Strafrecht

Zurückstufung wegen Reue und der Aufdeckung der Straftat

Aktenzeichen  M 19L DK 17.242

Datum:
19.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 161891
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10, Art. 11, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 23 Abs. 2 S. 2., Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Hs. 1
WaffG § 52 Abs. 1 Nr. 2b
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3, § 36
StGB § 246 Abs. 1

 

Leitsatz

1.  Für die disziplinarrechtliche Ahndung einer innerdienstlichen Straftat mit einem Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Rn. 33). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Offenbarung ist durchaus geeignet, die Schwere der Tat zu mindern (Rn. 40). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird in das Amt eines Technischen Inspektors (Besoldungsgruppe A 9) zurückgestuft.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Gegen den Beklagten wird die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Technischen Inspektors (Besoldungsgruppe A 9) verhängt.
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Fehler auf. Insbesondere wurde die Personalvertretung auf Antrag des Beklagten ordnungsgemäß beteiligt. Außerdem können die Aussagen von PI S. vor dem Bayerischen Landeskriminalamt als Beschuldigter und vor dem Amtsgericht München als Angeklagter sowie die Aussage von EPHK Ko. vor dem Amtsgericht München als Zeuge den Vorwürfen gegen den Beklagten zu Grunde gelegt werden. Die Disziplinarbehörde kann von eigenen Ermittlungen absehen, wenn der Sachverhalt nach der Durchführung eines anderen gesetzlich geordneten Verfahrens geklärt ist (vgl. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG).
2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von dem Sachverhalt aus, der Gegenstand des seit 24. Juni 2016 rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts München vom 16. Juni 2016 ist.
Der Beklagte hat danach am oder kurz nach dem 18. Februar 2014 in seiner Funktion als Mitarbeiter der Poststelle ein Paket geöffnet, das an EPHK Ko. persönlich adressiert war und eine Pistole enthielt hat. Diese Waffe zeigte er PI S. und übergab sie ihm auch. Anschließend unternahm er nichts dagegen, dass dieser die Waffe für sich behielt und darüber wie ein Eigentümer verfügte. Er unterstützte diesen vielmehr, indem er ihm Stillschweigen zusicherte.
Dieser Sachverhalt steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1 BayDG für das Gericht bindend fest. Nach diesen Vorschriften sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im gerichtlichen Verfahren bindend. Die gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 10 f.; BayVGH, U.v. 21.12.2016 – 16a D 13.1335 – juris Rn. 86 ff.). Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie daher „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen im Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind (BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 21; B.v. 11.2.2014 – 2 B 37.12 – juris Rn. 38; BayVGH, U.v. 21.1.2015 – 16a D 13.1904 – juris Rn. 60).
Das Vorbringen des Beklagten, eine Stillschweigensabsprache mit PI S. habe nicht bestanden, begründet keinen Anlass für das Gericht, sich von der Bindungswirkung der Feststellungen des Strafurteils zu lösen. Pauschale Behauptungen oder bloßes Bestreiten genügen nicht für eine Lösung von den bindenden Feststellungen des Strafurteils (BayVGH, U.v. 21.1.2015 – 16a D 13.1904 – juris Rn. 61 f.). Das Gericht legt seiner Entscheidung daher zugrunde, dass eine Stillschweigensabsprache bestand.
Im Hinblick auf den feststehenden Sachverhalt sieht das Gericht das bloße Öffnen des Pakets durch den Beklagten als noch nicht disziplinarrechtlich relevant an. Er trägt insoweit vor, das Öffnen sei lediglich versehentlich geschehen. Als Mitarbeiter der Poststelle habe er routinemäßig alle Pakete geöffnet; mit einem privaten Paket in der Dienstpost habe er nicht gerechnet. Das Gericht hält diesen Vortrag für nachvollziehbar und zutreffend. Als Mitarbeiter der Poststelle war es dem Beklagten gestattet, die Vielzahl der eintreffenden Pakete routinemäßig zu öffnen. Es erscheint ohne weiteres möglich, dass sich unter diesen ein privat adressiertes Paket befunden hat. Mit den polizeiinternen Regelungen erscheint es zudem nicht vereinbar, dass sich EPHK Ko. die von ihm privat erworbene Pistole mit der Dienstpost zusenden ließ. Die Vertreterin des Klägers hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, es sei polizeiintern geregelt, dass private Gegenstände nicht mit der Dienstpost versendet würden; insgesamt dürfe die dienstliche Infrastruktur nicht zu Privatzwecken benutzt werden. Das bloße Versehen des Beklagten beim Öffnen des Pakets ist nicht disziplinarwürdig.
