Aktenzeichen 16b D 14.2351
StGB § 21, § 263 Abs. 1
BBG § 77 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsatz
Die Zurückstufung eines Polizeiobermeisters der Bundespolizei und nicht die Entfernung aus dem Dienst ist das angemessene Disziplinarmaß, wenn er – neben weiteren Verstößen – wegen betrügerischer Versteigerung von Handys auf Ebay in 22 Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt wurde, ihm aber „in dubio pro reo“ der anerkannte Milderungsgrund einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit infolge einer depressiven Erkrankung mit Verlust der Steuerungsfähigkeit zu gute kommt und er diese negative Lebensphase endgültig überwunden hat. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Juli 2010 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7 BBesO) versetzt.
III.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Wegen des von den Beteiligten erteilten Einverständnisses kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (vgl. zur Zulässigkeit des Verfahrens nach § 101 Abs. 2 VwGO über § 3 BDG: Urban, Bundesdisziplinargesetz, 2011, § 66 Rn. 4; einschränkend: Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juli 2016, § 66 Rn. 26 und Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 6. Aufl. 2016, § 66 Rn. 1; vgl. zum Verlust eines etwaigen Rügerechts durch Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung: BVerwG, B. v. 18.12.2007 – 2 B 113/07 – juris Rn. 8).
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als der Beklagte nicht, wie vom Verwaltungsgericht ausgesprochen, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, sondern in das Amt des Polizeimeisters zurückzustufen ist (§ 9 BDG).
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind vom Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.
2. Der Senat geht von folgenden Feststellungen aus:
2.1 Mit den über eBay getätigten Handyversteigerungen hat der Beklagte den Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB erfüllt. Gemäß § 65 Abs. 1, § 57 Abs. 2 BDG legt der Senat die tatsächlichen Feststellungen des seit 24. Februar 2009 rechtskräftigen Strafbefehls vom 3. Februar 2009 zugrunde. Danach hat der Beklagte im Zeitraum vom 15. Mai 2008 bis 28. Mai 2008 über eBay in 22 Fällen Handys versteigert, obwohl er weder willens noch in der Lage war, diese Handys auch zu liefern. Er versteigerte im Zeitraum zwischen dem 29. April und dem 6. Mai 2008 bereits einige Handys, wobei er mindestens bei drei Handys im Rahmen der Auktionen den Einstandspreis für diese Geräte, der ihm von der Firma … in Rechnung gestellt wurde, nicht erzielte. Dennoch versteigerte der Beklagte in der Folgezeit weitere Handys, die er selbst noch nicht in seinem Besitz hatte, wobei er zumindest damit rechnete, dass er in der Folgezeit zur ordnungsgemäßen Lieferung der Handys nicht in der Lage sein würde. Er verwendete außerdem eingegangene Kaufpreiszahlungen für andere Zwecke und nicht dazu, bei seinem Lieferanten weitere Handys zu erwerben. Die jeweiligen Kunden des Beamten, die davon ausgingen, dass sie nach Überweisung auf das Konto des Beklagten alsbald die Handys geliefert bekommen würden, ließen sich täuschen und überwiesen die jeweiligen Kaufpreise. Der Beklagte lieferte in der Folgezeit in den im Strafbefehl aufgelisteten 22 Fällen die Handys entsprechend seiner vorgefassten Absicht nicht aus.
