroffene hat ebenfalls einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten des Wahlverteidigers in der beantragten Höhe von 20,40 €.
1. Ausgangspunkt für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Rechtsanwalts in einem Bußgeldverfahren ist gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG. Demnach gehören zu den notwendigen Auslagen des Betroffenen auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Reisekosten eines Rechtsanwalts, der – wie hier – nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, sind gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Beurteilung der Notwendigkeit im Sinne dieser Vorschrift sind die vom BGH für Zivilprozesse entwickelten Grundsätze auch auf das Bußgeldverfahren anzuwenden (vgl. LG Potsdam, Beschluss vom 22.02.2013 – 24 Qs 177/12, Juris). Nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die Reisekosten eines bezirksansässigen Rechtsanwalts stets, die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch lediglich insoweit erstattungsfähig, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Um eine Schlechterstellung von außerhalb des bezirksansässigen Rechtsanwälten zu vermeiden, welche vom Gesetzgeber auch nicht intendiert war (vgl. BT-Druck S 15/1971, 233) ist das Kriterium der Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind, da sich der Mandant auch eines bezirksansässigen Anwalts im äußeren Bereich hätte bedienen können (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 6 O 455/11, Juris; Herget in Zöller, 31. Auflage, § 91, Rd.Nr. 13 „Reisekosten des Anwalts“). Aus Sicht des Gerichts können diese auch nicht mit dem Argument versagt werden, dass die Beauftragung eines nicht bezirksansässigen Wahlverteidigers vorliegend mit Blick für die Verteidigung nicht notwendig waren, da vorliegend ein geringes Bußgeld im Raum stand und es weder um Punkte noch ein Fahrverbot ging. Denn die fehlende Notwendigkeit führt nur zur Versagung der „Mehrkosten“ die durch die Beauftragung eines nicht bezirksansässigen Rechtsanwalts gegenüber einem bezirksansässigen Rechtsanwalt entstanden sind, nicht jedoch zum grundsätzlichen Entfallen der Ersatzfähigkeit (vgl. I.E. OLG Köln, NStZ-RR 2010, 31).
2. Vorliegend liegt die Maximalentfernung zwischen dem Gerichtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Gemeinde deutlich oberhalb der seitens des Verteidigers geltend gemachten Entfernung von Rodenbach zum Gerichtsort, weswegen die Fahrtkosten antragsgemäß zu erstatten sind. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Fahrtkosten des Verteidigers als Obergrenze fungieren, wenn die Entfernung seines Kanzleisitzes zum Gerichtsort geringer ist als die Maximalentfernung zwischen Gerichtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Gemeinde (vgl. LG Heilbronn, Beschluss vom 21.10.2016, Aktenzeichen 8 Qs 31/16, Juris). Nach Nummer 7003 WRVG sind die Fahrtkosten für jeden gefahrenen Kilometer für den Verteidiger mit 0,30 € anzusetzen.
III.
Unter Berücksichtigung der plausiblen Fahrtzeit sowie der Dauer der jeweiligen Hauptverhandlung war dem Verteidiger ein Tages- und Abwesenheitsgeld (für nicht mehr als 4 Stunden Dauer) gemäß Nr. 7005 WRVG in Höhe von 25,00 € zu erstatten. Es fanden 2 Termine statt, so dass 2 x 25,00 €, insgesamt 50,00 € erstattet verlange werden können. Bei den 25,00 € handelt es sich um den niedrigsten Wert, der einen Zeitraum von bis zu 4 Stunden abdeckt. Auch vor dem Hintergrund einer fiktiven Berechnung war daher auch keine Kürzung veranlasst, da die Fahrzeit des nicht ortsansässigen Wahlverteidigers jedenfalls nicht länger ist als die Fahrzeit zwischen Gerichtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Gemeinde. Ergänzend wird auf die obrigen Ausführungen unter Ziffer II. verwiesen.