Als ebenfalls nicht disziplinarrechtlich relevant sieht das Gericht an, dass der Beklagte die aufgefundene Pistole seinem Kollegen PI S. gezeigt hat. Dieser war – nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten – dienstälter und erfahrener, so dass es durchaus zulässig erscheint, ihn in die Fragestellung einzubinden, wie weiter mit der Pistole zu verfahren ist.
Mit seinem weiteren Verhalten hat der Beklagte jedoch gegen seine Dienstpflichten verstoßen. Mit diesen ist es nicht vereinbar, dass er die Waffe PI S. gegeben und nichts dagegen unternommen hat, dass PI S. die Pistole für sich behalten und darüber wie ein Eigentümer verfügt hat. Dabei hat sich der Beklagte zudem keine Gedanken über die waffenrechtliche Berechtigung von PI S. gemacht. Dieser Umstand ist zwar – entgegen den Ausführungen des Klägers in der Disziplinarklage – nicht im Tatbestand des Strafurteils enthalten, ergibt sich aber aus der Aussage des Beklagten im Strafverfahren (Beschuldigtenvernehmung v. 10.7.2015, S. 4) und aus dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 27. Oktober 2016 im Disziplinarverfahren (Behördenakte Bl. 155). Weiter ist dem Beklagten vorzuwerfen, dass er PI S. Stillschweigen zusicherte.
Mit diesem Verhalten hat der Beklagte Beihilfe geleistet (vgl. §§ 27 Abs. 1, 49 Nr. 2 StGB) zum vorsätzlichen unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG) und zur Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB). § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG sieht dabei einen Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe vor, § 246 Abs. 1 StGB von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Im Hinblick auf die bloße Beihilfetat beträgt der jeweils nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB reduzierte Strafrahmen 3 Jahre 9 Monate bzw. 27 Monate.
3. Durch die dem Beklagten zur Last gelegte Tat hat er innerdienstlich ein Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
Durch sein Verhalten hat er gegen seine Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. den genannten strafrechtlichen Vorschriften), und seine Pflicht, sich seinem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), verstoßen.
Im vorliegenden Fall liegt ein innerdienstliches Fehlverhalten des Beklagten vor. Ein solches ist gegeben, weil das pflichtwidrige Verhalten in das Amt und die dienstlichen Pflichten des Beamten eingebunden war (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14; U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 11). Der Beklagte hat die Waffe hier während seines Dienstes und innerhalb seines dienstlichen Umfelds an seinen Kollegen weitergegeben.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte als Polizeibeamter Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen hat. Polizeibeamte genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Ls. 1 und Rn. 35 ff.; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Ls. 2 und Rn. 22 f.). Dieser Grundsatz gilt auch für den Beklagten, der er nicht im Polizeivollzugsdienst tätig war; das Vertrauen der Öffentlichkeit besteht in die Polizei als Ganzes.
4. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer. Im vorliegenden Fall ist der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) eröffnet.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach den Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73).
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung ist auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung zum Umfang des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Straftaten. Mit der Anknüpfung an die Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls. und Rn. 15).
Für die disziplinarrechtliche Ahndung einer innerdienstlichen Straftat mit einem Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 59). Damit ist hier im Hinblick auf den für die vorliegende Beihilfehandlung zum vorsätzlichen unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe reduzierten Strafrahmen von 3 Jahren und 9 Monaten (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG) der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet.
Bei dem vorliegenden innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls.). Unerheblich ist daher, dass das Amtsgericht München dem Beklagten lediglich eine Geldstrafe auferlegt hat.