Der Beklagte hat die tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls vom 3. Februar 2009 nicht bestritten. Er handelte in Betrugsabsicht. Bei einigen der Versteigerungen, die vor dem 15. Mai 2008 durchgeführt wurden, wurden nicht die Preise erzielt, die er für die Geräte an seinen Lieferanten zahlen musste (z. B. Sony Ericsson 850 i, Einkaufspreis für den Beklagten: 217 Euro, versteigert am 29.4. an „…“ für 205,94 Euro; am 1.5. an „…“ für 198,23 Euro; Sony Ericsson 890 i, Einkaufspreis für Beklagten: 205 Euro, versteigert an „…“ am 29.4. für 202 Euro). Der Beklagte handelte schon deshalb in Betrugsabsicht, weil er nicht vorhatte, die Erlöse, die aufgrund der Versteigerungen auf seinem Konto eingingen, für den Ankauf der von ihm zu liefernden Handys zu verwenden. Denn er bestellte erst am 28. Mai 2008 einmal fünf und einmal vier Handys (vgl. Rechnungen der Firma … v. 28.5.2008 über 1.135,05 Euro u. v. 2.6.2008 über 869,05 Euro), während ausweislich seiner Kontoauszüge ab 2. Mai 2008 Versteigerungserlöse – fast täglich einer, an manchen Tagen sogar mehrere – auf seinem Konto eingingen. Diese Erlöse wurden jedoch, wie die Abbuchungen belegen, von ihm nicht zum umgehenden Ankauf der zu liefernden Handys, sondern für andere Zwecke verbraucht. Die Betrugsabsicht des Beklagten wird deshalb nicht dadurch widerlegt, dass er, wie er in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht erklärt hat, „gehofft“ habe, durch die eingehenden Kaufpreise für die versteigerten Handys die Geräte erwerben zu können. Der Beklagte hat im Ergebnis keine Gewinne erzielt – wie sich aus der Gegenüberstellung seiner Einkaufspreise und der Versteigerungserlöse für die einzelnen Geräte ergibt – und er hat nicht einmal zumindest alle eingehenden Erlöse zum Kauf der von ihm zu liefernden Handys verwendet. Das ausweislich des Strafbefehls viermal veräußerte Gerät Sony Ericsson 890 i kostete für den Beklagten im Einkauf (ohne Versandkosten) 205 Euro, es wurde ausweislich des Strafbefehls für 160,89 Euro, 141,01 Euro, 166,74 Euro und 151,52 Euro ersteigert. Ebenso wurde das Modell Sony Ericsson 850 i in allen im Strafbefehl aufgeführten Fällen unter dem Einkaufspreis des Beklagten (217 Euro) ersteigert, dasselbe gilt für das Nokia N 95 (Einkaufspreis: 284 Euro).
Der Beamte handelte schuldhaft, denn er handelte mit Wissen und Wollen, als er die Handyangebote zur Versteigerung ins Netz stellte, bei den Ersteigerern Irrtum darüber erregte, dass er ersteigerte Handys auch liefern würde und mit seiner Irrtumserregung die Entrichtung der Kaufpreise für die Handys verursachte, was den entsprechenden Schaden der jeweiligen Kunden zur Folge hatte. Der Beamte handelte also in voller Betrugsabsicht.
2.2 Den größten Teil der Handyversteigerungen wickelte der Beklagte über seinen eBay-account „…“ ab; als Kontaktadresse hatte der Beamte im streitbefangenen Zeitraum dort nicht seine Privatadresse, sondern die Adresse seiner Dienststelle (T. Str. …, … B.) angegeben mit der Folge, dass die Dienststelle eine Vielzahl von Telefonanrufen und E-Mails der geschädigten Kunden des Beklagten erhielt, die Kontakt mit dem Beklagten aufnehmen wollten, weil sie bereits Zahlungen geleistet, die ersteigerten Handys jedoch nicht erhalten hatten. Die Beamten in der Dienststelle wurden durch die Anrufe von ihren originären Dienstaufgaben abgehalten, weil sie sich mit den Anfragen der Geschädigten befassen mussten. Die Geschädigten konnten durch die Anschriftangabe einen Bezug zur Polizei herstellen. So äußerte z. B. einer der Geschädigten gegenüber PHM R., dass seine größte Sorge gewesen sei, dass es sich bei den Geräten um von der Polizei sichergestellte Handys gehandelt haben könnte.
2.3 Dem Beklagten ist die Verwendung des eBay-Mitgliedsnamens „…“ vorzuwerfen, weil der Beamte auch unter dieser Bezeichnung, die seinem dienstlichen Funkrufnamen „…“ sehr ähnlich ist, Handyversteigerungen durchführte. Da die Namensgebung nur gering differiert, konnte auch insoweit über Suchmaschinen im Internet ein Bezug zur Polizei hergestellt werden.
2.4 Der Beklagte hat mehrere genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten ausgeübt, nämlich den Verkauf von Hundefutter ab November 2007, ferner den Verkauf von Welpen im Zeitraum Dezember 2007 bis Februar 2008 und im April/Mai 2008 die Handyversteigerungen über das Internet.
Eine – genehmigungspflichtige – Nebentätigkeit liegt vor bei der Übernahme einer gewerblichen Tätigkeit (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BBG a. F.), die auf Dauer angelegt ist oder nachhaltig ausgeübt wird (vgl. Weiß/Niedermaier/Summer, Bayerisches Beamtenrecht, Rn. 16 zu Art. 82 BayBG). Nebentätigkeit ist typischerweise auf Erwerb gerichtet; nicht erfasst werden reine Freizeitbetätigungen (vgl. Plog/Wiedow, BBG a. F., Rn. 14 und 15 vor § 64, Rn. 3, 4 und 6 zu § 65). Darauf, dass tatsächlich Gewinn erzielt wird, kommt es nicht an.
2.4.1 Die Handyversteigerungen sind bereits angesichts der Menge als gewerbliche Nebentätigkeit zu qualifizieren. Der Beamte hat im streitbefangenen Zeitraum über 80 Handys bei eBay eingestellt. Die Handyverkäufe sollten – nach der Vorstellung des Beklagten – Gewinne erbringen, waren also auf Gewinnerzielung ausgerichtet.
2.4.2 Der Hundefutterverkauf ist ebenfalls als gewerbliche Tätigkeit einzustufen. Auf der Internetseite „…“ bot der Beklagte seit 2007 Fleisch als Hundefutter an. Er benutzte dabei die Bezeichnung „Firma R.“ und spricht von seinem „Firmensitz“ in Tschechien. Im Internet befand sich eine ausführliche Preisliste sowie „Lieferbedingungen“ mit gestaffelten Transportgebühren für Mengen von 80 bis 400 kg (dabei lag die Mindestabnahme bei 80 kg; die Transportgebühr entfiel ab einer Menge von 401 kg). Hinsichtlich der (angeschuldigten) vier Auslieferungsfahrten ab November 2007 hat der Beklagte vorgetragen, dass es ihm darum ging, dadurch Kontakte zu Großzüchtern zu bekommen, um seine Kenntnisse über Doggenzucht zu vertiefen. Das Interesse des Beklagten an Kontakten mit Züchtern steht jedoch der Annahme einer gewerblich ausgeübten Nebentätigkeit nicht entgegen. Aus dem Futterangebot im Internet und den Internetausdrucken von Hunde- und Katzenbesitzern ergibt sich zweifelsfrei, dass der Beklagte sein Futter an jedermann verkaufen wollte. Er benutzte einen eigenen (unter Eigentumsvorbehalt gekauften) Transporterkühlwagen für die Auslieferungsfahrten, der eine maximale Ladekapazität von 1000 kg hatte, wobei der Beklagte pro Tour ca. 500 kg Fleisch auslieferte.
2.4.3 Der Beklagte hat zunächst zehn Doggenwelpen aus einem Wurf vom Dezember 2007 über das Internet zu einem Preis von jeweils 1360 Euro auf seiner Website „…“ angeboten. Er hat außerdem einen weiteren -geplanten – Wurf im Jahr 2009 angekündigt. Der Beklagte bezeichnete sich als Züchter seit 2007. Unter dem 8. Februar 2008 wurden dann sechs (wohl noch nicht verkaufte) Doggenwelpen zum Preis von jeweils 860 Euro angeboten. Der Beamte hielt im September 2007 (ausweislich seines Antrags auf Nebentätigkeit) fünf Doggen; im Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 gab er sechs Doggen an, die – wie er in diesem Schriftsatz (S. 9) vorträgt – alle zwei Jahre werfen. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2012 hat der Beklagte erläutert, dass der Futterbedarf pro Dogge täglich bei 2 bis 4 kg liegt und dass 1 kg Futter ca. 0,60 bis 0,70 Euro kostet. Für fünf Doggen errechnet sich auf der Basis von durchschnittlich 3 kg und einem Preis von durchschnittlich 0,65 Euro pro kg ein Bedarf von 450 kg pro Monat und folglich ein Kostenaufwand von 292 Euro (für sechs Doggen sind es 540 kg und ein Kostenaufwand von 350 Euro) im Monat. Der Senat vermag deshalb der Argumentation des Beklagten, es handle sich hier ein Hobby oder Liebhaberei, nicht zu folgen. Die Anzahl der Hunde, der laufende Aufwand allein für Futterkosten und der Auftritt auf der Internetseite belegen, ebenso wie die Erklärung des Beamten, dass er mit den vier Auslieferungsfahrten von Hundefutter im Jahr 2007 Kontakt zu Großzüchtern bekommen wollte, um seine Kenntnisse in der Doggenzucht zu verbessern, dass es sich um eine nachhaltig angelegte und auf Gewinnerzielung gerichtete Doggenzucht handelte, so dass hier von einer genehmigungsbedürftigen Nebentätigkeit auszugehen ist. Nicht entscheidungserheblich ist, wenn es dem Beklagten bisher nicht gelungen sein sollte, tatsächlich mit dem Verkauf von Welpen Gewinn zu erzielen. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es bei der beamtenrechtlichen Bewertung der Nebentätigkeit auch weder auf die Definition des Steuerrechts noch die Vorgaben eines Hundezüchterverbands an.