Erschwerend wirkt sich hier zudem aus, dass der Beklagte die Straftat unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung begangen hat. Denn Dienstherr, Öffentlichkeit und betroffene Bürger müssen sich auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue von Polizeibeamten im Einsatz unbedingt verlassen können (BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 2 B 21.16 – juris Rn. 10 a.E.). Auch dieser Grundsatz gilt für den Beklagten ungeachtet des Umstands, dass er nicht im Polizeivollzugsdienst, sondern im Innendienst tätig war.
Zu beachten sind vorliegend ferner die Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat die Tat am 18. Februar 2014 und damit während der bis 27. Februar 2014 verlängerten Probezeit begangen. Dieser Umstand wirkt sich sehr erschwerend aus. Daneben hat er eine Straftat zum Nachteil eines Vorgesetzten begangen, der sich in der Vergangenheit für ihn und seinen Verbleib im öffentlichen Dienst eingesetzt hat. Ferner hat er die Waffe an seinen Kollegen weitergegeben, ohne sich Gedanken zu machen, was dieser damit vorhat. Der leichtfertige Umgang mit Waffen stellt wegen der damit verbundenen Gefahren stets ein ernstzunehmendes Dienstvergehen dar (BayVGH, B.v. 17.6.2013 – 16b DZ 09.1069 – juris Rn. 7).
5. Trotz all dieser Umstände hat der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren. Statt der Höchstmaßnahme ist hier wegen der vorliegenden Milderungsgründe die Zurückstufung um eine Stufe die angemessene und auch ausreichende Disziplinarmaßnahme.
Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein – ursprünglich zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sogenannter „anerkannter Milderungsgrund“ vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Die anerkannten Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis weiter alle für die Entscheidung bedeutsamen belastenden und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Bei schweren Dienstvergehen stellt sich vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 44 f.).
Der Milderungsgrund der persönlichkeitsfremden Augenblickstat (vgl. BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 14.755 – juris Rn. 48 f.) kann nicht für den Beklagten streiten, weil er hierfür nach der Unterschlagung der Waffe zu lange Stillschweigen gewahrt hat.
Maßgeblich zu seinen Gunsten spricht aber, dass die Straftat ohne sein Zutun und die Offenlegung des maßgeblichen Sachverhalts gegenüber TI H. am 9. Juli 2015 nicht aufgedeckt worden wäre. Allein das Verhalten des Beklagten und seine geständige Mitwirkung haben dazu geführt, dass die Straftat aufgedeckt und doch noch strafrechtlich verfolgt wurde. Anders als der Kläger meint ist auch die Offenbarung ca. eineinhalb Jahre nach dem Vorfall bei dieser Sachlage durchaus geeignet, die Schwere der Tat zu mindern.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass zu Lasten des Beklagten spricht, dass er wegen der bereits gegen ihn verhängten Geldbuße disziplinarisch vorbelastet ist, dass er in den vorliegenden Beurteilungen nur niedrige Ergebnisse erreicht hat und die beiden Persönlichkeitsbilder vom Mai 2016 überdies weder seine Leistungsfähigkeit noch -bereitschaft belegen.
Mit Blick auf die Aufdeckung der Tat und die Reue des Beklagten ist das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten und die Ordnungsgemäßheit seiner künftigen Aufgabenwahrnehmung hier jedoch noch nicht endgültig zerstört. Er ist daher nicht aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist vorliegend die Zurückstufung des Beklagten nach Art. 10 BayDG um eine Stufe angemessen, aber auch geboten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausspruch einer Zurückstufung um eine Stufe faktisch einer Zurückstufung um zwei Stufen gleichkommt. Das Polizeipräsidium München hat dem Beklagten mit Schreiben vom 12. Februar 2015 (Personalakt Unterordner B) mitgeteilt, dass er nach den geltenden Beförderungsrichtlinien der Bayerischen Polizei mit Wirkung vom 1. März 2015 zum technischen Amtmann ernannt werden könnte, die Beförderung aber wegen des laufenden Disziplinarverfahrens zurückgestellt werde. Da der Beklagte also ohne das vorliegende Disziplinarverfahren bereits in der Besoldungsgruppe A 11 eingruppiert wäre, entspricht die Zurückstufung in die Besoldungsgruppe A 9 einer Zurückstufung um zwei Stufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

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