2.4.4 Hinsichtlich der diversen Stellenanzeigen im Internet geht der Senat von der – nicht widerlegbaren – Erklärung des Beklagten aus, dass es sich um Gefälligkeiten für eine nicht der deutschen Sprache mächtige Bekannte gehandelt habe. Die Klägerin hat dieser Erklärung nicht widersprochen. Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit den ausgeübten Tätigkeiten oder eine weitere eigenständige Nebentätigkeit haben sich für den Senat nicht ergeben.
Der Beklagte hat seine Nebentätigkeiten (Handel mit Handys und Hundefutter sowie Doggenzucht) ohne Genehmigung ausgeübt. Er wusste, dass er für Nebentätigkeiten, die auf Gewinnerzielung gerichtet sind, eine Genehmigung benötigt, denn er hatte mit Antrag vom 3. September 2007, der am 8. Oktober 2007 bei der Bundespolizeiinspektion B. einging, eine Genehmigung für den „Verkauf von Hundenahrung“ beantragt. Dem Beamten war aufgrund regelmäßiger jährlicher Belehrungen (die auch im Jahr 2007 erfolgten) bekannt, dass er eine Nebentätigkeit erst nach Genehmigungserteilung beginnen durfte.
Der Beklagte verübte das innerdienstliche Dienstvergehen der Ausübung genehmigungsbedürftiger, aber nicht genehmigter Nebentätigkeiten somit vorsätzlich.
2.5 Ein Dienstvergehen wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst im Zeitraum vom 31. Januar bis 2. Februar 2009 und vom 5. April bis 14. Mai 2009 (§ 73 Abs. 1 Satz 1 BBG in der bis 11.2.2009 geltenden Fassung; gleichlautend § 96 BBG in der ab 12.2.2009 geltenden Fassung) ist dem Beklagten nicht anzulasten. Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst im Sinne dieser Vorschriften setzt voraus, dass der Beamte nicht zum Dienst erscheint, obwohl er dienstfähig ist. Das Erfordernis der Dienst-fähigkeit während der Abwesenheit stellt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG a. F., § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG n. F. dar. Solange ein Beamter nicht dienstfähig ist, ist er von der Dienstleistungspflicht entbunden, weil er sie nicht erfüllen kann. Dienstunfähig ist der Beamte, wenn er aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands außer Stande ist, den ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben nachzukommen (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.2007 – 2 A 3/05 – juris Rn. 33).
Der Beklagte war in den streitbefangenen Zeiträumen nicht dienstfähig. Der Senat legt hierzu das von ihm als schlüssig und überzeugend erachtete Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. vom 22. April 2013 zugrunde, das zu dem Ergebnis kommt, dass der Beklagte in den genannten Zeiträumen dienstunfähig war, weil er in diesen Zeiträumen an einem schweren depressiven Syndrom litt.
3. Durch die dem Beklagten zur Last gelegten Taten hat er ein einheitliches schwerwiegendes Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 BBG in der bis 11.2.2009 geltenden Fassung) begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Maßgeblich ist jeweils die Sach- und Rechtslage im Tatzeitraum, der sich vom Zeitraum November 2007 bis Mai 2008 erstreckt.
Im Rahmen der über eBay durchgeführten Handyversteigerungen hat der Beklagte in 22 Fällen Handys versteigert, die er den jeweiligen Käufern nicht lieferte, obwohl diese den Kaufpreis an ihn entrichteten. Bei diesen Betrugsfällen handelt es sich um ein außerdienstliches Dienstvergehen. Das wesentliche Unterscheidungsmoment zu einer Qualifizierung als innerdienstlich ist funktionaler Natur. Entscheidend für die Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit. Ist eine solche Einordnung nicht möglich – insbesondere wenn sich das Handeln als das Verhalten einer Privatperson darstellt -, ist es als außerdienstliches Verhalten zu qualifizieren (vgl. BVerwG v. 25.8.2009 – 1 D 1/08 – juris Rn. 54; BayVGH v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 115). Das ist hier der Fall. Aus dem Umstand, dass getäuschte Kunden bei der Dienststelle des Beklagten anriefen, ergibt sich -entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – keine abweichende Qualifizierung.
Das Verhalten des Beklagten außerhalb des Dienstes ist nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet, das Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a. F.). Der Beklagte verstieß gegen seine beamtenrechtliche Pflicht aus § 54 Satz 3 BBG a. F., auch außerhalb des Dienstes ein Verhalten zu zeigen, das der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf als Beamter der Bundespolizei erfordern. Ein Polizeibeamter, der außerdienstlich in einer Vielzahl von Fällen den Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) erfüllt, schadet dem Ansehen des Berufsbeamtentums, insbesondere wenn – wie hier – Geschädigte wegen der angegebenen dienstlichen Adresse herausfinden können, dass der Schädiger Polizeibeamter ist.
Der Beklagte verletzte damit vorsätzlich seine beamtenrechtliche Pflicht aus § 54 Satz 3 BBG a. F., denn er handelte bei den jeweiligen Betrugsfällen in Kenntnis aller Tatumstände und nahm den sich aus dem jeweiligen Betrug ergebenden Ansehensverlust zumindest billigend in Kauf. Dem Beklagten war auch die beamtenrechtliche Pflichtwidrigkeit seines Handelns bewusst (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, MatR I Rn. 34; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 6. Aufl. 2016, A I.4 Rn. 31, S. 87).
Wegen der Verwendung des eBay-Mitgliedsnamens „…“ bei den Handy-Versteigerungen, der seinem dienstlichen Funkrufnamen sehr ähnlich ist, ist zwar ein Bezug zur Polizei herstellbar, der Senat misst jedoch diesem Vorwurf nur geringes Gewicht bei, da es für den Durchschnittsverbraucher nicht naheliegend ist, von diesem Mitgliedsnamen auf einen – einer Geheimhaltungsstufe unterliegenden – polizeilichen Funkrufnamen zu schließen bzw. entsprechende Ermittlungen mit Hilfe des Internets anzustellen.
Mit der Wahrnehmung von mehreren genehmigungsbedürftigen Nebentätigkeiten (Handyversteigerungen, Verkauf von Hundefutter, Doggenzucht), hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 BBG a. F.) begangen, weil er Nebentätigkeiten ohne die gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 BBG a. F. erforderliche vorherige Genehmigung ausgeübt hat.
4. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BDG und führt bei einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände zur Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe (§ 9 BDG).
4.1 Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG. Die Disziplinarmaßnahme ist danach insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Aus § 13 Abs. 1 BDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme anhand einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 – 2 C 38/10 – juris Rn. 11).
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 16; B. v. 11.2.2014 – 2 B 37/23 – juris Rn. 10; B. v. 25.5.2012 – 2 B 133/11 – juris Rn. 9 m. w. N.), insbesondere nach den Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 – 2 C 59/07 – juris).
Setzt sich das Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2005 – 1 D 1/04 – ZBR 2005, 315 – juris Rn. 113). Das ist hier der außerdienstliche Betrug.
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert seines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung zum Umfang des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – ZBR 2016, 250 – juris Rn. 15).
Für die disziplinarrechtliche Ahndung von außergerichtlichen Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Dienstentfernung abzustellen (vgl. BVerwG, B. v. 23.1.2014 – 2 B 52/13 – juris Rn. 8 ).
Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Delikte, die – wie gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftaten – angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens – nach oben wie nach unten – unter Berücksichtigung alle be- und entlastenden Umstände offen sein. Ein wie immer gearteter Schematismus verbietet sich hier in besonderer Weise (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – ZBR 2016, 250 – juris Rn. 17 m. w. N.).
Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Fall einer außerdienstlich begangenen Straftat auf einer zweiten Stufe zunächst indiziell auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – ZBR 2016, 250 – juris Rn. 18). Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht (vgl. BVerwG, B. v. 5.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 13; U. v. 18.6.2015 – 2 C 9/14 – ZBR 2015, 422 – juris Rn. 38).
Bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme ist auch die besondere Stellung von Polizeibeamten zu berücksichtigen. Außerdienstlich begangene Vorsatzstraftaten führen hier angesichts der mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung regelmäßig zu einem mittelbaren Amtsbezug und damit auch zur Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen. Die mit § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG beabsichtigte Begrenzungswirkung für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtenverstöße kommt bei von Polizeibeamten begangenen Straftaten daher nur eingeschränkt zum Tragen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedeutung außerdienstlichen Verhaltens für das Disziplinarrecht einzuschränken, gilt indes auch für die Beamten dieser Ämter. Der außerdienstliche Charakter des Dienstvergehens muss daher auch bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden. Jedenfalls statusberührende Disziplinarmaßnahmen kommen deshalb nur bei schwerwiegenden Verfehlungen in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 18.6.2015 – 2 C 9/14 – ZBR 2015, 422 – juris Rn. 39).
Hier hat das Strafgericht wegen 22 tatmehrheitlich begangener Fälle des Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB eine Gesamtgeldstrafe von 10.500 € (150 Tagessätze à 70 €) verhängt. Die der Geldstrafe zugrunde liegende Zahl der Tagessätze liegt damit über der Bagatellgrenze des § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a BZRG (vgl. Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz, 5. Aufl. 2015, § 32 Rn. 28; Hase, Bundeszentralregistergesetz, 2. Aufl. 2014, § 32 Rn. 9). Nach dieser Bestimmung werden Geldstrafen von nicht mehr als neunzig Tagessätzen nicht in das Führungszeugnis aufgenommen, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist. Ob diese Vorschrift insoweit taugliche Orientierungsgrundlage sein kann, kann offen bleiben. Selbst wenn man davon ausginge, dass in allen Fällen einer Geldstrafe die Strafverfolgungsorgane nicht von einer besonderen Schwere der individuellen Schuld ausgehen und der Ausspruch einer statusverändernden Disziplinarmaßnahme deshalb einer besonderen Begründung zur Schwere der Verfehlung bedarf, so dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht kommt (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 38), lägen solche Umstände hier vor:
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls, die auch der Beklagte nicht bestritten hat, hat er in dem kurzen Zeitraum vom 15. bis 28. Mai 2008 in 22 Fällen ersteigerte und von den Ersteigerern bezahlte Handys (Zahlungszeitraum v. 16. bis 29.5.2008) nicht geliefert. Der Gesamtschaden aus 22 Fällen beläuft sich auf 4.328,81 Euro. Erschwerend ist die Anzahl der Betrugsfälle, die außerdem alle in dem äußerst kurzen Zeitraum von etwa zwei Wochen – teilweise mehrere an einem Tag – stattfanden, zu berücksichtigen. Erschwerend fällt besonders ins Gewicht, dass die Angabe der Postadresse der Dienststelle – als Kontaktanschrift bei eBay – durch die die geschädigten Kunden auch die Telefonnummer der Dienststelle herausfanden – erhebliche Auswirkungen auf die Dienststelle des Beklagten zur Folge hatte. So war eine Reihe von Kollegen mit Telefonanrufen und E-Mails enttäuschter und verärgerter Kunden des Beklagten beschäftigt, die aufgrund der Adressenangabe in der Dienststelle aufliefen, als der Beklagte selbst dort nicht anwesend war. Die Kollegen wurden dadurch von der Wahrnehmung ihrer eigentlichen Dienstaufgaben abgehalten und die Anrufer durften aus ihrer Sicht von einem Zusammenhang zwischen den Handyversteigerungen und der Polizei ausgehen, so dass das Ansehen der Bundespolizei bei den Anrufern und E-Mail-Absendern erheblichen Schaden nahm.
In Anbetracht des Gesamtschadens und der aufgeführten Erschwernisgründe wiegt dieser Teil des Dienstvergehens so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamten-verhältnis Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist.
Hinzu kommt, dass der Beklagte durch die Handyversteigerungen ungenehmigt eine Nebentätigkeit ausübte sowie weitere Nebentätigkeiten (Hundefutter- und Doggen-handel) ohne Genehmigung im Zeitraum von November 2007 bis Mai 2008 durch-führte. Dies stellt ein innerdienstliches Dienstvergehen dar. Der Beamte handelte in Kenntnis aller Tatumstände, denn er wusste aufgrund der jährlichen Belehrungen, dass jede Nebentätigkeit genehmigungsbedürftig war und dass er vor Erteilung einer solchen Genehmigung jedweden Nebentätigkeiten nicht nachgehen durfte. Er ver-letzte damit schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a. F.).
In Anbetracht des bereits dargestellten Umfangs und der Intensität der diversen aus-geübten Nebentätigkeiten kann dem Beamten auch nicht etwa – subjektiv – eine unzutreffende Parallelwertung in der Laiensphäre dahingehend, dass er von einem Hobby hätte ausgehen dürfen, zugutegehalten werden. Zumindest hinsichtlich des Hundefutterverkaufs war dem Beamten die Genehmigungsbedürftigkeit voll bewusst, da er diesbezüglich einen Antrag auf Genehmigung der Nebentätigkeit gestellt hatte.
Der Beamte hatte einen Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit am 3. September 2007 gestellt, der erst auf Sachstandsanfrage des Beklagten vom 11. März 2009 mit Schreiben der Bundespolizeidirektion vom 26. März 2009 (vorläufig abschlägig) verbeschieden wurde. Allerdings bezog sich der Antrag nur auf den Verkauf von Hundenahrung, nicht auf die anderen ausgeübten Nebentätigkeiten. Die Dauer des Verfahrens über die Genehmigung der Nebentätigkeit ist nicht geeignet, das Verhalten des Beklagten in einem milderen Licht zu betrachten. Es hätte dem Beamten oblegen, gegebenenfalls nochmals „nachzuhaken“. Der Beamte musste aufgrund der regelmäßigen jährlich wiederholten Belehrungen wissen, dass er keine genehmigungsbedürftige Nebentätigkeit ausüben durfte, solange eine entsprechende Genehmigung nicht förmlich erteilt war.
Demgegenüber hat die Verwendung des Mitgliedsnamens „…“ bei der Auktionsplattform eBay bei der Bemessung der Maßnahme keine eigenständige Bedeutung.
Ausgangspunkt der Erwägung für die Zumessung der Disziplinarmaßnahme bleibt damit die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG).
4.2 Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein – ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sog. „anerkannter“ Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen – auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit – Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 – 2 C 38/10 – juris Rn. 13).
Diese Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis außerdem alle für diese Einschätzung bedeutsamen belastenden und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Tathandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Entlastungsgründe sind nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 – 2 C 38/10 – juris Rn. 14 ff. m. w. N.). Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände (vgl. BVerwG, U. v. 6.6.2007 – 1 D 2.06 – juris). Bei schweren Dienstvergehen stellt sich dann vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist.
Hier bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass dem Beklagten der „anerkannte“ Milderungsgrund der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB zur Seite steht. Der Sachverständige Prof. Dr. W. kommt in seinem Gutachten vom 22. April 2013 zwar zu dem Ergebnis, dass die depressive Erkrankung des Beklagten bis etwa Mitte Juli 2008, also dem hier maßgeblichen Zeitraum, keinen Ausprägungsgrad erreichte, der die medizinischen Voraussetzungen des § 20 oder § 21 StGB erfüllt. Diese gutachterliche Einschätzung, auf die sich der Senat noch maßgeblich bei seinem Urteil vom 22. Oktober 2013 gestützt hat, kann aber nach dem Ergebnis der weiteren Aufklärung nach Anhörung des behandelnden Arztes, Dr. T., nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ keinen Bestand mehr haben. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T. berichtete in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2015, dass der Beklagte beim Erstkontakt am 11. Juni 2008 deutlich krank gewesen sei. Er sei bereits von seiner Hausärztin am 9. Juni 2008 für drei Wochen krankgeschrieben worden. Er gehe davon aus, dass die depressive Erkrankung bereits etwa vier Monate vor seinem Erstkontakt mit dem Beamten im Juni 2008 in schwerem Ausprägungsgrad bestanden habe, mithin auch im maßgeblichen Zeitraum April/Mai 2008. Diese Einschätzung ist plausibel, weil der sachverständige Zeuge im Rahmen der mündlichen Verhandlung das letztlich allein tragende Argument des gerichtlichen Sachverständigen, Prof. Dr. W., im hier zu beurteilenden konkreten Einzelfall widerlegen konnte. Prof. Dr. W. hat entscheidend darauf abgestellt, dass die geschäftlichen Aktionen im April und Mai 2008 nach seiner gutachterlichen Einschätzung nicht mit einem depressiven Antriebsverlust oder etwa einer depressiven formalen Denkstörung vereinbar seien. Laut Dr. T. sei im Falle des Beklagten hingegen die Depression nicht mit dem für die Erkrankung typischen Antriebsverlust verbunden gewesen. Dr. T. hat ausgeführt, dass der Beamte während des gesamten Behandlungszeitraums (Juni 2008 bis September 2013) nicht „lahmgelegt“ gewesen sei. Er sei sehr aktiv und kämpferisch gewesen. Er sei insbesondere durch seine Insolvenzverfahren belastet gewesen, habe sich aber trotzdem um seine Angelegenheiten gekümmert. Der Beklagte sei eher unruhig und von Verzweiflung getrieben gewesen. Er habe sich aber nicht zurückgezogen oder sei durch die Krankheit inaktiv gewesen.
Aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des sachverständigen Zeugen geht der Senat „in dubio pro reo“ daher davon aus, dass der Beklagte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Gegen die gutachterliche Einschätzung von Prof. Dr. W. spricht im konkreten Fall, dass er den Beklagten nur aus der Retrospektive, mehr als fünf Jahre nach dem maßgeblichen Zeitraum, hinsichtlich der Steuerungsfähigkeit beurteilen konnte, während Dr. T. unmittelbar nach dem streitbefangenen Zeitraum bereits im Juni 2008 Erstkontakt mit ihm hatte und zudem aufgrund der mehrjährigen Behandlung eigene und unmittelbare Erkenntnisse über das Verhalten des Beklagten während der (unstreitigen) Phase einer schweren Depression ab Juni 2008 gewinnen und entsprechende Rückschlüsse auf den Krankheitszustand zwei Monate zuvor ziehen konnte.
Liegt eine erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten im Sinne des § 21 StGB tatsächlich vor, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Bei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (vgl. BVerwG, B. v. 6.6.2013 – 2 B 50/12 – juris Rn. 10; B. v. 20.10.2011 – 2 B 61/10 – juris Rn. 9; U. v. 25.3.2010 – 2 C 83/08 – juris Rn. 34).
Vorliegend sind keine Erschwerungsgründe von solchem Gewicht gegeben, dass der „anerkannte“ Milderungsgrund erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit ausnahmsweise aufgewogen würde. Ein nicht bereits durch den Unrechtsgehalt des Delikts selbst gekennzeichneter Erschwerungsgrund ist nicht ersichtlich.
Der „anerkannte“ Milderungsgrund setzt aber voraus, dass die negative Lebensphase, die Ursache des Dienstvergehens war, zum Zeitpunkt der Bemessung der Disziplinarmaßnahme durch das Gericht vollständig überwunden ist (vgl. BVerwG, B. v. 22.3.2016 – 2 B 43/15 – juris Rn. 11 hinsichtlich „Entgleisungen während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“).
Das ist hier der Fall: Die Erkrankung des Beklagten konnte erfolgreich behandelt werden. Die Behandlung ist seit September 2013 abgeschlossen. Sein Zustand ist seit diesem Zeitpunkt beschwerdefrei. Das Insolvenzverfahren ist mittlerweile abgeschlossen.
Mit Blick auf die erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten während des Tatzeitraums und unter Berücksichtigung der Stabilisierung des Beamten nach der erfolgreichen Behandlung durch Dr. T. ist die Prognose zukünftiger ordnungsgemäßer Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt und damit das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten und die Ordnungsmäßigkeit seiner zukünftigen Aufgabenwahrnehmung – objektiv betrachtet – nicht endgültig verloren (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG). Der Beklagte ist daher nicht aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist die Zurückstufung des Beklagten nach § 9 BDG um eine Stufe angemessen, aber auch geboten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt (§ 69 BDG, § 132 Abs. 2 VwGO).